Читать книгу Motte und Co Band 4: Die Insel der Drogenbande - Ulrich Renz - Страница 10

Sonne, Sand und Hängematte

Оглавление

„Sieht voll aus wie im Prospekt“, war JoJos erster Kommentar, als wir mit dem Bus vom Flughafen an der Ferienanlage angekommen waren.

Er hatte recht. Vor uns lagen blendend weiß gestrichene Häuschen, die sich um einen weitläufigen, mit roten Terracotta-Ziegeln belegten Platz gruppierten, der von Palmenbäumen beschattet wurde. In der Mitte waren zwei große türkisgrüne Swimmingpools, im Hintergrund glitzerte das Meer, und über allem lachte die Sonne vom blauen Himmel.

„Und, habe ich zu viel versprochen?“, sagte Mama mit einem glücklichen Seufzer und blinzelte mit den Augen.

Nachdem wir in der Empfangshalle eingecheckt hatten, wären wir am liebsten gleich zum Strand gezogen, aber nein – „Erst werden die Zelte aufgebaut!“, kam die Ansage von Papa.

Der Campingplatz lag etwas abseits vom Feriendorf auf einer Anhöhe über dem Meer. Man konnte ihn über einen gepflasterten Fußweg erreichen. Obwohl es nur zwei- oder dreihundert Meter waren, kamen wir in der Nachmittagshitze doch ziemlich ins Schwitzen. Papa zog eine Art Gestell mit zwei Rädern hinter sich her, auf das er das Monster-Zelt gespannt hatte, das es bei Aldi im Angebot gegeben hatte. Ich war ja mal gespannt, was da nachher zum Vorschein kommen würde. Angeblich ließ sich darin sogar ein Raum für Ute abtrennen. Das Zelt bestand laut Beschreibung aus „Hightech-Leichtbau-Materialien“, aber gefühlt wog es immer noch eine halbe Tonne.

Simon hatte auch ganz gut zu schleppen: er trug das Familienzelt, das uns die Böttgers netterweise geliehen hatten, und dazu noch vier Hängematten, die ebenfalls von Simons Familie stammten.

MM hatte nur eine Sporttasche dabei. Die meisten ihrer Sachen waren in Tatis großem Koffer, mit dem er in sein superschickes Appartement mit Balkon abgezogen war. In dem wohnte ja offiziell auch MM. Sie hatte Tati aber angebettelt, sie mit uns auf dem Campingplatz wohnen zu lassen, und er hatte tatsächlich zugestimmt – und dabei einen Finger auf den Mund gelegt.

Ute zog einen Rollkoffer in Pink hinter sich her, den sie sich von Melanie ausgeliehen hatte, und nörgelte über die Hitze.

JoJo hatte einen Rucksack auf, der mindestens so groß war wie er selber. Und genauso breit. Um den Inhalt machte er ein großes Geheimnis. „Meine Ausrüstung“ – mehr wollte er nicht verraten. Na ja, wir würden ja bald sehen.

Der Campingplatz bestand aus einer ziemlich vertrockneten Wiese, auf der einzelne Kiefern standen. Ich hatte eigentlich erwartet, dass er voll mit Zelten wäre, aber mehr als zehn waren nicht zu sehen, dazu zwei oder drei Wohnwagen und ein verrosteter VW-Bus. Offenbar war unser Finanzproblem nicht so weit verbreitet.

Wir wurden von einem dicken Griechen in Badelatschen in Empfang genommen, der so was wie der Platzwart sein musste. Er war ungefähr in Papas Alter und hatte keine Haare auf dem Kopf, dafür umso mehr in den Ohren. Er strahlte übers ganze Gesicht und bedeutete uns mit vielen Worten und Gesten, dass wir uns selber einen Platz aussuchen konnten.

Mama und Papa wollten ihren „Wohntempel“ (wie Papa das Aldi-Monster inzwischen getauft hatte) in der Nähe des Waschhauses aufbauen. Er lag originalverpackt zwischen den Kiefernzapfen. Papa suchte schon hektisch nach der Aufbauanleitung. Die Sache mit dem Wohntempel konnte aber noch ein bisschen dauern, Aufbauanleitung hin oder her. Papa ist nicht gerade für seine praktischen Fähigkeiten berühmt. Jedenfalls war das erste Problem, wie man das Zelt überhaupt aus der Verpackung rausbekam, noch lange nicht gelöst.

Ute saß maulend auf ihrem pinken Koffer und fand es „megabescheuert“, dass sie bei den Eltern schlafen sollte. „Die Jungs und MM haben ihr eigenes Lager und ich bin wieder die Kleine“, jammerte sie. „Bist du ja auch“, tröstete ich sie. Was ich mir aber besser verkniffen hätte. Sie konnte sich kaum mehr einkriegen.

Wir ließen sie zetern und machten uns auf die Suche nach einem guten Lagerplatz. Möglichst weit weg, soviel war schon einmal klar. Man braucht schließlich ein bisschen Privatleben, gerade in den Ferien.

„Hier und nirgendwo anders“, sagte JoJo, als wir am äußersten Ende angekommen waren, wo die Felsen anfingen, hinter denen das Meer lag. Es war wirklich der perfekte Platz: Auf der einen Seite hatten wir die Aussicht aufs Meer und zum Campingplatz hin waren wir durch eine Gruppe von Bäumchen und Gebüsch vor neugierigen Blicken geschützt.

Beim Aufbauen unseres Zelts war JoJo mal wieder ganz in seinem Element. Nicht etwa, dass er wirklich mit angepackt hätte – zu solchen niederen Tätigkeiten ließ er sich nicht herab. Nein, er musste Regie führen. Als Weltexperte für alles war er natürlich auch Weltexperte fürs Zelten.

„Vor allem muss man wissen, wo der Wind herkommt. Nichts ist in diesen Breiten fataler, als wenn man vergisst, die Windseite durch zusätzliche Heringe zu sichern.“

Als das Zelt stand, fing er an, in seinem Rucksack zu kramen, und brachte einen zusammenklappbaren Spaten hervor. Er bestand darauf, dass wir um das Zelt einen Graben ziehen. „Damit leiten wir das Wasser ab, wenn ein Wolkenbruch kommt. In diesen Breiten muss man mit allem rechnen.“

„So ein Spaten ist auf Expeditionen ein absolutes Muss“, dozierte er weiter. „Nicht nur für Wassergräben – auch wenn mal einer in der freien Natur muss. Man darf das nicht einfach liegenlassen, das zieht die wilden Tiere an. Die kommen in diesen Breiten zu Wasser, zu Land und zu Luft.“

„In diesen Breiten“ hatte es ihm offenbar angetan, keine Ahnung, woher er das hatte.

Als nächstes holte er einen Kompass hervor, mit dem er den Stand des Zeltes überprüfte. „Ausrichtung Ost-Nord-Ost, perfekt!“ Was er damit sagen wollte, ließ er aber offen.

Nach und nach kam dann zum Vorschein, was JoJo sonst noch im Rucksack hatte: ein Fernglas mit zwanzigfacher Vergrößerung, ein dreißigteiliges Multifunktionstool, und eine Taschenlampe, deren Kaliber vermuten ließ, dass man damit 300 Meter weit leuchten konnte. Alles vom Feinsten und Teuersten.

Ich bin einer der wenigen, die wissen, wo JoJo das Geld herhat. Jedenfalls nicht von irgendwelchen „erfolgreichen Aktienspekulationen“, mit denen er immer angibt, sondern von seinem Vater. Der war nach der Trennung von JoJos Mutter schon vor vielen Jahren mit einer anderen Frau nach Hamburg gezogen und JoJo hat ihn seither nicht wiedergesehen. Von Zeit zu Zeit schickt er einen Brief, in dem er sich in den immer gleichen Worten nach JoJo erkundigt und klagt, wie wenig Zeit er hat, dass er aber JoJo besuchen kommen wird, sobald er sein aktuelles Projekt abgeschlossen hat. Aber statt des Besuchs kommt dann immer dasselbe: eine wortreiche Entschuldigung und Geld. Viel Geld.

Wir waren, mit Ausnahme von JoJo, schweißgebadet, aber stolz, als unser Zelt endlich stand. Mit den Hängematten drum rum, die wir zwischen den Bäumchen aufgespannt hatten, sah es aus wie ein echtes Indianerlager.

JoJo sicherte den Eingang des Zelts mit mehreren Vorhängeschlössern, dann sagten wir unserem Lager Tschüss und zogen los, um bei Mama und Papa vorbeizuschauen.

Kaum zu glauben, der Tempel war aufgebaut! In voller Pracht, quietschgrün und noch größer und leider auch hässlicher, als ich gedacht hatte.

Im Schatten des Vordachs saß Papa auf einem Campingstuhl und schaute uns unglücklich an. Um seine rechte Hand hatte er einen dicken Verband. „Ich bin mit dem Zelt nicht ganz klargekommen“, sagte er mit einem matten Lächeln.

„Er wollte die Heringe mit einem Steinbrocken einklopfen. Beim ersten ist es passiert …“, seufzte Mama.

Offenbar hatte sie es ganz gut allein geschafft, das Zelt aufzubauen.

Nach einem kleinen Snack mit Wassermelonenschnitzen, die der nette Platzwart vorbeigebracht hatte, wollten wir uns gleich mal das „Dorf“ anschauen – so wurde die Ferienanlage im Prospekt genannt. Auf Mamas Befehl mussten wir Ute mitnehmen. Die verschwand erst einmal im Zelt, um sich mit ihrem Schminkköfferchen stadtfein zu machen. Und auch JoJo war noch nicht bereit. „Keine Expedition ohne geeignete Ausrüstung“, sagte er und stapfte zurück zu unserem Lager.

Als er wiederkam, war er kaum mehr wiederzuerkennen. MM stupste mich an und zischte mir „Nichts sagen!“ zu.

JoJo trug einen Ganzkörperanzug in Tarnfarbe, der voller Reißverschlüsse, Taschen und Schlaufen war, an denen Karabinerhaken und alle möglichen Gerätschaften befestigt waren. Auf dem Kopf hatte er einen überdimensionierten Sonnenhut mit Moskitonetz vorne über dem Gesicht und Nackenschutz hinten. Vor seinem Bauch baumelte das Riesenfernglas. Mit der Sonnenbrille mit blau metallic verspiegelten Gläsern, die unter dem Moskitovorhang hervorstrahlten, sah er aus wie ein durchgeknallter Außerirdischer.

Als dann auch Ute endlich wieder aufgetaucht war, in voller Kriegsbemalung, konnten wir uns auf den Weg ins Dorf machen. Alles war hübsch und nett und picobello sauber. Um die Pools saßen und lagen Leute auf ihren Liegestühlen, drum rum waren Restaurants, Bars und Cafés mit leuchtend blauen Sonnenschirmen davor. Es wimmelte von Kellnern und Kellnerinnen in weißer Uniform, die sogar Gäste auf den Liegestühlen am Schwimmbad mit Säften und Cocktails versorgten. MM hatte uns erzählt, dass die Clubgäste mit den gelben Bändern am Handgelenk alles „inklusive“ bekämen, also für Frühstück, Mittagessen und Abendessen und alle Getränke nicht extra bezahlen müssten. Aber am Urlaubsende dafür eine dicke Rechnung bekämen. Wir vom Campingplatz hatten beim Einchecken grüne Bändchen erhalten, mit denen wir abends im Restaurant so viel essen durften wie wir wollten. MM und Tati hatten blaue Bändchen und bekamen damit Frühstück, Abendessen und Getränke in den Cafés und Bars. Und was das Genialste war: Die mit den blauen Bändchen durften sich jederzeit an der Eistruhe bedienen, die im Eingangsbereich der Cocktailbar stand.

Und genau dort standen wir nun und hatten ein Problem.

„Ich kann da doch nicht einfach reingehen und mir fünf Packungen Eis nehmen“, sagte MM mit einem gequälten Lächeln.

„Kommt sicher nicht so gut“, sagte Simon und grinste.

JoJo meinte großspurig „Wo ist das Problem?“, aber mir wäre es auch peinlich gewesen. Leider hatten wir keine Chance, MMs blaues Bändchen reihum weiterzugeben, denn es war an ihrem Handgelenk fest verplombt.

In dem Moment winkte uns der Barkeeper zu sich heran und zwinkerte uns freundlich an. Offenbar hatte er unser Problem erkannt. In einem lustigen Kauderwelsch sagte er zu MM: „Is sich nullo Problemo, kannst du nehmen auch für deine Freunde – bei Luigi is Eistruhe immer voll!“ Er gab uns der Reihe nach die Hand und sagte dabei „Ich Luigi“. Er war ganz in Weiß gekleidet, sein Hemd war vorne offen bis zum Bauchnabel und zeigte eine Behaarung, die einem Orang-Utan alle Ehre gemacht hätte.

Wir zogen, jeder mit seinem Eis in der Hand, weiter zu den Swimmingpools. Einer davon war für die Nichtschwimmer, die Kleinen quiekten und kreischten um die Wette. Im großen Pool spielte eine Großfamilie Ball, alle trugen orangene Badeklamotten. Ich meinte, sie vorhin schon auf dem Campingplatz gesehen zu haben. Ihr Zelt war nicht weit von unserem Wohntempel. Ihrer lustigen Sprache nach waren es wohl Holländer.

„Sieh mal einer an, die Billigtouristen vom Campingplatz!“, war plötzlich eine Stimme neben uns zu hören. Sie kam von einem Jugendlichen, der vielleicht achtzehn war, braungebrannt und blond, mit einem strammen Seitenscheitel. Er hatte ein Cocktailglas in der Hand, am Handgelenk ein gelbes Bändchen.

Er grinste und wieherte in die Runde seiner Freunde, die sich um ihn herum auf ihren Liegen fläzten. Alle wieherten mit. Sie waren zu fünft, ungefähr so alt wie der Strammscheitel und ebenso braungebrannt. Und alle hatten das gleiche fiese Grinsen im Gesicht. Nur einer beteiligte sich nicht am allgemeinen Gelächter, sondern starrte mit offenem Mund Ute an. Er war deutlich jünger als die anderen und sah mit seinem Bubi-Gesicht voller Sommersprossen eigentlich ganz nett aus.

„Schaut euch mal die Bleichgesichter an, sind ja noch ganz frisch!“, fing der Strammscheitel wieder an. Er war offenbar der Anführer. Und auf Ärger aus.

„Na Dicker, biste auf Tropenexpedition?“, sagte er in Richtung JoJo.

Von den anderen kam wieder Gewieher.

Wir hatten uns mit ein paar Blicken verständigt. Die Botschaft war: besser weiterziehen.

Es war sowieso höchste Zeit zum Abendessen. Mama und Papa wollten uns um sieben am Restaurant treffen.

Als wir ankamen, warteten sie schon, und auch Tati war mit von der Partie. Das Restaurant wurde im Prospekt als „kulinarische Wohlfühl-Oase“ angepriesen, und es war tatsächlich wie eine Oase gestaltet: In der Mitte war ein Springbrunnen, um den herum kleine Palmen in Kübeln standen, darüber war eine Glaskuppel. Auf zwei Seiten war das Buffet aufgebaut, hinter dem Bedienstete in weißer Uniform wirbelten oder Würstchen und Frikadellen brieten. Es war wie im Schlaraffenland. Man konnte sich nach Herzenslust bedienen und ging dann mit seinem Teller zurück an seinen Platz. Mama konnte Ute nur mit Mühe daran hindern, ausschließlich vom Nachtisch-Buffet zu nehmen. Es gab Törtchen und Obstpyramiden, Pralinen auf silbernen Tabletts und das Tollste überhaupt: einen Schokoladenbrunnen. Papa taufte die kulinarische Oase feierlich in „Fresstempel“ um. Sein Kopf war eben voller Tempel.

Nur Mama machte ein unglückliches Gesicht. „Die haben doch was von Bio-Essen geschrieben!?“ Sie machte sich auf die Suche, kam aber bald darauf enttäuscht zurück.

Ich konnte ganz gut ohne Körnersalat auskommen und meinen Freunden ging es nicht anders. Es gab Pommes, so viel man wollte, und wir hatten sogar einen eigenen Tisch nur für uns Kinder. Man muss den Erwachsenen ja auch mal ein bisschen Ruhe gönnen.

Nach dem Abendessen schlossen wir uns den Leuten an, die zum „Show-Event-Platz“ pilgerten, der gleich neben dem Fresstempel lag. Dort war eine Bühne aufgebaut, vor der Stühle und Tische standen. Wir fanden einen Tisch, an dem wir alle zusammen Platz hatten.

„Aber wir bleiben nicht lange“, sagte Mama gleich. „Es ist unser erster Tag, wir sind alle hundemüde.“

„Und wir bestellen nichts!“, schärfte uns Papa ein. „Mit den grünen Bändchen kostet hier alles extra.“

Aber wir hatten Glück. Für unseren Tisch war ausgerechnet Luigi zuständig. Er hatte wie alle Kellner jetzt nicht mehr die weiße Uniform an, sondern ein lustiges Kostüm. Er kam gleich vergnügt zwinkernd auf uns zu.

Tati bestellte etwas auf Griechisch, was wie „Retsina“ klang, er hatte ja auch ein blaues Bändchen. Papa sagte schnell: „Für uns nichts.“

Luigi lächelte ihn nett an: „Ich immer da, falls Sie anders überlegen.“ Dann zwinkerte er MM zu: „Und die Dame? Bestellt wieder für Herren mit?“ Bevor MM antworten konnte, kam JoJo ihr zuvor: „Klar, Cola für alle, on the rocks!“

On the rocks, er musste mal wieder den Eingeweihten raushängen. Mal sehen, was Luigi da anschleppen würde.

„Für mich ein Bitter Lemon, bitte“, kam es von Ute.

Ich dachte, ich höre nicht richtig. Bitter Lemon ist nämlich das absolute Lieblingsgetränk von Papa, Ute kann es eigentlich nicht ausstehen.

Als Luigi uns die Getränke brachte, reichte Ute ihr Bitter Lemon an Papa weiter. So ist sie dann auch wieder. Manchmal finde ich meine Schwester richtig klasse.

Tatis „Retsina“ stellte sich als Weißwein heraus, der in einem riesigen Krug serviert wurde. Tati bot Papa und Mama davon an, die aber ablehnten. Dann schenkte er sich selber ein, nahm einen großen Schluck und sagte selig: „Retsina, der Geschmack von Griechenland!“ Und schenkte sich gleich wieder nach.

Ich fing einen misstrauischen Blick von Mama auf. Alkohol ist nicht so ihr Ding. Aber besser Tati trinkt Retsina, finde ich, als dass er sich mit der Erziehung seiner Tochter beschäftigt.

JoJos „on the rocks“ bedeutete offenbar nichts anderes, als dass die Cola Gläser voller Eiswürfel waren. Ich finde Cola aber ohne Eiswürfel besser, die brennen immer so an den Lippen. Außerdem hat man mehr Cola, wenn das Glas nicht voller Eiswürfel ist.

Das „bunte Showprogramm“ startete mit der Kinderdisco. Eine junge Frau mit vielen bunt umwickelten Zöpfchen und riesigen Ohrringen wurde von erwartungsvollen Kindern umringt, die offenbar schon wussten, wie der Hase läuft. Sie stellte sich als Tanja vor und gehörte zum Team der Animateure, wohl so eine Mischung aus Sportlehrern und Stimmungskanonen.

Und dann dröhnte das „Clublied“ aus allen Lautsprechern, viele Gäste sangen mit und die Kinder und die Animateurin tanzten im Kreis. Anfangs sah das noch nach einer Vorführung aus, artete dann aber in ein wildes Gehopse aus.

Ein paar Tische von uns entfernt saßen die Typen mit den Seitenscheiteln und tranken Bier. Sie lästerten laut über alles und jeden, bis sie von einem Herrn im Anzug zurechtgewiesen wurden, der offenbar der Manager war. Wieder fiel mir der kleine Sommersprossige auf, der sich in der grölenden Gesellschaft sichtlich unwohl fühlte. Er schaute immer wieder verschämt zu Ute rüber.

Aber die hatte nur Augen für das, was sich jetzt auf der Bühne abspielte. Dort waren mehrere junge Männer und Frauen in coolen Sportklamotten aufgetaucht. Mit einem Lächeln wie aus der Zahnpasta-Werbung stellte einer von ihnen sich als „Chrissy“ vor, „euer Surflehrer“. Er war braungebrannt und muskulös, hatte knallblaue Augen und die langen blonden Haare über dem Kopf hochgeknotet.

Ute konnte gar nicht mehr aufhören, ihn mit offenem Mund anzustarren. Sie musste fast gewaltsam von ihrem Stuhl gezerrt werden, als Papa und Mama jetzt zurück zum Campingplatz wollten.

„Ab morgen dürft ihr abends mitmachen“, sagte Mama, „aber jetzt ab ins Bett, das war ein langer Tag heute.“

Wir verabschiedeten uns von Tati, der mit seinem Retsina ganz glücklich schien, und zuckelten zum Campingplatz hinauf.

Papa, Mama und Ute verschwanden im Wohntempel. Und MM, JoJo, Simon und ich zogen weiter zu unserem Indianer-Lager. Wir standen einen Moment unschlüssig vor unserem Zelt, bis Simon mit der genialen Idee kam: „Wir schlafen Hängematte!“

In der Hängematte, Alter“, sagte MM und puffte Simon in die Seite. „Siegwart könnte dir mal richtiges Deutsch beibringen …“

Simon grinste bloß. Perfektes Deutsch war nicht sein Ehrgeiz. Auch jetzt, wo er schon ein ganzes Jahr aus Amerika zurück war, produzierte er seine berühmten Ami-Fehler noch in Serie.

Schon bald lagen wir alle in unseren Hängematten. Um uns rum zirpten die Grillen, am Himmel waren Unmengen an Sternen. Keiner sagte ein Wort.

Wir waren erst einen Tag im Urlaub, ging mir noch durch den Kopf, aber es fühlte sich an, als ob es schon eine Ewigkeit wäre. Und damit war ich auch schon eingeschlafen.

Motte und Co Band 4: Die Insel der Drogenbande

Подняться наверх