Читать книгу Architektinnen. Ihr Beruf. ihr Leben. - Ulrike Eichhorn - Страница 7
Architektinnenbiografien
ОглавлениеEmilie Winkelmann, (1875 — 1951) wurde als Tochter eines Lehrers in Aken an der Elbe geboren. Sie erlernte das Handwerk des Zimmerers und half als junges Mädchen im Baugeschäft ihres Großvaters. Nach Abschluss der Schule gelang es ihr− obwohl Frauen zu dieser Zeit in Preußen noch keinen Zugang zu Hochschulen hatten− eine ausnahmsweise Zulassung zur Technischen Hochschule Hannover zu bekommen: Sie hatte sich eines Kniffs bedient und ihren Antrag mit E. Winkelmann unterzeichnet. Die Zulassung zum Staatsexamen jedoch versagte man ihr. 1906 zog Emilie Winkelmann nach Berlin, arbeitete in einer Baukanzlei und eröffnete als erste selbstständige Architektin Deutschlands ihr eigenes Büro. 1907 nahm sie an einem Wettbewerb für ein Theatergebäude nahe des Strausberger Platzes teil. Mit dem ersten Preis erhielt sie den Bauauftrag. Nach erfolgreicher Umsetzung des Projektes folgten Aufträge vermögender Berliner Bürger. Emilie Winkelmann plante Villen, Land-, Herren- und Mietshäuser. Nicht nur in Berlin und Umgebung, auch in Pommern und Schleswig-Holstein sind Spuren ihrer Baukunst zu sehen. In der Leistikowstraße, Berlin, entstand 1909 bis 1910 nach ihren Plänen das Leistikowhaus, ein großes städtisches Mietshaus, das heute unter Denkmalschutz steht. Zu ihren bedeutendsten Bauten zählt das, in den Jahren 1914 bis 1915 unter dem Protektorat der Kaiserin Auguste Viktoria errichtete Viktoria-Studienhaus, heute als Ottilie-von-Hansemann-Haus bekannt, in der Otto-Suhr-Allee, ebenfalls in Berlin. Äußerlich der Architektur des ausgehenden 18.Jahrhunderts angepasst, basierte diese damals einmalige Wohn- und Bildungsstätte für Berliner Studentinnen auf den reformerischen Ideen der Frauenbewegung. Leider wurde Winkelmanns Karriere ab 1916 durch eine schwere chronische Erkrankung eingeschränkt, sie litt zunehmend an Schwerhörigkeit und Desorientierung. Bedingt durch die Krankheit und die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs gelang es der Architektin nicht, an ihren früheren beruflichen Erfolg anzuknüpfen. Sie versuchte mit Projekten im Kleinwohnungsbau Anschluss an die Entwicklung zu bekommen, aber da sie sich weder in den 1920er- noch in den 1930er-Jahren parteipolitisch betätigte, blieben öffentliche Aufträge aus. So konzentrierte sie sich auf die Modernisierung von Guts- und Herrenhäusern, dem Umbau von Schloss Grüntal bei Bernau und nach dem Krieg dem Wiederaufbau und der Unterbringung von Flüchtlingen. Emilie Winkelmann wurde im Familiengrab in Aken beigesetzt. Die von ihr projektierten Villen und Landhäuser gelten auch heute noch als bemerkenswert modern und ebenbürtig denen von berühmten Architekten wie Alfred Messel und Hermann Muthesius. Viele von ihr entworfene Gebäude, die meist den individuellen Bedürfnissen der Bewohner angepasst waren, stehen heute unter Denkmalschutz.
Unter Denkmalschutz gestellt und als besonders erwähnenswert werden auch die Bauten einer anderen Architektin eingeschätzt, die eine bemerkenswerte Biografie hatte:
Ella Briggs, geborene Baumfeld, (1880 — 1977) studierte nach Abschluss der Schule zunächst Malerei in der Malschule des Wiener Frauenerwerbsvereines und an der Wiener Kunstgewerbeschule. Frauen wurden zu jener Zeit für ein Architekturstudium in Österreich noch nicht zugelassen. 1907 heiratete sie den New Yorker Journalisten Walter J. Briggs. Nach ihrer Scheidung siedelte Ella Briggs 1912 aus den USA wieder nach Wien um. Als Gasthörerin besuchte sie die Technische Bauschule, nahm Zeichenunterricht und bildete sich fort. Nach dem Ersten Weltkrieg wechselte sie nach München und wurde dort als Studentin der Technischen Hochschule zugelassen. Sie studierte vier Semester bei Professor Theodor Fischer. Bei ihm absolvierte sie erfolgreich ihren Abschluss. 1921 wurde Ella Briggs als erste Frau Mitglied des Österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins und erste anerkannte Architektin ihres Heimatlandes. Aus ihren Händen stammen der Pestalozzihof und das Ledigenheim in der Billrothstraße in Wien. 1930 siedelte sie nach Berlin um, wo sie bis 1933 lebte und Siedlungen und Wohnbauten entwarf. 1936 floh die Jüdin über Wien nach London. Dort eröffnete sie ihr eigenes Büro, in dem sie für eine Wohnbaugenossenschaft im Londoner Stadtteil Enfield plante und baute. Bis zu ihrem Tod im Alter von 87 Jahren war sie dort tätig. Besonders erwähnenswert ist, dass Ella Briggs die einzige Frau neben Margarete Schütte-Lihotzky war, die sich im Wien der 1920iger-Jahre für ein umfangreiches Programm an Gemeindebauten verantwortlich zeigt.
Margarete Schütte-Lihotzky, (1897 — 2000) wuchs in einem großbürgerlichen Umfeld auf, das ihr Privatunterricht und den Besuch der Grafischen Lehranstalt ermöglichte. Nach der Aufnahmeprüfung an der Kunstgewerbeschule begann sie das Studium der Architektur. Sie belegte Baukonstruktion bei Heinrich Tessenow, nahm an einem Wettbewerb teil, der dem Thema Arbeiterwohnungen gewidmet war, und erwarb drei Monate Büropraxis bei Professor Oskar Strnad. Sie arbeitete an Entwürfen für Siedlungsbauten, fertigte Pläne für ein Theaterprojekt für Max Reinhardt an und entwickelte dazu Studien. Nach ihrem Abschluss und einer Auszeichnung für ihre Entwürfe verließ sie Wien in Richtung Holland, um dort im Büro Vermeer zu arbeiten. Ein Jahr später kehrte sie in ihre Heimatstadt zurück. Sie begann unter der Leitung von Albert Loos an den Entwürfen für eine Siedlungsgenossenschaft zu arbeiten. Ab 1922 brachte sie ihre Erfahrungen im Büro Ernst Egli ein. Auch hier plante sie Siedlungshäuser, entwickelte Innenausstattungen, Kochnischen und Spülplätze. Sie beschäftigte sich intensiv mit der Rationalisierung der Hauswirtschaft. Für ihre Arbeit erhielt Schütte-Lihotzky die bronzene Medaille der Stadt Wien. Trotz Erkrankung an Tuberkulose und damit einhergehenden Klinikaufenthalten engagierte sich die Architektin weiterhin für die Planung von Volkswohnungen, entwickelte Möbelsysteme und plante Gesamtwohnanlagen u.a. mit Adolf Loss, Peter Behrends und Josef Hoffmann. 1926 wurde sie von Ernst May an das Hochbauamt der Stadt Frankfurt berufen. Im Rahmen ihrer Arbeit entwickelte sie dort die „Frankfurter Küche“, einen Prototyp für Einbauküchen, der in drei Variationen ca. 10.000-fach gefertigt wurde. Im Jahr 1930 wurde Schütte-Lihotzky als Mitglied der Gruppe May für die Planung neuer Städte nach Moskau berufen. Dazu gehörte auch ihr späterer Mann Wilhelm Schütte, mit dem sie u. a. nach Japan und China reiste. Die Architektin siedelte mit ihrem Mann und in Begleitung Ernst Mays in die UDSSR über, in der Hoffnung dort Wohnsiedlungen bauen zu können. Doch vergeblich. 1938 emigrierte das Ehepaar in die Türkei, nach Istanbul, wo Schütte-Lihotzky an der Akademie der Bildenden Künste lehrte und u.a. Kindergärten entwarf. 1939 trat sie der kommunistischen Partei bei, um in der österreichischen Widerstandbewegung mitzukämpfen. Sie wurde 1941 festgenommen und entging nur knapp dem Todesurteil. Sie wurde zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. 1945 wurde sie von den US-Truppen befreit. Nach einer Zwischenstation in Sofia ließ sie sich 1947 als freischaffende Architektin wieder in Wien nieder, wo sie bis 1975 aktiv plante und baute und wo sie im Jahr 2000, kurz vor ihrem 103. Geburtstag verstarb.
Zu den vor der Jahrhundertwende geborenen Architektinnen gehörte auch Lux Guyer.
Lux Guyer, (1894 — 1955) eigentlich Louise, wurde am 20. August 1894 als Lehrerstochter in Zürich geboren. Sie besuchte die Kunstgewerbeschule und war Fachhörerin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Der Hochschulabschluss blieb ihr als Frau jedoch verwehrt. Sie arbeitete bei Gustav Gull in Zürich und bei Maria Frommer in Berlin In Florenz, Paris und London erweiterte sie ihr architektonisches Wissen und Können. Nach der Gründung eines eigenen Büros in Zürich, als schweizweit erste Frau, machte sie sich vor allem mit der Planung von Einfamilienhäusern einen Namen. Ihre Entwürfe überzeugten durch moderne Grundrisse und einen neoklassizistischen Stil. Zu ihren Werken gehören aber nicht nur Einfamilienhäuser, auch das Frauenwohnheim Lettenhof, das Studentinnenheim Fluntern und das Musterhaus für die SAFFA, der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit, stammen aus ihrer Hand. 1928 hatte sie den Auftrag für die architektonische Leitung der SAFFA, erhalten und in Bern die gesamte Ausstellungsanlage mit minimalen Mitteln geplant und in kürzester Zeit realisiert. Ihr ebenso für die SAFFA entwickeltes Fertighaus, das aus einem vorgefertigten Holzbausystem bestand, wurde als Beitrag zur Erneuerung der mittelständischen Wohnkultur zwar wahrgenommen, setzte sich als Bauform aber nicht durch. Das Haus steht heute in Stäfa am Zürichsee. 1932 heiratete Guyer den Bauingenieur Hans Studer. 1933 brachte sie ihren Sohn Urs zur Welt. Ab 1935 schloss sie sich mit Künstlern und Handwerkern zusammen und setzte diese fruchtbare Kooperation in mehreren Projekten in Zürich um. Guyer war es immer wichtig, in ihren Bauten für eine hohe Wohnqualität zu sorgen. Bewohner und Bewohnerinnen sollten die Räume als behaglich erleben – als Orte des Rückzugs und der Erholung. Trotz Krise und Krieg führte Guyer ihr Architekturbüro weiter. Anfang der 1950er-Jahre erlebte sie nochmals einen Aufschwung. Lux Guyer starb am 25. Mai 1955 in Zürich.