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1. Tag — Sonntag

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Drei Wochen später war Tanner unterwegs zu seiner Stelle als Koch im Weißen Schloss am türkisblauen See.

Da er nicht gut mit seinem glänzenden Jaguar anreisen konnte, saß er im Zug. Im Hauptort hatte er sich per Internet einen kleinen bmw gemietet, den er bei seiner Ankunft abholen würde.

Die Zeugnisse und Berufsausweise, die Referenzen und na­türlich ein lupenreines polizeiliches Führungszeugnis, die Michel und sein Amt ihm zusammengestellt hatten, waren für die Bewerbung mehr als ausreichend gewesen. Stocker, der Meisterkoch vom schönen Hügel auf der anderen Seite des Sees, hatte sich bereit erklärt, bei der Zusammenstellung der fingierten Kochbiografie zu helfen. Die entsprechenden Referenzpersonen hatte er instruiert und darüber hinaus Tanner angeboten, eine Woche lang in seiner Küche mitzuarbeiten, um ihn in all die Maschinen, Gepflogenheiten und Praktiken einer professionellen Küche einzuweisen. Tanner hatte hart gearbeitet und sich sehr schnell in die Welt der professionellen Küche eingearbeitet. An zwei Tagen hatte er sich zusätzlich noch in die Geheimnisse der gehobenen Konditorei eingearbeitet. Im Weißen Schloss würde er immerhin tagtäglich für 100 Personen kochen müssen. Davon waren 75 Schülerinnen, dann die Lehrpersonen und weitere Angestellte für Service, Hausdienst, Administration.

Tanner fühlte sich einigermaßen gut für seine neue Ar­beits­­stelle vorbereitet.

Außerdem hatte Stocker ihn auch noch mit entsprechender Arbeitskleidung ausgestattet und ihm ein erstklassiges Mes­ser­set mit auf den Weg gegeben, denn ein Koch, der etwas auf sich hielt, kam mit seinen eigenen Messern. In der fingierten Geschichte lieh Stocker seinen Koch Tanner für einen Monat dem Internat aus. So weit so gut. Tanner freute sich auf die Chance, für einen Monat in eine neue Identität zu schlüpfen.

Im Hauptort erledigte er die Formalitäten für das Mietauto, verstaute sein Gepäck und machte sich auf den Weg an seinen neuen Wirkungsort. Diesmal fuhr er direkt ins Fischer­dorf hinunter, wie Michel den Ort genannt hatte. Ob es hier wirklich noch Berufsfischer gab, die davon leben konnten? Wohl kaum. Im Schritttempo durchfuhr er das kleine Dorf und bog vom Hauptplatz, den eine ganze Reihe unansehnlicher Neubauten säumte – wahrscheinlich Eigentumswohnun­gen für Neureiche, in die immer enger werdende Zufahrtsstraße zum Weißen Schloss ein. Bis jetzt war ihm kein einziger Mensch begegnet. Wahrscheinlich hielten alle Mittagsschlaf. Er hielt direkt vor dem Eingang des wahrlich imposanten Hauses. Auch hier kein Mensch. Er stieg aus und hörte, dass jemand in einer fremden Sprache ein melancholisches Lied sang. Tanner lauschte einen Moment, bevor er leise die Autotür schloss.

Wie schön! Ich werde von einem Lied empfangen, dachte er und blickte sich um. Unterhalb des Hauses lag ein großer Garten mit Blumenbeeten, Büschen und Obstbäumen. Schmale Wege führten in die Tiefen des Gartens. Ob er bis zum See hinunterreichte, konnte er von seinem Standort aus nicht erkennen. Über allem herrschten Ruhe und ein tiefer Frieden. Trotzdem hatten hier drei Menschen Selbstmord begangen. Die Schönheit des Ortes und des Sees hatten sie offenbar davor auch nicht retten können.

Das Lied war zu Ende. Tanner ging auf die Eingangstür zu. Im langen Korridor, der zugleich eine Art Empfangshalle war, sah er eine Frau mittleren Alters, die, auf einer Leiter stehend, die Glasteile eines großen Leuchters polierte. Sie wandte sich um und lächelte.

Sie sind neuer Koch, richtig?

Sah man ihm das an?

Und Sie müssen die Sängerin dieses schönen Lieds gewesen sein!

Jetzt strahlte sie übers ganze Gesicht und stieg leichtfüßig die Stufen der Leiter herunter. Sie trocknete die Hände an ihrer Schürze ab und gab ihm die Hand.

Ich bin Ljuli. Ich für ganze Säuberung hier zuständig.

Ihre Hand zeichnete vor seinen Augen ein großes Rad in die Luft, das wohl das ganze Haus umfassen sollte.

Entschuldigung, mein Deutsch ist noch nicht sauber. Ich komme aus dem Kosovo.

Tanner nannte seinen Namen und fragte, ob sie ihm sein Zimmer zeigen könnte.

Ja. Du schönes Zimmer. Klein, aber mit Blick auf Wasser. Im Dach. Ich nur Berge sehen.

Sie hielt die Hand wie ein Brett vor die Augen. Tanner lachte und holte sein Gepäck aus dem Auto. Gemeinsam stiegen sie in den Lift.

Sie deutete nach oben.

Erst fahren, dann steigen. Eine Treppe.

Sie hatte recht. Das Zimmer war wirklich klein, aber der Ausblick auf See und Berge war atemberaubend.

Danke. Zeigst du mir jetzt die Küche?

Ganz unten. Im Keller.

Sie ging voraus. Es gab einige Zimmer im Dachgeschoss. Wahrscheinlich wohnte hier das gesamte Personal.

Auf der Treppe drehte sie sich zu ihm um.

Schau. Hier ist eine Lücke in Wand. Schau durch.

Sie machte ihm Platz. Er linste durch einen schmalen Riss in der Holzwand. Es war dunkel. Er drehte sich zu ihr.

Ich sehe nichts.

Du länger schauen. Augen erst äh … wegen Dunkelheit.

Er schaute und wartete. Da. Plötzlich sah er sie. Sie hingen an einem Balken und schliefen. Es waren sicher fünf oder mehr.

Fledermäuse, tatsächlich. Das hab ich schon lange nicht mehr gesehen. Danke. Arbeiten die auch fürs Internat?

Sie schaute ihn verständnislos an.

Wie? Ich nicht verstehen.

Nichts, nichts. Es war nur ein Scherz.

Sie drehte sich um.

Jetzt Küche.

Sie fuhren mit dem Lift bis ins erste Untergeschoss. Das mit dem Keller stimmte nur zur Hälfte, denn das große Gebäu­de war am Hang gebaut, der zum See abfiel, das heißt, dass es einige Fenster und auch eine schmale Glastür zum Garten hin gab. Die Küche war relativ klein, aber auf den ersten Blick konnte Tanner sehen, dass es alles Notwendige gab. Er sah allerdings auch, dass die Küche nicht so sauber war wie beim Stocker.

Das ist Reich des Kochs.

Sie flüsterte. Sie machte eine bedeutungsvolle Miene.

Wir müssen Herr Keller sagen.

Sie kicherte.

Er ist klein.

Sie hielt ihre Hand auf die Höhe ihrer Brust. Dann hörten sie energische Schritte.

Herr Keller? Neue Koch ist da.

Um die Ecke bog ein schmaler, untersetzter Mann in einem Trainingsanzug. Er hatte seine schwarzen Haare mit Gel nach hinten, aus seiner hohen, bleichen Stirn, gekämmt. Unter den Augen hatte er dunkle Ringe, wirkte erschöpft und gehetzt.

Nicht der neue Koch, sondern meine Vertretung.

Er wandte sich an Tanner. Ljuli verdrehte die Augen und ging.

Guten Tag. Willkommen. Du bist der Tanner. Ich bin der Keller, Max Keller. Ich bin froh, dass man eine Vertretung ­gefunden hat, quasi im letzten Moment. Du kommst vom Stocker, höre ich. Das ist gut, sehr gut. Morgen früh fliege ich nach Kanada. Ich gehe dort Fischen. Endlich.

Er seufzte. Max Keller näselte, was seiner Sprache etwas leicht Arrogantes verlieh. Seine Zunge huschte dauernd über seine Lippen, als müsste er sie permanent anfeuchten.

Nach zwei Jahren ohne Urlaub. Es ist eine rechte Schinderei hier, musst du wissen. Zu wenig Leute. Ich habe zwei Kochhilfen. Die sind nur angelernt. Sind beide aus dem Dorf. Und einen Stummen fürs Geschirr und so. Den Rest musst du machen.

Er griff hinter sich nach einem Ordner.

Hier sind die Menüs für den ganzen Monat. Das meiste ist bestellt und liegt bereits im Kühlkeller oder wird nach und nach geliefert. Alles mit der hohen Leitung abgesprochen. Insofern musst du dich nicht groß mit Bestellungen und Finanzen herumschlagen. Da bist du doch sicher froh, oder?

Tanner nickte vage.

Ach ja, übrigens, der Chef, ich meine, Herr de Klerk, ist erst wieder am Dienstag oder Mittwoch da. Er ist auf einem Kongress in Schweden. Er wird durch seine Assistentin vertreten. Hast du sie bereits kennengelernt?

Tanner verneinte.

Bei wichtigen Entscheidungen ist auch seine Mutter dabei, Madame de Klerk.

Er verdrehte die Augen.

Sie will partout Madame de Klerk genannt werden. Und sie benimmt sich auch so. Mit ihr musst du dich gutstellen, sonst hast du verloren. Alles klar?

Tanner nickte wieder.

Da ich jetzt Zimmerstunde habe, schlage ich vor, dass du den Ordner studierst, dich in der Küche umsiehst, sodass du mir später eventuell noch Fragen stellen kannst. Morgen früh wäre es dann zu spät. Wir sehen uns ab vier Uhr hier zum Appell.

Er kicherte, salutierte und schlug die Hacken zusammen.

Abtreten!

Dann ging er aus der Küche.

Tanner setzte sich auf den einzigen Stuhl in der Küche und betrachtete seinen Arbeitsplatz der nächsten vier Wochen. Er wusste jetzt schon, was er morgen früh tun würde – also sobald Keller weg war: Putzen, putzen und nochmals putzen.

Er seufzte. Er war gespannt auf seine sogenannten Kochhilfen.

Schnelle Schritte kamen die Treppen herunter.

Ach, schau an. Unser neuer Koch. Guten Tag, Herr Tanner. Ich bin Teresa Wunder, die Assistentin von Dr. de Klerk. Ich bin auch relativ neu hier, also haben wir mindestens etwas gemeinsam. Herr de Klerk kommt am Mittwoch, vielleicht auch erst am Donnerstag. Für alle möglichen Fragen wenden Sie sich also an mich. Ich wünsche ihnen einen guten Anfang und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit.

Tanner drückte ihre Hand und bedankte sich.

Sie war das, was man im Volksmund eine kühle Blonde aus dem hohen Norden nennen würde. Der Händedruck ihrer schmalen Hand war aber angenehm kräftig. Ihre Rede klang ein wenig auswendig gelernt, aber Tanner empfand sie als aufrichtig. Sie hatte diesen schwarzen Anzug mit der obligaten weißen Bluse an wie alle aufstrebenden Assistentinnen.

Wie lange sind Sie denn schon hier, Frau Wunder?

Nennen Sie mich ruhig Teresa.

Ihre blasse Haut überzog sich mit einer leichten Röte.

Ja, das sind jetzt etwa – fünf Wochen, ja genau.

Tanner schaute sie an.

Und? Gefällt ihnen die Arbeit? Und der Ort? Fühlen Sie sich wohl hier?

Sie wich seinen Augen nicht aus, schien es aber plötzlich eilig zu haben.

Ich würde vorschlagen, dass Sie sich erst mal hier umsehen und einarbeiten, denn wir sind sehr auf Sie angewiesen, äh … also, ich meine, was unser leibliches Wohl angeht. Sie verstehen. Dann kann ich ihnen später gerne eine Übersicht über unser Institut geben. Das Abendessen wird am Sonntag um acht Uhr serviert. Unter der Woche eine halbe Stunde früher. Heute also um acht. Die Lehrerschaft werden Sie zum großen Teil erst morgen kennenlernen.

Schon war er wieder allein.

Hui, haben die’s alle eilig.

Tanner schaute sich in aller Ruhe den Herd, die Maschinen, die Werkzeuge an. Vergewisserte sich, wo all die größeren und kleineren Utensilien der Küche versorgt waren. Die Zutaten, die Gewürze usw. Die Vorräte würde er sich heute Abend mit Keller zusammen ansehen. Dann packte er besagten Ordner unter den Arm, er konnte ihn genauso gut in seinem Zimmer studieren. Er beschloss, die Treppe zu nehmen, um die verschiedenen Stockwerke zu sehen. In der Eingangshalle traf er wieder auf Ljuli.

Und? Ist Küche in Ordnung?

Ja, ja. Im großen Ganzen schon. Ich wollte dich fragen, ob du mir am Montag hilfst, sie mal gründlich zu, äh … säubern, putzen. Bis sie glänzt!

Ja, gerne. Der Herr Keller hat sich immer geweigert, dass ich putzen komme. Küche sehr schmutzig.

Tanner legte einen Finger auf seine Lippen. Sie machte es ihm nach und blickte ihn verschwörerisch an.

Bis später. Ich geh aufs Zimmer. Ich muss diesen ganzen Ordner durcharbeiten.

Sie verdrehte die Augen und lachte.

Äh, entschuldige, Ljuli, hättest du Zeit, mir noch das Haus zu zeigen?

Ja, gerne.

Also. Auf der linken Seite sind Büros. Besser anschauen mit Frau Wunder. Auf andere Seite und zum See sind Speisesäle.

Sie traten durch eine zweiflügelige Glastür, flankiert von zwei weißen Säulen, in die hohen und sehr luftig wirkenden Räume mit großen Tischen, an denen jeweils zehn Gäste sitzen konnten. An den Wänden alte Ölgemälde mit Landschafts- und Tiermotiven. In einer Ecke, nahe den Fenstern zum See, stand ein mächtiger weißer Flügel. Von den Decken hingen kostbare Jugendstil-Kronleuchter.

Hier essen Mädchen und vorne, äh … Saal für Lehrer und andere Angestellte. Im Sommer wir können essen auf Terrasse. Sehr große Terrasse. Bedeckt.

Gedeckt, sagt man. Oder überdeckt. Nicht bedeckt.

Danke. Sag mir bitte Fehler. Niemand tut es. Das ist schade.

Tanner nickte.

Sie gingen in den ersten Stock.

Im ersten und zweiten Stock sind Schulzimmer. Und Aufenthalt für Mädchen.

Ljuli öffnete eine Tür nach der anderen. Es waren alles sehr luftige und helle Räume mit wenig Tischen und alles sehr gut eingerichtet. Anscheinend wurde in sehr kleinen Klassen un­terrichtet. In einem so teuren Internat war auch nichts Anderes zu erwarten gewesen.

Als sie durch alle Zimmer waren, zeigte Ljuli nach oben.

Im dritten Stock wohnen Mädchen mit Einzelzimmern und auch Herr und Frau de Klerk wohnen dort.

Aha. Wo wohnen denn die anderen Mädchen?

Es gibt noch zwei Häuser. Da wohnen Mädchen und Erzieherinnen.

Gut. Danke, Ljuli, für die Führung. Das war sehr nett. Ich geh jetzt in mein Zimmer. Arbeiten.

Er hob demonstrativ den Ordner in die Luft.

Ljuli lachte.

Viele Vergnügungen.

Als Tanner im dritten Stock ankam, hörte er, dass jemand mit einem schweren Hustenanfall zu kämpfen hatte. Ob das die alte Madame de Klerk war? Wahrscheinlich. Tanner lauschte und ging auf die Tür zu, hinter der sich das Hustendrama abspielte. Das Geräusch veränderte sich immer mehr in ein qualvolles Keuchen, als ob die betreffende Person kurz vorm Ersticken wäre. Kurz entschlossen klopfte er energisch an die Tür.

Brauchen Sie Hilfe, Madame? Soll ich Hilfe holen?

Er legte sein Ohr an die Tür. Jetzt war es eindeutig, es klang, als stünde jemand kurz vorm Ersticken. Er riss die Tür auf. Es war ein großes, salonartiges Zimmer, vollgestopft mit altmodischen Möbeln. In einer breiten Nische stand ein Himmelbett mit gedrechselten Säulen. Die Person im Bett krümmte sich und schien ihn nicht zu bemerken. In der Luft lag ein penetranter Duft nach Lavendel. Tanner ging näher ans Bett. Es war Madame de Klerk, da war er sich sicher. Sie hatte ganz kurzes weißes Haar.

Madame de Klerk. Können Sie mich hören? Ich bin der neue Koch. Tanner ist mein Name, und ich habe Sie zufällig furchtbar husten gehört. Brauchen Sie Hilfe?

Sie rührte sich nicht, sondern rang offenbar verzweifelt nach Atem. Tanner rannte ins Treppenhaus.

Ljuli! Ljuli! Komm! Madame de Klerk ist am Ersticken. Komm. Oder hol Hilfe.

Tanner schrie aus Leibeskräften und hoffte, dass Ljuli ihn gehört hatte. Er eilte zurück ins Zimmer.

Die Frau hatte sich mittlerweile im Bett umgedreht und reckte ihren Arm in die Höhe, dann auf die Seite, als ob sie etwas nehmen oder etwas zeigen wollte. Ihre Augen waren stark geweitet und sie konnte kaum atmen.

Jetzt entdeckte er auf einem Tisch, was sie verzweifelt verlangte. Einen Inhalator. In zwei Schritten war er beim Tisch, packte ihn und drückte ihn ihr in die Hand. Sie steckte sich ihn sofort in den Mund und pumpte. Kurz darauf beruhigte sie sich, und sie konnte wieder atmen. In diesem Moment kam Ljuli atemlos ins Zimmer gerannt. Sie ging sofort zum Bett.

Madame, ist gut so? Sollen wir Doktor rufen?

Sie schüttelte den Kopf, bedeckte mit einer Hand ihr Gesicht und deutete auf Tanner. Sprechen konnte sie offenbar noch nicht. Ljuli drehte sich zu Tanner um.

Das ist neuer Koch, Madame. Simon Tanner. Er hat sie gehört. Haben Sie Hilfe gerufen?

Sie schüttelte den Kopf und winkte mit einem Arm.

Es bedeutete offenbar, dass die Krise vorbei war und dass sie beide das Zimmer verlassen sollten.

Ljuli drehte sich um und zuckte resigniert mit den Achseln.

Gehen wir. Sie wünscht so.

Sie gingen beide aus dem Zimmer. Tanner schloss leise die Tür und nahm den Ordner vom Boden, wo er ihn hingelegt hatte.

Also, wie gesagt.

Er deutete auf den Ordner.

Danke, dass du gekommen bist, Ljuli, ich wusste ja nicht …

Sie hat immer wieder, äh … Anfälle. Sagt man so?

Tanner nickte.

Ich melde es Frau Wunder.

Sie ging eilig die Treppe runter. Tanner lauschte noch ein Weilchen und wandte sich zur Treppe, die in den Dachstock führte.

In seinem Rücken hörte er ein Geräusch und drehte sich um. Der Gang war leer, aber bei einem der hinteren Zimmer hatte sich die Tür einen Spalt geöffnet. Jetzt erschien ein sehr junges Gesicht mit dunkelblonden Stirnfransen.

Pst. Herr Tanner, kommen Sie.

Tanner ging näher.

Woher kennst du meinen Namen?

Er schätzte das Mädchen auf höchstens dreizehn Jahre.

He, wir werden hier nicht geduzt.

Oh. Verzeihen Sie, Madame. Mit wem habe ich die Ehre?

Kommen Sie in mein Zimmer, dann sage ich es ihnen.

Tanner schüttelte den Kopf.

Nein, junge Dame. Ich komme sicher nicht in Ihr Zimmer. Was wollten Sie mir sagen?

Sie verschränkte ihre Arme und flüsterte.

Warum haben Sie sie nicht verrecken lassen? Sie ist der Teufel.

Oh, das wusste ich nicht. Abgesehen davon, dass ich nicht an den Teufel glaube, ist es nicht meine Art, Menschen in Not meine Hilfe zu versagen.

So, so. Sie glauben also nicht an den Teufel. Mh, hm. Werden Sie mich auch retten, wenn ich in Not bin?

Tanner seufzte.

Ja, sicher. Wie heißt …

Das Mädchen zog sich zurück und schloss leise und ohne weiteren Kommentar die Tür. Neben der Tür war ein kleines Schild angebracht. Tanner ging näher.

L. Dürr stand da.

Lina? Lea? Lana? Lucy?

Tanner gab auf und ging endlich die Treppe hoch in sein winziges Zimmer mit Aussicht.

Die Schneckeninsel

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