Читать книгу Retten Sie den Guglhupf! - Ulrike Schott - Страница 3
Sind Sie Selbstbrüher?
ОглавлениеKaffeekochen ist heutzutage anspruchsvoll. Wie kommts, dass etwas schon immer Dagewesenes, Grundehrliches auf einmal alle so wuschig macht? Dabei ist das nichts Neues. Schon in den frühen Siebzigern hat eine Krönung so mancher quasi koffeinfreien Ehe wieder zu neuem Aroma verholfen. Sie erinnern sich an den richtungsweisenden Spot aus dem Werbe-TV? Halbgeleerte Tassen, frustrierte Hausfrauen, die zu blöd zum Kaffeekochen sind. Da wars kein Wunder, hat sich der dazugehörige gedemütigte Gatte hoffnungsvoll der Nachbarin zugewandt. Diese – alleinstehend, kinderlos, immer fesch frisiert – wusste mit ihren Bohnen besser umzugehen. Da gabs die Röstung so heiß wie sie gekocht wurde. Netterweise hat man der dummen Hausfrau mit diskreten, aber deutlichen Tipps wieder auf den rechten Weg geholfen. Der Gatte kehrte heim, erfreute sich an der geschmacklichen Auffrischung und alles war wieder gut, kaffeekränzchenmäßig.
Zwanzig Jahre später hatte dieselbe Dame dann endlich genug vom devoten Servieren und ihrem Typen. Sie holte sich die hellgrüne Packung der gleichen Kaffeefirma. Da war sie dann offensichtlich frisch getrennt, berufstätig, sportlich aktiv, hatte selbst eine neue Frisur und war von nun an mit weitaus attraktiveren Herren dauerverabredet. Und konnte vor allem doppelt so viel Kaffee genießen, weil halbierter Koffeingehalt. Geschlafen hat sie von da an nie wieder bei der Dröhnung mit der Krönung, aber sie war glücklich.
Jetzt ist das alles nicht mehr so einfach. Heute kommt der Kaffee in drei Wellen.
Third Wave Coffee sagt man auch dazu.
Die erste Woge war wohl da, als wir überhaupt angefangen haben, gefilterten Kaffee in irgendeiner Form zu schlüppen. Und schon Anfang 1900 eine gesunde Skepsis gegenüber so Kaufmann-Verbraucherverarsche intus hatten. Geröstet haben die Leute nämlich daheim selber. Gemahlen natürlich auch. Das mit dem Überbrühen und dem richtigen Schäumchen war knifflig, aber obligat. Vor allem unterm Krieg. Davon hat mein Großpapa immer erzählt. Wegen der oft gestreckten Malz-Gerste-Kaffee-Mischmasch-Schlamperei auf Lebensmittelmarke wars schwierig, eine vernünftige Crema hinzukriegen. Das muss eine harte Zeit gewesen sein.
Ab den 60ern gabs Wichtigeres zu tun. Mit dem Wirtschaftswunder fertig werden, demonstrieren, freie Liebe, Rock and Roll und alles! Da gabs dann die beste Bohne fix und fertig gemahlen, gut durchgemischt und vakuumiert im Packerl. Super praktisch, weil da alle recht beschäftigt waren. Auch mit dem multikulturellen Austausch. Die eine oder andere Connection mit Italienern war neu und wurde intensiv gepflegt und so kamen die ersten Espressomaschinen ins Land; mit ihnen sortenreine Single-Origin-Kaffees und irgendwelche trivialen Spezialblends und viel Amore. Bis in die unguten 90er Jahre dauerte das Aufwabern dieser zweiten Welle. Mit ihr spülte es quirlige Coffeeshops und das ganze To-Go-Zeugs mit Papp- und Plastikbechern in jedes bis dahin noch gemütlich-ländliche Kaff.
Und heute sind wir wohl in der dritten Welle gestrandet, in der die Leute wieder Selberbrühen. Und die ganzen Schlaumeier, die sich eine derartig schwachsinnige Einteilung in eine erste, zweite und dritte Welle ausgedacht haben, möchte man auf eine ganz und gar nicht-fair-tradige Kaffeeplantage verbannen.