Читать книгу Tanz mit Schlangen - Ulrich Wißmann - Страница 10

Оглавление

II

Sie tanzten schweigend in einer auseinandergezogenen Reihe. Im Takt der Trommeln setzten ihre Füße auf dem staubigen Boden auf. Sie hatten zusammen mit den Angehörigen des Antilopenbundes gesungen. Viermal hatten sie die Dorfplaza umrundet. Das Klingen ihrer Kürbisrasseln und der Muschelschalen, die sie an den Beinen trugen, und das Stampfen ihrer fransenbehangenen Mokassins verband sich mit dem uralten Rhythmus, einem Rhythmus, der der Herzschlag der Erde zu sein schien. Sie trugen weiße Ketten über der nackten Brust und waren auf dem Oberkörper und den Armen mit weißen Streifen bemalt. Büschel von Federn steckten in ihren Haaren. Jeder der Männer hielt die Schwungfedern eines Adlers in der Hand und hielt diese beim Tanzen immer wieder über seinen Kopf.

Albert Tasajeswa fühlte sich verbunden mit dem Trommelschlag, mit dem Gesang und mit den Bewegungen der anderen Tänzer. Fast unmerklich wiegte sich sein Körper schlangengleich vor und zurück. Er spürte die Sonne auf seiner Haut, den lauen Wind und die Erde unter seinen Füßen, die Erde, die die Geschichte seines Volkes enthielt. Er nahm die vielen Augenpaare, die auf ihm und den anderen Tänzern ruhten, nicht wahr. Die Menschen des Dorfes, die nicht an dem Tanz teilnahmen, seine Nachbarn und Freunde, hatten sich auf den Dächern der umliegenden Häuser eingefunden, um die Zeremonie zu beobachten. Er war ganz eins mit dem uralten Ritual. Die Reihe der Tänzer hielt jetzt gegenüber den Angehörigen des Antilopenbundes, deren Körper grau und mit weißen Schlangenlinien bemalt waren. Sie standen vor dem Kisi, einer Laube aus Pappelzweigen, wo die Schlangen aufbewahrt wurden. Dort wartete der Wächter über die Schlangen darauf, die Tiere aus ihren Gefäßen zu holen und sie den Männern zu geben.

Der Schlangenpriester trat jetzt aus dem Kisi, mit den weit ausgestreckten Armen eine große Schlange tragend. Er übergab sie dem ersten Tänzer, der die Schlange behutsam mit dem Mund entgegennahm und sofort mit dem Reptil zwischen den Zähnen weiter tanzte. Das Tier schien sich sofort in diese Rolle zu fügen. Es gab ein leises Zischen von sich und hob langsam den Kopf nah an das Gesicht des Mannes, machte aber keine Anstalten zu beißen. Die Schlange schien sich augenblicklich zu entspannen und baumelte nun ganz ruhig aus dem Mund des Tänzers. Einem Mann nach dem anderen gab der Priester eine Schlange in den Mund. Die Tänzer schienen eins zu werden mit den Tieren, die sie trugen, und setzten ihren Tanz in wiegenden, schlangenartigen Bewegungen fort.

Jetzt war Tasajeswa an der Reihe. Der Schlangenpriester hielt die Schlange, die für ihn ausgesucht war. Es war eine große Diamantklapperschlange mit breitem, flachem Kopf. Das Tier wirkte nicht so ruhig wie die anderen. Es gab ein deutliches Klappern von sich und wand sich in den Händen des Mannes, der es zur Sicherheit kurz hinter dem Kopf hielt. Einen Moment lang trafen sich die Blicke der beiden Männer.

Tasajeswa versuchte eine Verbindung mit der Schlange herzustellen. Er konzentrierte sich ganz auf den Geist des Tieres und sprach in Gedanken zu ihm, aber er spürte die Verbindung nicht. Die Schlange wirkte auffällig nervös. Während die anderen, kleineren Tiere eher lethargisch wirkten und sich bereitwillig von den Tänzern tragen ließen, wand seine Klapperschlange sich, gab ein nervöses Klappern von sich und zischte hörbar. Das hatte er in den früheren Jahren nie erlebt. Die Schlangen hatten sich ihm scheinbar bedingungslos hingegeben, als ob sie gewusst hatten, dass sie nach der Zeremonie wieder freigelassen werden würden und das, was sie taten, der ganzen Erde und allen Lebewesen zu Gute kam. Er hatte sich immer eins gefühlt bei dem Tanz mit der Schlange. Dieses Tier war anders. Es war gut, dass sie es für ihn ausgesucht hatten. Er war der Anführer der Schlangenzeremonie und der erfahrenste der Männer. Deshalb gebührte es ihm, die größte und vielleicht gefährlichste Schlange zu tragen. Um ihn herum wiegten sich die anderen Männer, vorsichtig mit den Zähnen die Schlangen haltend, weiter im Takt der Trommeln vor und zurück.

Behutsam nahm Tasajeswa die Schlange mit den Zähnen entgegen. Das Tier gab ein drohendes Rasseln von sich, aber Tasajeswa ließ sich nicht beirren. Langsam drehte er sich, um im Gleichklang mit den anderen Männern zurück in die Mitte der Plaza zu tanzen. Aber er befand sich nicht im Einklang mit dem Tier, das sich weiter nervös zwischen seinen Zähnen wand. Alle anderen Tänzer schienen sich im Einklang mit ihren Tieren zu befinden. Die Schlangen ließen sich von den Männern tragen und bewegten sich kaum noch. Aber die Schlange, die Tasajeswa im Mund hielt, bewegte sich weiter, richtete ihren Kopf auf und zischte ihn an. Sie drehte sich zwischen seinen Zähnen und er musste nachfassen, um das Tier nicht zu verlieren. In diesem Moment sah er den breiten, gedrungenen Kopf der Schlange neben seinem Gesicht auftauchen.

Und dann geschah es. Mit einer blitzschnellen Bewegung stieß die Schlange zu. Mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen spürte Tasajeswa etwas wie den Stich zweier spitzer Nadeln in seinem Hals. Das Reptil fiel ihm aus dem Mund und rollte sich sofort auf dem Boden zusammen. Ein Aufschrei ging durch die Menschenmenge und Tasajeswa stolperte aus der Reihe der Tänzer. Er hatte das Gefühl, einen starken Druck in seinem Hals zu spüren. Er taumelte und wurde von mehreren Händen gepackt. Er wollte protestieren. Es war seine Pflicht, den Tanz weiter zu führen. Aber mehrere Männer und Frauen, die ihn an den Armen gefasst hatten, geleiteten ihn zum Rand der Plaza. Tasajeswa fühlte sich benommen und wehrte sich nicht mehr. Sie würden ihm das traditionelle Heilmittel gegen Schlangenbisse geben, das der Schlangenbund verwendete. Sie hatten ihn auf eine Brüstung am Rande der Plaza gesetzt. Tasajeswa glaubte, das Gift in seinem Körper zu spüren. Mehrere Personen blieben bei ihm. Seine Frau war da, seine Kinder.

Tasajeswa registrierte, dass der Tanz weiter andauerte. Das Schlangenritual war ein Bitten um Regen, um Fruchtbarkeit und Gesundheit des Volkes und gehörte zu dem Reigen der regelmäßig ausgeführten Hopi-Rituale. Es war zu wichtig für das Überleben des Stammes, um es abzubrechen. Er hörte den dumpfen Schlag der Trommeln und sah mit unscharfem Blick die Bewegung auf dem Dorfplatz vor sich. Dann sank sein Kopf auf seine Brust und er wurde ohnmächtig.

Tanz mit Schlangen

Подняться наверх