Читать книгу Im schwarzen Loch ist der Teufel los - Ulrich Walter - Страница 5

Оглавление

EDITORIAL

Unser Universum ist ein höllischer Ort, in dem wir mit unserer Erde wie auf einer Insel der Seligen leben. In unse- rer Sonne fusioniert Wasserstoff bei 40 Millionen Grad Celsius, in größeren Sternen beträgt die Spitzentemperatur kurz vor einer Supernova-Explosion gar 10 Milliarden Grad – wirklich höllisch. Nur die gigantische Schwerkraft solcher Sterne kann sie bei solchen Temperaturen noch zusammenhalten.

Die teuflischsten Orte in diesem höllischen Universum sind jedoch die Schwarzen Löcher. »Schwarze Löcher«, das hört sich schon gruselig an. In der Tat übersteigt das, was dort passiert, unser Vorstellungsvermögen. In diesem Buch werde ich aber versuchen, das Unvorstellbare durch Vergleiche mit uns bekannten Dingen doch irgendwie verständlich zu machen. Trotzdem, die Realität ist doch viel, viel komplizierter als diese Vergleiche.

Nehmen wir die Relativitätstheorie Einsteins (siehe meine drei Artikel der Einstein-Trilogie). Erst sie hat es uns ermöglicht, das, was dort draußen passiert, mathematisch richtig wiederzugeben. Dazu zählt zum Beispiel die Tatsache, dass Zeit zwar von jedem gleich schnell empfunden wird, sie aber je nach Eigengeschwindigkeit oder Schwerefeld, in dem man sich gerade befindet, gedehnt oder gestaucht ist. Dasselbe passiert auch mit dem Raum. Raum und Zeit werden insbesondere in der Nähe eines Schwarzen Loches bis ins Unendliche deformiert. Wir können uns das nicht vorstellen, weil wir selbst Teil dieses Raumes sind und wir daher mitdeformiert werden. Um das zu verstehen, stelle man sich einen Flächenmenschen vor, das ist so ein Vergleich, um das Unvorstellbare vorstellbar zu machen, der in (nicht auf!) einer Kugeloberfläche lebt. Die Oberfläche ist gekrümmt, und weil der Flächenmensch Teil der Oberfläche ist, ist er mitgekrümmt und merkt nichts von seiner Krümmung. Die erkennt man nur als Außenstehender.

SCHWARZE LÖCHER, SO GROSS WIE EINE NADELSPITZE!

Weil der Raum bis ins Unendliche gekrümmt ist, gibt es Erscheinungen, die einfach verblüffen. Stellen Sie sich zunächst die Größe unserer Sonne vor. Sie hat ein 1,4 millionenfach größeres Volumen als die Erde. Wenn unsere Erde eine Erbse wäre, dann hätte die Sonne einen Durchmesser von etwa einem Meter. Nun stellen Sie sich 4 Millionen Sonnen als eine Massenkugel vor, die hätte in diesem Vergleich einen Durchmesser von 160 Meter. In der Realität hat sie den Durchmesser von 100 Millionen Kilometer! Das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße hat genau diese Masse von 4 Millionen Sonnen. Aber, weil der Raum am Ort, dort wo sich das Schwarze Loch befindet, unendlich gestaucht ist, machen diese 4 Millionen Sonnenmassen keine Kugel von 100 Millionen Kilometer Durchmesser aus, sondern schrumpfen auf einen Punkt so groß wie eine Nadelspitze zusammen. Ein Schwarzes Loch mit Milliarden von Sonnenmassen hat die Abmessungen einer Nadelspitze! Ist das nicht teuflisch? Diese unglaubliche Tatsache wurde erst in den vergangenen Jahrzehnten zur Gewissheit, weil wir Raum- und Zeitschrumpfungen durch Experimente im kleineren Maßstab prinzipiell bestätigen konnten. Einstein hatte also recht.


Künstlerische Darstellung des Anflugs eines Shuttles auf ein Schwarzes Loch, von dem man nur den Ereignishorizont, die Oberfläche einer schwarzen Kugel, sieht (Bild: NASA/U. Walter)

EINE TEUFLISCHE ERKUNDUNGSREISE

Teuflisch wäre auch eine Reise als Astronaut in einem Raumschiff zu einem Schwarzen Loch, aber doch anders als man sich das vielleicht vorstellt. Was würde man von dem Loch sehen? Nehmen wir an, es ist das Schwarze Loch in unserer Milchstraße. Aus großer Entfernung sähe man dann vor sich eine schwarze Kugel mit etwa 17 Sonnendurchmesser. Diese Kugel ist nicht das Schwarze Loch selbst, sondern ihre Oberfläche, der sogenannte Ereignishorizont, der den Loch-Punkt verhüllt. Was die schwarze Kugel ist und was in ihr passiert, sehen wir gleich.

Außerdem sähen wir glühende Materie in einer Scheibe in einem großen Abstand um das Loch kreisen, die sich ihm dabei langsam nähert. Diese Materie, das Überbleibsel zerrissener Sterne, die dem Loch zu nahe gekommen sind, glüht umso heller, je näher sie dem Loch kommt. Große Sterne werden schon in großer Entfernung zerbröselt, kleinere Gegenstände, wie wir, erst später. Aber noch geht es uns ganz gut.

Wenn wir im Abstand von 24 Millionen Kilometer vom Ereignishorizont in einen Orbit einbiegen, das ist etwa die Hälfte des Abstands zwischen Merkur und Sonne, dann müssen wir bereits verflucht aufpassen. Denn dieser Abstand ist die innere Grenze des Bereiches, wo wir noch eine stabile Umlaufbahn haben, wir fliegen im freien Fall um das Schwarze Loch herum und brauchen dabei nichts tun. Dabei haben wir aber schon fast Lichtgeschwindigkeit, umrunden das Loch also alle 12,5 Minuten.

DER HÖLLENRITT IN EIN SCHWARZES LOCH

Wenn wir uns nun dem Loch etwas weiter nähern, begeben wir uns auf einen unumkehrbaren Höllenritt. Zunächst wird unser Orbit instabil, was bedeutet, wir müssen ständig die Antriebe feuern, damit wir die Bahn beibehalten. Tun wir das nicht und sind bei 6 Millionen Kilometer Abstand vom Ereignishorizont angekommen, nützen uns auch die besten Antriebe nichts mehr, wir werden unweigerlich ins Schwarze Loch stürzen. Bei diesem Abstand fliegt auch Licht nicht mehr gradlinig am Loch vorbei, sondern umkreist es einmal alle 6,5 Minuten. Licht, das vom Loch direkt nach außen fliegt, kann dem Loch aber noch entkommen. Wenn wir den Ereignishorizont erreicht haben, ist aber auch damit Schluss. Wir, mitsamt allem, was sich um das Loch herum bewegt, einschließlich des Lichts, egal wie es anfangs fliegt, fällt auf Nimmerwiedersehen ins Schwarze Loch. Das ist übrigens der Grund dafür, warum die schwarze Kugel um das Loch herum schwarz erscheint. Wenn nämlich nicht einmal mehr Licht der Kugel entkommen kann, fällt von dort auch kein Licht mehr in das Auge eines Betrachters, und daher erscheint der Bereich stockdunkel.

Dass wir uns bereits in der schwarzen Kugel befinden, davon merken wir aber nichts, denn über uns, aber auch seitlich, fällt ständig neues Licht nach, sodass es recht hell um uns herum ist. Dann geht aber alles sehr schnell. Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde wird das Shuttle durch die sogenannten Gezeitenkräfte, also der Zunahme der Schwerkraft in Flugrichtung, zerrissen, dann unser Körper zerfetzt. Schließlich lösen sich die Fetzen in einzelne Atome auf, und die wiederum werden in einzelne Elementarteilchen aufgespalten, die auf das Zentrum treffen, dort wo die 4 Millionen Sonnenmassen lagern und durch unsere Körpermassen weiter anwachsen. Aber davon merken wir schon nichts mehr.

Schwarze Löcher sind also Nimmersatts, sie werden mit der Zeit immer schwerer, bis sie irgendwann die gesamte Materie im Universum in sich aufgesaugt haben. Aber bis dahin ist es noch sehr, sehr lange hin, viele Milliarden Milliarden Milliarden Jahre. Bis dahin lassen wir uns faszinieren von den anderen Geheimnissen, die uns dieses Universum zu bieten hat.

Begleiten Sie mich in diesem Buch auf dieser Erkundungsreise durch unser Universum.

Ulrich Walter

D-2 Astronaut

Im schwarzen Loch ist der Teufel los

Подняться наверх