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Der Hopi führte sie durch die engen Gassen des Hopi-Dorfes. Obwohl die Sonne hoch am Himmel stand, lag ein Großteil der von Generationen festgetrampelten Wege im Schatten der teilweise mehrstöckigen Bauten. Nachdem sie eine Weile gegangen waren, fand sich nach und nach eine Schar Kinder ein, die sie neugierig durch das Labyrinth der aus Adobe-Lehm gefertigten Häuser verfolgte. Einige junge Mädchen, die die traditionelle schwarzweiße Tracht der Hopi-Frauen und die charakteristischen an der Seite des Kopfes zu Schnecken geformten Zöpfe trugen, die zeigten, dass sie unverheiratet waren, beobachteten sie erstaunt vom Dach eines Hauses herab. Am anderen Ende des Pueblos ging der Weg abschüssig auf einige tiefer liegende Gebäude zu, so dass sie auf den Dächern roten, gelben, blauen und weißen Mais und Kolben mit verschiedenfarbigen Körnern liegen sehen konnten, die dort wohl zum Trocknen ausgelegt worden waren. Daneben standen Krüge und Körbe, in denen vielleicht andere Nahrungsmittel getrocknet oder gelagert wurden.
Sie hielten vor einem gedrungenen Gebäude aus Lehmziegeln, von dessen Dach eine hölzerne Leiter auf das Dach des darauf gebauten Gebäudes führte. Charly hatte seinen Kollegen erklärt, dass man in einem Hopi-Dorf möglichst nicht an die Tür klopfte, wenn man jemanden besuchen wollte, sondern einfach vor dem Haus wartete, bis man bemerkt wurde. Begay kannte das von seinem Volk: Wenn man zum Hogan oder dem Haus von Dineh kam, blieb man auch draußen, bis jemand herauskam. Allenfalls hupte man, um sein Kommen anzukündigen. Tatsächlich öffnete einen kurzen Moment, nachdem sie eingetroffen waren, schon eine kleine, alte Frau, deren braunes Gesicht von unzähligen Runzeln übersät war, die Tür.
Charly stellte der alten Frau, der gegenüber er sich sehr respektvoll verhielt, zunächst die beiden Polizisten vor und erklärte diesen dann, dass dies Wilma Tasajeswa, die Frau des verstorbenen Albert Tasajeswa, sei. Die alte Dame begrüßte sie freundlich, auch wenn Begay meinte, dass sie den Argwohn gegen die beiden Männer aus einer ihr gänzlich fremden Welt nicht ganz verbergen konnte, und bat sie herein.
Misses Tasajeswa ging ihnen voran in das Halbdunkel der Wohnung und führte sie zu einem roh behauenen Holztisch und ebenso einfachen Stühlen, auf die sie sich setzten. Caldwalder registrierte zu seinem Erstaunen, dass es trotz der Gluthitze draußen hier drinnen angenehm kühl war, sodass in einem Kamin an der Rückwand des Raumes sogar ein kleines Feuer loderte.
„Sind Ihre Kinder auch da?“, fragte Charly, der Begay und Caldwalder unterwegs schon erzählt hatte, dass zwei erwachsene Söhne und eine Tochter der Tasajeswas in den umliegenden Häusern mit ihren Familien lebten.
„Nein“, antwortete Misses Tasajeswa. „Emma ist zum Einkaufen in die Stadt gefahren. Und die Jungen sind auf dem Feld.“ Sie sah Begay an. Nach einer kurzen Pause sagte sie: „Entschuldigen Sie, wenn ich etwas nachdenken muss, bevor ich antworte. Ich spreche nicht oft englisch.“
„Sie leben von der Landwirtschaft?“, fragte Caldwalder, der darauf einen etwas befremdeten Blick der alten Dame erntete.
„Ja“, antwortete sie nur. Wahrscheinlich war es für sie nicht vorstellbar, dass ein echter Hopi-Indianer von irgend etwas anderem leben könnte.
„Es tut uns sehr leid, dass Sie Ihren Mann verloren haben, Misses Tasajeswa“, versuchte Begay das Gespräch jetzt in die richtige Richtung zu lenken.
Die alte Dame nickte nur und warf Begay einen dankbaren Blick zu.
„Officer Quochytewa sagte uns, dass Sie sofort den Verdacht gehabt hätten, dass es sich bei seinem Tod um etwas anderes als einen Unfall handeln könnte“, sprach Begay weiter. „Können Sie uns erklären, warum?“
Misses Tasajeswa sah eine Weile schweigend auf den Tisch vor sich und sagte dann: „Albert hat immer viel Ärger gehabt. Er war ein guter Mann, müssen Sie wissen.“
Sie sah Begay und Caldwalder an und fuhr fort: „Aber er war ein echter Hopi und hat sich zeit seines Lebens dafür eingesetzt, unsere Kultur zu erhalten und gegen fremde Einflüsse zu verteidigen.“
„Mit wem hat er denn Ärger gehabt?“, fragte Caldwalder.
„Am meisten mit den Leuten von Peabody Coal“, antwortete Misses Tasajeswa. „Er hat sein ganzes Leben gegen die Zerstörung der Black Mesa und die Entweihung unseres Bodens gekämpft.“
Begay runzelte die Stirn. „Meinen Sie, er hat sich damit persönliche Feinde gemacht?“
„Ja, ich glaube schon. Er hat ja immer wieder Petitionen geschrieben und Klagen vor Gericht eingebracht in der Hoffnung, den Kohlebergbau auf unserem Berg stoppen zu können.“
„Da ist er sicher einigen Leuten auf die Füße getreten“, meinte Caldwalder.
„Hat er denn einmal eine Auseinandersetzung mit Angehörigen der Firma gehabt?“, fragte Begay nach.
„Ja! Oft. Zweimal haben sie ihn regelrecht verprügelt, als er mit anderen versucht hat, die Zufahrtswege zur Mine zu blockieren. Einmal musste er sogar ins Krankenhaus. Da hatten sie ihm das Schlüsselbein und mehrere Rippen gebrochen.“
Misses Tasajeswa schüttelte milde lächelnd den Kopf. Sie sah die Polizisten an und fügte hinzu: „Da war er aber noch jünger. Heute hätte er sich auf so etwas nicht mehr einlassen können.“
„Wissen Sie, ob er mit bestimmten Personen bei Peabody Coal Ärger gehabt hat?“ Caldwalder machte sich einige Notizen.
„Ja, damals, als sie ihn so schwer verletzt haben, war es ein Vorarbeiter von Peabody, der den Befehl gegeben hatte, die Demonstranten zu verprügeln.“
„Wissen Sie, wie der Mann hieß?“
„Ja, ein Mister Rivers war das. Mein Mann hatte ihn auch angezeigt, aber dieser Rivers wurde natürlich freigesprochen.“ Sie grinste die Männer scheinbar fröhlich an und nickte, offensichtlich in ihren eigenen Gedanken gefangen.
„Auch das andere Mal, als er auf einer Demonstration gegen die Kohlemine verprügelt wurde, war dieser Mister Rivers dabei!“ Sie machte eine Pause und dachte offensichtlich nach, dann fuhr sie fort: „Das ist vor etwa zehn Jahren gewesen! Rivers kannte meinen Mann und hatte ihn auf dem Kieker“, fügte sie hinzu.
„Also dieser Mister Rivers scheint ja wirklich nicht gerade ein Freund von Mister Tasajeswa gewesen zu sein! Aber dass ein weißer Angestellter der Kohlemine sich Zutritt zu der Schlangenkiva verschafft, ist doch schwer vorstellbar, oder?“, fragte Caldwalder an Charly gewandt.
„Nein! Da kommt niemand herein, der nicht zu der Kiva gehört! Und auch der Schlangentanz sollte für Touristen und Weiße nicht zugänglich sein!“
„Das heißt, der Mörder muss doch hier aus dem Dorf sein und wahrscheinlich sogar zur Schlangenkiva gehören“, gab Caldwalder zu bedenken.
„Ja, das stimmt“, sagte Charly. „Jemand anderes wäre nicht an die Schlange herangekommen!“
Misses Tasajeswa sah verständnislos von einem zum anderen.
„Wir haben festgestellt, dass die Schlange präpariert worden war, so dass sie bei einer Berührung zubeißen würde“, erklärte Charly an die alte Frau gewandt.
Misses Tasajeswa schlug sich mit der Hand vor den Mund, um einen leisen Ausruf des Entsetzens zu unterdrücken.
„Nun kann es ja sein, dass jemand von außerhalb einem Mitglied der Schlangenkiva den Auftrag für die Tat gegeben hat“, gab Begay zu bedenken.
„Ja, auch die Hopi sind nicht mehr vor den Verlockungen des Geldes gefeit“, fügte Charly bitter hinzu.
„Mister Quochytewa hat uns erzählt, dass es auch Streitigkeiten innerhalb der Schlangenkiva gab“, nahm Begay die Befragung wieder auf.
„Ja, sie waren sich nicht mehr immer einig, wie die Rituale auszuführen seien.“
„Ihr Mann war für die strenge Einhaltung der Traditionen?“, fragte Caldwalder.
„Ja, er war noch ein echter Hopi! Er hätte nicht zugelassen, dass die Zeremonien, die uns der Schöpfer gegeben hat, verwässert und verfälscht werden“, antwortete Tasajeswa.
„Aber da gab es andere, die nicht so sehr auf die Traditionen achteten?“, wollte Begay wissen.
„Ja, leider! Einige hatten sich sogar dafür ausgesprochen, den Schlangentanz nicht mehr aufzuführen!“
„Es ist eine bittere Ironie, dass dein Mann, der sich so für den Erhalt der Zeremonie eingesetzt hat, selbst bei diesem Schlangentanz ums Leben gekommen ist“, meinte Charly traurig.
Die alte Dame starrte vor sich hin und sagte leise: „Die Ausführung der Zeremonien ist uns von unserem Schöpfer aufgetragen worden. Wenn wir sie vergessen oder nicht mehr durchführen, wird die Welt aus dem Gleichgewicht geraten! Und Albert war sich der Aufgabe bewusst, dass die Zeremonien erhalten bleiben müssen!“
„Wissen Sie denn, wer zu den Gegnern Ihres Mannes in diesen Fragen gehörte?“, fragte Begay.
„Ja. Zum Beispiel die Brüder Harold und Rudolph Hongvah. Oder Holden Lomaheftewa. Die haben es mit den alten Sitten nicht mehr so genau genommen und wollten auch die Zeremonien tatsächlich verändern.“
„Also, wir können feststellen, das, wenn es sich bei Mister Tsajeswas Tod um einen Mord handelt, was ja tatsächlich so aussieht, der Täter zur Schlangenkiva gehören muss. Ein weißer Täter scheidet damit aus beziehungsweise wäre nur als Auftraggeber im Hintergrund vorstellbar“, fasste Caldwalder zusammen.
„Oh, es gibt sogar einen Weißen im Schlangenklan!“ Misses Tasajeswas Stimme klang neutral, obwohl diese Tatsache eher ungewöhnlich war.
Begay und Caldwalder sahen sich erstaunt an.
„Randy Sakwaitiva, früher Randy Miller. Sakwaitiwa bedeutet „Tiere, die auf der grünen Wiese laufen“. Das ist der Name seiner verstorbenen Hopi-Frau“, erklärte Charly. „Er ist ein Weißer, der aber schon seit vielen Jahren bei den Hopi lebt. Eigentlich kann ein Weißer gar nicht in den Stamm aufgenommen werden. Aber Randy hat wohl etwas indianisches Blut. Ein Mischling kann als Erwachsener vom Stamm adoptiert werden, wenn er eine Hopi-Frau heiratet. Er ist in den Stamm aufgenommen worden, spricht fließend Hopi, hat Familie und ist völlig integriert. Er ist übrigens einer der vehementesten Verfechter der alten Traditionen!“
Begay kannte das: Weiße, die bei Indianerstämmen lebten, wurden oft zu den radikalsten Kämpfern für das, was sie für die indianische Sache hielten.
„Weil er diese Lebensweise so bewundert, ist er ja zu uns gekommen! Er hat hart darum kämpfen müssen, aber schließlich wurde er von den Hopi akzeptiert. Dass dieser Mann etwas gegen Tasajeswa unternommen hat, halte ich für völlig ausgeschlossen“, erklärte Charly seinen Kollegen.
Begay beobachtete, wie Misses Tasajeswa zustimmend nickte.
Es trat ein Moment des Schweigens ein, dann sahen die Polizisten sich an und Charly sagte: „Dann haben wir erst einmal keine Fragen mehr. Vielen Dank, dass du mit uns gesprochen hast!“
Auch Caldwalder und Begay bedankten sich bei der alten Dame und sie geleitete sie zur Tür.
Die drei standen zusammen in der Gasse, in der nach der Kühle des Hauses eine drückende Hitze lastete.
„Bevor wir hier weiter ermitteln, sollten wir nicht mit dem Kikmongwi sprechen?“, überlegte Begay laut.
Caldwalder schaute ihn fragend an.
„Das ist der Dorfhäuptling“, erläuterte Charly dem Agenten. „Das ist nicht nötig. Ich habe mit dem Dorfrat gesprochen.“ Er quittierte Begays gute Manieren mit einem Lächeln und fuhr fort: „Wie Sie vielleicht wissen, ist Hotevilla, wie andere traditionelle Hopi-Dörfer auch, nicht im Stammesrat vertreten. Diese Gemeinschaften vertraten immer die Ansicht, dass der Stammesrat nur eine Marionettenregierung der Weißen ist. Daher wurden aus diesen Dörfern keine Repräsentanten in den Rat entsandt. Da aber wiederum unser traditioneller Dorfhäuptling von außen nicht anerkannt wurde, haben wir als Vertretung den Village Board of Directors gegründet. Mit den Verantwortlichen habe ich gesprochen und Ihr Kommen angekündigt.“
„Gut, dann wäre das geklärt“, meinte Begay.
„So, was haben wir?“, fragte Caldwalder, als die drei Männer durch die Gassen des Dorfes zurückgingen.
„Nun, wir wissen inzwischen, dass es sich mit ziemlicher Sicherheit um Mord handelt und dass der Täter Zugang zur Schlangenkiva haben muss, das heißt, dass er höchstwahrscheinlich sogar ein Angehöriger dieser Kiva ist. Das schränkt den Kreis der möglichen Täter schon ziemlich ein“, meinte Begay.
„Wie viele Personen haben denn Zugang zur Schlangenkiva?“, fragte Caldwalder Charly.
„Nach Tasajeswas Tod gehören noch zwölf Personen dazu“, antwortete der Hopi.
„Oh, doch ‘ne Menge Arbeit“, stöhnte Caldwalder.
„Ja, mit denen sollten wir sprechen“, sagte Begay. „Und wir sollten uns ruhig auch einmal bei Peabody Coal umhören!“
„Klar“, meinte Caldwalder, „Und mit diesem Mister Rivers müssen wir uns auch mal unterhalten!“
„Genau“, antwortete Begay. „Oder fällt Ihnen noch ein anderes mögliches Motiv ein?“ fragte er an Charly gewandt.
„Nein, eigentlich nicht“, erwiderte der.
„Könnten Sie dann eine Liste der Angehörigen der Schlangenkiva erstellen und dieses Leute ansprechen, dass wir mit ihnen reden müssen, vielleicht morgen?“
Charly bejahte das.
„Und können Sie, Jack, einen Termin mit Mister Rivers machen?“, fuhr Begay an Caldwalder gewandt fort.
„Warum immer ich?“ fragte Caldwalder mit gespieltem Ärger.
„Weil Sie als FBI-Agent da sofort einen Gesprächstermin bekommen, ganz im Gegensatz zu mir“, erklärte Begay.
„Und könnten wir noch mit weiteren Familienangehörigen der Tasajeswas reden?“, fragte Caldwalder Charly.
„Ja, ich weiß, wo Ethan seine Felder hat. Wenn Sie wollen, können wir gleich hinfahren. Und später können wir vielleicht auch Emma und den anderen Bruder Ernest zu Hause erreichen.“
Sie fuhren mit Begays Wagen von der Mesa herunter und der Hopi leitete sie über eine staubige Straße und später durch ein Arroyo, dem Verlauf des ausgetrockneten Bachbettes folgend durch die karge Landschaft. Über ihnen breitete sich der tiefblaue Himmel des Südwestens, an dem die in weiter Entfernung träge dahingleitenden Silhouetten großer Vögel in dieser Mittagsstunde der einzige Hinweis auf Leben waren. Nach ungefähr einer halben Stunde erreichten sie eine unter einer gewaltigen Felswand liegende Pflanzung aus kleinen, einzeln stehenden grünen Schösslingen.
Sie stellten das Auto zwischen einigen mageren Tamarisken-Büschen im Schatten der Felswand ab und liefen auf Ethan, der nach der Heirat mit seiner Frau nun nicht mehr Tasajeswa hieß, sondern deren Nachnamen trug, zu. Der Mann, der am anderen Ende des Feldes gearbeitete hatte, sah ihnen entgegen und wartete auf seine Hacke gestützt schon auf sie.
Über einen staubigen Pfad liefen sie entlang der nicht einmal einen halben Meter hohen Maispflanzen, von der jede nur einen einzelnen Kolben trug. Trockene Erde war um die Schösslinge herum aufgehäuft und Blechstücke, an manchen Pflanzen auch glatte Steinplatten, waren neben der Pflanze aufgestellt worden.
„Das ist unsere Art, Mais anzubauen. An den Blechen schlägt sich morgens ein wenig Tau ab. Damit können diese Pflanzen überleben, selbst wenn es monatelang nicht regnet“, erläuterte Charly Caldwalder auf dessen fragenden Blick.
„Deshalb sind die Pflanzen auch so klein. Die normalen, größeren Maispflanzen könnten mit so wenig Wasser nicht auskommen“, fügte Begay hinzu.
„Durch diese Form des Maisanbaus können wir selbst in dieser trockenen Gegend überleben. Für Weiße ist dieses Land einfach nicht ertragreich genug! Deshalb haben sie es uns auch gelassen“, erklärte Charly. „Wir nutzen aber noch viele andere Arten. Wo eine bessere Bewässerung möglich ist, bauen wir auch die großen Maispflanzen an, die Sie kennen“, fügte er lächelnd hinzu.
Die Pflanzen standen mindestens einen halben Meter auseinander, wie Caldwalder jetzt bemerkte, so dass das Feld sich über einen weiten Radius erstreckte. Auch dies diente wohl dazu, den Pflanzen in dieser Wüste genug Wasser zu sichern, dachte Caldwalder. Im Schatten der Felswand wuchsen hier neben Mais auch verschiedene Kürbisse und Bohnen.
Als sie Ethan erreichten, stellte Charly die Männer einander vor. Der Mann erwies sich als zurückhaltender, aber höflicher Gesprächspartner. Charly berichtete ihm, was sie wussten. Ethan schien von der Nachricht schwer getroffen zu sein und musste sich auf einen Felsblock setzen, der im Schatten einer großen Wollpappel stand.
„Wir müssen Sie fragen, ob Sie einen Verdacht haben, wer Ihren Vater getötet haben könnte“, sagte Caldwalder.
„Da habe ich überhaupt keine Ahnung.“
„Hatte Ihr Vater Feinde oder Streit mit irgendjemand?“, fragte Begay.
„Meine Mutter hat Ihnen ja sicher schon erzählt, dass er Streitigkeiten mit einigen eher progressiven Hopi über den richtigen Umgang mit unseren Traditionen hatte. Und ich weiß, dass er sein Leben lang Ärger mit den Leuten von der Black Mesa Coal Mine gehabt hat. Aber da weiß meine Mutter sicher besser Bescheid als ich.“
„Sind Sie auch Mitglied in der Schlangenkiva?“, fragte Caldwalder.
„Nein“, erwiderte Ethan.
„Und Ihre Geschwister?“
„Die Schlangenkiva ist ein Männerbund. Es gibt auch Frauenbünde, aber in die Schlangenkiva hätte meine Schwester nicht eintreten können. Mein Bruder ist auch nicht in der Kiva.“
„War das nicht ein Ärgernis für Ihren Vater?“, fragte Begay.
„Er war sicher traurig darüber. Aber die Mitgliedschaft in einer Kiva bringt viele Aufgaben und Pflichten mit sich. Das wollten Ernest und ich beide nicht.“
„Gab es darüber Streit mit Ihrem Vater?“, fragte Caldwalder.
„Nein. Mein Vater war ein sehr liebevoller und verständnisvoller Mann. Er hätte uns nie gezwungen. Außerdem führen wir ein Leben im Sinne der Traditionen. Damit war unser Vater sehr zufrieden, das weiß ich. Nicht jeder Hopi muss in einer Kiva sein.“
Als die Polizisten das Gefühl hatten, dass Tasajeswas Sohn ihnen nicht mehr viel Neues erzählen konnten, verabschiedeten sie sich freundlich und liefen zu ihrem Wagen zurück.
Sie fuhren wieder den steilen Weg zum Dorf hinauf und Charly führte sie abermals über die Straßen und Wege des Pueblos zu den Häusern von Emma und Ernest Tasajeswa. Während die Tochter mit ihrer Familie in einer Wohnung lebte, die an das Haus der Eltern anschloss, da nach Sitte der Hopi ihr Mann zu ihr gezogen war, wohnte der verwitwete Ernest Tasajeswa, der jetzt wieder seinen Geburtsnamen trug, weitab in dem Haus seiner verstorbenen Frau. Sie trafen beide jetzt zu Hause an, aber auch das Gespräch mit diesen erwachsenen Kindern der Tasajeswas brachte keine Erkenntnisse, die sie nicht schon in den Gesprächen mit Wilma Tasajeswa und ihrem Sohn Ethan gewonnen hatten, und so waren auch diese Befragungen bald beendet. Kurz darauf verabschiedeten sich Begay und Caldwalder herzlich von Charly und verabredeten sich mit dem Hopi für den folgenden Tag. Dann machten sie sich auf die staubige Rückfahrt durch das Hopi-Land.