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Kleine Kulturgeschichte

Vom frühen 3. bis ins 7. Jahrhundert dauerte der Kampf um Landgewinnung, den unsere Vorfahren, die Alamannen, gegen die damals hier herrschenden Römer führten. Bis weit in die Schweiz, ins Elsass und nach Bayern drangen sie vor. Hier, im jetzigen Schwaben, machten sich die Sueben sesshaft. Dieser alamannische Stamm kam aus dem Gebiet der unteren Elbe, dem heutigen Holstein. Auf alten römischen Landkarten wird die Ostsee als „mare suebicum“, Schwäbisches Meer, bezeichnet, was heute für uns Schwaben der Bodensee ist.

In den fruchtbaren Ebenen, wo die Römer bestellbares Acker- und Weideland zurückgelassen hatten, ließen sich die Sueben nieder. Schon damals wurde dort neben Hafer der Dinkel als Hauptfrucht angebaut. Kleine Gehöfte wuchsen nach und nach zu Dörfern und Siedlungen zusammen, in denen der größte Teil der Bevölkerung Bauern waren, aber auch Handwerker wie Drechsler, Töpfer und Gürtler. Diese hatten neben ihrem Handwerk immer eine kleine Landwirtschaft, die das Nötigste an Nahrungsmittel brachte. So blieb es meist bis in unser Jahrhundert hinein. Die Dorfbewohner unterstanden als Unfreie einer überdurchschnittlich wohlhabenden, in späteren Zeiten adeligen Familie. Diese Familien trieben auch den Landausbau voran, der aufgrund des Bevölkerungswachstums nötig war. Dabei wurden Wälder gerodet, um neues Ackerland zu gewinnen, das wiederum in den Besitz dieser Familien überging.

Die landwirtschaftliche Nutzung der gerodeten Flächen war je nach Landschaft unterschiedlich. Während im Allgäu wegen der ungünstigen Bodenbeschaffenheit der Ackerbau gering war, dafür Weidewirtschaft und später noch Viehzucht betrieben wurde, war in Oberschwaben und in dem Gebiet bis zum Lech der Ackerbau vorrangig, ebenso im Neckarraum. Auf den Hochflächen der Schwäbischen Alb wurde beides, Ackerbau und Weidewirtschaft, betrieben, und in den waldreichen Randgebieten kam noch die Schweinezucht dazu. Dies geschah aus natürlichen Gründen, da die Schweine zur Weide in die großen Eichen- und Buchenwälder getrieben werden konnten.

Der Einfluss der Klöster

Nach der Christianisierung des Reiches verschenkten die inzwischen adeligen Familien Teile ihres Landbesitzes an kirchliche Institutionen, vorab an das Kloster St. Gallen. Damit begann im 8./9. Jahrhundert die Zeit von zahlreichen Klostergründungen.

Aus dem berühmten St. Gallener Klosterplan können wir ersehen, welche Nahrungsmittel damals schon angebaut und gepflanzt wurden, allerdings nur in den Klöstern und bei den wohlhabenden Adelsfamilien. Hier finden sich bereits Gewürze in großer Auswahl, ebenso Obstbäume, unter anderem für unsere Landschaft so ausgefallene wie der Feigen- und der Pfirsichbaum. An Gemüse gab es Zwiebeln, Lauch, Rettich, Kohl, Gelbe Rüben, Pastinaken und Sellerie.

Die Speisen für die einfache Bevölkerung – den Großteil der Menschen von damals, die mehr schlecht als recht lebten – sahen allerdings anders aus. Bei ihnen überwogen die Mehl- und Musspeisen aus Dinkel und Hafer. Gemüse gab es noch sehr wenig, und das Fleisch aus der Viehzucht musste zum größten Teil abgegeben oder für Getreide eingetauscht werden. Hauptgetränk war ein aus Hafer gebrautes Bier, das etwas später durch das von Mönchen erfundene Hopfenbier abgelöst wurde.


In den nächsten Jahrhunderten entwickelte sich das kulturelle, wirtschaftliche und geistige Leben unter dem Einfluss der Klöster sehr stark. Im Allgäu wurde die Weidewirtschaft verstärkt, und die erste einfache Käseherstellung begann. Der Anbau von Gemüse verbreitete sich, hauptsächlich Kraut, Bohnen und Erbsen, und auf den Äckern baute man jetzt auch Gerste und Roggen an.

Neu war auch der Anbau von Wein; vor allem in den Städten entlang des Neckars, aber auch am Bodensee und an den Donauhängen. Dieser Wein war jedoch sehr sauer, sodass er mit Honig gesüßt und meist noch mit Beerensäften vermischt wurde.

Der Gewässerreichtum des Landes reichte für den Fischkonsum nicht aus. Geistlichkeit und Adel ließen neue, große Fischweiher anlegen, aus denen sich auch das Volk bedienen konnte.

Nach der Reformation

Nach dem Aufschwung des Mittelalters, den Wirren der Reformation und des Bauernkrieges kehrte eine gewisse Beruhigung ein. Fast konnte man von einem friedlichen und wohlhabenden Land sprechen. Auch der Speisezettel war reichhaltiger geworden. Aus den angebauten Getreidearten kochte man Brei, Grütze, Mus und Mehlsuppen. Hier und da tauchten auch schon Knöpfla und Spätzla auf. Gegessen wurde fünfmal am Tag: Frühstück, Vesper, Mittag, Vesper und Nachtessen. Knechte und die zur Erntezeit gedungenen Taglöhner hatten Anrecht auf herzhafte Kost. Diese bestand in der uns heute bekannten Dinnete oder Zelten: unter der Asche gebackene Teigfladen, mit Speck, Knoblauch und Gemüse belegt.

Für den Winter wurden Äpfel, Birnen und Zwetschgen getrocknet. Daraus kochte man an Sonn- und Feiertagen eine Schnitzbrühe zum Trinken. Das gekochte Obst war Beilage zu Mus und Grütze. Im Herbst wurde ein Schwein oder ein Rind geschlachtet, dessen Fleisch für das ganze Jahr ausreichen musste. Der größte Teil davon wurde in den Rauch gehängt oder eingesalzen. Im Allgäu gehörte die Milch zu Hauptnahrungsmitteln, woraus sich die dafür typischen Gerichte ergaben. Dagegen war in den Ackerbaugebieten kaum Milch für die Kinder da.

In herrschaftlichen Häusern und zum Teil auch schon bei wohlhabenden Städtern gab es fast täglich Fisch, Rinds- oder Kalbsbraten, Geflügel oder Wild, ebenso Gemüse und Obst. Auch Brot kannte man hier schon, es wurde aber noch recht wenig gegessen. Doch dann kam der Dreißigjährige Krieg mit all seinen Folgen wie Hungersnöten und Krankheiten. In vielen Landstrichen verringerte sich die Bevölkerung um mehr als die Hälfte. Wiesen, Ackerland, Weinberge und Gärten waren verwüstet. Bis fast ins 18. Jahrhundert dauerte es, ehe sich das Land und die Bevölkerung wieder erholt hatten.


Die oberste Gesellschaftsschicht orientierte sich in ihren Essensgewohnheiten nun mehr am französischen Hofe. Doch lassen wir den Prediger Abraham a Sancta Clara, ebenfalls ein Schwabe, zu Wort kommen. Er verurteilte diese ausschweifenden Genüsse sehr scharf:

„Ist es etwa rühmlicher, den Bauch zur Gottheit zu erheben? Bald opfern wir ihm gesottene Speisen, bald ungesottene, bald kalte, bald warme Speisen, bald geräucherte, bald geröstete, bald gebackene Speisen, bald süße, bald saure Speisen, bald gesalzene, bald gesulzte Speisen, im Kessel, am Bratspieß, am Rost zubereitet, wie die heutige Mode es erfordert. Auf einfache Gerichte, mit denen sich unsere Vorfahren begnügten, sieht man verächtlich herab. Jetzt muss jede Schüssel, die auf den Tisch kommt, Zutaten enthalten, die vom anderen Ende der Welt stammen: Pfeffer von Java, Zimt von Bengalen, Zucker von Brasilien, Gewürznelken von den Molukken, Rosinen von Ormusio und Muskat von Gott weiß woher.“

Kartoffeln, Obst und Milchwirtschaft

Für die einfache Bevölkerung bestand die Üppigkeit dagegen nur aus Spätzla, Knöpfla und Müesla. Doch versuchte man sich auch mit Neuem, wenn auch unter Zwang. Denn erst in dem großen Hungerjahr 1772 aßen die Schwaben sogar die Kartoffeln, die sie zuvor – trotz des 1742 vom Preußenkönig Friedrich dem Großen erlassenen Kartoffelverdikts – meist an die Schweine verfüttert hatten. Mit ihrer Fantasie und Tüftelei kamen sie bald auf die großartige Idee, Kartoffeln und Mehl zu verbinden. Und was dabei herauskam? Köstlichkeiten wie Schupfnudeln, Kartoffelsalat mit Spätzla, Gaisburger Marsch, saure Kartoffeln u.a.


Der Obstanbau in dafür günstigen Lagen wurde verstärkt. Im Allgäu wechselte man fast gänzlich zur Milchwirtschaft über und bot die daraus gewonnenen Produkte auf den Märkten der Umgebung zum Kauf an. Die Bauern selbst aßen bis in unser Jahrhundert hinein keine Butter, sondern brachten sie, in Krautblätter eingewickelt, zum Verkauf auf den Markt. Auf den rauen und kargen Höhen der Schwäbischen Alb begann man jetzt auch mit der Schafzucht. Und südlich von Stuttgart, auf den fruchtbaren Lössböden der Fildern, breitete sich in großem Ausmaß der Anbau von Kraut aus.

Die täglichen Speisen

Das Brot gehörte jetzt zu den täglichen Nahrungsmitteln, meistens nur zum Vesper. Zum Frühstück gab es weiterhin Mus – aus Hafer und Dinkel. Bei der Landbevölkerung trank man nun Most, aus Äpfeln und Birnen bereitet, für lange Zeiten das Lieblingsgetränk der Schwaben.

Waren die täglichen Speisen auch recht einfach, so gab es an Festtagen, ob kirchlichen oder brauchtümlichen Ursprungs, doch einige Köstlichkeiten, meist süße Gebäcke, die sich bis in unsere Tage erhalten haben, wie Birnen- und Zapfbrot, den Klosama, einen aus süßem Hefeteig gebackenen Nikolaus, den die Kinder immer von der Taufpatin bekamen, und Weihnachtsbrötla, hier vor allem Springerla. Zur Fastnacht gab es überall schmalzgebackene Küechla.

Auch die Maultaschen haben, wenn man dieser Geschichte glauben darf, religiösen Ursprung. Die „Erfinder“, so wird erzählt, hätten am fleischlosen Freitag und während der Fastenzeit – wohl auf ein gutes Gewissen und gleichzeitig auf uneingeschränkten Genuss bedacht – das Christenmenschen an solchen Tagen verbotene Fleisch einfach in der Teighülle versteckt und so vor den Augen des Herrgotts verborgen, ihn also hinters Licht geführt (bschissa). Darum haben Maultaschen auch den Beinamen Herrgottsbscheißerla.

Mit einigen Verfeinerungen blieben dies die Essgewohnheiten bis nach dem Zweiten Weltkrieg.

Später führten neue Ernährungsgewohnheiten zur Abwendung von der kalorienreichen schwäbischen Küche. Sie wurde verfremdet und von vielen als nicht mehr zeitgemäß angesehen. Doch in den letzten Jahren erlebten die regionalen Küchen einen riesigen Aufschwung. Alte Rezepte wurden wieder beliebt, man besann sich aufs Althergebrachte. Vielleicht stimmt die alte Volksweisheit doch: Die beste Küche ist die Volksküche, denn sie versucht, aus einfachen und preiswerten Zutaten das Beste zu kochen.


Jedes Gebiet hat seine typischen Speisen

Die regionalen Unterschiede der Speisen sind heute nicht mehr so gravierend wie in früheren Zeiten, als sich die Hausfrau an den vorhandenen Nahrungsmitteln orientieren musste, wie zum Beispiel im Allgäu überwiegend an Milch, Mehl, Schmalz, Wasser und Eiern, woraus dann die Kässpätzla hervorgingen. Im Neckarraum und an der Donau wurde dagegen schon etwas mehr mit Fleisch gekocht. Aus diesen Gebieten kommen Gaisburger Marsch und Maultaschen.

Schwäbische Leibspeisen

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