Читать книгу Work-Life-Balance - Uta Kirschten - Страница 8
1.2.3 Balance – Ausgeglichenheit
ОглавлениеDie Idee der „Work-Life-Balance“„Work-Life-BalanceIdee“ zielt auf einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Lebensbereichen, wobei der Ausgleich zwischen dem erwerbsorientierten Arbeitsleben und den individuellen Lebensbereichen des Privatlebens im Vordergrund der Betrachtung steht.
BalanceBalance bedeutet Ausgeglichenheit zwischen den beiden Bereichen Arbeit (Work) und Privatleben (Life). Gemeint ist damit eine objektive aber auch subjektive zeitliche, örtliche und inhaltliche Ausgeglichenheit zwischen dem erwerbsorientierten Arbeitsleben und den Teilsystemen des Privatlebens, die eine individuell wünschenswerte ausreichende Berücksichtigung und Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche ermöglicht. Dadurch kann die individuelle Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensbereichen gesteigert werden, die eine dauerhafte psychische und physische Gesundheit fördert. „Eine Balance oder Vereinbarkeit beider Lebensbereiche (A.d.V.: des Arbeits- und Privatlebens) ist für das Individuum wichtig, um dauerhaft gesund und mit sich und der Umwelt im Einklang zu sein und einen Sinngehalt in seinem Leben erkennen zu können.“ (Michalk/Nieder 2007, S. 21).
Symbolisiert wird diese Ausgeglichenheit häufig mit einer Waage, auf der die beiden Lebensbereiche ausbalanciert werden (vgl. Michalk/Nieder 2007, S. 21). Dabei ist nicht zwingend von einer gleich verteilten Gewichtung beider Lebensbereiche (50%-50%-Gewichtung) auszugehen, sondern die Balance beider Lebensbereiche ist abhängig von den individuellen zeitlichen, örtlichen und inhaltlichen Prioritäten und wird von jeweils personenspezifischen Rahmenbedingungen des beruflichen und privaten Umfeldes bestimmt.
Bei der Betrachtung einer Balance zwischen Arbeit und Privatleben gehen viele Konzepte von der Annahme aus, dass die Abstimmung der verschiedenen Arbeits- und Lebensbereiche zu Konflikten zwischen beruflichen und außerberuflichen RollenKonflikte zwischen beruflichen und außerberuflichen Rollen führt. Häufig werden bei diesen RollenkonfliktenRollenkonflikte nur zwei Richtungen betrachtet: Entweder beeinträchtigt die Arbeit das Privatleben (work-to-family-conflictwork-to-family-conflict) oder das Privatleben stört das Berufsleben (family-to-work-conflictfamily-to-work-conflict) (vgl. Schobert, 2007, S. 20). Dieses bidirektionale Verständnis von Work-Life-Balance ist jedoch nur eine von sieben Beziehungen, die zwischen den verschiedenen Rollen des Arbeits- und Privatlebens bestehen können. In der Fachliteratur werden insgesamt sieben unterschiedliche Rollenbeziehungen zwischen Berufs- und PrivatlebenRollenbeziehungen zwischen Berufs- und Privatleben diskutiert, wobei einige Rollenbeziehungen wirkliche Rollenkonflikte darstellen, andere Rollenbeziehungen jedoch eine gegenseitige Stärkung bzw. Ergänzung der verschiedenen Rollen aufzeigen (vgl. Schobert 2007, S. 20):
Verschiedene Rollenbeziehungen zwischen Arbeits- und Privatleben | |
Work - Family ConflictWork -Family-Conflict | Die unterschiedlichen Rollen des Arbeits- und Privatlebens behindern und beeinträchtigen sich gegenseitig bei der Erreichung der jeweiligen mit den Rollen verbundenen Verpflichtungen. Die Rollenkonflikte können zeitlich, örtlich, verhaltensbezogen oder auch emotional belastend sein. |
AccomodationAccomodation | Um eine bestimmte Rolle gut erfüllen zu können, wird eine andere Rolle weniger gut erfüllt. Die unterschiedliche Ausübung der jeweiligen Rollen kann sich im jeweiligen Verhalten zeigen oder auch auf der psychischen Ebene angepasst werden. |
Work - Family EnrichmentWork -Family-Enrichment | Die Übernahme und Ausübung einer (z.B. beruflichen) Rolle wirkt sich positiv auf die Erfüllung einer anderen (z.B. privaten) Rolle aus. |
Work - Family SpilloverWork -Family Spillover | Die Werte, Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Gefühle, die mit einer Rolle verbunden sind bzw. in einer Rolle gelebt werden, werden auf eine andere Rolle übertragen und angewendet. Dies kann sich positiv (Work-Family Enrichment) oder auch negativ (Work-Family-Conflict) auswirken. |
Work - Family BalanceWork -Family Balance | Engagement und Ausgeglichenheit zwischen und Zufriedenheit mit den verschiedenen beruflichen und privaten Rollen einer Person. Dies stärkt das Selbstwertgefühl und reduziert Belastungen der Rollenträger. Die Kompetenzen der jeweiligen Rollen helfen beim Ausgleich. |
CompensationCompensation | Bestehende Unzufriedenheiten in und mit einer Rolle werden ausgeglichen durch besonderes Engagement in einer anderen Rolle. |
SegmentationSegmentation | Verschiedene Rollen werden klar voneinander abgegrenzt, um die Belastungen einzelner Rollen und mögliche negative Auswirkungen auf andere Rollen zu vermeiden sowie die verschiedenen Rollen deutlich voneinander abzugrenzen. |
Tabelle 1:
Verschiedene Rollenbeziehungen zwischen Arbeits- und Privatleben. Quelle: vgl. Schobert 2007, S. 20 f.; Greenhaus/Singh 2004, S. 689 ff. Eigene Darstellung.
Mitte des letzten Jahrhunderts ging die Forschung noch davon aus, dass das Arbeits- und das Privatleben zwei getrennte und voneinander unabhängige Lebensbereiche sind, die sich gegenseitig gar nicht beeinflussen (vgl. Parsons/Bales 1955). Heute herrscht Konsens darüber, dass die beiden Lebensbereiche Arbeit und Privatleben in vielfältige Weise aufeinander wirken und sich gegenseitig sowohl positiv als auch negativ beeinflussen können (vgl. Greenhaus/Singh 2004, S. 687 f.; Clark 2000, S. 349; BMFSFJ 2005a; Czurlok 2007; Collatz/Gudat 2011 S. 3 ff.; Kaiser/Ringlstetter 2010). Negative Beeinflussungen verschiedener Rollen können zu psychischer und physischer Überlastung und negativem Stress führen und in gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder gar im Burnout Syndrom deutlich werden. Demgegenüber kann eine positive gegenseitige Beeinflussung der verschiedenen Rollen in den jeweiligen Lebensbereichen die eigene Motivation, die Leistungsfähigkeit sowie das Selbstwertgefühl steigern und insgesamt eine höhere Lebensqualität bewirken (vgl. Schobert 2007, S. 21).
Die Betrachtung der Balance kann sowohl zeitlich, örtlich als auch inhaltlich erfolgen.
Balance in zeitlicher HinsichtBalancezeitlich: Die Ausgeglichenheit zwischen Erwerbsarbeit und Privatleben kann hinsichtlich des Zeitumfangs erfolgen, der für die Lebensbereiche erforderlich ist bzw. zur Verfügung steht. Hier können die individuellen Prioritäten sehr unterschiedlich sein. Einem 25-Jährigen Berufseinsteiger ohne eigene Familie ist vermutlich ein zeitintensives Berufsleben wichtiger, um sich beruflich zu bewähren, sich in seinem Berufsfeld zu etablieren und damit die eigenen Aufstiegs- und Karrierechancen zu verbessern, wohingegen das Privatleben nicht so viel Zeit in Anspruch nehmen muss. Demgegenüber müssen berufstätige Eltern viel stärker auch auf eine zeitliche Ausgeglichenheit und Abstimmung zwischen ihrem Berufsleben, Privat- und Familienleben achten, um die unterschiedlichen zeitlichen Anforderungen der verschiedenen Lebensbereiche aufeinander abstimmen zu können und somit ausreichend Zeit für ihre Familie zu haben. Dabei ist auch heute noch die zeitliche Abstimmung zwischen den Arbeitszeiten der Berufstätigkeit von Eltern und beispielsweise den Öffnungszeiten von Kindertagesstätten, Schule und Hort ein weit verbreiteter zeitlicher Konfliktbereich.
Die zeitliche Balance kann sich aber auch auf verschiedene Zeiträume beziehen: Kurzfristig z.B. auf einen Tag oder eine Woche; längerfristig auf die Gestaltung verschiedener Lebensphasen (z.B. Berufsausbildung, Eintritt in den Beruf, Familiengründung, Karriere, längere Auszeiten vom Beruf, Austritt aus dem Berufsleben), die jeweils unterschiedliche Prioritäten hinsichtlich der Ausgeglichenheit zwischen Arbeits- und Privatleben haben können.
Balance in örtlicher HinsichtBalanceörtlich: Die örtliche Ausgeglichenheit betrifft die Vereinbarkeit der Anforderungen und individuellen Wünsche zwischen dem Arbeitsort und Arbeitsplatz der Erwerbstätigkeit und den privaten Örtlichkeiten. Mögliche örtliche Konflikte entstehen beispielsweise durch die erforderliche Anwesenheit an einem bestimmten beruflichen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber und der erforderlichen Betreuung z.B. kranker Kinder oder pflegebedürftiger Angehöriger an einem anderen Ort. Viele Menschen wünschen sich mittlerweile jedoch auch eine höhere Flexibilität bei der Wahl ihres Arbeitsortes und Arbeitsplatzes. Mögliche Gründe hierfür bestehen u.a. in der Vermeidung langer Arbeitswege zum Arbeitsplatz beim Arbeitgeber, in der besseren Vereinbarkeit beruflicher und privater Anforderungen sowie in dem individuellen Wunsch nach örtlicher Ungebundenheit auch während der Berufstätigkeit. So gewinnen Konzepte des mobilen Arbeitens zunehmend an Bedeutung und Verbreitung in der Praxis. Die seit dem Jahr 2020 die Welt beherrschende Coronavirus-Pandemie hat u.a. zu einer deutlichen Ausweitung der Arbeit im Homeoffice geführt, um Ansteckungen mit dem Coronavirus durch persönliche Kontaktbeschränkungen zu reduzieren. Standen vor der Coronavirus-Pandemie viele Arbeitgeber einer Arbeit im Homeoffice kritisch gegenüber, so haben die zahlreichen positiven Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice im letzten Jahr dazu geführt, dass sich eine Mehrheit der Arbeitgeber auch zukünftig vorstellen kann, ihren Mitarbeitenden eine ausgedehntere Arbeit im Homeoffice anzubieten. Allerdings hat die Arbeit im Homeoffice während der Coronavirus-Pandemie auch gezeigt, dass vor allem diejenigen, die Kinder oder pflegebedürftige Personen im eigenen Haushalt betreuen müssen, teilweise stark mehrfach belastet und oft auch überlastet waren. So bedarf auch die Arbeit im Homeoffice (ebenso wie die mobile Arbeit) einer sorgfältigen Organisation der Festlegung bestimmter Arbeits- und Freizeiten.
Balance in inhaltlicher HinsichtBalanceinhaltlich: Die inhaltliche Ausgeglichenheit bezieht sich auf die inhaltlichen Ansprüche, die jeweils an die beiden Lebensbereiche gestellt werden. Diese müssen jedoch nicht gleichgewichtig sein, sondern können auch ganz unterschiedliche Ausprägungen haben. So reduziert eine Person den inhaltlichen Anspruch ihrer Erwerbstätigkeit lediglich auf den Zweck, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ohne große inhaltliche Ansprüche an die Arbeitsaufgaben zu stellen oder besondere karriereorientierte Erwartungen in ihrer Erwerbsarbeit zu haben. Demgegenüber stellt die gleiche Person sehr hohe inhaltliche Erwartungen an die Gestaltung ihres Privatlebens, beispielsweise hinsichtlich kultureller oder sozialer Aktivitäten. Bei anderen Personen kann eine inhaltliche Ausgeglichenheit genau entgegen gesetzte Schwerpunkte aufweisen oder auch ähnliche Schwerpunkte zwischen Berufsleben und Privatleben haben.
Wesentliche KritikBalanceKritikpunkte am Begriff und der Symbolik der Balance werden im Folgenden zusammengefasst:
1 Problematisch ist die Gegenüberstellung und damit der gegenseitige Ausschluss der beiden Lebensbereiche (Erwerbs-)Arbeit und Privatleben. Damit wird unterstellt, dass die Erwerbsarbeit eher der zur Existenzsicherung notwendige Lebensbereich ist, dessen Belastungen durch das individuell sinnstiftende Privatleben ausgeglichen werden soll oder muss. Unberücksichtigt bleiben hierbei die individuellen Prioritäten, die ein erfülltes Leben im Sinne einer „Work-Life-Balance“ durchaus in der zeitlich, räumlich und inhaltlich dominierenden Verwirklichung einer beruflichen Karriere sehen können. Aber auch der umgekehrte Fall, dass die Erwerbsarbeit eine inhaltliche Bereicherung und ein Ausgleich für ein ansonsten stark dominierendes Familien- oder Privatleben darstellen kann, bleibt hier unbeachtet.
2 Der Begriff der Balance suggeriert ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Lebensbereichen, das es für die individuelle Zufriedenheit gar nicht geben muss. So kann auch eine „ausgeprägte Schieflage“ der beiden Lebensbereiche das persönliche Optimum darstellen. Ausgeglichenheit sollte daher so interpretiert werden, dass es um Möglichkeiten geht, die individuell wünschenswerte Verteilung zwischen den verschiedenen Lebensbereichen zu erreichen.
3 Mehrfache Balance ist notwendig: Bei der hier verfolgten differenzierteren Betrachtung der verschiedenen Lebensbereiche („Work“: erwerbs- und nicht-erwerbsorientierte Arbeitsbereiche) und „Life“ (verschiedene private Lebensbereiche je nach individueller Ausprägung) wird eine mehrfache Balance zwischen den individuell unterschiedlich ausgeprägten Lebensbereichen notwendig. Dies erhöht die Komplexität und Schwierigkeit der Ausgeglichenheit einer Person erheblich und stellt weitreichendere Anforderungen an die Möglichkeiten und Mechanismen zur Erreichung einer individuellen Ausgeglichenheit.
4 Einen weiteren Kritikpunkt bildet die enge Begriffsfassung von Arbeit, die nur die Erwerbsarbeit berücksichtigt und weitere private und familiäre Arbeitsbereiche außer Acht lässt, die jedoch häufig verantwortlich sind für eine mangelnde Ausgeglichenheit oder auch unzureichende Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche (vgl. Michalk/Nieder 2007, S. 21).
Die wesentlichen Kritikpunkte am Begriff der Work-Life-Balance werden in der folgenden Tabelle noch einmal zusammengefasst.
Wesentliche Kritikpunkt am Begriff der Work-Life-Balance |
Mit der Gegenüberstellung von Arbeit und Leben wird die Arbeit aus dem Leben ausgeschlossen (vgl. Frone 2003, S. 144; Resch/Bamberg 2005, S. 171; Ulich/Wülser 2005, S. 126) Unter „Arbeit“ wird vor allem die Erwerbstätigkeit verstanden, wohingegen andere Formen von Arbeit unberücksichtigt bleiben (vgl. Eby 2005, S. 126) Der Gegensatz von Erwerbstätigkeit und Privatleben suggeriert, dass die Belastungen des Erwerbslebens durch das Privatleben ausgeglichen werden müssen. Doch auch der umgekehrte Fall ist denkbar. Die Bedeutung der Balance ist mehrdeutig und damit erklärungsbedürftig (vgl. Guest 2001). |