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1.1 Lost in Translation

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Im englischen Sprachgebrauch werden sowohl »Gleichheit« als auch »Gleichberechtigung« mit equality übersetzt. Beide Begriffe werden also synonym verwendet – vor allem im Deutschen kann das bei der Übersetzung zu Missverständnissen führen. Gleichheit bedeutet nämlich nicht auch Gleichberechtigung. Gleichberechtigung beinhaltet, dass einer Person gesetzlich die gleichen Rechte zugebilligt werden, unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Religion etc.1 Demgegenüber steht Gleichheit für die »Übereinstimmung in allen oder wesentlichen Merkmalen«.2 Gleichheit ist außerdem keine Voraussetzung für Gleichberechtigung – niemand streitet ab, dass die Körper von Mann und Frau nicht gleich sind. Die Verschiedenheit von Mann und Frau geht über biologische Merkmale hinaus, die dann für die unterschiedliche Behandlung der Geschlechter verantwortlich sind.

Die Ausdrücke Gleichheit und Gleichberechtigung werden im Englischen zwar unter dem Begriff equality zusammengefasst, aber wenn es um das Geschlecht geht, wird zwischen sex und gender unterschieden. Sex bezeichnet das biologische Geschlecht, welches aufgrund anatomischer Merkmale bei der Geburt zugewiesen wird – es gilt als unveränderlich. Zumindest nach dem Konzept, auf das sich die binäre Geschlechterordnung bezieht. Natürlich sind Umwandlungen des »natürlichen Geschlechts« durchaus möglich und stehen allen, die sich als transgender identifizieren, zur Verfügung.3 Die erste geschlechtsangleichende Operation wurde 1932 an Dora Richter von Magnus Hirschfeld in Berlin vorgenommen. Er prägte auch die Begriffe »transsexuell« und »Transvestitismus«.

Dem »natürlichen Geschlecht« gegenüber steht gender; gender bezeichnet das sozial konstruierte Geschlecht, welches unabhängig von sex ist und nicht mit dem anatomischen Geschlecht übereinstimmen muss – es gilt als wandelbar. Gender ist eng mit der Identität eines Individuums verknüpft und ist Ausdruck des Selbst4. Aus diesem Grund ist gender auch eine Performance: »a kind of doing«5. Die Performance findet meist statt, ohne dass wir etwas aktiv tun oder bemerken. Das Konzept gender als historische und performative Kategorie ist äußerlichen Einflüssen ausgesetzt. Das bedeutet, dass das soziale Konstrukt gender nicht von uns als Individuum bestimmt wird – oder zumindest nicht ausschließlich. Soziale Normen, äußere Einflüsse und persönliche Erfahrungen, die die Außenwelt uns zufügt, prägen, was als feminines oder maskulines (oder sonstiges) gender wahrgenommen wird. Gender, so Butler, ist eine kulturelle Konfiguration des anatomischen Körpers, und sex ist zwangsläufig in einem kulturellen Kontext zu betrachten.6 Gender wird produziert, indem scheinbar willkürlich gewählte Attribute dem biologischen Geschlecht zugeordnet werden. Weiblichkeit wird demnach dem anatomisch weiblichen Körper zugeteilt; was genau Weiblichkeit ist und ausmacht, ist abhängig von historischem und sozialem Wandel, geopolitischen und kulturellen Grenzen, aber auch davon, wer den Begriff »Weiblichkeit« in Zusammenhang mit wem und zu welchem Zweck konzipiert.7

Es lässt sich sagen, dass die Performance von gender immer von außen beeinflusst wird und gleichermaßen auf etwas abzielt, das außerhalb des Selbst liegt.8 So kommen wir als Gesellschaft z. B. nicht davon los, die Farbe Blau mit Jungen und die Farbe Rosa mit Mädchen zu assoziieren. Bereits zur Geburt bekommen Eltern Karten und Geschenke in Blau, wenn sie männlichen, und in Rosa, wenn sie weiblichen Zuwachs bekommen haben. Sogar schon vor der Geburt werden vor allem in den USA Gender Reveal Parties (Geschlechtsenthüllungspartys) gefeiert. Das sind Zusammenkünfte, zu welchen werdende Eltern einladen und bei denen es ausschließlich darum geht, Freund*innen und Verwandten das Geschlecht des noch ungeborenen Kindes zu enthüllen, z. B. durch Luftballons, aus denen es dann blaues oder rosa Konfetti regnet. Die jeweilige Assoziation von Blau und Rosa zieht sich weiter durch die Kindheit, und auch beim Spielzeug ist die Einteilung in binäre Genderkategorien offenkundig. Eisenbahnen, Autos etc. werden an Jungs vermarktet, während Puppen oder Spielküchen primär an Mädchen vermarktet werden. Ein kurzer Blick auf die Website eines Spielwarenhändlers reicht schon aus: Dort werden Mädchen und Jungen bereits in Kategorien eingeteilt, damit der Nutzer oder die Nutzerin spezifisch nach Spielzeug suchen kann. Klickt man/frau auf die Kategorie »Mädchen«, dominiert natürlich auch hier die Farbe Rosa und die Subkategorien: »Küche & Laden«, »Puppen & mehr« und »Malen & Basteln« stehen zur Auswahl; die Marken »Barbie« und »Baby born« können auch direkt angeklickt werden. Es gibt außerdem – anstatt einfach nur Lego – Lego Friends; mit geschwungener lila Schrift und dem Schmetterling wird angezeigt: »Das ist das Lego für Mädchen.« Klickt man/frau auf die Kategorie »Jungen«, findet man/frau dort jede Farbe außer Rosa und Lila. Die Subkategorien hier lauten »Actionfiguren«, »Werkbänke« und »Bauen & mehr«. Die vorgeschlagenen Marken, die direkt verlinkt werden, sind hier das ganz normale Standard-Lego, Hot Wheels und Carrera. Auch das Marketing durch Bilder, Beschreibungen und in Werbespots ist sehr von Geschlechterrollen geprägt. Die Wasserspritzpistole und Dinosaurierfiguren werden für Jungen beworben, und die Werkbänke und Werkzeugkästen sollen handwerkliches Geschick fördern. Auf den Werbebildern der Baby-born-Puppe sind ausschließlich Mädchen zu sehen, wie sie die Puppe füttern, wickeln etc. Ihre lebensechten Funktionen werden besonders hervorgehoben, die für ein »authentisches Spielvergnügen« sorgen, ganz so, als solle das Spielen auf das Muttersein vorbereiten. Man/frau kann ihr auch noch »hübsche Kleidung« an- und ausziehen, und mit dem Frisierkopf können die neuesten Trends zu Hause von »kleinen Stylistinnen« nachgemacht werden. Bei den Spielwaren für Jungen geht es eindeutig darum, Fähigkeiten zu fördern; bei den Spielwaren für Mädchen wiederum geht es darum, sie aufs Muttersein vorzubereiten und hübsch auszusehen.

Es ist aber nicht nur das Spielzeug und seine Bewerbung, die für die Weiterverfolgung und Verfestigung von Stereotypen bereits bei Kindern sorgt, bestimmte Verhaltensweisen werden auch, je nach Geschlecht, unterschiedlich belohnt. Jungen sind durchsetzungsfähig und wissen, was sie wollen, Mädchen sind bei gleicher Verhaltensweise rechthaberisch und herrisch. Wir werden von klein auf in diese Wahrnehmung hineingezogen, und nach allem Fortschritt ist sie immer noch unglaublich durchsetzungsstark.

Frauen führen besser

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