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ОглавлениеKapitel 5
Marvin und Thomas Foulder 04.09.
Früh um sechs Uhr morgens schreckte Marvin plötzlich hoch. Er blickte wild um sich. Als er sah, dass er in seinem Bett saß, seufzte er erleichtert auf und fiel in die Kissen zurück. Glücklicherweise nur ein Albtraum. Alles war schiefgelaufen, was schiefgehen konnte und zum Schluss hatten sie ihn verhaftet. Was für ein Unsinn! Aber, sagte er sich, betrachte es als Warnung. Prüfe doppelt und dreifach, dann passiert dir nichts.
Er sprang aus dem Bett und lief über die Terrasse zum Pool. Es wurde gerade hell genug für seine morgendlichen Dehn- und Streckübungen. Er ließ seinen Oberkörper kreisen, fiel in den Spagat, stemmte sich daraus in den Handstand und balancierte ihn auf einer Hand aus, sprang mit einem Salto in den Stand und simulierte Angriffe aus seinem Repertoire der Aikido-Techniken. Anschließend schwamm er seine zwanzig Minuten und stieg erfrischt aus dem Pool.
Er wickelte sich ein weiches Badehandtuch um die Hüften, ging in die Küche und kochte sich seinen Kaffee. Während er darauf wartete, dass die vier Minuten vorbei waren, die das Gebräu brauchte, um perfekt zu sein, ließ er seinen Blick durch die Küche schweifen. Eine unglaubliche Vielzahl von Schränken und Elektrogeräten, gediegen in gebeiztem Holz und gebürstetem Edelstahl ausgeführt, hätte jede Köchin entzückt. Allerdings sah es nicht so aus, als würde das alles häufig genutzt. Auch er bediente lediglich den Wasserkocher für die Zubereitung seines Kaffees. Na gut, wer hunderttausend Euro im Jahr für die Miete dieser Villa berappen konnte, der kochte wohl auch nicht selbst.
Sein Kaffee war fertig. Er goss ihn in eine große Tasse aus feinem Porzellan, schnappte sich den Teller mit dem übriggebliebenen Obst von gestern und ging auf die Terrasse zurück. Die Sonne war jetzt endgültig aufgegangen. Es war angenehm warm. Marvin schlürfte seinen Kaffee, naschte von den Früchten und war rundherum zufrieden. Abschließend schmiegte er sich in die weichen Polster, schloss die Augen und versank für zehn Minuten in seiner Lieblingsmeditation. Langsam kehrte er in die Wirklichkeit zurück und gönnte sich weitere fünf Minuten in völliger Bewegungslosigkeit.
Dann stand er übergangslos auf, griff nach Tasse und Teller und brachte sie in die Küche. Er spülte beides ab und stellte das Geschirr auf das Abtropfbrett. Er sah sich um, prüfte, ob der Wasserkocher ausgeschaltet war, verließ die Küche und marschierte ins Schlafzimmer, um sich für den heutigen Tag zu präparieren.
Er legte wieder die Verkleidung an, klemmte sich den Rucksack unter den Arm und fuhr zum Frühstück in das Gaslamp Quarter. Er stärkte sich ausgiebig mit gebratenen Eiern und Speck, Würstchen, Schinken und Käse. Zum Abschluss ließ er sich einen Stapel Pancakes mit Ahornsirup bringen, dazu genoss er zwei große Tassen von diesem wundervollen aromatischen Kaffee, den es nur hier gab. Perfekt.
Als er im Wahlkampfzentrum ankam, empfing ihn das blanke Chaos. Die Vorbereitungen für den großen Gala-Abend liefen auf Hochtouren. Er war froh, dass er in den Medienraum verschwinden konnte.
„Gut, dass du kommst. Wir machen es so: Bis zum späten Nachmittag arbeitest du wieder an den Mails wie gestern und danach hilfst du mir bei den finalen Vorbereitungen für den Medienrummel heute Abend. Ich habe schon alles aufgebaut, aber es muss noch einmal gecheckt werden.
Folgender Ablauf ist geplant: Vor Beginn der Veranstaltung, wenn die Gäste bereits im Saal sind, erfreuen wir sie zunächst mit einer kombinierten Musik- und Lichtshow. Anschließend kommen zehn kleine Mädchen von der Ballettschule, für die sich die Schwägerin unseres zukünftigen Bürgermeisters ehrenamtlich engagiert. Sie tanzen das berühmte Ballett aus Schwanensee. Wir machen die Musik dazu. Als Nächstes tritt ein A-Capella-Chor auf. Da haben wir nur dafür zu sorgen, dass die Mikrofone einwandfrei arbeiten. Damit ist das Vorprogramm zu Ende.
Der jetzige Bürgermeister kommt auf die Bühne, begrüßt alle und so weiter. Wir warten hinter der Bühne auf unseren nächsten Einsatz. Unser verehrter Kandidat hält nach dieser Begrüßung und dem gegenseitigen Händeschütteln seine Rede. Und dann sind wir wieder dran. Während er spricht, zeigen wir zu Beginn eine Reihe netter Bildchen wie Blumen, lachende Kinder, leuchtende Kornfelder, na, du weißt schon, dieser ganze Kitsch, um Punkte zu machen. Wir verfolgen alles auf unserem Display. Nach ungefähr zwanzig Minuten erscheint ein Zeichen, dann sollen die Bilder kommen, die zu den Projekten gehören, für die er gekämpft hat beziehungsweise für die er sich einsetzen will. Er hat für jedes Bild einen kurzen Text und wir müssen dafür sorgen, dass zum richtigen Zeitpunkt das nächste Bild erscheint. Alles easy und langweilig.“
„Machst du das oder soll ich das machen?“
„Ich mach das selbst. Du bist sozusagen die Reserve und springst ein, falls sich der Boden öffnet und mich verschlingt. Die Aufgabe ist einfach, aber heikel. Wenn wir das vermasseln, kriegen wir in dieser Stadt keinen Fuß mehr in die Tür.“
„Es wird schon gut gehen. Das kriegen wir doch wohl hin.“
Die Zeit lief ihm unter den Händen davon. Es war wie am Tag zuvor. E-Mails über E-Mails waren zu bearbeiten.
Gegen achtzehn Uhr kam Sven und forderte ihn auf mitzukommen. Die letzten Vorbereitungen für den Abend waren zu treffen.
Thomas fühlte Ameisen zwischen seinen Schulterblättern unkontrolliert umherirren. Es war so weit. Er nahm seinen Rucksack hoch und tat so, als ob er etwas suchen würde. Er tastete nach dem kleinen Surface. Gott sei Dank, es war da. Als seine Hand wieder zum Vorschein kam, hielt er darin einen Doppelschoko-Schokoriegel, den er gleich aufriss und zügig verspeiste. Augenblicklich waren die Ameisen verschwunden. Tiefe Ruhe erfüllte ihn. Es ging doch nichts über eine Schokoladendröhnung.
„Kann losgehen.“
Gemeinsam gingen sie zum Ballsaal. Sie durchquerten den Raum und Thomas hatte genügend Gelegenheit, sich umzusehen. Anerkennend nickte er. Mein lieber Mann, das wird eine noble Veranstaltung. Die Tische waren mit schneeweißem Damast eingedeckt. Funkelndes Kristall, feinstes Porzellan und üppigste Blumengebinde in überwältigenden Formen und Farben schmückten die Tafeln.
Hinter der Bühne sah es aus wie überall, wo das Fußvolk zugange war. Sven hatte eine Multimediaanlage aufgebaut. Er erklärte Thomas die Funktion der einzelnen Elemente und forderte ihn dann auf, den Probelauf zu starten. Das war keine Mühe für den Informatikexperten, aber das musste ja niemand wissen. Also fragte er immer wieder, ob das, was er machte, auch richtig war und baute sogar zwei harmlose Fehler ein. Nach einer Stunde war alles erledigt. Die Anlage funktionierte einwandfrei und die beiden kehrten in den Medienraum zurück. In der Kaffeeecke waren noch reichlich Donuts und Cracker vorhanden. Sven nahm sich einen Kaffee, Thomas eine Cola. Gemeinsam arbeiteten sie sich durch die Donuts und schlossen ihr Abendbrot mit einer üppigen Portion Cracker ab.
Inzwischen trafen die Gäste nach und nach ein. Jedes Paar wurde vom Kandidaten und seiner lieben Gattin am Eingang in Empfang genommen und überschwänglich begrüßt. Der Saal füllte sich zusehends. Der Schmuck der Damen funkelte mit dem Kristall um die Wette und ihre Designerroben machten den Blumen Konkurrenz. Die Männer im Smoking, ein wohltuender Ruhepunkt für das Auge in all dem Geflimmer. Es war ein Schaulaufen der Prominenz aus Politik und Wirtschaft aus San Diego und darüber hinaus. Sogar der Gouverneur gab sich mit seiner Gattin die Ehre. Man gehörte schließlich der gleichen Partei an, da war ein bisschen Unterstützung im Wahlkampf ja wohl selbstverständlich.
Sven und Thomas waren mittlerweile wieder hinter der Bühne. Es herrschte gespannte Stille. Alle Augen waren auf den Boss gerichtet. Lisa verständigte sich über Funk mit einem Mitarbeiter im Saal. Endlich kam das „Alle an Bord“ wie vereinbart. Die Show konnte beginnen. Lisa gab dem Verantwortlichen ein Zeichen und er dimmte in Zeitlupe das Licht. Über die im Saal angebrachten Mikrofone hörte man leichtes Hüsteln, letztes Stühlerücken und allgemeines Geraune.
Lisa zeigte auf Sven, dieser nickte und drückte die Enter-Taste. Die Show wurde mit einem kraftvollen Akkord und magischen Lasereffekten eröffnet. Das Programm lief reibungslos ab. Man applaudierte höflich, fand das Kinderballett entzückend und war aufrichtig begeistert von der Darbietung des A-Capella-Chors.
Im Saal wurde es gedämpft hell. Kellner boten Erfrischungen an. Man reichte edlen Champagner, gepflegte Weine, Liköre, wahlweise einen alten Cognac oder Whisky und Häppchen aus erlesenen Zutaten. Nichts Besonderes halt, nur das, was der verwöhnte Gaumen so erwartet.
„Lass uns mal die Lage peilen.“ Sven schaltete eine Kamera ein, die gut getarnt neben der Bühne angebracht war.
Ungeduldig schaute Thomas auf den Monitor. Seine Augen suchten nach dem Tisch des Kandidaten. Ah, dort saß er ja, eingerahmt von seiner Gattin und dem Gouverneur an der Längsseite eines Tisches für acht Personen. Mit kalten Blick beobachtete Thomas sein Opfer.
„Nun schau dir das an“, dachte er, „der benimmt sich wie eh und je. Immer noch diese weitausholenden Gesten, dieser Beifall heischende Blick in die Runde, immer noch wie ein preisgekrönter Gockel. Aber gut gehalten hat er sich, das muss ihm der Neid lassen. Die silbernen Strähnen in seinem dunklen Haar geben ihm etwas Seriöses. Er kämmt es wie früher nach hinten und hebt sein Kinn, damit auch jeder sein markantes Profil sehen kann. Offenbar treibt er noch regelmäßig Sport. Er hat ja immer schon Wert auf eine knackige Figur gelegt. In seinem Smoking steckt er wie die Wurst in der Pelle, damit auch ja jeder sieht, was er für ein toller Hecht ist. Was für ein Brilli an seiner schwarzen Fliege! Dafür hätte man locker einen Luxusschlitten von den Leuten mit dem Stern haben können. Er musste immer schon übertreiben, wie die Neureichen halt so sind. Na ja, wenn der Vater sein Geld, auch wenn es sehr viel Geld ist, mit Abfall gemacht hat, dann wird man dieses Trauma wohl sein ganzes Leben mit sich herumschleppen.
Oh, jetzt beugt er sich rüber zum Gouverneur. Nun kuck nur mal, wie der preisgekrönte Gockel plötzlich zu einem schleimigen Wurm mutiert, dessen Lieblingsaufenthalt offensichtlich der Hintern des Gouverneurs ist. Pfui Deibel! Jetzt steht er auf. Wenn ich das schon sehe, diese bemühte jugendliche Spritzigkeit, mit der er zum nächsten Tisch eilt! Was für ein Angeber und Scharlatan!
Wird Zeit, dem Ganzen ein Ende zu setzen.“
„Sven, wie lange haben wir noch? Ich muss unbedingt mal schnell weg. Irgendetwas mit den Donuts war wohl nicht in Ordnung.“
„Wir haben noch circa zehn Minuten. Du kannst dir Zeit lassen.“
„Super, dann bis gleich.“.
Thomas schnappte sich seinen Rucksack und verschwand im Waschraum. Er wählte eine freie Kabine und setzte sich auf den geschlossenen Toilettendeckel. Er holte das Notebook hervor, klappte es auf und schaltete es an. In Sekunden war es betriebsbereit. Zügig gab Thomas einige Befehle ein und sein Surface übernahm die Kontrolle über das Notebook von Sven. Er tauschte die Bilder von den gegenwärtigen und zukünftigen Projekten des Kandidaten gegen seine Schöpfungen aus.
Es waren kunstvolle Montagen des Kandidaten in gewissen Situationen. Er hatte überlegt, mit wem er sein Opfer final kompromittieren könnte. Waren Prostituierte besser oder lieber das Spielcasino oder noch besser aus dem Bereich Sadomaso? Foulder als „Herr“ mit schwingender Peitsche, vor dem eine aus vielen Wunden blutende Sklavin kniet? Er mit erigierten Pimmel? Nein, das war ihm alles nicht genug. Der Super-GAU für jeden Mann sind Bilder mit unschuldigen Knaben in eindeutigen Positionen. Er hatte keine Mühe gescheut und eine stilgemäße Sammlung angelegt. Der ahnungslose Sven würde sie heute dem geneigten Publikum präsentieren.
Er überzeugte sich sicherheitshalber noch einmal, dass alle Bilder an ihrem Platz waren. Zufrieden zog er sich aus Svens Notebook zurück ohne eine Spur zu hinterlassen, nicht ohne eine Entschuldigung in dessen Richtung zu murmeln.
Es war so weit. Voller Vorfreude auf den handfesten Skandal schloss Thomas das Notebook, benutzte rasch die Toilette und erschien wenige Minuten vor dem Beginn der Rede wieder hinter der Bühne.
„Bereit, wenn du es bist.“
Sven nickte ihm zu. Konzentriert verfolgte er die Geschehnisse im Saal.
Gerade holte der amtierende Bürgermeister den Kandidaten auf die Bühne: „Meine Damen und Herren, begrüßen wir gemeinsam meinen Nachfolger. Wir kennen ihn als einen Mann, der alle Eigenschaften in sich vereint, um zu unser aller Wohl die Führung unseres blühenden Gemeinwesens zu übernehmen und es zu neuen Gipfeln zu führen. Sein großer Erfahrungsschatz, den er sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik erworben hat, sowie seine untadelige hohe Moral, sind ein Garant dafür, dass unter seiner Regentschaft unsere geliebte Stadt weiter aufblühen wird. Wir wollen auch nicht den Familienmenschen Thomas Foulder vergessen. Ich begrüße sehr herzlich seine liebe Gattin Sarah, die mit aufopferungsvoller Hingabe ihren Ehemann in allen Bereichen unterstützt und für die beiden gemeinsamen Söhne, Thomas und Noah, eine wundervolle Mutter ist.
Ich weiß, wenn ich mich in wenigen Monaten in den verdienten Ruhestand verabschiede, dass diese Stadt, unser San Diego, in den besten Händen ist. Folgt unserem neuen Bürgermeister, haltet ihm die Treue und wir alle werden gewinnen!
Sarah und Thomas, kommt zu mir auf die Bühne. Eure Freunde wollen euch sehen und hören, was ihr zu erzählen habt. Zeigt ihnen die Zukunft! Lasst sie teilhaben an euren Visionen! Führt sie zu neuen Horizonten!“
Mit weit ausgebreiteten Armen und einem Politiker-Lächeln im Gesicht schritt er zur rechten Bühnenseite und blieb neben der kleinen Treppe, die auf die Bühne führte, stehen.
Während seiner letzten Sätze war Thomas Foulder bereits aufgestanden, hatte sich zu seiner Gattin geneigt und ihr die Hand gereicht. Sie stand auf, er bot ihr galant den Arm und gemeinsam begaben sie sich zu der Treppe, an der der amtierende Bürgermeister auf sie wartete. Mit großer Geste nahm der Kandidat die Hand seiner Frau und mit einer Verbeugung half er ihr, die wenigen Stufen zu überwinden. Er folgte ihr und beide wurden von dem Redner überaus herzlich begrüßt. Er beugte sich über Sarahs Hand und hauchte einen Kuss darauf. Thomas wurde von ihm in den Arm genommen und ausgiebig beklopft. Dann komplimentierte er sie zu den bereitgestellten Stühlen, die eine leichte Anmutung von Krönungssesseln hatten, sehr viel grüner Damast und Goldauflagen auf dem Holz der hohen Lehne. Sie hatten große Ähnlichkeit mit dem Amtsstuhl des Bürgermeisters. Sarah und der Amtsinhaber nahmen Platz. Thomas Foulder stellte sich an das Rednerpult, griff in die Innentasche seines Smokings und holte sein Manuskript hervor. Sorgfältig glättete er das gefaltete Papier.
Er sah hoch, strahlte wie ein Honigkuchenpferd und begann seine Rede. Sie war wie bei solchen Anlässen üblich und nicht weiter erwähnenswert.
Thomas hatte alles um sich herum ausgeblendet. Gebannt starrte er auf den Monitor. Sven klickte die „netten Bildchen“ zu den vereinbarten Stellen der Rede an. Auf seinem Display erschienen sie als Minibild in der unteren rechten Ecke. Niemand beachtete sie. Warum auch?
Er wartete auf das Signal, die zweite Datei mit den Projektbildern zu öffnen.
Da, jetzt endlich erschien der blaue Kreis! Es war so weit. Sie hatten noch fünf Minuten.
Sven öffnete die Datei mit dem Namen „Projekte“ und überflog kurz die Dateinamen. Alles klar. Er nickte Thomas zu.
„Er liest jetzt die Einführung für das erste Bild. Hier kannst du mitlesen. Der letzte Satz ist für uns fett und in Großbuchstaben gedruckt. Sowie der erscheint, wird die erste Datei angeklickt. Sie öffnet sich auf dem großen Bildschirm hinter Foulder. Er liest dann weiter den Text, der dazu gehört, und wir lesen wieder mit und sehen den nächsten fetten Satz für die nächste Datei. Wir klicken sie an und so weiter. Wichtig für uns ist nur das richtige Timing.“
„Klar. Ich schaue mit auf den Monitor, dann können wir es gar nicht verpassen.“
„Klingt gut.“ Mit einer abschließenden Bewegung setzte sich Sven die Kopfhörer auf.
Die beiden Wahlhelfer lasen mit: „Und nun, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, Ihnen die Projekte zu zeigen, die mir von jeher ganz besonders am Herzen liegen. Für viele habe ich in den vergangenen Jahren gekämpft und beachtliche Erfolge erzielt. Aber es liegt noch so viel Arbeit vor uns, um unser geliebtes San Diego noch wettbewerbsfähiger, international anerkannter und attraktiver zu machen. Ich habe im zweiten Teil die Vorhaben zusammengestellt, die ich als Ihr Bürgermeister sofort auf die Tagesordnung setzen werde.“
Der nächste Satz war fett und in Großbuchstaben gedruckt. Sven klickte die erste Bilddatei an.
Der Redner fuhr fort: „Schauen Sie auf den Schirm hinter mir. Das war mein Lieblingsprojekt. Ich habe lange dafür gekämpft und Zeit und Mittel nicht geschont. Wenn Sie jetzt das Ergebnis betrachten, dann stimmen Sie mir doch sicher zu, wenn ich sage, so viel Schönheit und Anmut war die Aufbietung aller Kräfte mehr als wert.“
Noch während er sprach, wurde es im Saal unruhig. Über die Lautsprecher hörte man hinter der Bühne ein allgemeines Gemurmel.
Thomas wusste warum und Sven hätte es auch verstanden, falls er das Bild auf dem Schirm hinter dem Kandidaten sehen könnte oder das Minibild in der unteren rechten Ecke des Monitors beachtet hätte.
Es war eine scharf ausgeleuchtete Aufnahme von Thomas Foulder. Auf seinem Schoß saß ein Knabe. Ein bezauberndes Kind, vielleicht sechs Jahre alt. Es hatte nur eine Unterhose an und Foulders Hand umfasste dessen nackten Oberkörper mit einer zärtlichen Geste.
Der nächste Satz in fetten großen Buchstaben erschien und Sven klickte sofort die zweite Datei an.
Der Redner wendete sich dem Schirm halb zu und deutete mit einer schwungvollen Handbewegung darauf.
„Und hier, meine Damen und Herren, sehen Sie davon einen Ausschnitt. Der gefällt mir am besten. Es ist so ein wunderbares Gefühl, etwas in der Hand zu haben, das einen solchen Liebreiz hat. Wenn ich jetzt daran denke, habe ich wieder diese Gänsehaut, dieses unbeschreibliche Glücksgefühl. Das war ein ganz besonderer Augenblick. Könnte ich ihn doch jeden Tag erleben.“
Im Saal wurden jetzt Rufe laut.
„Unerhört!“
„Ein Skandal!“
„Sofort aufhören!“
Irritiert sah Thomas Foulder von seinem Manuskript auf. Sämtliche Gesichtszüge entgleisten ihm, als er den Aufruhr im Saal wahrnahm.
Einige Männer waren aufgesprungen und schüttelten die Fäuste gegen ihn. Die Frauen sahen zur Seite oder nach unten und fühlten sich sichtlich unwohl. Ein Vater hielt mit beiden Händen seiner Tochter die Augen zu. Etliche hielten ihr Smartphone hoch. Sie fotografierten unentwegt oder nahmen gleich alles auf Video auf.
Erschrocken irrte sein Blick zu seiner Frau und er sah, dass sie beide Hände vor das Gesicht geschlagen hatte. Ihre Schultern bebten.
Er breitete die Arme aus und rief: „Freunde, was ist denn los? Habe ich etwas Falsches gesagt? Habe ich jemanden unwissentlich beleidigt? Glaubt mir, das wollte ich auf gar keinen Fall.“
Ein Mann sprang hoch und schrie: „Dreh dich um! Sieh auf diesen verdammten Bildschirm und erkläre uns, was wir da sehen!“
„Was stört euch denn an diesem Bild?“
„Das fragst du noch?! Du fragst, was uns an dem Bild stört!? Na ja, wenn es für dich normal ist, dann wollen wir doch alle mal sehr froh sein, dass wir das heute erfahren durften. Nicht auszudenken, wenn du es tatsächlich auf den Stuhl des Bürgermeisters geschafft hättest. Davon hätte sich San Diego in den nächsten hundert Jahren nicht erholt.“
Endlich drehte sich Thomas Foulder zum Bildschirm um. Er brauchte einen Moment, um zu erfassen, was er da sah. Die Wucht der Erkenntnis ließ ihn rückwärts taumeln. Er stieß mit dem Rücken an das Rednerpult. Instinktiv hielt er sich daran fest. Er wagte einen zweiten Blick. Alles war noch da. Das blanke Grauen starrte ihn an. Gebannt starrte er zurück.
Er sah sich selbst. Er lag nackt auf einem niedrigen Bett. Ein kleiner, blonder Junge saß rittlings auf seinem Bauch. Der Knabe drehte ihm den Rücken zu und hielt mit beiden Händen seinen Ständer umklammert. Er selbst umarmte die Hüfte des Buben, seine Hände lagen zwischen den Beinen des Kindes und umfassten offensichtlich dessen kindliches Gemächt.
„Oh mein Gott!“ Er wollte schreien, brachte jedoch kein weiteres Wort heraus. Seinen Körper durchströmte vom Scheitel bis zur Sohle eisige Kälte. Unfähig, auch nur ein Glied zu rühren, war er zur Salzsäule erstarrt.
Sven hatte hinter der Bühne unter seinen Kopfhörern von alledem nichts mitbekommen. Er las konzentriert den Text mit, der weiter über den Bildschirm lief, und als der nächste Satz mit den fetten großen Buchstaben erschien, klickte er das dritte Bild an.
Es zeigte den Kandidaten in Aktion. Er saß mit gespreizten Beinen im Sessel und vor ihm kniete der kleine Junge und hatte seinen Schwanz im Mund. Foulder hatte beide Hände in den Locken des Kindes vergraben und halb zurückgelehnt schien er vor lauter Geilheit zu sabbern.
Das war zu viel! Adrenalin schoss durch seinen Körper. Flucht oder Kampf. Er entschied sich für Angriff und schrie: „Aufhören! Aufhören! Stellt doch endlich die verdammten Bilder ab! Die gehören mir nicht! Das bin ich gar nicht! Ja, ja, ja, ich bin es schon, aber das sind alles Fälschungen. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie etwas so Abscheuliches getan! Wer tut mir so etwas an? Ihr kennt mich doch alle. Ihr seid doch meine Freunde und wisst, dass ich zu so etwas niemals fähig wäre.“
Bei diesen Worten drehte er sich zum Saal um und was er dort sah, das gab ihm den Rest. Über die Hälfte seiner Gäste hatte fluchtartig den Raum verlassen und die anderen drängten sich am Ausgang. Jetzt galt es, die eigene Haut und den eigenen Ruf zu retten. Wer wollte schon einen Pädophilen persönlich kennen. Das war ja geradezu tödlich für den Rest des Lebens. Eher möchte man die rechte Hand verlieren als mit so einem in einem Atemzug genannt zu werden.
Einige hatten es allerdings deshalb so eilig, weil sie ein ruhiges Plätzchen suchten, um ungestört die besten Bilder auf Facebook und Co. zu posten. Wer jetzt schnell war, hatte die Nase ganz weit vorn in dieser Welt der falschen Freunde.
Die wenigen Gäste, die noch an ihren Tischen saßen, drehten ihm den Rücken zu. Vielleicht warteten sie darauf, abgeholt zu werden.
Aus seinem Körper wich alle Spannung. Er stütze sich mit beiden Händen auf das Rednerpult und ließ den Kopf hängen.
Aus dem Augenwinkel schielte er zu seiner Frau hinüber. Es sah aus, als säße dort nur noch ihre überteuerte Robe, so tief war sie in sich zusammengesunken.
„Sarah,“, flüsterte er, „du glaubst doch nicht etwa, was du da siehst. Du kennst mich doch. Es wird sich alles aufklären. Irgendjemand will mich fertigmachen. Ich werde ihn finden und zur Rechenschaft ziehen. Dann wird alles wieder wie früher sein.“
„Ach ja? Wie früher? Das glaubst du wirklich?“ Seine Frau erwachte aus ihrer Starre und stand auf. Aus schmalen Augen musterte sie ihn voller Verachtung. Sie trat dicht an ihn heran und zischte ihm ins Ohr: „Was bist du doch für ein Versager! Wenn du schon Kinder fickst, dann lass dich doch gefälligst nicht erwischen! Wie dämlich muss einer sein, der auch noch Bilder von seinem perversen Gefummel macht. Hast dich wohl immer wieder daran aufgegeilt und dir fleißig einen runtergeholt, nicht wahr? Und ich habe geglaubt, dass du mit deinen feinen Kumpanen zu den Nutten gehst und deshalb bei mir keinen mehr hochkriegst. Nicht, dass mich das irgendwie gestört hätte. Ganz im Gegenteil. Deinen Blitzfick vermisse ich wahrhaftig nicht. Jedenfalls hast du dich perfekt in die Scheiße geritten. Für dieses Leben war es das für dich. Ab sofort bist du ein Ausgestoßener. Und mich geht das alles nichts mehr an. Du hörst von meinem Anwalt. Und glaube mir, wenn ich mit dir fertig bin, dann nimmt auch der hungrigste Straßenköter kein Stück Brot mehr von dir. Falls du überhaupt noch ein Stück Brot hast. Und viel Spaß im Gefängnis. Da warten sie nur auf solche Kinderficker wie dich. Vielleicht noch einen letzten guten Rat: Tu dir und deiner Familie einen Gefallen und verschwinde aus dieser Welt.“
Sarah drehte sich um, umfasste mit festem Griff ihre Gucci-Tasche, richtete sich zu ihrer vollen Körpergröße auf und verließ gemessenen Schrittes die Bühne. Sie durchquerte den Saal ohne jede Eile und stolzierte davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Den Kandidaten hatten ihre Worte getroffen wie Schwerthiebe. Am liebsten wäre er im Erdboden versunken und nie wieder aufgetaucht. Panik überschwemmte ihn mit einer schwarzen Woge abgrundtiefer Angst. Er musste alle Kraft aufbieten, um nicht in Ohnmacht zu fallen.
Als er hörte, dass sich die Tür des Saales hinter seiner Frau schloss, schreckte er hoch.
Er sah sich um, niemand war mehr da.
Mühsam richtete er sich auf. Er löste vorsichtig seine Hände vom Rednerpult, das ihm in den vergangenen Minuten Halt und Stütze war. Er schwankte ein wenig hin und her, ehe er sein Gleichgewicht gefunden hatte. Mit schleppenden Schritten verließ er als gebrochener Mann die Bühne. Der Tag seines Triumphes war zum Tag seiner Vernichtung mutiert.
Ein unsichtbarer Feind hatte ihn zerstört. Er war erledigt. Wer hatte ihm das nur angetan?
*
Auch hinter der Bühne hatte die Enthüllung hohe Wellen geschlagen.
Als Sven das dritte Bild eingespielt hatte, wurde er plötzlich rüde zur Seite gerissen. Eine Hand erschien und schlug mit aller Gewalt das Notebook zu.
„Was soll das denn?“ Sven fuhr herum und starrte in die funkelnden Augen von Lisa. „Was machst du da? Bist du übergeschnappt?“
„Wer ist hier übergeschnappt, frage ich dich?! Wo hast du diese Bilder her? Was soll das alles? Willst du Thomas Foulder fertigmachen? Wer steckt dahinter? Wer hat dich bezahlt? Rede!“ Ihre Stimme überschlug sich.
„Was redest du denn da? Wieso fertigmachen? Welche Bilder denn? Die haben wir doch zusammen ausgesucht und ich habe sie genauso eingespielt, wie wir es festgelegt hatten.“
„Ach ja? Diese Bilder haben wir zusammen ausgesucht? Die hat uns Thomas Foulder gegeben? Willst du mich verarschen?“
Sven war völlig fassungslos. „Lisa, was willst du von mir? Ich habe doch nichts geändert. Sag mir doch wenigstens mal, was dich so wütend macht.“
„Na gut. Du spielst den Ahnungslosen. Okay, dann wollen wir mal sehen, was du dazu sagst.“ Mit diesen Worten klappte Lisa das Notebook wieder auf.
Während des hitzigen Wortwechsels waren die anwesenden Wahlkampfhelfer herbeigeeilt. Sie umringten Lisa und Sven. Auch sie wollten wissen, was denn eigentlich passiert war.
Marvin alias Thomas, der während der Rede des Kandidaten neben Sven gestanden hatte, bewegte sich unauffällig rückwärts und tauchte ein in die Schar der neugierigen Gaffer.
Lisa hatte inzwischen den Ordner gefunden. Sie öffnete die Datei mit den Bildern, die zu den entsprechenden Textstellen gezeigt werden sollten. Sie änderte die Darstellung von mini auf normal und klickte das erste Foto an.
Der Monitor füllte sich mit dem Bild des Kandidaten, der den blonden Knaben auf seinem Schoß hat.
„Nein!“, schrie Sven auf und holte tief Luft. Ein Raunen erfüllte den Raum.
Lisa fuhr zu ihm herum und zog die geschlossenen Finger über ihren Hals. „Schweig, bis du gefragt wirst! Das gilt für alle!“
Sie öffnete das zweite Bild. Wieder sahen sie den Kandidaten, diesmal in seinem Bett liegend, so wie es auf dem Schirm im Saal erschienen war.
Die dritte Aufnahme zeigte den Blowjob des Kleinen.
„Diese Bilder haben soeben unsere Gäste mit Begeisterung zur Kenntnis genommen. Ich will wissen, wem wir diese Machwerke zu verdanken haben. Und bei dir, Sven, fangen wir an. Jetzt und hier will ich von dir hören, von wem du die Bilder hast, wer dir den Auftrag gegeben hat und wie hoch dein Judaslohn ist.
Du kannst auch schweigen, aber dann, und das verspreche ich dir, nehme ich dich persönlich hochnotpeinlich in die Mangel. Also rede! Und noch etwas. Welche Bilder werde ich sehen, wenn ich die nächsten Dateien öffne? Nein, sag dazu lieber nichts. Ihr dreht euch jetzt alle um und lasst eure Augen vom Monitor, sonst reiße ich sie euch eigenhändig heraus. Los!“
Sofort machten alle kehrt. Niemand wagte es, einen verstohlenen Blick auf das Notebook zu erhaschen.
Lisa sah nur kurz auf das vierte Bild, das den Kandidaten beim Analverkehr mit dem Jungen darstellte, und schloss hastig die Datei. Sie hatte genug gesehen.
„Alle raus hier! Sven, du nicht. Du bist jetzt fällig. Wir verlassen erst diesen Raum, wenn ich die ganze Wahrheit kenne. Ihr da, an der Tür, schickt mit die Security rein!“
Die Meute floh geradezu, heilfroh, nicht selbst am Pranger zu stehen. Man ließ die Tür offen und jemand schickte einen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes zu Lisa und Sven hinein.
„Was gibt es, Ma’am?“.
„Sie bleiben an der Tür stehen und passen auf, dass dieser Kerl mir nicht entwischt. Über das, was Sie hier hören, bewahren Sie strengstes Stillschweigen, verstanden?“
„Jawohl.“ Der Sicherheitsmann stellte sich mit gespreizten Beinen vor die geschlossene Tür und nahm seinen Schlagstock einsatzbereit in die Hand.
„Und jetzt zu dir, Sven. Ich rate dir in deinem eigenen Interesse, die Wahrheit zu sagen. Du kannst sie sowieso nicht verheimlichen. Glaube mir, wenn die Experten mit deinem Notebook fertig sind, haben sie dich ohnehin an den Eiern. Also besser, du ersparst uns allen Zeit und Kosten und fängst gleich mal an zu singen.“
„Lisa, ich schwöre dir bei meinem Leben und allem, was mir heilig ist, ich war das nicht! Als ich heute Nachmittag alles noch einmal gecheckt habe, war alles in bester Ordnung. Die richtigen Dateien waren an ihrem richtigen Platz. Ich verstehe genauso wenig wie du, wie diese Bilder auf mein Notebook gekommen sind. Ich habe es nirgends liegen lassen und auch an niemanden verborgt. Ich habe aufgepasst wie ein Schießhund, denn ich wusste ja, wie wichtig die heutige Präsentation für uns alle war. Ich bin ein Freund von Thomas Foulder. Ich hätte ihm niemals eine solche Gemeinheit angetan. Mehr kann ich dazu nicht sagen, Lisa. Ich erwarte nicht, dass du mir das glaubst. Aber ich hoffe, dass mich die technische Untersuchung von meinem Notebook von jedem Verdacht befreit.“
Lisa musterte ihn argwöhnisch. Vor ihr stand ein zutiefst verängstigter junger Mann, der verzweifelt seine Hände knetete. Sie hatte nicht allzu viel Erfahrung im Umgang mit ertappten Sündern und war auf der Hut, aber dieses Häufchen Elend vor ihr schien zu eingeschüchtert, um dreist zu lügen. Ihr war klar, dass sie nicht weiterkam. Erst wenn die Ergebnisse der technischen Untersuchung vorlagen, konnten sie den Täter weiter einkreisen.
„Na gut, Sven, belassen wir es erst einmal dabei. Vielleicht weißt du ja wirklich nichts Konkretes über den Bildertausch. Ich gebe dein Notebook unserer Technikabteilung. Alles andere ist Sache der Polizei.“
„Der Polizei? Wirst du mich bei der Polizei anzeigen?“
„Wenn die Technik auf deinem Notebook nichts findet, übergebe ich die ganze Schweinerei an die Polizei. Ich erstatte Anzeige gegen Unbekannt wegen übler Nachrede oder was sonst am besten als Vorwurf passt. Du kommst erst wieder ins Spiel, wenn die Ermittler dir etwas nachweisen können. Du kannst jetzt gehen. Bleib erreichbar! Wenn du verschwindest, hetze ich dir sofort die Polizei auf den Hals. Verstanden?“
Lisa wedelte mit beiden Händen in Richtung Ausgang. Sven ließ sich nicht zweimal bitten. Er drehte sich auf dem Absatz um und war so schnell an der Tür, dass der Sicherheitsmann gerade noch zur Seite treten konnte. Er riss die Tür auf und war blitzschnell davongerannt.
Lisa sah ihm hinterher. Sie konnte nicht weglaufen. Es tat ihr ein wenig leid, dass sie in ihrer ersten Rage so über Sven hergefallen war. Sie war aber auch zu wütend gewesen. Nicht nur Thomas Foulder war in den Abgrund gestürzt, auch für sie bedeutete dieses Desaster das Ende aller Träume. Dieser Abend sollte das Sprungbrett für ihre Karriere als Eventmanagerin bei den Reichen und Schönen werden. Und nun war er die Ursache für einen langen Weg durch das Tal der Tränen. Sie würde am besten wegziehen und woanders neu anfangen. Eines Tages ist sie wieder oben. Mit diesem tröstenden Gedanken klemmte sie sich das Notebook von Sven unter den Arm und stöckelte aus dem Raum. An der Tür drehte sie sich zum Wachmann um und befahl ihm, alle Räume sorgfältig zu verschließen und die Schlüssel wie immer im Tresor zu hinterlegen.
In der Tiefgarage wurde ihr bewusst, dass in der hauseigenen IT-Abteilung um diese späte Stunde niemand mehr da war. Sie beschloss, nach Hause zu fahren. „Wahrscheinlich ist es sowieso besser, wenn ich mich direkt an die Polizei wende. Die haben dort wesentlich umfangreichere Möglichkeiten, diese mysteriöse Sache zu klären. Ich rufe gleich morgen früh den Chief of Police an. Sicher wird sie mir ihre Unterstützung nicht verweigern. Ist schließlich auch im Interesse der Stadt. Das ist aber auch alles eine einzige Scheiße! Wer weiß, was uns noch um die Ohren fliegt.“
Zutiefst beunruhigt startete sie den Wagen und begab sich auf den Heimweg.