Читать книгу Lebe smart und bleibe frei - Ulrike Bauer - Страница 11
At em bewegt
ОглавлениеWährend meines Studiums sagte ein Professor für Atem-, Stimm- und Sprecherziehung: „Der Atem ist in alles eingebunden, was uns bewegt.“ Ich muss zugeben, dass ich damals nicht viel damit anfangen konnte. Heute glaube ich, verstanden zu haben, was er damit meinte: Ohne Atmung kann kein Leben existieren. Das merkt man spätestens dann, wenn einem beim Tauchen der Atem ausgeht, oder ein Asthma-Anfall lebensbedrohlich wird. Der Atem ist ein unbewusster Vorgang, was bedeutet, dass der Körper in jedem Moment dieses Wunder vollbringt, ohne dass wir es bewusst steuern müssen. Leider werden Vorgänge, die automatisch ablaufen, wenig beachtet, es sei denn, der Ablauf ist plötzlich gestört. (Mit der Gesundheit ist es oft genauso.) Und trotzdem der Atem unbewusst gesteuert wird, begleitet er alles, was wir tun, denken und fühlen. Ich behaupte, dass die meisten Menschen ihren Atem nicht mehr fühlen, außer vielleicht in aufregenden Situationen oder beim Sport. Wir halten den Atem an, wenn wir erschrocken sind und wir atmen aus, wenn wir erleichtert sind. Wir atmen schnell, wenn wir Lampenfieber haben und wir atmen langsam, wenn wir entspannt auf der Couch liegen. Doch wie tief atmest du? Die Art und Weise, wie wir atmen, ist entscheidend für unser Wohlbefinden! Im Alltagsstress atmen wir sehr flach, das Zwerchfell (Hauptatemmuskel) bewegt sich kaum und die oberen Lungenflügel werden wenig belüftet. Ab und zu entkommt uns dann doch ein tiefer Atemzug, wonach der Kollege sofort fragt: „Bist du genervt?“ oder „Geht’s dir nicht gut?“. Erkennst du die Ironie darin? Tiefes Atmen senkt den Stresslevel, indem es uns entspannt, unsere Muskeln lockert und das Zwerchfell bewegt. Übrigens ist es das Zwerchfell, das den Bauch beim Weinen beben und beim Lachen hüpfen lässt. Zusammenfassend könnte man sagen: Flache Atmung erzeugt ein flaches Leben, das wenig zu lachen bietet.
Im Übungsteil findest du eine Anleitung zum Erlernen der tiefen Atmung. (Tag 2)
Unter Entspannung ist in unserer momentanen Gesellschaft oftmals das Bild von Nichtstun entstanden. Die ideale Entspannung ist allerdings in meinem Konzept (vor allem im körperlichen Sinne) das Wenigerwerden von zu hoher Spannung. Eine Entspannung, die aktiv ist, die Themen beinhaltet. Überspannte Muskulatur und zu sehr gespannte Körperhaltung darf in neutrale Spannung gemindert werden. Erst diese neutrale Spannung bringt uns wieder in den Zustand, den wir anstreben, oder zumindest anstreben sollten: wieder neugierig im Leben zu werden, Kreativität zu erlauben, Spaß am Tun und auch Nichtstun zu haben. Das heutzutage oft vorhandene Bild vom Nichtstun ist Passivität, und durch Passivität erreichen wir in uns keinen positiven Zustand der Freude. Sind wir aber „aktiv“ entspannt, sind wir in einem Zustand der Ausgeglichenheit. Diesen Zustand gilt es durch KÖRPERBALANCE zu erreichen.
Eine der wichtigsten Grundlagen der KÖRPERBALANCE in jeglicher Art von Bewegung, ist das Prinzip der 6 Richtungen. Wenn du es anwendest, führt es dich automatisch in einen Zustand, den wir heutzutage oft als „im Moment sein“ bezeichnen. Einer der häufigsten Gründe, warum wir nicht entspannt sind, ist, dass wir ständig zwischen Aktionen oder Gedanken der Vergangenheit oder Zukunft hin- und her rennen. Vergangenes, das wir noch weiter verändern möchten, und möglichst gleichzeitig denken wir auch noch an Pläne für die Zukunft, Projekte, die wir durchführen wollen oder müssen. Was im Moment geschieht, bekommen wir meist aber gar nicht mehr mit. Für dieses Zeit-Gerenne ist sehr wohl oft auch unsere Körperhaltung ausschlaggebend.
Beobachte doch einfach einmal, welche Gedanken du hast, wenn du in einer vorgeneigten Körperhaltung bist, oder auch wie sich deine Gedanken verändern, wenn du in einer leicht rückgeneigten Haltung bist. Deine Gedanken werden deine Haltung begleiten und damit sogar verstärken. Zur Ruhe kommt dabei aber weder Körper noch Geist.
Um dies zu verbessern, gibt es die Übung der 6 Richtungen: Teile deinen Körper wie einen Würfel in 6 Richtungen ein, dein Körper ist dabei in alle Richtungen gleichwertig. Bestimme auf jeder Körperseite gezielt Körperteile. So zum Beispiel
vorne Möglichkeiten wie Gesicht, Brustbein, Schambeine (am unteren Beckenende), …
hinten Wirbelsäule, Hinterkopf, Kreuzbein (innen im Becken am unteren Ende deiner Wirbelsäule),…
seitlich die beiden Schultern, Ohren, Arme, Beine,…
oben den Nacken, Kopf, Scheitel, Hinterkopf,…
unten die Füße, Zehen, Fersen,…
Beginne nun zu üben, dass du mindestens einen Körperteil pro Seite (vorne, hinten, oben, unten, rechts, links) zur gleichen Zeit spürst. Als Bespiel: sei dir gleichzeitig bewusst von Brustbein, Wirbelsäule, Kopf, Füße, beide Beine. Wenn das anfangs zu viel ist, beginne mit nur 2 Seiten, wie zum Beispiel ein gleichzeitiges Bewusstmachen von Brustbein und Wirbelsäule. Beobachte nun diese gleichzeitig vorhandenen Körperbereiche in einfachsten Bewegungen des Alltags. Wenn du ein Glas Wasser trinkst, eine Türe öffnest, beim Fenster hinaussiehst, etwas schreibst,……. sorge dafür, dass die jeweiligen Körperteile in ihrer Richtung bleiben: dass die Wirbelsäule hinten bleibt und sich nicht in deinen Körper nach innen hineinschiebt, dass dein Brustbein in Kontakt zu dir und deinem Becken bleibt (gefühlt: senkrecht zum Boden hinunterzeigt) und sich weder in dir versteckt noch nach vorne wegdrückt.
Spüre deinen Atem auch noch dabei – lass deinen Atem möglichst gleichmäßig und in Ruhe fließen.
Somit: Spüre dich atmen, spüre und beobachte mindestens 2 deiner Seiten und das auch noch während deiner aktuellen Tätigkeit.
Auf diesem Prinzip der besonderen Gleichzeitigkeit baut das Konzept der KÖRPERBALANCE auf. Alles in uns ist komplexe Bewegung, beruht auf den für unser Gehirn wichtigen gleichzeitigen Wahrnehmungen. Wichtig dabei: diese Gleichzeitigkeit findet innerhalb EINES Themas statt. Als Beispiel im Alltag: Spüre dein Brustbein, deine Wirbelsäule, deinen Atem – während du auch spürst, dass du das Glas Wasser berührst. Nicht im Sinne der idealen Gleichzeitigkeit wäre es, dass du dabei auch noch eine fremde Tätigkeit ausübst, wie zum Beispiel etwas aufzuschreiben, etwas zu putzen,… - es genügt, zusammen mit deiner Körperbeobachtung eine einzige Tätigkeit auszuführen.
Dieses sogenannte „Multi-tasking“, das Ausführen verschiedener Tätigkeiten führt uns in das genaue Gegenteil – macht uns unruhig und gestresst.
Ideale Gleichzeitigkeit hingegen bringt uns in den Moment, entspannt sogar Körper und Geist, macht uns ausgeglichen. Wir erreichen eine Verbindung von körperlicher und geistiger Zufriedenheit und bewegen uns so auch auf neuen emotionalen Wegen. Diese Gleichzeitigkeit in den Übungen der KÖRPERBALANCE hat somit einen gleichzeitigen Bezug zur „Körperlichen Ebene“ wie auch zu den nachfolgenden Kapiteln „Mentale Ebene“ und „Emotionale Ebene“.
Körperliche Flexibilität erfordert, neben An- und Entspannung, noch einen dritten Bereich: Die Dehnung! Durch sitzende Tätigkeiten und eintönige Haltungen verkürzen bestimmte Muskelgruppen und die Faszien verkleben. Ein steifer Körper fühlt sich wie eingerostet an, was sich auch auf die Stimmung überträgt, denn Körper und Geist beeinflussen einander immer gegenseitig. Der Körper spiegelt das Unterbewusstsein wider! Das hast du vielleicht in der vorherigen Körperbalance-Übung bereits selbst erfahren.
Hier möchte ich dir eine meiner Erfahrungen dazu schildern: Seit meiner Kindheit bin ich eine begeisterte Hobby-Tänzerin. Vor drei Jahren entschied ich mich, mit dem Tanzen aufzuhören, da ich beruflich viel zu tun hatte und glaubte, dass mich die regelmäßigen Tanzstunden noch zusätzlich belasten würden. Ich bewegte mich ein Jahr lang sehr wenig, machte fast keinen Sport, arbeitete viel am PC und habe meine Körper nicht einmal gedehnt. Abends meditierte ich fast täglich und versuchte meine Stressmuskeln regelmäßig zu entspannen. Anfangs fühlte ich mich recht gut, ich war gelassen, trotzdem ich viel arbeitete und hatte keine körperlichen Beschwerden. Doch langsam merkte ich, dass ich träge wurde. Ich lag lieber auf der Couch und las ein Buch, als nach draußen spazieren zu gehen. Meine Haltung veränderte sich durch das nach vorne gebeugte Arbeiten, sodass ich mit hängenden Schultern durch das Leben ging. Es fiel mir immer schwerer, mich aufzurichten und eine selbstbewusste Haltung einzunehmen. Schleichend machte sich auch ein Ziehen im Rücken und in der Hüfte bemerkbar, was ich bis dahin nicht kannte. „Schluss, so kann es nicht weitergehen!“, sagte ich eines Abends zu mir, als ich mich beim Aufstehen abstützte und mir dabei wie meine Großmutter vorkam. Ich schrieb mich sofort in den nächsten Tanzkurs ein und begann wieder täglich zu dehnen. Mit der körperlichen Flexibilität verbesserte sich meine Haltung und ich wurde insgesamt wieder aktiver, selbstbewusster und hatte mehr Spaß am Leben. Diese Erfahrung zeigte mir, wie stark sich Körper und Geist beeinflussen.
Die Körpersprache zeigt es uns ebenfalls sehr deutlich: Hast du schon einmal probiert, in einer gebeugten Haltung richtig glücklich zu sein? Oder umgekehrt, wenn du deine Arme ausstreckst, so als ob du in die Freiheit fliegen würdest, ehrlich und überzeugend zu sagen: „Ich bin so unglücklich!“ Wenn du das ausprobierst, wirst du wahrscheinlich lachen - zumindest ging es mir so. Es funktioniert einfach nicht! Darum möchte ich dich dazu inspirieren, im Alltag vermehrt auf deine Haltung zu achten. Indem du Haltung einnimmst – im Innen wie auch im Außen- förderst du eine selbstbewusste, positive Lebenseinstellung.
Umgekehrt beeinflusst unsere mentale Einstellung unsere Körperhaltung: Bei Stress ziehen wir die Schultern hoch und der Nacken-Schulter-Bereich verspannt sich. Bei Angst ziehen wir den „Schwanz“ ein und spannen die Bauchmuskeln an, um unsere sensible Vorderseite zu schützen. Wenn du gut drauf bist, weil du vielleicht gerade eine wichtige Prüfung bestanden hast, wirst du erhobenen Hauptes herumschreiten, anstatt die Schultern hängen zu lassen. Es ist also auch möglich, durch eine positive mentale Einstellung, die Körperhaltung zu verbessern. Viele denken, dass eine „gute“ Haltung nur durch Muskelkräftigung ermöglicht wird. Dabei sind es oft mentale und körperliche Verspannungen und Verkürzungen, die uns krumm werden lassen.
Durch das intensive Nutzen digitaler Medien kommt es vorzeitig zu mentaler Erschöpfung, was sich auch auf die körperliche Fitness auswirkt. Vielleicht hast du bereits erlebt, dass sich das Workout anstrengender anfühlt, wenn das Gehirn müde ist? Eine Studie der University of Kent (England) und des Institute of Health and Medical Research (Frankreich) bestätigte, dass mentale Ermüdung – wie sie durch Stress entsteht – die körperliche Ausdauer negativ beeinflusst. Die Studienteilnehmer beendeten ihr Workout um durchschnittlich 13% früher als die mental fitte Kontrollgruppe und gaben außerdem an, früher erschöpft zu sein. (Ranganathan 2004)
Mentale Erschöpfung lässt den Körper erstarren! Druck und Stress lassen uns mental und körperlich verspannen, spürbar meistens im Kopf, Kiefer, Nacken, Rücken und den Schultern. Die Flexibilität der Muskeln wird beeinträchtigt.
Andererseits habe ich erlebt, dass durch das Dehnen der Muskeln, was ja immer mit einem bewussten Atmen einhergeht, mentale und emotionale Blockaden aufgelöst werden können. Zunächst ist das Dehnen des Muskels unangenehm, du atmest ein und beim Ausatmen löst sich die Spannung und du kannst ein kleines Stück tiefer gehen. Je freier ich im Denken wurde, desto leichter fiel mir auch das Dehnen meiner Muskeln und umgekehrt. Heute wende ich das Dehnen auch als Methode bei emotionalen Belastungen an. Belastende Emotionen dehne ich praktisch solange, bis sie sich von selbst auflösen.
Diese Übung findest du im Übungsteil (Tag 13)