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EINSTEIN-TRILÜGIE – DAS ZWILLINGSPARADÜX

Raumfahrt macht jünger! Das ist kein Gag.

Und ich erkläre Ihnen auch, wie und warum.

Jawohl, Sie haben richtig gelesen, Raumflüge machen Raumfahrer jünger, um genau zu sein, langsamer alt. Dies ist kein Scherz, sondern die reine Wahrheit, und das Ganze ist wissenschaftlich bewiesen. Es gibt nicht mehr den geringsten Zweifel daran. Auch ich bin jünger, als wenn ich nicht in den Weltraum geflogen wäre … doch eins nach dem anderen.

ZEIT IST RELATIV

Gerade habe ich gezeigt, dass ein Astronaut auf seinem Flug immer eine größere Geschwindigkeit erfährt als jemand, der seinen Flug von außen betrachtet. Da die geflogene Strecke eine fixe Größe ist (man kann sie mit einem Meterstab nachmessen), und weil Geschwindigkeit = Strecke/Zeit ist, kann dies nur bedeuten, dass sich die erlebte Zeit ändert. Die erlebte Zeit eines Astronauten, die sogenannte Eigenzeit muss also immer kürzer sein als jede andere Zeit, die ein externer Beobachter erfährt.

Um dieses Faktum anschaulicher zu beschreiben, benutze ich das sogenannte Zwillingsparadox, ein Beispiel das ursprünglich von Einstein stammt, das ich im Folgenden aber etwas ausgefeilt habe. Nehmen wir an, zwei Zwillingsbrüder trennen sich im Alter von 20 Jahren, um unterschiedliche Lebenswege zu gehen. Der eine wird Astronaut und beschließt, zu einem anderen Stern zu fliegen, um für die Menschenrasse nach bewohnbaren Planeten zu suchen. Sein Bruder hingegen bleibt bodenständig und versichert, ihn nach seiner Rückkehr wieder zu empfangen. Der Astronaut besteigt also mit mehreren Gleichgesinnten ein Raumschiff und wird gemäß seiner Eigenzeit fünf Jahre lang mit 1 g – also die übliche Erdanziehungskraft – beschleunigt. Der Triebwerksschub soll also gerade so gewählt sein, dass die Beschleunigungskraft genauso groß ist, wie die Schwerkraft auf der Erde. Das hat den Vorteil, dass die Astronauten im Raumschiff wie auf der Erde leben könnten und sie nicht der hinderlichen, muskel- und knochenabbauenden Schwerelosigkeit, wie derzeit auf der ISS, ausgesetzt wären. Nach diesen fünf Jahren hat das Raumschiff eine Geschwindigkeit von genau 99,99 % der Lichtgeschwindigkeit erreicht. Danach bremst das Raumschiff mit 1 g wieder auf interstellare Geschwindigkeiten ab, und die Astronauten erreichen nach wiederum fünf Jahren, einen nach ihrer Zeitrechnung 10 Lichtjahre entfernten Stern.

ANSICHTSSACHE

Der Bruder auf der Erde sähe das etwas anders. In Sternenkatalogen ist die Entfernung des Sterns mit 137 Lichtjahren angegeben. Und das ist seine wahre Entfernung von der Erde. Ein Lichtjahr ist die Entfernung, für die selbst das Licht ein Jahr braucht, um dorthin zu gelangen. Da die Rakete die ganze Strecke immer fast Lichtgeschwindigkeit fliegt, wäre aus Sicht des Erdbruders der Astronaut etwas mehr als 137 Jahre unterwegs.

Nachdem die Astronauten sich dort nach einem lebenswerten Planeten umgesehen haben, geht es wieder zurück zur Erde und zwar gemäß ihrer Eigenzeit wieder fünf Jahre lang mit einer Beschleunigung von 1 g auf 99,99 % Lichtgeschwindigkeit und eine fünf Jahre dauernde Abbremsung zur Erde. Gemäß Einstein wären die Astronauten nach ihrer eigenen Zeitrechnung 20 Jahre lang unterwegs. Der Astronauten-Zwilling wäre nach seiner Reise also 40 Jahre alt, hätte dabei aber eine Strecke von 274 Lichtjahren zurückgelegt! Wen träfe unser Astronaut bei der Rückkehr auf der Erde an? Jedenfalls nicht mehr seinen Bruder oder überhaupt irgendjemand aus seiner Generation. Die sind bereits lange verstorben, denn für die Daheimgebliebenen hat die Reise der Astronauten eben etwas mehr als diese 274 Jahre gedauert. Die Astronauten hingegen sind nur 20 Jahre älter geworden! Das bedeutet nicht, dass lediglich die Uhren anders gehen, sondern der relative Zeitfluss ist unterschiedlich, der von Uhren lediglich angezeigt wird, und alles was sich in der Zeit entwickelt, so etwa biologisches Leben.

Noch unglaublicher werden die Verhältnisse, wenn die Astronauten nicht zur Erde zurückkehren, sondern noch weiter in die Tiefen des Universums vorstoßen. Nach einer EigenFlugzeit von 15 Jahren hätten sie bereits eine Strecke von 1.560 Lichtjahren zurückgelegt (also eine Strecke, für die selbst das Licht 1.560 Jahre braucht), und nach 25 Jahren hätten sie unsere gesamte Milchstraße von 100.000 Lichtjahren durchquert! Unsere Astronauten wären nach der vollständigen Durchquerung der Milchstraße und Ankunft auf einem dortigen Planeten nur 45 Jahre alt!

DIE ASYMMETRIE DER BESCHLEUNIGUNG IST ENTSCHEIDEND

Man könnte einwenden und sagen: »Das gilt doch auch umgekehrt! Auch die Astronauten sehen die Erde mit fast Lichtgeschwindigkeit von sich entfernen. Daher müsste deren Zeit als externer Beobachter der Erde schneller vergehen als die Eigenzeit der Erde. Wegen dieses Widerspruchs kann es keinen Verjüngungseffekt geben!« Das ist zwar richtig, aber es lässt sich zeigen, dass für die letztendliche Differenzzeit, wenn beide Zwillinge wieder zusammenkommen, entscheidend ist, welches der beiden Systeme beschleunigte. Und hier tut sich die entscheidende Asymmetrie auf. Es ist die Rakete, die auf fast Lichtgeschwindigkeit beschleunigte und danach wieder abbremste, und daher liegt der letztendliche Verjüngungseffekt bei den Astronauten und nicht bei den Erdenbürgern.

DER BEWEIS

Bis hierher ist alles nur graue Theorie. Auf der deutschen D1-Shuttle-Mission im Jahre 1985 hat man diesen Verjüngungseffekt aber auch gemessen. Die Shuttles flogen seinerzeit zwar nicht gerade mit Lichtgeschwindigkeit, sondern nur ein Millionstel davon, aber das reichte, um den Effekt mit zwei sehr genau gehenden Atomuhren zu messen. Die eine flog auf dem Shuttle, die andere blieb auf der Erde, und beim Start wurden beide auf null gesetzt. Das Ergebnis nach 10 Tagen im All lautete: Die Flugzeit für die Shuttle-Astronauten war 0,000254 Sekunden kürzer als für die Erdenbürger und stimmte exakt mit den Vorhersagen von Einsteins Relativitätstheorie überein! Das ist übrigens auch genau der Betrag, um den ich bei meinem D2-Flug jünger geblieben bin. Ich sehe Ihr Schmunzeln im Gesicht mit dem Hintergedanken »Na ja!«. Zugegeben, meine Verjüngungskur hält sich in Grenzen, und vielleicht sieht man es mir auch nicht so an. Im Gegensatz zu den meisten Menschen auf dieser Welt kann ich aber sagen: immerhin! Was aber wirklich zählt, ist, dass Einstein recht hatte und daher Reisen mit fast Lichtgeschwindigkeit zu drastischen Verjüngungseffekten führen können.

VON DER THEORIE ZUR PRAXIS

Dass dies in Zukunft dennoch nie passieren wird, liegt einzig an der Unmenge Energie, die so eine Mission verschlingen würde. Selbst mit dem besten Antrieb, den es theoretisch je geben kann, dem hypothetischen Antimaterieantrieb (Wasserstoff und Antiwasserstoff annihilieren zu reiner Energie), bräuchten unsere Raumfahrer für den Roundtrip mit einem nur 200 Tonnen schweren Raumschiff, wie etwa das Shuttle, zu dem 274 Lichtjahre entfernten Stern 36.000.000 Tonnen Wasserstoff als Treibstoff. Bei einer Dichte von 70 kg/m3 bräuchte er also einen Wasserstoff- und Antiwasserstofftank mit Abmessungen 800 · 800 · 800 Meter!

So geht’s also nicht. Nur Raumfahrzeuge, die mit 10 % der Lichtgeschwindigkeit oder weniger fliegen, sind keine gigantischen Energievernichter, weshalb es sich in den uns bekannten, glatten Raumbereichen unseres Universums – alle Science-Fiction-Schreiber aufgepasst! – so und nur so reisen lässt. Keiner wird also dramatisch jünger. Und das gilt natürlich auch für alle Außerirdischen, die beabsichtigen, uns einmal zu besuchen.

ZUSAMMENFASSUNG

Hier noch einmal das Wesentliche zusammengefasst: Jeder von uns erlebt immer denselben Lauf der Zeit. Das heißt, die eigene Uhr (Eigenzeit) tickt immer gleich schnell. Die eigene Zeit relativ zu der Zeit eines anderen hängt aber von der relativen Geschwindigkeit zwischen beiden ab. Wird sie Lichtgeschwindigkeit, dann wird der Unterschied beliebig groß. Wessen Zeit von den beiden relativ langsamer gewesen ist, wer also jünger geblieben ist, zeigt sich erst, wenn man wieder zusammentrifft. Dann gilt, derjenige, der zwischendurch herumgekurvt ist (beschleunigt hat), ist jünger geblieben als der andere.

Im schwarzen Loch ist der Teufel los

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