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2. Tag — Montagmorgen

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Bereits um sechs Uhr stand Tanner wieder in der Küche. Nicht wegen der Vorbereitung des Frühstücks, das zwischen sieben und Viertel vor acht stattfinden musste, denn der Unterricht beginnt für die Mädchen pünktlich um acht Uhr. Fürs Frühstück waren Lydia und Annerös zuständig, unterstützt von zwei anderen Frauen aus dem Dorf, die im Speisesaal wirkten.

Er hatte sich diverse Ordner mit Lieferantenrechnungen angeschaut und sich zum Teil über die Höhe der Rechnungen gewundert. Auch staunte er über die Mengen von Salaten und verschiedenen Sorten Gemüse, die da zeitweise bestellt worden waren. Aber das hatte noch Zeit. Das würde er sich später mal gründlich anschauen.

Heute stand für den Mittagstisch Gemüsekuchen, also eine Quiche, mit Salat auf dem Programm. Zum Dessert ein gekaufter Vanillepudding, den sie nur aus der Verpackung zu stürzen hatten. Für den Abend Maispoularde und Reis. Für die Vegetarier Reis mit einer Gemüsesauce. Er hängte den Menüplan für heute auf.

Tanner stöhnte.

Oh je, ist das alles langweilig.

Er fand jede Menge Vanillestängel. Eier waren auch genug da. Ebenso Milch und Zucker.

Als Annerös und Lydia gegen sieben Uhr mit den Vorberei­tungen zum Frühstück fertig waren, rief er sie zur Lagebespre­chung zusammen. Anandan kam auch dazu.

Ihr habt gesehen, was Herr Keller für heute geplant hatte, oder?

Alle nickten.

Also, da wir noch jede Menge tiefgefrorenen Lachs haben, mischen wir den ins Gemüse, sonst ist eine Quiche, wenn wir nicht Topgemüse haben, einfach zu langweilig. Seid ihr einverstanden?

Alle nickten.

Lydia räusperte sich.

Apropos Gemüse. Wir hätten genug Produzenten im Dorf und in der Umgebung. Wir müssten das Gemüse nicht vom Großverteiler bestellen, wo wir nicht wissen, woher es kommt.

Lydia, du sprichst mir aus dem Herzen. Du bist ab jetzt zuständig für Gemüsebeschaffung. Das gleiche gilt für die Kräuter.

Lydia hob die Hand.

Aber die haben wir ja im Garten.

Tanner runzelte die Stirn.

Warum bestellt denn der Keller auch die Kräuter beim Großverteiler?

Er, äh … er geht nicht so gerne in den Garten, es war ihm zu mühsam, sich die Kräuter zusammenzusuchen. Hier regnet es sehr oft.

Gut. Lydia, das übernimmst auch du.

Sie nickte.

Mich interessieren vor allem auch alte Sorten und so weiter, übrigens auch essbare Blumen. Mach bitte eine Liste mit möglichen Produzenten. Nimm Kontakt auf. Ich bespreche das mit Teresa Wunder. Ich bereite den Teig für die Quiche vor. Dann rüsten wir die Gemüse. Heute halt die, die wir hier haben. Anandan holt den Lachs aus dem Kühlraum.

An Lydia gewandt.

Du besorgst uns frische Kräuter aus dem Garten. So viele du kannst.

Tanner guckte auf seinen Zettel.

Dann – oh je, diese Vanille-Puddings!

Jetzt meldet sich Lydia aufgeregt zu Wort.

Annerös macht die beste Vanillecrème der ganzen Gegend.

Stimmt das?

Ja, das stimmt. Ich mache das gerne.

Ob gerne oder nicht, hjedenfalls die absolut beste!

Gut. Du fängst sofort an. Falls es noch was fürs Frühstück zu tun gibt, mache ich das. Ihr beginnt sofort mit euren Arbeiten. Wann muss das Essen fertig sein?

Um halb eins.

Gut. Die Quiches müssen spätestens um Viertel vor zwölf in den Ofen.

Ich suche jetzt das Wunder, äh … Frau Wunder.

Alle kicherten.

Tanner ging die Treppe hoch in die Speisesäle auf der Suche nach Teresa Wunder. Die Mädchen trudelten langsam ein und setzten sich an ihre Tische. Teresa saß ganz allein im hinteren Teil des Speisesaals.

Entschuldigung, Teresa, ich hätte was zu besprechen. Kann ich nach dem Frühstück zu Ihnen ins Büro kommen?

Sie blickte ihn erschrocken an.

Ja, sicher können Sie gerne vorbeikommen. Gibt es, äh … ein Problem?

Offensichtlich wollte sie zuerst sagen, ob es schon ein Problem gäbe, unterdrückte aber das schon im allerletzten Moment.

Tanner winkte ab.

Nein, nein. Es gibt kein Problem. Ich möchte nur etwas Strategisches mit Ihnen besprechen. Also, ich meine etwas Kochstrategisches.

Sie war erleichtert.

Ja, ja, kommen Sie in einer halben Stunde.

Tanner nickte.

Sagen Sie, war es schlimm gestern mit Madame?

Tanner blickte verdutzt.

Nein, überhaupt nicht. Es gab überhaupt kein Problem. Sie wollte sich bei mir nur für meine Hilfe gestern bedanken.

Jetzt war sie an der Reihe, verdutzt zu gucken.

Sagten Sie bedanken?!

Tanner ging zum Lift und fuhr in den dritten Stock. Er hat­te sein Telefon im Zimmer vergessen. Im dritten Stock lauschte er kurz auf eventuelle Geräusche aus Madames Zimmer. Er hörte nichts, wahrscheinlich hatte sie gewonnen und schlief jetzt ihren seligen Schlaf, wie sie es nannte.

Pst. Pst. Herr Tanner.

Er wandte sich um. In der halb geöffneten Tür stand L. Dürr mit den Stirnfransen und winkte ihm.

Was ist denn? Und warum gehen Sie nicht frühstücken?

Weil es mir nicht gut geht. Ich habe es schon gemeldet. Ich habe leichtes Fieber und Kopfschmerzen.

Also dann. Marsch ins Bett.

Er wandte sich zum Gehen. Sie flüsterte.

Wissen Sie, warum Madame so schön ist, obwohl sie wahrscheinlich schon sehr alt ist? Sie schmiert sich mit so einem Schleim ein.

Tanner musste unwillkürlich lächeln und schüttelte den Kopf.

So ein Unsinn. Gehen Sie jetzt ins Bett. Und gute Besserung.

Er stieg die Treppe zu seinem Zimmer hoch.

Auf seinem Telefon war eine Nachricht von Michel.

Bitte um Rückruf.

Ja, ja, lieber Michel, da musst du dich noch etwas gedulden, schließlich arbeite ich.

Später waren alle in der Küche eifrig am Arbeiten. Anandan hatte bereits genügend eingeschweißte Lachsfilets ins kalte Wasser gelegt. Annerös schlitzte geschickt Vanilleschoten der Länge nach auf. Er nickte ihr zu.

Nimm genug Eier.

Keine Sorge. Lydia ist übrigens draußen unterwegs.

Gut. Gibt es im Moment etwas fürs Frühstück zu erledigen?

Nein, nein. Es ist alles in Ordnung.

Er nahm sämtliche großen Kuchenformen für die Quiche aus dem Schrank, bebutterte und bemehlte sie tüchtig. Anandan hatte schon die Teige aus dem Kühlraum geholt. Das nächste Mal würde er den Teig selber machen, aber eins nach dem anderen.

Er begann die fertigen Teige auf der Maschine auszurollen und auf die Kuchenformen zuzuschneiden.

Die zwölf großen Formen reichen für die Quiche, oder?

Annerös bestätigte es ihm. Als er fertig war, wusch er sich die Hände.

Ich geh jetzt schnell ins Büro zu Frau Wunder. Bin sofort wieder da. Anandan, du kannst anfangen, die Gemüse klein zu schneiden. Ich habe bereits alles sortiert. Zuerst die Zwiebeln.

In der Eingangshalle begegnete er Ljuli.

Hallo. Du bist in Fahrt.

Sie lachte verschmitzt.

Sagt man so?

Tanner nickte lachend.

Ich hatte frei gestern Abend. War mit Freundin in Stadt.

Ach ja, Ljuli, das mit dem Putzen verschiebt sich auf heute Nachmittag. Wir haben heute Morgen leider zu viel zu tun.

Noch besser wäre morgen, weil kein Mittagessen, denn Mädchen haben keinen Unterricht, sondern Ausflug. Erst zum Abendessen wieder hier.

Ah, gut. Das hatte mir bisher niemand gesagt. Dann machen wir das so. Wir putzen morgen ab neun Uhr.

Er klopfte an die Tür, wo er das Büro Teresas vermutete.

Sie rief ihn sofort hinein.

Es ist alles klar, Tanner. Ich hatte Lydia schon im Garten an­getroffen. Machen Sie, was Sie für richtig halten. Es darf einfach nicht teurer werden, sonst kriegen wir Stress mit der Obrigkeit. Ich gebe unseren Gemüselieferanten dann Bescheid. Mir wird schon eine Ausrede einfallen.

Liebe Teresa, Sie brauchen gar keine Ausreden. Wenn die Ihnen blöd kommen, so sagen Sie ihnen ganz ruhig, wir würden demnächst mit Prüfern vom Verband ihre Rechnungen kontrollieren.

Teresa stutzte.

Was wollen Sie damit sagen?

Tanner setzte sich und schlug die Beine übereinander.

Die Rechnungen von einigen Lieferanten sind eindeutig übersetzt. Mehr will ich nicht behaupten, dazu müsste man das alles genauer analysieren. Aber zu teuer ist es auf jeden Fall. Die Ordner stehen unten in der Küche. Sie können Sie ­jederzeit einsehen. Ich denke, dass wir mit einem Strategiewechsel entweder billiger werden, oder wir können uns bei anderen Sachen mehr leisten. Ich bin natürlich eher für die zweite Variante.

Teresa lachte.

Von Ihnen kann man eine Menge lernen, sehe ich. Gut. Machen Sie. Ich unterstütze das. Noch etwas?

Ich höre von Ljuli, dass die Mädchen morgen nicht zum Mittagessen da sind?

Oh, ja, das habe ich Ihnen heute Morgen schon sagen wollen. Sie müssen also nur für uns kochen.

Gut. Dann gehe ich wieder in die Küche. Ich habe heute leider keine Zeit für den Überblick, den Sie mir geben wollten. Vielleicht in den nächsten Tagen?

Sie nickte.

Einverstanden.

Noch etwas.

Ja. Bitte.

Haben Sie etwas dagegen, wenn mir Ljuli morgen hilft, die Küche gründlich zu putzen?

Ist es denn nötig?

Tanner seufzte.

Ja. Sehr.

Also, wieso sollte ich dagegen sein?

Danke.

Tanner ging ohne Umwege sofort zurück in die Küche. Er fühlte sich in seinem Element. Auf der Treppe zur Küche kam ihm noch einmal kurz der Satz von heute Nacht in den Sinn. Er verscheuchte ihn wie eine lästige Fliege.

Die Schneckeninsel

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