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ECHO DES URKNALLS ENTDECKT?

SENSATIONSFUND ODER VIEL LÄRM UM NICHTS?

Anfang März 2014 hieß es überall in den Medien:

Wissenschaftler hätten den Urknall durch Gravitationswellen

nachgewiesen? Was haben sie wirklich gefunden?

N 24 war einer der ersten Nachrichtendienste, die es an die Öffentlichkeit brachten: Echo des Urknalls offenbar entdeckt – Geheimnisvolles Zeichen vom Beginn unserer Zeit2. Dahinter steckt diese Pressemitteilung3 der Harvard Universität, und dahinter wiederum diese Fachveröffentlichung4 einer Gruppe von Physikern. Was ist nun das Neue an der Entdeckung?

DIE KOSMISCHE HINTERGRUNDSTRAHLUNG

Die Wissenschaftler untersuchen seit etwa 15 Jahren mit immer größerer Genauigkeit die sogenannte kosmische Hintergrundstrahlung des Universums. Sie leuchtet unser ganzes Universum aus, ist also allgegenwärtig. Sie ist aber recht schwach, und wir können sie nicht sehen, weil die Wellenlänge der Strahlung für unser Auge viel zu groß ist. Es gibt aber Teleskope, die die Strahlung sehen können und, wie etwa das Planck-Weltraumteleskop, die die Wellenlänge der Strahlung in alle Raumrichtungen genau ausmisst. Wenn man die leicht unterschiedlichen Wellenlängen der Hintergrundstrahlung aus allen Richtungen des Himmels farblich aufträgt und wie die Erdoberfläche im Atlas verzerrt zweidimensional darstellt, dann kommt das heraus:


Die Planck-Daten der Temperaturverteilung der kosmischen Hintergrundstrahlung in der Himmelssphäre, dargestellt in der sogenannten Mollweide-Projektion. (Bild: ESA)

Dieses blau-orangene Rauschen, das zugegebenermaßen im Schwarzweiß-Druck nicht so gut rüberkommt, hat eine kaum sichtbare Struktur, aus der Kosmologen viele Informationen über unser Universum ablesen können. Daraus hat man zum Beispiel erkannt, dass unser Universum nicht wie eine zweidimensionale Erdoberfläche in sich global gekrümmt und somit geschlossen ist, sondern es ist im Bereich der messbaren Genauigkeit absolut flach.

Ein flaches Universum muss aber, genauso wie eine absolut flache Ebene, unendlich ausgedehnt sein. Ergo ist unser Universum, innerhalb unserer Beobachtungsgenauigkeit, unendlich groß. Aus dem Rauschen kann man aber auch ablesen, dass unser Universum 13,80 Milliarden Jahre alt ist. Es ist also nicht unendlich alt! Das ist ein wichtiger Hinweis auf die Richtigkeit der Urknall-Hypothese.

POLARISIERTE HINTERGRUNDSTRAHLUNG

Es gibt mit der neuen Entdeckung aber einen weiteren Hinweis auf den Urknall. Wenn man sich in einer bestimmten Raumrichtung die Wellen zum zugehörigen Farbpunkt anschaut, dann sind diese Wellen einmal mehr, einmal weniger polarisiert. Polarisierte Wellen schwingen in einer bestimmten Richtung, quer zur Beobachtungsrichtung. Wenn man diese Schwingungsrichtung mit in die Rausch-Farbpunkte einzeichnet, und das haben die Wissenschaftler mit ihren Daten vom BICEP2-Teleskop gemacht, dann bekommt man so ein Bild, das ich direkt aus deren Fachveröffentlichung entnommen habe:


Ein Ausschnitt der Planckdaten (Farbdaten), versetzt mit der Polarisierungsrichtung der Strahlung (schwarze Striche) aus den BICEP2-Messungen. (Bild: BICEP2 Collaboration)5

WAS HAT DAS MIT DEM URKNALL ZU TUN?

Jetzt kommt der Clou: Es lässt sich zeigen, dass diese Struktur ein sogenannter gradientenfreier B-Mode ist, dessen Ursprung eine starke Gravitationswelle ist, die bei der Entstehung der Hintergrundstrahlung vor etwa 400.000 Jahren nach dem Urknall existierte. Gravitationswellen sind die Schwingungen der Raum-Zeit unseres Universums. Genauso wie man auf einer Wasseroberfläche durch Antippen Wasserwellen auslösen kann, können starke Massenverschiebungen in unserem Universum Gravitationswellen auslösen. Die LISA-Weltraumantenne soll genau solche Gravitationswellen nachweisen. Weil es aber 400.000 Jahre nach dem Urknall noch keinen Massenklumpen wie Sonnen, Planeten, Schwarze Löcher oder was auch immer gab, können die Gravitationswellen nur durch die Entstehung aller Massen beim Urknall entstanden sein.

Die Argumentation der Wissenschaftler geht also so: Der Urknall hat extrem starke Gravitationswellen erzeugt, die haben noch 400.000 Jahre später der Hintergrundstrahlung eine B-Mode-Polarisation aufgeprägt, und diesen Abdruck kann man heute noch beobachten. Und das nennen sie das Echo des Urknalls. Dies wäre in der Tat ein schönes, wenn auch nur indirektes, Indiz für die Existenz des Urknalls.

Nachtrag

Ein kanadisches Forschungsteam hat im September 2014 herausgefunden, dass die gemessene Polarisation auch durch eine schleifenförmige Staubstruktur, die die Hintergrundstrahlung durchlaufen muss, erklärt werden kann. Damit ist zwar die Urknall-Echo-These nicht widerlegt, jedoch wäre das die einfachere Erklärung. Und gemäß Ockhams Rasiermesser6 ist diese also wahrscheinlich die richtige.

2 N24: Geheimnisvolles Zeichen vom Beginn unserer Zeit: http://bit.ly/2cgfK03

3 Center for Astrophysics: First Direct Evidence of Cosmic Inflation: http://bit.ly/1vorDAp

4 Physical Review Letters: Detection of B-Mode Polarization at Degree Angular Scales by BICEP2: http://bit.ly/2bw6LZ4

5 Das Bild können Sie hier in Farbe anschauen: http://bit.ly/Ow0mwv

6 Mehr dazu in meiner Kolumne: http://bit.ly/2c2FxVJ

Im schwarzen Loch ist der Teufel los

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