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1.3 »Frauen sind zu …«
ОглавлениеDie Moderne ist besonders bemüht um die strenge Trennung zwischen Anatomie und sozialem Konstrukt: sex vs. gender. Dies führt Paula-Irene Villa in Bodies matter. Zur Materialität und Relevanz von (Geschlechts-)Körpern auf die zweite Frauenbewegung und Hedwig Dohms (vgl. 1893) Kritik an der Natur des Weiblichen zurück. Aufgrund ihres »natürlichen« biologischen Geschlechts (sex) wurden Frauen jahrhundertelang von bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen, vor allem im Bereich Bildung und Politik. Es galt die Annahme, dass zwischen der Anatomie der Frau und ihren Eigenschaften sowie ihrer intellektuellen Kapazität eine direkte Korrelation besteht. Diese Naturalisierung macht die Natur oder vielmehr die angebliche Natur des Weiblichen für eine Reihe »weiblicher« Eigenschaften verantwortlich wie z. B.: Emotionalität, Irrationalität, Mütterlichkeit und Tugendhaftigkeit.21 Dass diese Eigenschaften der natürlichen Weiblichkeit zugeteilt werden, hat zur Folge, dass die Frau gleichzeitig idealisiert und romantisiert, aber auch abgewertet wird.22 Im Viktorianischen England (ca. 1830–1900) entwickelte sich ein regelrechter Kult um »ideal womanhood« (ideale Weiblichkeit) und »the angel in the house« (den Engel des Hauses), der die Ehefrau und Mutter fast schon als Heilige verehrte und der Familie wie ein Moralkompass diente. Hedwig Dohm und die zweite Frauenbewegung um 1900 insgesamt beharrten darauf, dass diese angebliche Natur der Weiblichkeit gar keine Natur sei, sondern nur als Sündenbock dienen solle, der als Erklärung für jegliches Fehlverhalten der Frau und der Menschen herhalten müsse. Der Ausschluss von Frauen aus ausgewählten Bereichen des Lebens ist nicht das einzige Beispiel für den Ausschluss einer Gruppe nur aufgrund äußerer Merkmale, die sie daran hindern, als vollwertige Menschen anerkannt zu werden. Durch solche biopolitischen Mechanismen23 werden in unserer heutigen Gesellschaft z. B. Kinder und Menschen mit Handicaps besonders aus solchen Bereichen ausgeschlossen, in welchen Entscheidungsprozesse stattfinden.24
Judith Butler begann in den 1990er-Jahren diese Vorgehensweise der strikten Trennung zwischen sex und gender infrage zu stellen: »[…] möglicherweise [ist] das Geschlecht (sex) immer schon Geschlechtsidentität (gender) gewesen«.25 Villa macht deutlich, dass dies bedeutet, dass die biologische Seite der Geschlechtlichkeit nur durch die kulturelle Brille einer spezifischen Vorstellung von Geschlechtlichkeit gesehen werden kann.26 Die ursprüngliche Kritik der zweiten Frauenbewegung aber wandte sich nicht gegen die biologische Unterschiedlichkeit zwischen den Geschlechtern, sondern gegen »die naive und allzu einfache Annahme einer Geschlechtskörper-Natur jenseits sozialer Praxen«27. Der kleine Unterschied darf demnach nicht dazu verwendet werden, uns in Klassen einzuteilen, die in hierarchischer Beziehung zueinanderstehen und ihm so mehr Bedeutung zuschreiben, als ihm zusteht.28 Angesichts dessen soll aber darauf hingewiesen werden, dass es grundsätzlich nicht falsch ist, zwischen den Geschlechtern einen Unterschied zu machen. Man/frau darf dabei nur nicht auf die Schiene »Frauen sind einfühlsamer, deshalb …« geraten, damit tappt man/frau nämlich in die Falle und ist wieder beim Bild der mütterlichen, tugendhaften und emotionalen, aber auch der irrationalen Frau. Der Titel des Buchs selbst enthält einen Komparativ – »Frauen führen besser« – und wurde bewusst deshalb gewählt, weil er so provokativ ist, und in dem Bewusstsein, dass eine solche Aussage viele Fragen aufwirft und Beweise verlangt.