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c) Schutz der Minderheit vor der Mehrheit

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Wer mehr Geld für das Unternehmen gegeben hat, will auch mehr zu sagen haben als die Gesellschafter, die weniger Geld investiert haben (das ist das Prinzip des Kapitalismus, das in der Kapitalgesellschaft seinen sichtbarsten Ausdruck gefunden hat). Diesem Wunsch trägt das Kapitalgesellschaftsrecht Rechnung, indem es das Stimmrecht in der Gesellschaft nach dem eingezahlten Kapital gewichtet. Freilich kann die Mehrheit auf den Gedanken kommen, sich noch mehr als den ihr danach zustehenden Anteil zu nehmen und die Minderheit auszubooten. Das ist das Kardinalproblem des Kapitalgesellschaftsrechts, das in Rn. 18 ff. bereits angesprochen wurde, nämlich das der verdeckten Vermögensverlagerungen. Ein Mehrheitsgesellschafter kann sich über seine Leitungsmacht (Rn. 471 ff.) unter Umständen mehr als den ihm nach der gesellschaftsvertraglichen Regelung zustehenden Anteil an dem durch das Unternehmen erwirtschafteten Gewinn verschaffen (Sondervorteil). Das zu verhindern, gebietet in erster Linie der Gesellschaftsvertrag selbst. Dieser sieht ja im Vorhinein eine bestimmte Verteilung der erwirtschafteten Gewinne vor. Den Gesellschaftsvertrag notfalls auch gegen die Macht des Mehrheitsgesellschafters durchzusetzen, ist die eigentliche Hauptaufgabe im Kapitalgesellschaftsrecht. Es geht um die Grenzen der Mehrheitsherrschaft. Davon handeln insbesondere unten §§ 10 und 11.

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Lösung zu Fall 2:

Klausurhinweise:

Bei Satzungsangaben im Sachverhalt stellen sich immer zwei Probleme: (1) Ist die entsprechende Satzungsklausel wirksam (Zustandekommen/Inhalt)? (2) Wie ist sie auszulegen?

Finden sich keine Satzungsangaben im Sachverhalt, so hat man für die Lösung grundsätzlich von der gesetzlichen Ausgangslage auszugehen, man darf also nicht irgendwelche Gesellschaftsvertragsklauseln unterstellen. Es ist z.B. mangels Sachverhaltsangaben von gleichen Anteilen der Gesellschafter an der Gesellschaft (jeder 33 %) auszugehen und von gleichen Gewinnanteilen (§ 29 Abs. 3 GmbHG), und vom sogenannten Vollausschüttungsgebot (§ 29 Abs. 1 GmbHG).

1. Rechtslage bei der GmbH

Hier findet sich eine Angabe zum Gesellschaftsvertrag im Sachverhalt, die fragliche Klausel ist angegeben. Offensichtlich haben sich die Gesellschafter nach dem Ablauf des ersten Jahres den Gewinn nicht vollständig auszahlen lassen, es hat also ein Beschluss nach § 29 Abs. 2 GmbHG stattgefunden (sonst könnte die Gesellschaft nicht mehr als das Anfangskapital von 50.000 € auf ihrem Konto haben).

Wichtig ist es ferner, die einzelnen Rechtsbeziehungen auseinanderzuhalten: Geht es um das Verhältnis zwischen A und G? Nein, sondern um das Verhältnis von A zu X, für die wiederum G als gesetzlicher Vertreter handelt. Wenn G den Betrag nicht an A auszahlt, sondern seine Weigerung erklärt, dann hat er insoweit wirksam für X gehandelt, weil der Geschäftsführer nach außen unbeschränkte Vertretungsmacht hat. Wegen der gültigen Satzung stellt diese Weigerung aber eine Pflichtverletzung im Verhältnis der Gesellschaft X zu ihrem Gesellschafter A dar: Die Satzung hat den Anspruch des A auf Herausgabe des Geldes gegen X begründet und konnte das wegen der §§ 29, 30, 45 GmbHG auch wirksam tun (Gewinnentnahmen sind zulässig, solange damit nicht in das Stammkapital der GmbH eingegriffen wird). Die Weigerung war rechtswidrig. A kann daher von X 80 € Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. der Satzung der X-GmbH verlangen. Die Pflichtverletzung hat die X-GmbH gegenüber A gem. § 278 BGB zu vertreten, weil ihr gesetzlicher Vertreter G zumindest fahrlässig gehandelt hat, indem er grundlos auf die Rückkehr von B und C gewartet hat.

Im Endergebnis haftet freilich die Gesellschaft nicht endgültig. An der Entstehung des Schadensersatzanspruchs des A ist letztlich G schuld, weil er sich entgegen § 37 Abs. 1 GmbHG nicht an die Satzung (den Gesellschaftsvertrag der GmbH) gehalten hat. Deshalb hat die X-GmbH ihrerseits einen Schadensersatzanspruch gegen G auf 80 € wegen Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer (§ 43 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 37 Abs. 1 GmbHG).

2. Rechtslage bei der Aktiengesellschaft

Von diesem Ergebnis weicht die Rechtslage in der AG deutlich ab: In der AG herrscht grundsätzlich keine Satzungsfreiheit, sondern das Prinzip der sog. Satzungsstrenge gem. § 23 Abs. 5 AktG[3]. Ist die Satzungsklausel also unwirksam, weil sie von der Regel des § 57 Abs. 1, 3 AktG abweicht? Nein, so schnell ist man mit der Prüfung nicht am Ende, man lese § 23 Abs. 5 AktG genau: das Gesetz kann selbst Abweichungen durch die Satzung zulassen und hat das in § 59 AktG auch getan. Aber: nach § 59 AktG kann eine Abschlagszahlung nicht ohne Zustimmung von Vorstand und Aufsichtsrat erfolgen (§ 59 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 AktG), außerdem darf der Vorstand nicht zur Zahlung verpflichtet werden, sondern nur ermächtigt werden. Also kann die Satzung auch nicht einen Anspruch des A gegen X begründen, sondern allenfalls dem G eine Ermächtigung zur Zahlung geben. Daran scheitert im Ergebnis ein Schadensersatzanspruch des A gegen X.

Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften

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