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1.3 KZ- und Wehrmachtsbordelle

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Die eigens eingerichteten Bordelle in den Konzentrationslagern und Wirkungsstätten der Wehrmacht könnten gar nicht weiter entfernt sein von den oft primitiven „Nuttenbetrieben“ für „Asoziale“ und einfache Soldaten einerseits und den Plüschsalons der Luxusklasse für die Mächtigen und Reichen − wie der „Salon Kitty“ einer war – andererseits. Dennoch oder gerade deshalb gestatten diese Einrichtungen einen interessanten Einblick in das gespaltene und teils auch schlichtweg masochistisch-sadistische Denken der Nazi-Herren und NS-Schergen über den geschlechtlichen Trieb und Drang des Mannes, der bei aller Ideologie in der Praxis oft nur gewerblich befriedigt werden konnte. Und wie so oft im Staate Hitlers spielten dabei ökonomische Überlegungen der Leistungssteigerung und des Produktivitätsgewinns, der rationalen, jedoch unmenschlichen Maximierung der humanen Ressourcen eine zentrale Rolle.

Heinrich Himmler sah den Bordellbesuch als Ansporn für die Häftlinge, mehr Arbeitseinsatz zu leisten. Bei einer Inspektion des KZ-Mauthausen im Juni 1941 erteilte Himmler den Befehl, dort ein Bordell für Häftlinge einzurichten, was bis Juni 1942 auch umgesetzt wurde. „Für notwendig halte ich allerdings, daß in der freiesten Form den fleißig arbeitenden Gefangenen Weiber in Bordellen zugeführt werden“115, schreibt Himmler am 23. März 1942 an den Chef des Wirtschaftsverwaltungshauptamtes der Konzentrationslager, Oswald Pohl.116

Mithilfe eines Drei-Stufen-Prämiensystems, das bis spätestens 1. Mai 1943 in allen Konzentrationslagern eingeführt werden sollte, wollte Himmler die Lagerinsassen nicht nur über Sachmittel und Geld, sondern auch durch „natürliche Anreize“ zu zusätzlichen Anstrengungen motivieren: „Wenn ich diese Natürlichkeit als Antriebsmittel für höhere Leistungen habe, so finde ich, daß wir verpflichtet sind, diesen Ansporn auszunützen.“117 Dem Leistungssystem zufolge sollte ein Häftling in der ersten Stufe Zigaretten oder ähnliche kleine Belohnungen als Anreiz bekommen; in der zweiten Vergünstigungsstufe sollte er 10-20 Reichspfennige118 pro Tag erhalten; und schließlich sollte zur Auslobung der dritten Prämienstufe „(…) in jedem Lager die Möglichkeit sein, daß der Mann ein- oder zweimal in der Woche das Lager-Bordell besucht“119.

Zwei Wochen später, am 15. Mai 1943, trat dann die von Pohl verfasste „Dienstvorschrift für die Gewährung von Vergünstigungen an Häftlinge“ in Kraft. Die erhöhte Arbeitsleistung, so die Vorschrift, könne nur durch „Führung und Erziehung“ der Häftlinge erreicht werden: „Häftlinge, die sich durch Fleiß, Umsichtigkeit, gute Führung und besondere Arbeitsleistung auszeichnen, erhalten künftig Vergünstigungen. Diese bestehen in Gewährung von 1. Hafterleichterung120, 2. Verpflegungszulagen121, 3. Geldprämien122, 4. Tabakwarenbezug123, 5. Bordellbesuch.“124 Ausschließlich „Spitzenkräften“125 sollte der Bordellbesuch ermöglicht werden; der dafür nötige Antrag konnte beim Lagerkommandanten einmal wöchentlich gestellt werden. Für den Besuch mussten zwei Reichsmark126 in Form eines Prämienscheins bezahlt werden. „Von diesem Betrag erhält die Insassin des Bordells 0,45 Reichsmark, der aufsichtsführende weibliche Häftling 0,05 Reichsmark, der Rest in Höhe von 1,50 Reichsmark ist vorläufig zu hinterlegen (…).“127 Im Vergleich dazu kosteten 20 Zigaretten in der Kantine drei Reichsmark.128

Nach dieser Verordnung wurden 1943 in Auschwitz, Buchenwald129 und Sachsenhausen KZ-Bordelle eingerichtet. 1944 folgten Bordelle in Neuengamme, Flossenbürg, Dachau, Mittelbau-Dora.130 Das Prämiensystem erreichte für die SS den zusätzlichen positiven Effekt der Spaltung der Häftlinge. Es förderte die Anpassung an die KZ-Regeln und verminderte gleichzeitig die Solidarität unter den Insassen.131

An dieser Stelle sei erwähnt, dass die männlichen Häftlinge – darunter meist Kapos, Lager- und Blockälteste –, die zu einem Bordellbesuch zugelassen wurden, sich in guter physischer Verfassung befanden, also leichtere Arbeit verrichteten. Meist waren dies Tätigkeiten in der Küche, dem Friseurbetrieb, dem Krankenbau oder in der Metzgerei, wo für diese Gefangenen zudem die Möglichkeit zum illegalen Tauschhandel bestand. Diese dünne Oberschicht unter den Häftlingen bestand nur aus einer kleinen Gruppe im KZ. Für die restlichen Insassen war das Haushalten mit ihrer Energie, um überhaupt überleben zu können, oberste Prämisse. Im KZ Auschwitz-Stammlager gab es unter den insgesamt 30.000 Häftlingen nur zwischen 100 und 200 Bordellbesucher.132


Abb. 5: Der „Sonderbau“ – so die Sprachregelung der SS für die Bordellbaracken – im Konzentrationslager Dachau, eines von insgesamt zehn KZ-Häftlingsbordellen 1944.

Die in den KZ-Bordellen eingesetzten Sex-Arbeiterinnen wurden vorwiegend aus dem Frauen-KZ in Ravensbrück133 rekrutiert. Die Anzahl der „asozialen“ weiblichen Insassen lag dort mit zwei Dritteln ganz besonders hoch.134

Zunächst versuchte die SS, Frauen auf – wie sie es nannte – „freiwilliger Basis“ für die KZ-Bordelle zu rekrutieren. Informationen über das künftige Kommando gab es hierbei jedoch für die betroffenen Frauen nicht, nur das wahrheitsgetreu klingende und vage, aber – wie sich später herausstellte – nicht eingehaltene Versprechen einer frühzeitigen Entlassung.135 Der im KZ Buchenwald stationierte Standortarzt Gerhard Oskar Schiedlausky sagte 1947 unter Eid aus: „Die ersten Frauen, die nach Mauthausen kamen, sollen das Versprechen erhalten haben, nach halbjähriger Tätigkeit als Prostituierte entlassen zu werden.“136 Die Rekrutierung begann strategisch bei den „asozialen“ Häftlingen, die unter besonders schlechten Haftbedingungen litten. So war für viele Frauen die Einwilligung, ihren Körper in den Nazibordellen zu verdingen, oft die einzige Möglichkeit und Aussicht darauf, das KZ zu überleben. Gab es allerdings zu wenige freiwillige Meldungen, entschied die SS selber, wer ins Bordell kam und wer nicht. Hierzu wurden vorrangig ehemalige Prostituierte rekrutiert, die nach der herrschenden Ideologie ohnehin bereits aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen waren.137 Laut Himmler durften allerdings nur jene „Dirnen“ ausgesucht werden,

(…) bei denen von vorherein [sic] anzunehmen ist, daß sie nach Vorleben und Haltung für ein späteres geordnetes Leben nicht mehr zu gewinnen sind, bei denen wir uns also bei strenger Prüfung niemals den Vorwurf machen müssen, einen für das deutsche Volk noch zu rettenden Menschen verdorben zu haben.138

Häftlingsberichten zufolge arbeiteten in den Bordellen vorwiegend deutsche Frauen139, die wegen Prostitution verhaftet worden waren, aber auch Nicht-Prostituierte. De facto war die Auswahl groß.140 Neben Ex-Prostituierten befanden sich auch solche Frauen darunter, die des häufigen Geschlechtsverkehrs mit wechselnden Partnern verdächtigt worden waren oder die sich einfach nur nicht an die gängigen gesellschaftlichen Konventionen gehalten hatten. Berichten zufolge gab es sowohl weibliche Häftlinge, die sich freiwillig für die Bordellarbeit meldeten, als auch solche, die gegen ihren Willen dazu gezwungen wurden.141

Im KZ Buchenwald etwa lief die Bordellarbeit nach militärischer Ordnung wie am Fließband. Der männliche Häftling musste vor seinem Besuch im Bordell einen Antrag beim Blockältesten einreichen. Wurde dieser in der Häftlingsschreibstube genehmigt, wurde der Bittsteller im Krankenbau untersucht. Beim Abendappell gab die SS die Häftlingsnummern142 der jeweiligen bewilligten Bordellbesucher bekannt, die im Anschluss daran zur Bordellbaracke marschierten und vom Arzt eine Spritze verabreicht oder eine Salbe auf den Penis gestrichen bekamen. Dann wurden ihnen Zimmer zugewiesen, wo sie hintereinander vor der Tür warteten. Die Zeit für die sexuelle Befriedigung war auf 15 Minuten begrenzt. Der Häftling musste die Schuhe ausziehen und die Hose herunterlassen. Sex war ausschließlich in der „Missionarsstellung“ erlaubt. SS-Wachmänner überprüften die festgelegte Vorgehensweise über die an den Türen angebrachten Spione und achteten auf die Einhaltung der Zeitspanne. War diese abgelaufen, wies, warf oder prügelte der SS-Wachmann den Häftling wieder aus dem Zimmer; im Anschluss an den Geschlechtsverkehr bekam dieser vom Arzt erneut eine Spritze verabreicht. Die Frau musste nach jedem Besucher ihre Vagina spülen und sofort den nächsten Häftling empfangen.143

Um die Attraktivität der Frauen in den Bordellen zu gewährleisten, gab man ihnen mehr und besseres Essen als ihren Mitinsassinnen. Ihre Sex-Arbeit verrichteten sie in Tages- und Nachtschichten. Sie lebten isoliert und durften sich nicht frei auf dem Lagergelände bewegen. Die Bordelldamen mussten täglich arbeiten, d.h. ihnen wurde der sonst übliche „freie Sonntag“ nicht zugestanden. Wenn eine Frau schwanger wurde, musste sie den Fötus abtreiben. Verhütungsmittel gab es nicht, berichtet eine Zeitzeugin über die kontrollierte Vorgehensweise im KZ Buchenwald und sie ergänzt:

Unsere Bekleidung war ein weißer Faltenrock, kleiner Schlüpfer und ein Büstenhalter. Wir mussten nun jeden Abend acht Männer über uns rübersteigen lassen, innerhalb von zwei Stunden. Das hieß, die konnten rein, mußten ins Ärztezimmer, sich eine Spritze abholen, konnten zu der Nummer, also dem Häftling, konnten ihre Sachen da verrichten, rein, rauf, runter, raus, wieder zurück, kriegten nochmals eine Spritze und gingen wieder.144

Frau W.145 war eine von 16 Bordellfrauen im KZ Buchenwald. Weil sie mit einem Halbjuden liiert war, wurde sie im November 1939 von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) verhaftet und ins KZ Ravensbrück gebracht. 1943 wurde sie von SS-Leuten ausgewählt und ins KZ Buchenwald in den „Sonderbau“ gebracht. Es folgten zwei Jahre lang sexuell gewaltvolle physische wie auch psychische Demütigungen.146


Abb. 6: Insassinnen des Frauen-KZ Ravensbrück 1939.

Man wird abgestumpft. Das Leben zählt einfach nicht mehr, denn sie hatten einem als Mensch alles kaputt gemacht. Man wird gleichgültig, wie soll ich sagen … es erschüttert einen nichts mehr. Reizlos bis zum geht nicht mehr, die hätten mit einem machen können, was die wollten, wir wußten, wir waren denen ausgeliefert.147

Ihr Selbstmordversuch scheiterte.148

Aus derselben Geisteshaltung heraus hielten es die Nazis auch für wichtig, das Sexualleben der überwiegend jungen Soldaten im Einsatz und an der Front zu überwachen und zu lenken. Dies geschah nicht zuletzt aufgrund der negativen Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg, während dessen vierjähriger Dauer sich zwei Millionen Soldaten mit einer Geschlechtskrankheit infiziert hatten.149 Denn die Gefahren einer etwaigen „versteckten Prostitution“ bestünden „(…) nicht allein in der stark vermehrten Möglichkeit der Ansteckung150, sondern eröffnen erfahrungsgemäß auch dem fahrlässigen Verrat militärischer Geheimnisse viele Wege“151. Um die Schlagkraft der deutschen Wehrmacht nicht zu beeinträchtigen, galt es daher, in größeren Städten bzw. Ortschaften „(…) geeignete Häuser einzurichten und für die ausschließliche Benutzung durch deutsche Soldaten freizugeben (…)“152.

Solch spezielle Wehrmachtsbordelle wurden beispielsweise in den besetzten Gebieten Polen, Frankreich, Norwegen, Russland, Belgien, Griechenland, Kroatien, Rumänien und der Ukraine errichtet.153 Voraussetzung war eine entsprechende Auslastung, die gemäß der Anzahl an Wehrmachtangehörigen festgelegt wurde. In Paris existierten etwa im April 1941 in der Innenstadt 19 zugelassene Bordelle und in der Banlieue zehn weitere. Verantwortung und Zuständigkeit für diese Etablissements lag bei den jeweiligen Feldkommandanten, die eigenständig über die Notwendigkeit der Errichtung und Schließung von Wehrmachtsbordellen entschieden und eng mit Sanitätsoffizieren sowie Kompanieführern zusammenarbeiteten. Die Ortskommandanten regelten die Überwachung: Jedes Bordell erhielt eine Hausordnung, die auf das Verbot von Lärm und Gewalttaten hinwies und den alkoholischen Ausschank, die jeweiligen Öffnungszeiten sowie den Preis regelte, der zwischen zwei und fünf Reichsmark154 lag, wovon die eine Hälfte für die Bordellinhaberin und die andere für das Bordellmädchen155 bestimmt war. Der Geschlechtsverkehr durfte nur mit Benutzung eines Präservativs, welches von der Bordellinhaberin kostenlos zur Verfügung gestellt werden musste, ausgeübt werden. In einem Kontrollbuch mussten alle Mädchen mit Lichtbild, Namen, Geburtsdatum, Tag ihres Ein- bzw. Austritts aus dem Bordell sowie den jeweiligen Ergebnissen der ärztlichen Untersuchungen registriert sein. Jeder Soldat hatte sich vor seinem Bordellbesuch in der „Sanitätsstube“ zu melden, und seinen Gesundheitszustand − der ihm den Status „gesund“ oder den „Verdacht einer Erkrankung“ bescheinigte − sowie seine Erkennungsmarke vorzuweisen. Nach dem Geschlechtsverkehr musste er dort wieder vorsprechen, die Kontrollnummer der Prostituierten angeben und sich anschließend präventiv gegen Geschlechtskrankheiten behandeln lassen. Einheimischen war der Besuch der Wehrmachtsbordelle nicht gestattet und den Soldaten wiederum war es strengstens untersagt, lokale Bordelle, geschweige denn Straßenprostituierte, aufzusuchen. Vermutlich lag es an der kontrollierten Atmosphäre in den Wehrmachtsbordellen, dass sich die Soldaten oft nicht an diese Vorschriften hielten und sich stattdessen doch lieber heimlich mit den einheimischen Freudenmädchen vergnügten.156

1942 existierten 500 Wehrmachtsbordelle in den besetzten Gebieten.157 Neben der Wehrmacht wurden auch die Mitglieder der Marine sowie der Waffen-SS mit kontrollierten Bordellen versorgt.158

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