Читать книгу Architektinnen. Ihr Beruf. ihr Leben. - Ulrike Eichhorn - Страница 8

Architektinnen und ihr Einfluss auf berühmte Architekten

Оглавление

Neben den Architektinnen, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts mit eigenen Büros oder in der Öffentlichkeit einen Namen erwarben, gab es viele Kolleginnen die Männer in der Karriere unterstützten und förderten. In einem 1988 erstmals erschienenen und 1992 mit einer zweiten Ausgabe erweiterten Buch über namhafte Architekten werden die Biografien und Lebenswerke von 50 bekannten Architekten präsentiert. Nicht dargestellt wird der Einfluss der Frauen, die an der Seite dieser Männer mehr als unterstützend tätig waren. Else Oppler an der Seite von Peter Behrends, Aino Marsio neben Alvar Aalto, Elisabeth Haggenmüller neben Gottfried Böhm, Anne Griswold Tyng neben Louis Kahn. Das sind nur einige. Viele Architektinnen standen im Schatten ihrer Männer oder Lebenspartner, obgleich ihr Einfluss von großer Bedeutung war. Während ihre Frauen im Hintergrund wirkten, präsentierten sich die Männer in der Öffentlichkeit, bekamen Anerkennung, Preise, Geld und öffentliche Wahrnehmung für ihre Werke. Die Namen der Frauen blieben im Schatten. Es wird Zeit, diese Frauen aus der Vergessenheit zu holen, denn unter ihnen sind viele, die Enormes bewirkt und geleistet haben.

Else Oppler (1875 — 1965) wurde in Nürnberg geboren. Sie durchlief zunächst Ausbildungen an der Münchner Kunstakademie bei Professor Maximilian Dasio, sowie bei Henry van de Velde in Berlin, bei Josef Hoffmann an der Wiener Werkstätte und ab 1901 als Meisterschülerin bei Peter Behrens in Nürnberg. Von 1901 bis 1903 war sie als künstlerische Leiterin der Kunstgewerblichen Abteilung des Nürnberger Vereins Frauenwohl tätig, anschließend als künstlerische Leiterin der Kunstgewerblichen Abteilung des Kaufhauses Wertheim in Berlin. 1904 heiratete sie den Intendanten, Regisseur und Bühnenbildner Paul Legband. Im September 1910 übernahm sie die Leitung der neu gegründeten „Höheren Schule für Dekorationskunst“, welche durch den Deutschen Werkbund, den Verband für kaufmännisches Unterrichtswesen und den Verband Berliner Spezialgeschäfte getragen wurde. 1913 siedelte sie mit ihrem Mann nach Freiburg. Dort unterstützte sie ihn mit Entwürfen von Bauten und Kostümen für Stummfilme. Ab Mitte der 1920er-Jahre knüpfte sie erneut Kontakt zu Peter Behrens. Ihr ursprünglicher Auftrag, Möbel für das Apartment im Behrens-Bau der 1927 entstandenen Stuttgarter Weißenhofsiedlung entwerfen, zerschlug sich, doch der Kontakt zu Behrends blieb. Er vertiefte sich zu einer Lebensgemeinschaft, die mehrere Entwürfe und Bauten von Peter Behrens beeinflussten. So auch den Entwurf des Alexanderhauses am Berliner Alexanderplatz. Wie viele andere erfolgreiche Frauen flüchtete auch sie vor dem Naziregime und emigrierte nach Schweden, bevor sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder nach Deutschland zurückkehrte. Sie starb 1965 am Bodensee. Die Werke und das Wirken von Peter Behrens sind in zahlreichen Publikationen veröffentlicht, über Else Oppler ist nur sehr wenig bekannt.

Marlene Moeschke (1894 — 1985) hatte sich von 1914 bis 1916 an der Hamburger Kunstgewerbeschule zur Bildhauerin ausbilden lassen. Im Anschluss war sie an die Kunstgewerbeschule München gewechselt und nach Erhalt eines Atelierstipendiums der Preußischen Akademie der Künste nach Berlin gegangen. Dort lernte sie auf einer Veranstaltung der Berliner Sezession im Frühjahr 1918 den Architekten Hans Poelzig kennen, den sie 1924 heiratete. Seit 1918 arbeitete Marlene Moeschke neben bildhauerischen auch an kunstgewerblichen Projekten, an Grabmalen und Möbelentwürfen. 1919 war sie maßgeblich am Umbau des Zirkus Schumann zur berühmten expressionistischen Tropfsteinhöhle für Max Reinhardt beteiligt. 1920/21 gründete sie mit ihrem Mann zusammen das Bauatelier Poelzig. 1923 wurde das erste der drei Kinder geboren. 1930 bezog die Familie das von ihr entworfene Wohnhaus in Berlin-Westend. Nach Hans Poelzigs Tod im Jahr 1936 führte Moeschke-Poelzig das Bauatelier noch einige Zeit fort, doch 1937 musste sie es auf Druck der NSDAP auflösen. Sie verkaufte ihr Wohnhaus, verließ Berlin und lebte bis zu ihrem Tod 1985 wieder in Hamburg. Über Hans Poelzig gibt es eine umfangreiche Werkschau, zahlreiche biografische Veröffentlichungen und Würdigungen. Über seine Frau ist so gut wie nichts bekannt.


Aino Aalto (1894 — 1949) wurde am 25. Januar 1894 unter dem Namen Aino Marsio in Helsinki geboren. Nach ihrem Studienabschluss 1920, begann sie ihre berufliche Karriere bei dem Architekten Oiva Kallio in Helsinki. Im Jahr 1924 wechselte sie in das Büro von Alvar Aalto. Nach sechsmonatiger Zusammenarbeit heirateten die beiden und eine lebenslange Partnerschaft begann. 1932 gewann Aino in Konkurrenz zu ihrem Mann einen Design-Wettbewerb mit den Aino-Aalto-glasses. Für diesen Entwurf erhielt sie 1936 die Goldmedaille bei der Triennale in Mailand. Diese Gläser wurden für den täglichen Gebrauch geschaffen. Mit ihrem einfachen, zeitlosen Design sind sie auch heute noch, 80 Jahre später, Teil unseres Alltags. Allerdings kommen die Designprodukte erst seit jüngster Zeit unter ihrem Namen an die Öffentlichkeit, jahrelang liefen sie u.a. als Museums-Exponate unter dem Namen des Aalto Büros. Als Designerin ist Aino Aalto in erster Linie für ihre Arbeit im Glasdesign und die Gestaltung von Innenräumen und Möbeldesign bekannt. Ihr Lebenswerk aber reichte von Architektur über Fotografie bis zu verschiedenen Bereichen der angewandten Kunst. Aino Aalto hat neben Glas-Objekten auch Keramik, Beleuchtung, Stoffe sowie einzelne Textilien konzipiert. Aino Aalto wird als bodenständige Rationalistin beschrieben mit einem starken Sinn für Stil, Farbe und einem Auge für Qualität. Ihr gradliniger Ansatz und ihr Interesse an der Vereinfachung des Alltags, halfen ihrem Mann seine manchmal hochfliegenden Pläne mit der Realität zu vereinbaren. Aino Aalto starb am 13. Januar 1949, kurz vor Ihrem 55. Geburtstag in Helsinki.

Erst seit einiger Zeit erfahren die Entwürfe der Architektin eine Würdigung. Seit die Iittala-Group unter ihrem Namen die Glasprodukte verkauft, wird endlich an die erfolgreiche Designerin namentlich erinnert.

Weniger bekannt, aber auch an der Seite von Alvar Aalto erfolgreich tätig, war seine zweite Frau, Elissa Mäkiniemi. Sie ging ihm, wie in dem genannten Buch über berühmte Architekten beschrieben wird, als geschickte Bauleiterin „zur Hand“:

Elsa Kaisa Mäkiniemi (1922 — 1994) arbeitete nach ihrem Studium in Helsinki seit 1949 als junge Architektin im Büro von Alvar Aalto. Nach dem Tod von Aino Aalto wurde sie zunächst Lebenspartnerin von Alvar Aalto. 1952 heirateten die beiden. Elsa Kaisa Mäkiniemi nahm an Wettbewerben teil, plante und koordinierte Aufträge im Büro. Nach dem Tod ihres Mannes setzte sie mit dem Architekten Harald Deilmann die von Aalto konzipierten Entwürfe, u.a. der des Opernhauses in Essen, in die Realität um. Kontinuierlich kümmerte sie sich um die Fortsetzung aller begonnenen Projekte, führte Sanierungen der Alvar-Aalto-Bauten durch und kämpfte dafür sein Erbe zu bewahren und der Forschung zur Verfügung zu stellen.

Lilly Reich (1885 — 1947) wurde am 16. Juni 1885 in Berlin geboren. Nach dem Abitur absolvierte sie zunächst eine Lehre als Kurbelstickerin. 1908 ging sie nach Wien, um dort bei den Wiener Werkstätten zu arbeiten. 1911 kehrte sie nach Berlin zurück und trat ein Jahr darauf dem Deutschen Werkbund bei, in dessen Vorstand sie 1920 als erste Frau gewählt wurde. Nach einigen Jahren Tätigkeit als Innenraumgestalterin und Modedesignerin in Berlin und Frankfurt/M. lernte sie 1926 Ludwig Mies van der Rohe kennen. Mit ihm organisierte sie 1927 die Werkbund-Ausstellung Die Wohnung in Stuttgart/Weißenhof und die „Deutsche Bau-Ausstellung“ in Berlin. 1928 wurden Mies van der Rohe und Lilly Reich wohl vor allem aufgrund des großen Erfolgs der Stuttgarter Werkbundausstellung mit der künstlerischen Leitung der deutschen Abteilung der Weltausstellung 1929 in Barcelona beauftragt. Sie gestalteten auch hier einige Ausstellungsbereiche gemeinsam. Ende 1928 begann Mies van der Rohe mit dem Entwurf für Haus Tugendhat im tschechischen Brünn, das 1930 fertiggestellt wurde und neben dem Barcelona-Pavillon ebenfalls als eines der Hauptwerke der modernen Architektur gilt. Die Innenausstattung entstand in Zusammenarbeit mit Lilly Reich. Im Januar 1932 berief sie der dritte Bauhaus-Direktor Ludwig Mies van der Rohe zur Leiterin der Bau-/Ausbauabteilung und der Weberei am Bauhaus Dessau und später am Bauhaus Berlin, wo sie bis zur Schließung des Bauhauses im Dezember 1932 tätig war. Zusammen mit Ludwig Mies van der Rohe erhielt sie 1937 den Auftrag zur Gestaltung der Reichsausstellung der Deutschen Textil- und Bekleidungs-wirtschaft in Berlin, die dann als Abteilung Textilindustrie im deutschen Pavillon auf der Pariser Weltausstellung 1937 zu sehen war. 1939 reiste sie nach Chicago und besuchte dort Mies van der Rohe. In der Zeit des Nationalsozialismus erging es ihr wie vielen Kolleginnen: sie erhielt nur noch wenige kleine Aufträge. Nach Kriegsende wurde Lilly Reich an die Hochschule für Bildende Künste Berlin berufen. 1947 starb sie in Berlin.

Der Name des Architekten Mies van der Rohe ist in Verbindung mit der Werkbund-, der Bauausstellung in Berlin und dem Barcelona-Pavillon stets präsent, Lilly Reichs Name nicht.

Charlotte Perriand (1903 — 1999) wurde in Paris geboren. Sie studierte von 1921 bis 1925 Innenarchitektur an der Kunstgewerbeschule Union Centrale des Arts Décoratifs in Paris. Nach Ende des Studiums begann Perriand Möbel zu entwerfen. Ihre vollständig aus vernickeltem Kupfer und eloxiertem Aluminium konstruierte „bar sous le toit“ („Bar unterm Dach“), die sie für ihr eigenes Studio entwarf und die auf der Ausstellung „Salon d´Automne“ im Jahr 1927 ausgestellt wurde, erregte dabei besonderes Aufsehen. Im gleichen Jahr, im Alter von 24 Jahren, begann ihre zehn Jahre währende Mitarbeit an sämtlichen Möbel- und Interiordesign-Projekten im Atelier von Le Corbusier und Pierre Jeanneret in der Pariser Rue de Sèvres 35. 1937 verließ sie zwar das Studio, arbeitete jedoch auch danach intensiv an einzelnen Projekten der beiden mit, so z.B. an der Innenausstattung der Unité d'Habitation in Marseille. Schon 1931 hatte Charlotte Perriand begonnen sich politisch zu engagieren. Sie war der KP-nahen Association des Écrivains et Artistes Révolutionnaires (AEAR) beigetreten und mit Mitgliedern der Partei nach Deutschland, in die Sowjetunion und nach Griechenland gereist, wo sie 1933 am Kongress des international organisierten Architektenverbandes CIAM (Congress international d´architecture moderne) teilnahm. 1937 gehörte sie zur Vorbereitungsgruppe des Folgekongresses in Paris. Als Reaktion auf den Hitler-Stalin-Pakt verließ sie 1939 die Kommunistische Partei Frankreichs und reiste 1940 auf Einladung des japanischen Ministeriums für Handel und Industrie nach Japan. Ihr Aufenthalt hatte einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des japanischen Designs. Perriand organisierte Ausstellungen, bekam Aufträge in Indochina, wo sie von 1943 bis 1946 die Ausbildung von Kunsthandwerkern koordinierte, und als Architektin tätig war. 1946 kehrte sie nach Paris zurück. Sie arbeitete erneut mit Le Corbusier, Pierre Jeanneret und mit Jean Prouvé zusammen. Neben privaten Auftraggebern und dem Vertrieb von Möbeln waren es vor allem Projekte für staatliche Institutionen und Unternehmen wie Air France, die bei ihr Möbel und Einrichtungen in Auftrag gaben. Viele Projekte wie etwa die Einrichtung von 2.000 Studentenappartements in Antony bei Paris lassen zudem ihr soziales Engagement erkennen. Ende der 1960er-Jahre beteiligte sie sich am Entwurf von Hotels und Wohnungen in den französischen Alpen, bekannt unter dem Namen Les Arcs. Es sollte viele Jahre dauern, bis ihre Möbel nicht in demselben Atemzug mit Le Corbusier, sondern unter ihrem Namen als hochwertige Sammlergegenstände begriffen und weltweit als ihr Werk anerkannt wurden. Ob Le Corbusier ohne das Talent und Schaffen von Charlotte Perriand so erfolgreich geworden wäre, wissen wir nicht, Tatsache ist, dass eine weitere Frau, die sich mit Architektur beschäftigte und sie umsetzte, Le Corbusier beeinflusst hat:

Eileen Gray (1878 — 1976) wurde auf dem Familiensitz in der Grafschaft Wexford, Irland, als jüngstes von fünf Kindern geboren. Sie studierte von 1898 bis 1902 an der Slade School of Art in London. 1922 zog sie nach Paris, wo sie den Eintritt in die Kunstszene durch ihre Teilnahme an der Ausstellung „Union des Artistes Modernes“ schaffte. Dieser Erfolg ermöglichte ihr die Gründung einer eigenen Werkstatt. Sie begann ihre Karriere mit Entwürfen von exklusiven Lackmöbeln, in denen der ausklingende Zeitgeist des Art Noveau und Japonismus sichtbar war. Parallel zu ihrer Entwurfstätigkeit eröffnete sie im Mai 1922 in Paris die Galerie „Jean Désert“. Hier präsentierte und vertrieb sie ihre Entwürfe, zu denen neben Möbeln auch Teppiche und vor allen Dingen ihre Paravents gehörten. Anfang der 1920-Jahre lernte sie den rumänischen Architekten und Herausgeber der wichtigen Architekturzeitschrift „L'Architecture Vivante“, Jean Badovici kennen, in dessen Umkreis sich so bedeutende Kreative wie Fernand Léger, Gerrit Rietvield und Le Corbusier bewegten. Badovici ermutigte sie, sich auch an Architekturprojekte zu wagen. Gemeinsam mit ihm, ihrem damaligen Lebenspartner, realisierte sie bis 1929 ihr erstes Wohnhaus E-1027 in Roquebrune – Cap Martin an der Französischen Riviera, wenige Meter über dem Felsufer gegenüber der Bucht von Monaco gelegen. Das Haus, das sich ganz auf die Umgebung einlässt und das Thema „Meer“ und „Küste“ auf moderne Art in die Architektur integriert, ist ein Charakteristikum der sensiblen Gestaltungskraft Eileen Grays. Le Corbusier war beeindruckt von diesem Haus und war oft zu Gast, auch nach dem Auszug von Eileen Gray 1932, der sich aus dem Ende der Beziehung mit Badovici ergab. Beispielhaft für ihren Stil ist an diesem Entwurf, wie ökonomisch sie Raum- und Nutzungsplanung verzahnt und das Meublement so zu einem essenziellen Bestandteil der Architektur wird. Parallel zu ihrer Entwurfstätigkeit eröffnete sie im Mai 1922 in Paris die Galerie „Jean Désert“. Hier präsentierte und vertrieb sie ihre Entwürfe, zu denen neben Möbeln auch Teppiche und vor allen Dingen ihre Paravents gehörten. Eileen Gray realisierte weitere, wenn auch wenige, aber nichtsdestotrotz herausragende Architekturprojekte. Die „Villa Tempe a Pailla“ wurde 1932 auf einem Hügel oberhalb des Ortes Menton errichtet. Es war ihre zweite Wohnstätte an der Côte d’Azur. 1972 wurde sie von der Royal Society of Arts in London zum „Royal Designer for Industry“ ernannt. Bis zu ihrem Tod lebte Eileen Gray zurückgezogen in Paris oder in ihrem Ferienhaus „Lou Pérou“, das sie sich im Alter von 75 Jahren bei Saint-Tropez baute. Sie starb 1976. 1987 nahm das Museum of Modern Art in New York ihren „Adjustable Table E-1027“ in seine Sammlung auf.

Anne Griswold Tyng (1920 — 2011) wurde in Lushan (China) als viertes Kind eines von Boston nach China emigrierten Paares geborene. Die Familie kehrte regelmäßig in die USA zurück, was Tyng veranlasste nach ihrem Schulabschluss gänzlich in die Staaten überzusiedeln. Sie begann das Architekturstudium an der Cambridge University in Boston. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wechselte sie zur Harvard Graduate School of Design, wo Walter Gropius und Marcel Breuer lehrten. Als eine der ersten Frauen wurde sie dort zugelassen. Sie schloss ihr Studium 1944 erfolgreich ab und krönte es 1949 mit einem Doktortitel. 1945 zog sie nach Philadelphia, wo sie im Büro Stonorov und Kahn ihre erste Anstellung antrat. Ihre Faszination für komplexe geometrische Formen hatte starken Einfluss auf mehrere Projekte, wie das Trenton Bath House und die dreieckige Decke der Yale Art Gallery. Sie wurde Gefährtin Kahns, der verheiratet war. Sieben Jahre später wurde sie von ihm schwanger. Aus Angst vor einem möglichen Skandal verließ Tyng im Herbst 1953 Kahns Büro und ging nach Rom, wo ihre gemeinsame Tochter Alexandra geboren wurde. Im Alter von 82 Jahren erschien Anne Tyng in Nathaniel Kahns Dokumentarfilm „My Architect“. Sie gab Einblicke in seine Arbeit und erzählte von ihren Erfahrungen mit Louis Kahn. Endlich wurde Tyngs Einfluss auf Kahns Arbeit wahrgenommen und öffentlich gewürdigt.


Elisabeth Haggenmüller (*1921) wurde als Tochter des Goldschmiedes Georg Haggenmüller und seiner Frau Magdalena in Mindelheim geboren. Ihren frühen Wunsch Architektin zu werden, konnte sie nach ihrem Abitur 1942 an der Universität München umsetzen. 1944 musste sie ihr Studium unterbrechen, weil Frauen an Hochschulen nicht mehr erwünscht waren (siehe auch S. 31). Sie absolvierte ein Praktikum in einem Innsbrucker Architekturbüro und setzte nach Kriegsende ihr Studium fort. 1946 schloss sie es mit Auszeichnung ab. Im Anschluss daran absolvierte Elisabeth Haggenmüller ein Praktikum im Kaufbeurener Stadtbauamt. Schon während des Studiums hatte sie ihren späteren Ehemann Gottfried Böhm kennengelernt. 1948 heirateten sie. Seitdem arbeiteten sie zusammen, Elisabeth Haggenmüller offiziell als Ehefrau, nicht als Mitarbeiterin. Nach der Geburt von vier Söhnen (die Architekten Stephan, Peter und Paul sowie der Künstler Markus Böhm) war Elisabeth Böhm primär mit Haushalt und Erziehung beschäftigt. Erst als auch die Söhne ihre Berufslaufbahn einschlugen, zeigte sie im Büro Böhm mehr Präsenz. Ihre Schwerpunkte lagen im Entwurf von Grundrissen, vor allem für Wohnhäuser und Siedlungen sowie in der Gestaltung von Innenräumen. So entwarf sie die Innenraumgestaltung der Godesburg, des Bensberger Rathauses und der Kauzenburg. Bei der Erweiterung des Stuttgarter Theaters, bei dem Gottfried Böhm seinen ursprünglichen Entwurf für die Theaterraumgestaltung nicht durchsetzen konnte, stammte der schließlich realisierte Umbauplan von ihr: Das Foyer wurde um einen kreisrunden Pavillon vergrößert. In den 1980er-Jahren folgten diverse eigenständige Wohnraumprojekte und 1991 die Umgestaltung der bulgarischen Botschaft der Europäischen Union in Straßburg. Entwürfe für Villen in Italien und die bulgarische Botschaft beim Vatikan blieben im Projektstadium. Maßgeblich beteiligt war Elisabeth Böhm am Entwurf für die WDR-Arkaden in Köln, die – sehr untypisch für das Büro Böhm – einen „erfrischend“ dekonstruktivistischen Charakter haben und als besonders vielseitiges Projekt gelten.

So ist sie maßgeblich mitverantwortlich für zahlreiche realisierte Böhm-Bauten, doch als Architektin blieb sie in einer berühmten Architektendynastie stets im Hintergrund. Im Jahr 2000 wurde sie vom Kölner Architekten- und Ingenieurverein mit einer Ehrenplakette für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Immerhin ein Anfang als ein Beispiel für die Würdigung des Lebenswerkes einer Architektin. Elisabeth Böhm lebt und arbeitet in Köln.


Wendy Cheesman (? — 1989), Georgina Cheesman (?), Susan Brumwell (?). Über die beiden Schwestern und Studentinnen Cheesman und die Architektin Susan Brumwell ist wenig bekannt. 1963 gründeten sie mit Norman Foster und Richard Rogers das Büro „Team 4“. Als sich das Team gründete, war Georgina Cheesmann die einzige, die zu der Zeit die Zulassung als Architektin vorweisen konnte, und die mit ihrem Namen für das Büro bürgte. Die erfolgreiche Gruppe tat sich auch privat zusammen. 1960 heirateten Richard und Sue, 1964 Wendy und Norman. 1967 trennte sich „Team 4“. Wendy bekam vier, Susan Brumwell drei Kinder. Ohne sie wären der heute berühmte Sir Norman Foster und der nicht weniger bekannte Richard Rogers nicht in der Lage gewesen, mit ersten Projekten eigene Erfahrungen zu sammeln. Über die Architektinnen ist so gut wie nichts bekannt, nicht einmal ihre Lebensdaten werden in den Biografien ihrer ehemaligen Partner erwähnt.

All diese Frauen, deren Biografien hier nur ausschnittsweise dargelegt werden konnten, wurden in halb- oder Nebensätzen in den auf das Ausführlichste beschriebenen Biografien in der Publikation über die 50 Großen Architekten bedacht. Alle anderen Partnerinnen fanden keine Erwähnung. Nur einer der 50 Männer, die in den beiden Bänden der 1982 und 1992 veröffentlichten Publikation dargestellt werden, hat seiner Frau ausdrücklich für ihre Unterstützung gedankt. Ohne die Mithilfe der Frauen wäre fast keiner der erfolgreichen Lebenswege der Männer möglich gewesen.

Architektinnen. Ihr Beruf. ihr Leben.

Подняться наверх