Читать книгу Die Füchsin - Ursula Tintelnot - Страница 13

11 Au­gust

Оглавление

Adam fährt den Prit­schen­wa­gen auf den Hof. Er hat ei­ni­ge sei­ner Kun­den mit Äp­feln be­lie­fert. Un­ter an­de­rem ein Café in der Nähe, das eine Ap­fel­wo­che an­bie­ten will, mit Re­zep­ten, wie ihm der In­ha­ber er­klärt, in de­nen der Ap­fel eine Haup­t­rol­le spielt. Von Ap­fel­crum­ble bis ge­bra­te­nem Chi­corée und Ap­fel zu Spa­get­ti oder Ap­fel­spat­zen ist al­les da­bei.

Vor der Tür der Scheu­ne parkt ein Jeep. Er winkt. Die Fah­re­rin des Wa­gens, die ge­ra­de aussteigt, kennt er in­zwi­schen gut. Er hat sie ein­mal be­lei­digt, in­dem er ih­ren ur­al­ten Jeep als fah­ren­den Müll­hau­fen be­zeich­net hat.

Die Bie­nen­kö­ni­gin. Liz kennt sich mit Bie­nen so gut aus, wie nie­mand sonst. Sie weiß al­les über Bie­nen. Sie kommt, wann im­mer es nö­tig ist. Adam hat drei Bie­nen­völ­ker auf dem Hof vor­ge­fun­den. Ein Ste­cken­pferd sei­ner Schwes­ter. Als Bio­lo­ge kann er Bie­nen per­fekt se­zie­ren, aber wie man sie pflegt und mit ih­rer Hil­fe Ho­nig her­stellt, da­von ver­steht er nichts. Will er auch nicht, Ar­beit hat er ge­nug, ohne Ho­nig zu ma­chen. Liz kommt aus Het­lin­gen, ganz in der Nähe. Im Mai hat sie zwei der Bie­nen­völ­ker ge­teilt. Jetzt hat Adam fünf Völ­ker. Liz ist ih­ren Schütz­lin­gen nicht un­ähn­lich. Sie trägt di­cke, run­de Au­gen­glä­ser mit gel­ber Um­ran­dung. Ihr Ge­sicht ist ge­bräunt von zu viel Son­ne. Der hell­gel­be ab­ge­wetz­te Over­all, den sie ge­ra­de über Jeans und T-Shirt zieht, be­tont eine schma­le Tail­le und ein sehr weib­li­ches Hin­ter­teil. Un­ei­tel und al­ters­los. Er hat kei­ne Ah­nung, wie alt Liz ist. Ir­gen­d­et­was zwi­schen fünf­und­vier­zig und sech­zig. Ihre Stim­me ist dun­kel und weich und be­ru­hi­gend. Wil­lie, ein grau­er Misch­ling un­be­kann­ter Her­kunft, ein Tier, von Re­spekt ein­flö­ßen­der Grö­ße, springt hin­ter ihr aus dem Jeep.

Ben hüpft auf­ge­regt in sei­nem Kin­der­sitz auf und ab. Die ein­zi­ge Per­son, au­ßer ihm und Hin­nerk, der er sein Ver­trau­en schenkt, ist Liz.

Adam be­eilt sich, Ben aus sei­nem Sitz zu be­frei­en.

»Moin.« Liz winkt ihm kurz zu, be­vor sie mit Ben an der Hand zu den Bie­nen­käs­ten, den so­ge­nann­ten Beu­ten, geht. Wil­lie folgt den bei­den. Liz wird sich auch in Win­ter­mo­na­ten um die Bie­nen küm­mern. Sie re­det nicht viel. Viel­leicht ist das der Grund, war­um Ben sie mag. Sie fragt nichts, ant­wor­tet aber ge­dul­dig auf Bens Fra­gen.

Adam be­tritt das Ge­wächs­haus, in dem er sel­te­ne Kräu­ter züch­tet. Sei­ne Idee, klei­ne Stadt­bal­ko­ne oder Gär­ten mit blü­hen­den Kräu­tern, statt mit Blu­men zu be­pflan­zen, kommt in der Stadt gut an. Sein Blick glei­tet über die vor­ge­zo­ge­nen Pflan­zen. Ei­ni­ge sind so weit, dass er Sa­men neh­men und trock­nen kann. Hier ex­pe­ri­men­tiert er mit na­tür­li­chem Dün­ger, der ef­fi­zi­en­ter als han­dels­üb­li­cher Na­tur­dün­ger oder che­mi­scher Dün­ger wer­den soll. Pes­ti­zi­de kom­men ihm nicht ins Haus.

Adam geht hin­über zur Scheu­ne. Er packt einen Sta­pel Holz­kis­ten auf sei­nen Kas­ten­wa­gen und fährt ihn vor das zwei­te Ge­wächs­haus, wo die vor­ge­zo­ge­nen Pflan­zen, die noch vor dem Herbst ge­setzt wer­den sol­len, war­ten. Er füllt die Kis­ten mit grau­grü­nem Sal­bei, Min­ze und Thy­mi­an, win­ter­har­tem La­ven­del, Berg-Boh­nen­kraut, das an­ders, als Som­mer-Boh­nen­kraut, kal­te Tem­pe­ra­tu­ren pro­blem­los über­steht, und Ros­ma­rin.

Hin­nerk kann nach den Plä­nen, die Adam ge­zeich­net hat, ar­bei­ten. Jede der Kis­ten be­kommt ein Schild­chen mit Na­men und Adres­sen. Die Plä­ne legt er oben drauf.

Drei Bal­ko­ne und ein Stadt­gar­ten in Ham­burg war­ten mor­gen auf die Be­pflan­zung. Mehr kön­nen Hin­nerk und Piet nicht schaf­fen. Wenn sie Pech ha­ben, müs­sen sie die schwe­ren Kis­ten über zwei oder drei Eta­gen, ohne Auf­zug nach oben wuch­ten. Dazu kommt noch das Ar­beits­ge­rät und Sä­cke mit der Spe­zi­al­er­de. Bei der Hit­ze, die jetzt noch herrscht, kein rei­nes Ver­gnü­gen. In jede der Pflanz­kis­ten stellt er ein Gra­tis-Ho­nig­glas. Wenn Liz und die Bie­nen flei­ßig sind, denkt er, kann ich nächs­tes Jahr viel­leicht schon Ho­nig ver­kau­fen. Den Groß­teil der letz­ten Ern­te hat er Liz über­las­sen und nur we­ni­ge Glä­ser für den Ei­gen­be­da­rf und sei­ne Kun­den be­hal­ten. Adam schaut nach der Be­wäs­se­rungs­an­la­ge und schließt das Ge­wächs­haus hin­ter sich ab.

In Ge­dan­ken prüft er noch ein­mal sei­ne Te­le­fon­lis­te. Er hat am Mor­gen nicht alle Kun­den er­reicht, um für Hin­nerk ab­zu­sa­gen und neue Ter­mi­ne zu ma­chen. Er zieht sein Han­dy aus der Ta­sche und sucht eine Num­mer. Ein AB schal­tet sich ein. »Sprich mit mir«, hört er. Er lä­chelt. Was für eine un­ge­wöhn­li­che Auf­for­de­rung. Und eine un­ge­wöhn­li­che Stim­me.

Sie klingt in sei­nen Oh­ren wie eine Ein­la­dung, ein Flirt, ein Ver­spre­chen. Ein Ver­spre­chen wo­für? Er bit­tet um Rü­ck­ruf und er­klärt, dass Hin­nerk den Ter­min für mor­gen nicht ein­hal­ten kann.

Schon von wei­tem sieht er Ben in sei­nem wei­ßen Schutz­an­zug. Ben steht vor Liz und scheint et­was zu sa­gen. Beim Nä­her­kom­men hört er Liz: »Ho­nig­schleu­der« sagt sie lang­sam und deut­lich.

Gleich dar­auf wie­der­holt Ben feh­ler­los: »Ho­nig­schleu­der.«

Er strahlt über das gan­ze Ge­sicht­chen und läuft Adam ent­ge­gen. Adam fängt ihn auf und wir­belt ihn her­um. »Ich bin dei­ne Ho­nig­schleu­der.«

Ben kreischt vor Ver­gnü­gen.

»So«, sagt Liz, »wir sind fer­tig.«

Adam nimmt Ben auf den Arm und geht mit ihm und Liz zum Haus.

»Ich könn­te dir zei­gen, wie man sie ge­gen Mil­ben schützt und im Win­ter füt­tert.«

»Nee, Liz. Lass mal. Mir ist es lie­ber, du machst das.«

Adam weiß, wie wich­tig die Be­hand­lung ge­gen Var­ro­amil­ben ist. Sie kön­nen gan­ze Bie­nen­völ­ker aus­rot­ten, und nicht nur sei­ne ei­ge­nen, son­dern auch die der Nach­barn. Im­mer, wenn Liz da ist, es­sen sie zu­sam­men. Nor­ma­le­r­wei­se ist sie aus­ge­gli­chen und zum Re­den be­reit. Vor­aus­ge­setzt, sie re­den über Bie­nen. Heu­te je­doch wirkt sie be­un­ru­higt.

»Kann ich bei dir du­schen?«

Adam schaut über­rascht auf. »Ist dei­ne Du­sche ka­putt?«

»Ja.«

»Ja, klar. Lass mich erst mit Ben du­schen, da­nach bist du dran. Hand­tü­cher lie­gen auf dem Re­gal über der Ba­de­wan­ne.«

Ir­gend­was stimmt nicht mit Liz. Er rub­belt Bens Haa­re tro­cken und steckt ihn in ein fri­sches T-Shirt.

Adam steht am Herd. Er brät Zwie­beln in Öl an, wirft klein­ge­schnit­te­nes Ge­mü­se, Zuc­chi­ni, Boh­nen und Möh­ren in die Pfan­ne und fährt die Hit­ze her­un­ter. In ei­ner zwei­ten Pfan­ne brut­zeln rohe Kar­tof­fel­schei­ben.

Liz kommt, nach Dusch­gel duf­tend, aus dem Bad. Sie nimmt drei Tel­ler und Glä­ser aus dem Schrank und stellt al­les auf den Tisch.

»Wein steht im Kühl­schrank«, sagt Adam.

Nach dem Es­sen bringt er Ben ins Bett und setzt sich zu Liz. »Also, was ist?«

»Was soll sein? Nix is.«

»Liz.«

Adams Han­dy mel­det sich. »Ent­schul­di­ge.«

Er steht auf und geht ans Fens­ter. Hin­nerk teilt ihm mit, dass er in zwei Ta­gen wie­der fit sein wird.

»Die Ent­zün­dung ist raus«, sagt er, »und die Zahn­schmer­zen sind weg.«

»Al­les klar, Hin­nerk.«

Adam steckt das Han­dy ein. Als er sich um­dreht, ist Liz ge­gan­gen.

»Ver­dammt!« Adam seufzt. Et­was ist nicht in Ord­nung mit ihr, da ist er sich si­cher. Er lauscht dem ka­put­ten Aus­puff ih­res Jeeps nach.

Seit ei­ner Stun­de sitzt Adam am Schreib­tisch. Er schreibt Rech­nun­gen und macht Über­wei­sun­gen. Ein Blick auf die Uhr sagt ihm, dass es nach zwei­und­zwan­zig Uhr ist. Ganz schön spät für ein Kun­den­ge­spräch. Er zupft das Han­dy noch ein­mal aus der Ta­sche.

»Gar­ten­bau­fir­ma Frank.«

Stil­le.

»Hal­lo?«

»Herr Frank, ent­schul­di­gen Sie bit­te, dass ich so spät an­ru­fe, ich hat­te mit ei­nem An­ruf­be­ant­wor­ter ge­rech­net.«

Adam drückt den Hö­rer fes­ter ans Ohr. Da ist sie wie­der, die­se be­rü­cken­de Stim­me. Er hat sie schon ein­mal ge­hört, aber wo?

»Ich hof­fe, ihr Hin­nerk ist nicht krank?«

»Nichts Schlim­mes«, sagt Adam und kommt sich däm­lich vor. War­um sagt er nicht, dass Hin­nerk Zahn­schmer­zen hat? »Tun Sie ein­fach so, als sei ich der AB.«

Ihr lei­ses La­chen. »In Ord­nung. Hier ist Va­le­rie Fuchs, ich bin eine Wo­che lang auf ei­ner Ge­schäfts­rei­se. Wenn ich wie­der da bin, kön­nen wir einen neu­en Ter­min ver­ein­ba­ren. Ich mel­de mich bei Ih­nen.«

»Ge­schäfts­rei­se, was macht man da?«

»Man reist und macht Ge­schäf­te.« Wie­der die­ses La­chen. »Seit wann stellt ein An­ruf­be­ant­wor­ter Fra­gen? Gute Nacht, AB, schla­fen Sie gut.«

Da­mit ist sie weg. Er starrt sein Han­dy an, als könn­te er sie da­mit zu­rück­ho­len.

Va­le­rie, ein me­lo­di­scher Name, alt­mo­disch. Sie hat Witz. ›Gute Nacht, AB`. Er wird Hin­nerk nach ihr fra­gen. Adam geht sehr nach­denk­lich ins Bett.

Mit­ten in der Nacht wird Adam von ei­nem Ge­räusch ge­weckt, das ihm gar nicht ge­fällt. Schwe­re Schrit­te un­ter dem Dach sei­nes Hau­ses. Er lauscht noch eine Wei­le. Als sei­en Mö­bel­pa­cker un­ter­wegs. Mor­gen muss er et­was ge­gen die Mar­der un­ter­neh­men.

Die Füchsin

Подняться наверх