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Warum die Triebspitzen so wichtig sind

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Wie die individuelle Gestalt der Pflanzen entsteht, können wir besonders einfach im Winter beobachten, nämlich dort, wo man gut sehen kann, dass ein Ast in der Vergangenheit geschnitten wurde.

An Stellen, an denen ein Schnitt noch nach Jahren gut zu erkennen ist, war die Schnittführung für die Pflanze ungünstig. Eine einfühlsame Schnittmaßnahme ist nach dem Schneiden nicht zu sehen. Sanfte Schnitte stören die Regulationsprozesse in der Pflanze so wenig wie möglich oder nutzen sie geschickt aus.


Ungeordnete Austriebe unterhalb des Aststumpfes zeigen: Hier wurde die Spitze gekappt.

Pflanzenschädigende Schnitte erkennen wir oft an einem Stumpf, der zumeist abgestorben ist. Die Rinde hat sich abgelöst, vielleicht ist eine Faulstelle entstanden. Unterhalb des Stumpfes aber stehen viele Äste. Hier haben sogenannte »schlafende Augen« ausgetrieben. Wenn die Spitze eines Triebes plötzlich fehlt, dann treiben viele darunterliegenden Knospen gleichzeitig aus. Daran können wir sehen: Eine Zweigspitze verhindert das Austreiben der Knospen, die weiter zweigabwärts liegen.

Wie dies geschieht, haben Wissenschaftler durch folgendes Experiment geklärt: Die Spitzen von Bohnenpflanzen wurden abgeschnitten und auf Nährböden (Agar-Agar) gesetzt. Auf die gekappten Triebspitzen der Bohnenpflanzen wurden dann die präparierten Agar-Agar-Stücke, auf denen sich die Endknospen eine Weile befunden hatten, platziert. Die Seitenknospen, die normalerweise nach dem Entfernen der Triebspitze austreiben würden, veränderten sich dadurch nicht. Sie trieben nicht aus. Pflanzenhormone, sogenannte Auxine, verhinderten das Austreiben der schlafenden Knospen (»Augen«). Da es sich um transportable Stoffe handelt, wurden sie an das Nährmedium abgegeben.


Das Bohnenexperiment zeigt, dass die Endknospen von Bohnenpflanzen einen Stoff produzieren, der den Austrieb von weiter abwärts liegenden Knospen verhindert. Normalerweise werden schlafende Knospen zum Austreiben angeregt, wenn die Spitze entfernt wird (Bildmitte). Die Wirkung der Endknospe kann durch ein Agar-Agar-Stückchen, auf dem sich eine abgeschnittene Endknospe eine Weile befunden hat, ersetzt werden (rechts im Bild).

Kurz erklärt: Ein »Auge«

Wie ein Tierembryo im Mutterleib, so schmiegen sich Blätter, Blüten und Triebe in den Knospen aneinander: wohlgeordnet und winzig klein, mit der Lupe oder dem Mikroskop aber schon gut erkennbar. Beinahe sieht es so aus, als warteten sie darauf, ihre Hüllen aus Knospenschuppenblät-tern aufzubrechen, sich zu strecken und dem Licht entgegenzuwachsen. Das Signal zum Austreiben geben die Pflanzenhormone, deren Bildung von Licht und Temperatur gesteuert wird. Aber nicht alle Knospen treiben aus. Manche bleiben im »Tiefschlaf«, sie schwellen nicht und bleiben sehr klein. Oft ist nur eine Vertiefung mit einer kleinen Erhebung in der Mitte erkennbar. Das sieht manchmal wirklich aus wie ein kleines Auge.

Der sanfte Schnitt

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