Читать книгу Work-Life-Balance - Uta Kirschten - Страница 6
1.2.1 Life – Lebenswelt – Privatleben
ОглавлениеDer Begriff „Life“ kann als „LebensweltLebenswelt“ übersetzt werden und umfasst in einem weiten Sinn alles, was im Alltag erlebt, erfahren und erlitten wird und bildet damit die subjektive Realität bzw. den Wirklichkeitsbereich einer Person ab (vgl. Michalk/Nieder 2007, S. 20). In dieser weiten Fassung kann die Lebenswelt unterschieden werden in die Teilsysteme des Arbeitslebens und des PrivatlebensPrivatleben. Das Privatleben lässt sich wiederum unterteilen in die Subsysteme Familienleben, Partnerschaft, Freizeitleben und private (nicht erwerbstätigkeitsorientierte) Arbeitsbereiche (vgl. Abbildung 1). Zum FamilienlebenFamilienleben gehören alle Aktivitäten und Aufgaben zur Versorgung und Betreuung von Familienmitgliedern (Kinder, Eltern, Angehörige) und das Leben in der Familie bzw. die Zeit, die in und mit der Familie verbracht wird. PartnerschaftPartnerschaft umfasst die Zeit und alle Aktivitäten, die privaten partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Individuen dienen. Die FreizeitFreizeit steht zur eigenen Verfügung und kann nach individuellen Bedürfnissen gestaltet werden. Hierzu zählen z.B. alle sportlichen, kulturellen oder sozialen Tätigkeiten und Aktivitäten, die der individuellen Bedürfnisbefriedigung, Regeneration und dem privaten Leben (ohne Haushaltsaufgaben und ohne Erwerbsarbeit) dienen. Private nicht erwerbstätigkeitsorientierte ArbeitsbereichePrivate nicht erwerbstätigkeitsorientierte Arbeitsbereiche umfassen alle Tätigkeiten, die zur Aufrechterhaltung des eigenen Haushalts notwendig sind (wie z.B. Einkaufen, Saubermachen, Reparaturen etc.) sowie weitere soziale, kulturelle oder individuell motivierte Arbeitsbereiche, die eine Person freiwillig übernimmt und als sinnstiftend erlebt (z.B. Übernahme von ehrenamtlichen Tätigkeiten in Vereinen oder sozialen Institutionen, eigene Bildungsaktivitäten, kulturelle Aktivitäten oder Engagement in der Region). Dabei muss die Lebenswelt einer konkreten Person nicht alle Teilsysteme umfassen und auch die Ausprägung und Bedeutung der einzelnen Teilsysteme ist individuell unterschiedlich. So ist für einen 25-Jährigen Single, der keine eigene Familie hat, sein Arbeits-, Privat- und Freizeitleben wahrscheinlich besonders wichtig. Demgegenüber konzentriert sich eine erwerbstätige Mutter neben ihrer Berufstätigkeit vermutlich stärker auf ihr Familien- und Freizeitleben.
In einem engen Sinn und auch in der Interpretation des Begriffs „Life“Begriff \„Life\“ im Konzept der „Work-Life-Balance“ wird die LebensweltLebenswelt als Gegenstück zur Arbeitswelt verstanden (vgl. Michalk/Nieder 2007, S. 20) und beschränkt sich auf alle Tätigkeiten, Erfahrungen und alles Erleben in der erwerbsarbeitsfreien Zeit. Diese Gegenüberstellung von Arbeit und Leben resultiert aus dem Ziel der Work-Life-BalanceWork-Life-BalanceZiel, einen individuell zufrieden stellenden Ausgleich zwischen diesen beiden übergeordneten Lebensbereichen zu erreichen, der zunächst diese Gegenüberstellung notwendig macht. Kritikwürdig daran ist, dass damit (vereinfachend) die Arbeit aus dem Leben ausgeschlossen wird und eine strikte Trennung zwischen der Arbeit und dem (Privat-)Leben angenommen wird (vgl. Frone 2003, S. 144; Resch/Bamberg 2005, S. 171; Ulich/Wülser 2005, S. 126).
Diese vereinfachte Gegenüberstellung wird der komplexen Realität jedoch nicht gerecht. Tatsächlich bilden das Arbeitsleben und das Privatleben Teilsysteme unserer menschlichen Lebenswelt, die sich wiederum in verschiedene Subsysteme unterteilen lassen, mit jeweils vielfältigen Ausprägungen und Interdependenzen, die aufeinander wirken und sich gegenseitig positiv und negativ beeinflussen können (vgl. Abbildung 1).
Diese differenziertere Unterscheidung der Lebenswelt des Menschen in verschiedene Teilsysteme spiegelt die Vielfältigkeit der menschlichen Lebenswelt sowie die unterschiedlichen Interdependenzen, die zwischen den beiden übergeordneten Lebenswelten Arbeitswelt und Privatleben und den verschiedenen Subsystemen bestehen.
Abbildung 1:
Individuelle Lebensweltenindividuelle Lebenswelten des Menschen mit Teilsystemen. Eigene Darstellung.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die individuellen Lebensbereiche in unserer heutigen Welt und Lebensweise häufig nicht mehr klar abgrenzen lassen. Beobachtbar ist eine steigende Entgrenzung zwischen dem Berufs- und PrivatlebenEntgrenzung zwischen dem Berufs- und Privatleben. So ermöglichen die modernen digitalen Informations- und Kommunikationstechnikendigitale Informations- und Kommunikationstechniken in Verbindung mit dem Internet eine ständige Erreichbarkeit und Kommunikation, was immer häufiger dazu führt, dass Arbeitnehmende rund um die Uhr und ortsunabhängig über Laptop, Tablet, Smartphone in Arbeitsbereitschaft stehen und beruflich ansprechbar bleiben, um kurzfristig wichtige berufliche Fragen klären oder Aufgaben bearbeiten zu können. So bleibt das „Arbeits-Smartphone“ oft auch am Abend und am Wochenende eingeschaltet, um für Kollegen und wichtige Fragen erreichbar zu sein oder auch außerhalb der normalen Arbeitszeiten noch berufliche E-Mails abzurufen und zu bearbeiten oder mit Kollegen berufliche Aufgaben zu besprechen. Durch diese ständige Erreichbarkeitständige Erreichbarkeit und berufliche Ansprechbarkeit, die häufig auch noch spät abends und am Wochenende aufrechterhalten wird, greift das Arbeitsleben immer stärker in die anderen Lebensbereiche ein, was einen Ausgleich der verschiedenen Lebensbereiche zusätzlich erschwert. Andererseits werden während der Arbeitszeit zunehmend auch kurzfristig wichtige private Angelegenheiten (z.B. Telefonanrufe, Behördengänge) erledigt. So werden die Grenzen zwischen den einzelnen Lebensbereichen zunehmend durchlässiger und lösen sich teilweise sogar auf. Hierfür hat sich mittlerweile der Begriff der EntgrenzungEntgrenzung zwischen Arbeitsleben und Privatleben etabliert.
Darüber hinaus entwickeln und verändern sich die individuellen Lebenswelten im persönlichen Zeitverlauf. Angefangen von der Sozialisierung eines Kindes in seinem familiären und sozialen Umfeld über die Schul- und Berufsausbildung, den Einstieg in das Berufsleben und Karrierefortschritte, die Entwicklung sozialer Bindungen durch Partnerschaften oder Heirat, die Gründung einer eigenen Familie, den Wiedereinstieg in den Beruf nach möglichen Erziehungszeiten, einer späteren Karriereorientierung in fortgeschrittenem Alter (z.B. ab 50 Jahren) bis hin zur Planung und Umsetzung des altersbedingten Berufsausstieges zum Renteneintrittsalter und das Privatleben im Ruhestand. Dabei sind auch die individuellen sozialen und kulturellen Besonderheiten und Vorlieben des Berufs- und Privatlebens zu berücksichtigen. In den verschiedenen LebensphasenLebensphasen verändern sich meist auch die Bedeutungen der verschiedenen Lebensbereiche. Daher bedarf es beim Konzept der Work-Life-Balance auch einer Berücksichtigung der verschiedenen Lebensphasen der Personen.