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Ver­zau­bert

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Ama­lia trieb Sul­tan an. Ein Blick über die Schul­ter sag­te ihr, dass Kon­stan­tin hin­ter ihr zu­rück­b­lieb. Sie hat­te nicht um­sonst dar­um ge­be­ten, den Wal­lach rei­ten zu dür­fen. Er war so viel schnel­ler als Nor­ma.

Kon­stan­tin ahn­te, wo­hin sei­ne Cou­si­ne woll­te.

Der Fluss schlän­gel­te sich sil­bern und flach durch die Land­schaft. Die Ufer un­be­fes­tigt, wand er sich durch ein Tal, um­ge­ben von Fel­sen und Laub­bäu­men, die ein Schat­ten spen­den­des Dach dar­über bil­de­ten. Sein Was­ser war sau­ber, vol­ler Fi­sche und herr­lich kühl. Aber sie wür­den lan­ge un­ter­wegs sein.

Jetzt zü­gel­te sie Sul­tan und war­te­te auf Kon­stan­tin. Ama­lia strahl­te über das gan­ze Ge­sicht. Ih­re Au­gen blitz­ten. Als er fast bei ihr war, hör­te er ein lei­ses Schna­l­zen. Sul­tan ge­horch­te so­fort und stob wie­der da­von.

»Na war­te«, brumm­te Kon­stan­tin.

Sie hat­te ihn her­ein­ge­legt, die klei­ne He­xe. Nun wuss­te er, war­um sie un­be­dingt Sul­tan rei­ten woll­te. Er muss­te la­chen. Wie ei­ne Si­re­ne lock­te sie ihn hin­ter sich her.

Jetzt ließ sie Sul­tan lang­sa­mer lau­fen, bis Kon­stan­tin auf­schloss.

»Wir wer­den nicht vor dem Abend zu­rück sein, wenn du zum Fluss willst.«

Sie nick­te eif­rig. Er hat­te sie durch­schaut.

»Wir wer­den ver­hun­gern und ver­durs­ten«, rief er.

Ama­lia schüt­tel­te den Kopf und deu­te­te mit ei­ner va­gen Be­we­gung zu ih­rer Sat­tel­ta­sche.

Er er­gab sich. Kon­stan­tin zü­gel­te Nor­ma und zück­te sein Han­dy. Sul­tan ver­fiel in einen lang­sa­men Trab, wäh­rend Kon­stan­tin An­na­bels Num­mer wähl­te. Kein Netz, ver­dammt! Er wür­de es spä­ter ver­su­chen.

Dann hat­te Kon­stan­tin die­sen ver­zau­ber­ten Nach­mit­tag ge­nos­sen und ver­ges­sen, bei An­na­bel an­zu­ru­fen. Er hat­te mit Ama­lia ge­lacht und in ih­rer Ge­heim­spra­che mit Hän­den und Fü­ßen ge­re­det. Sie hat­ten sich aus­ge­zo­gen, um im Fluss zu schwim­men. Er war wie­der der gro­ße Bru­der, der sie wie vor Jah­ren, als sie klein, hilf­los und stumm in dem gro­ßen frem­den Haus in der Ma­rem­ma ge­stan­den hat­te. Der Bru­der, der ihr die Furcht vor den Pfer­den ge­nom­men und das Schwim­men im See bei­ge­bracht hat­te.

»Du bist schwe­rer ge­wor­den.«

Er stöhn­te, als er sie Hu­cke­pack ans Ufer trug. Sie roll­ten la­chend ins Gras. Un­ter dem Baum, an dem die Pfer­de an­ge­bun­den wa­ren, aßen sie die Köst­lich­kei­ten, die Ma­ja für sie ein­ge­packt hat­te. Die Was­ser­fla­schen kühl­ten im Fluss.

»Wie war eu­er Tag?« Ma­ria blick­te zu Kon­stan­tin und An­na­bel hin­über.

Kon­stan­tin leg­te sei­ne Hand über die An­na­bels. Ama­lia, die zwi­schen The­resa und Kon­stan­tin saß, mach­te ein sehr zu­frie­de­nes Ge­sicht. Sie hob strah­lend bei­de Fäus­te mit dem Dau­men nach oben.

»Es war ein wun­der­schö­ner Aus­flug. Al­ler­dings«, füg­te Kon­stan­tin hin­zu, »hat er län­ger als ge­plant ge­dau­ert. Mi­lou hat mich rein­ge­legt.« Er lä­chel­te.

Ama­lia nick­te, und ih­re Lip­pen ver­zo­gen sich zu ei­nem brei­ten La­chen.

An­na­bel ent­zog Kon­stan­tin ih­re Hand und press­te die Lip­pen zu­sam­men. »Ich fin­de das nicht zum La­chen. Du hät­test dich mel­den kön­nen.«

Ach du je, dach­te Ma­ria, das Mäd­chen ist ver­stimmt.

»Nicht bö­se sein, Lieb­ling, es gab kein Netz.«

Dass er sie nach nur ei­nem Ver­such ein­fach ver­ges­sen hat­te, ver­schwieg er.

Fre­de­ri­co misch­te sich ein. »Mei­net­we­gen hät­tet ihr noch län­ger weg­blei­ben kön­nen.« Er wirk­te leicht an­ge­trun­ken. The­resa sah ihn be­un­ru­higt an.

»Mit ei­ner hüb­schen Frau Cham­pa­gner zu trin­ken, ist mir noch im­mer lie­ber, als einen Nach­mit­tag mit ei­nem stum­men Kind zu ver­brin­gen.«

»Reiß dich zu­sam­men, Fre­de­ri­co.« Kon­stan­tin war wü­tend. »Lass Ama­lia end­lich in Ru­he. Dein Ver­hal­ten ist kin­disch und un­an­ge­bracht.«

Ma­ria be­trach­te­te Kon­stan­tins Aus­bruch in­ter­es­siert. Er hat­te Ama­lia im­mer bei­ge­stan­den, aber nie sei­nen Bru­der so ve­he­ment vor­ge­führt. Auch The­resa wirk­te ver­blüfft.

Fre­de­ri­co spöt­tel­te: »Ei­fer­süch­tig? An­na­bel und ich ha­ben uns wirk­lich gut un­ter­hal­ten.«

Ma­da­me Du­rand folg­te der Aus­ein­an­der­set­zung und dach­te sich ih­ren Teil. Ver­stand Fre­de­ri­co sei­nen Bru­der ab­sicht­lich falsch? Auch An­na­bel schien ihn nicht zu ver­ste­hen.

»Aber, Lieb­ling, Fre­de­ri­co hat es nicht bö­se ge­meint.« Jetzt nahm sie sei­ne Hand. »Wir ha­ben viel­leicht ein biss­chen zu viel ge­trun­ken, weißt du? Aber du musst nicht sau­er auf uns sein.«

»Es ist gut, An­na­bel.«

Kon­stan­tin sah aus, als wür­de er sich selbst nicht so recht ver­ste­hen. Er hät­te sei­nem Bru­der vor al­len an­de­ren nicht so über den Mund fah­ren dür­fen. Er hat­te emo­ti­o­na­ler re­a­giert als nö­tig, und Ma­da­me Du­rand frag­te sich, war­um.

Sie reich­te The­resa ei­ne Plat­te mit Me­lo­nen­spal­ten und Par­ma­schin­ken.

»Dan­ke.«

Kon­stan­tin nahm sei­ner Mut­ter die Plat­te ab und reich­te sie an An­na­bel wei­ter.

»Er­zähl uns doch mal et­was von dei­ner Ar­beit in Afri­ka.« The­resa lenk­te das Ge­spräch in si­che­re­re Ge­fil­de. »Wie lan­ge wirst du fort sein?«

Er zuck­te mit den Schul­tern. »Das ist noch nicht klar. Es gibt in Gam­bia ei­ne Busch­kli­nik, dort ar­bei­tet ei­ne Ärz­tin, de­ren Ar­beit ich be­glei­ten wer­de. Ich ken­ne sie durch ih­ren Bru­der, einen Kom­mi­li­to­nen von mir.«

»Wer­den Sie mit Kon­stan­tin ge­hen?«, wand­te sich Ma­ria an An­na­bel.

Ei­ne Fra­ge, die auch The­resa bren­nend in­ter­es­sier­te, die sie aber nicht zu stel­len ge­wagt hat­te.

»Ich wer­de mei­nen Mann nicht al­lei­ne fah­ren las­sen, so kurz nach der Hoch­zeit.«

»Ihr wollt hei­ra­ten …?« Ma­ria war sel­ten sprach­los.

Ali­cia räum­te die Tel­ler ab. »Kann ich dann den Sa­lat brin­gen, Si­gno­ra?«

»Bit­te, Ali­cia.«

»Sie wol­len hei­ra­ten!« Mit die­ser Neu­ig­keit stürz­te Ali­cia in die Kü­che.

»Wer will hei­ra­ten?«

»Kon­stan­tin und An­na­bel.«

Ma­ja misch­te Pan­za­nel­la in ei­ner rie­si­gen Schüs­sel. Ka­ra­mel­li­sier­te Kirschto­ma­ten, ro­te Zwie­beln, Fri­see­sa­lat, Pi­ni­en­ker­ne und Cia­bat­ta. Sie blieb un­ge­rührt. »Alt ge­nug ist er ja. Stell die Tel­ler ab, Ali­cia, und bring den Sa­lat hin­aus.«

The­resa amü­sier­te sich über Ma­ri­as Sprach­lo­sig­keit. Sie lä­chel­te. »Wir woll­ten mit die­ser An­kün­di­gung ei­gent­lich war­ten, bis Ma­xi­mi­li­an zu­rück ist, nicht wahr, An­na­bel?«

An­na­bel er­rö­te­te. »Ent­schul­di­gung, aber es ist mir so her­aus­ge­rutscht.«

»Dann wer­de ich ja viel­leicht auch noch Ur­groß­mut­ter«, sag­te Ma­ria aus ih­rer Er­star­rung er­wa­chend.

Fre­de­ri­co grins­te. »Seht zu, dass es kein schwa­r­zes Ba­by wird.«

Nie­mand re­a­gier­te.

The­resas Blick fiel auf Ama­lia. Die Klei­ne starr­te auf ih­ren Tel­ler. Di­cke Trä­nen lie­fen über ih­re Wan­gen. Ab­rupt er­hob sie sich. Ihr Ta­blet lag auf dem Tisch. The­resa las, was Ama­lia zu­letzt ge­schrie­ben hat­te. »Ich wünsch­te, sie wä­re tot.« The­resa lösch­te den Text.

Ali­cia stell­te ei­ne Schüs­sel mit herr­lich duf­ten­dem Sa­lat auf den Tisch.

»Was hat die denn jetzt, ich hab doch gar nichts ge­sagt.« Of­fen­bar war sich Fre­de­ri­co kei­ner Schuld be­wusst. Ehr­lich ver­blüfft sah er sei­ner Cou­si­ne nach.

Ma­da­me hat­te sich halb er­ho­ben, setz­te sich aber wie­der.

»Ent­schul­digt mich.« The­resa leg­te die Ser­vi­et­te ne­ben ih­ren Tel­ler. »Lasst euch nicht stö­ren, ich bin gleich wie­der da.«

Sie nahm Ama­li­as Ta­blet an sich und folg­te ihr. Wie ver­mu­tet, fand sie Ama­lia auf der Wei­de bei ih­rem Foh­len und Lu­na. Sie hat­te ih­ren Kopf an Lu­n­as Sei­te ge­legt, ein Schluch­zen schüt­tel­te ih­re schma­len Schul­tern. The­resa öff­ne­te das Gat­ter und schloss es hin­ter sich. Als sie The­resa hör­te, wie­her­te Lu­na lei­se und hob den Kopf. Dass Ama­lia Kon­stan­tin lieb­te, konn­te nie­man­dem ent­gan­gen sein. Schon als Vier­jäh­ri­ge hat­te sie ihm von An­fang an ihr gan­zes Ver­trau­en ge­schenkt. The­resa hat­te nie wirk­lich dar­über nach­ge­dacht, aber für sie war die­se Lie­be nichts wei­ter als schwes­ter­li­che Zu­nei­gung ge­we­sen. Hat­te sie sich ge­irrt? Und wie soll­te sie ein ent­täusch­tes klei­nes Mäd­chen trös­ten?

Viel­leicht, dach­te sie, hät­te ich doch Ma­da­me ge­hen las­sen sol­len.

The­resa trau­te ih­ren ei­ge­nen müt­te­r­li­chen Fä­hig­kei­ten nicht son­der­lich.

»Ama­lia?« Lang­sam ging sie auf das Mäd­chen zu. »Ich ha­be dir dein Ta­blet mit­ge­bracht.«

Ama­lia fuhr sich mit bei­den Hän­den übers Ge­sicht. Dann dreh­te sie sich zu The­resa um und streck­te die Hand nach dem Ge­rät aus. Sie sah auf den lee­ren Bild­schirm.

»Ich ha­be es nicht so ge­meint, es tut mir leid«, schrieb sie.

»Du bist trau­rig, Ama­lia. Aber ich weiß, dass Kon­stan­tin dich sehr lieb hat, dar­an kann auch An­na­bel nichts än­dern.«

Ama­lia nick­te. Sie wirk­te jetzt ru­hi­ger.

Kein Gras­halm rühr­te sich. Hit­ze quäl­te das Land. Er­di­ger Ge­ruch. Die Foh­len la­gen im Gras, und ih­re Müt­ter stan­den reg­los bei ih­nen. Nur ein lei­ses Schnau­ben un­ter­brach ge­le­gent­lich die Stil­le.

Ama­lia strich be­hut­sam über die Na­se ih­res jun­gen Hengs­tes. Das von der Son­ne aus­ge­dörr­te Gras ver­ström­te einen ei­gen­ar­ti­gen Brand­ge­ruch.

»Er ist ge­wach­sen«, sag­te The­resa. »Komm jetzt, es ist spät.«

Ma­da­me er­war­te­te Ama­lia in der Hal­le. Sie nick­te The­resa zu.

The­resa be­ob­ach­te­te, wie Ama­lia bei­na­he schutz­su­chend nach Ma­da­me Du­rands Hand griff, wäh­rend sie zu­sam­men die Stu­fen hin­auf­stie­gen. Sie war si­cher, dass Ma­da­me das Mäd­chen bes­ser trös­ten konn­te als sie selbst.

Oben wand­te sich Ma­da­me Du­rand noch ein­mal um.

»Kon­stan­tin ist mit An­na­bel und Fre­de­ri­co zu Ste­pha­no ge­fah­ren.«

»Dan­ke, gu­te Nacht.«

Ste­pha­no war ein we­ni­ge Ki­lo­me­ter ent­fern­tes Re­stau­rant, in dem man sich traf, wenn man nicht nach Sie­na oder dem noch wei­ter ent­fern­ten Gros­se­to fah­ren woll­te. Man konn­te dort her­vor­ra­gend es­sen oder nur den gu­ten Haus­wein trin­ken.

The­resa schloss die Haus­tür hin­ter sich und ging den Weg zu­rück, den sie ge­ra­de ge­kom­men war.

Raf­fa­el saß vor sei­nem Haus auf den Stu­fen. In der Hand hielt er ein Glas. Manch­mal glaub­te er zu träu­men, wenn sie so wie jetzt auf ihn zu­schritt. Er fürch­te­te, ihr Bild könn­te sich auf­lö­sen. Aber da war sie, be­rühr­te ihn, setz­te sich ne­ben ihn auf die Stein­stu­fen.

»Kon­stan­tin will mich zur Schwie­ger­mut­ter ma­chen.«

»Ein schwe­rer Schlag, Liebs­te.« Er lach­te. »Zu­mal ich mir den­ken kann, wie es wei­ter­geht.«

»Was meinst du?«

»Aus Schwie­ger­müt­tern wer­den schnell Groß­müt­ter.« Er sprang auf, be­vor sie ihn schla­gen konn­te.

»Ich ho­le dir ein Glas Wein.«

»Wirst du ei­ne Non­na lie­ben kön­nen?«

Be­lus­tigt blick­te er auf sie hin­ab. »Wenn die­se Non­na so klug und se­xy und so un­glaub­lich schön ist wie du, könn­te ich mich da­zu durch­rin­gen.« Er nahm sie in die Ar­me und küss­te sie zärt­lich. Sei­ne Hän­de glit­ten über ih­re Schul­tern.

»Nein, Raf­fa­el, ich will re­den.«

»Gut, re­den wir.«

»Kon­stan­tin will nach Afri­ka ge­hen.« Sie seufz­te. »Ich ha­be Angst um ihn. Gam­bia ist kei­nes­wegs ein si­che­res Land. Ich fürch­te, der neue Prä­si­dent ist nicht viel bes­ser als der al­te. Nach zwei­und­zwan­zig Jah­ren Dik­ta­tur, Ent­füh­run­gen und Fol­ter wird es in den nächs­ten Mo­na­ten be­stimmt nicht viel bes­ser wer­den.«

»Ist er fest ent­schlos­sen?«

»Ja. Und An­na­bel wird mit ihm ge­hen.« The­resa trank ih­ren Wein aus und reich­te Raf­fa­el das Glas. »Hast du noch einen?«

»So schlimm?« Raf­fa­el lä­chel­te, sie trank nor­ma­le­r­wei­se sehr we­nig.

»Es ist mir ernst. Am liebs­ten wür­de ich mich für ein Jahr ins Ko­ma trin­ken. Erst die Hoch­zeit, dann Afri­ka, ich wer­de vor Angst ster­ben.«

»Nein, das wirst du nicht. Au­ßer­dem hast du kei­ne Wahl, du musst ihn ge­hen las­sen.«

Sei­ne Ge­dan­ken wan­der­ten Jah­re zu­rück. Sei­ne Mut­ter hat­te ge­weint, als er mit sech­zehn Jah­ren den klei­nen el­ter­li­chen Hof zwi­schen Luc­ca und Pi­sa ver­ließ. Aus­tra­li­en und Neu­see­land schie­nen ihr so weit ent­fernt wie der Mond. »Ich wer­de dich nie wie­der­se­hen«, hat­te sie ge­schluchzt.

Wä­re ich ge­blie­ben, wenn ich ge­wusst hät­te, dass ih­re Wor­te wahr wer­den wür­den, frag­te er sich.

Raf­fa­el horch­te auf die Lau­te der Nacht. Un­un­ter­bro­chen das Zir­pen der Zi­ka­den, weit ent­fern­tes Hun­de­ge­bell. Ei­ner der bei­den wei­ßen Ma­rem­ma-Hun­de im Stall ant­wor­te­te. Es ra­schel­te im Ge­büsch. Ein Hauch streif­te ihn, ein wei­ßer Schat­ten, die Eu­le auf der Jagd. Ein Vo­gel zirp­te im Schlaf. All die­se Ge­räu­sche lie­ßen die ei­gent­li­che Stil­le der Nacht noch deut­li­cher wer­den.

Vor sei­nen Au­gen sah er die Ap­fel­wie­se hin­ter dem Haus, die Oli­ven­bäu­me und die Zie­gen, die sei­nen El­tern ge­hört hat­ten. Das gan­ze An­we­sen stank nach die­sen Tie­ren. Sei­ne Mut­ter mach­te Kä­se aus der Zie­gen­milch und fuhr da­mit am Wo­chen­en­de zum Markt. Ja, sie hat­ten ein Aus­kom­men, aber Raf­fa­el woll­te mehr. Sechs Jah­re hat­te er im Aus­land ver­bracht. Als er zu­rück­kam, tat er es, um sei­ne Mut­ter zu be­er­di­gen und dem Va­ter bei­zu­ste­hen.

Das Haus und ein paar Ne­ben­ge­bäu­de hat­te er nach dem Tod sei­nes Va­ters ver­kauft. Nur ein klei­nes Stein­haus hat­te er be­hal­ten. Sein Rü­ck­zugs­ort.

»Wor­an denkst du?« The­resa sah ihn fra­gend an.

»An nichts. Komm ins Bett!«

Er stand auf, ha­lf ihr von den Stu­fen hoch und zog sie mit sich.

In sei­nen Ar­men ver­gaß sie ih­re Ängs­te, fand Ru­he, für ei­ne Wei­le.

Himmel über der Maremma

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