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Pflanzen von Grund auf verstehen
ОглавлениеDie Pflanzen in unserem Garten: Sie wachsen und verändern sich im Jahreslauf, aber sie sind unbeweglich wie ein lebloses Material, auch Reaktionen auf Reize können wir an ihnen nicht wahrnehmen. Aber ist das, was wir wahrnehmen, auch die Wirklichkeit?
Bis zum achten Lebensmonat etwa existiert für kleine Menschen nur das, was sie unmittelbar sehen können. Erst danach lernen sie, dass ein Mensch, der aus der Tür gegangen ist, wiederkommen wird, dass ein Bauklotz, der unter einem Tuch liegt, trotzdem noch da ist. Im Laufe unseres Lebens lernen wir, dass das, was wir wahrnehmen, nur ein winziger Teil der Wirklichkeit ist, und dass viele Sinneseindrücke uns auch täuschen. Dennoch werden wir immer wieder von unseren Wahrnehmungen verführt, das, was wir sehen, für die Wirklichkeit zu halten – oder zumindest für den wichtigsten Teil der Wirklichkeit.
Wenn wir Pflanzen danach beurteilen, was wir sehen, dann werden wir einigen Täuschungen aufsitzen. Viele Pflanzen in so manchem Garten haben unter diesen »Fehlwahrnehmungen« zu leiden. Drei Beispiele sollen dies erläutern:
Pflanzen wurden bei einer Versandgärtnerei bestellt. Es werden Töpfe geliefert, in denen nur Erde zu sehen ist, keine Blätter. Also wird davon ausgegangen, dass auch keine Pflanzen geliefert wurden. – Irrtum, auch Töpfe ohne Blätter und Blüten können gesunde Pflanzen enthalten. Wenn wir die Ballen aus den »leeren Töpfen« einpflanzen, erscheinen nach einiger Zeit die »bestellten« Blätter und Blüten (siehe dazu Seite 20).
Bäume auf einer Baustelle sollen geschützt werden. Also wird der Stamm mit einer Manschette versehen und einzelne Äste, die über die Baustraße hängen, werden hochgebunden. Da alle sichtbaren Teile des Baumes geschützt wurden, wird davon ausgegangen, dass der Baum nun sicher ist. – Irrtum, ein so geschützter Baum wird auf einer größeren Baustelle wahrscheinlich schwer geschädigt. Viele nur oberirisch geschützte Bäume beginnen nach den Bauarbeiten »rückwärts zu wachsen«, verlieren immer mehr Äste, werden krank und gehen schließlich ein (siehe dazu Seite 22).
Ein Baum wird stark zurückgeschnitten, auch Äste mit einem Durchmesser von mehr als 5 oder gar 10 Zentimeter werden entfernt. Er treibt daraufhin stark aus und bildet besonders große Blätter. Es sieht so aus, als hätten wir den Baum zu besonders gesundem Wachstum angeregt. – Irrtum, hier versucht ein Lebewesen in einer Notreaktion sein Leben zu retten. An den Schnittstellen bilden sich große Faulstellen, die mächtigen Austriebe brechen nach einigen Jahren herunter, der Baum wird krank und auch er fängt an, »rückwärts zu wachsen«(siehe dazu Seite 85).
Um Pflanzen achtsam pflegen zu können, ist es notwendig, mehr von den Pflanzen zu kennen und zu wissen, als das, was wir sehen.