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„Nein!“, rief Tiana Bern und weinte ohne Unterlass.

„Frau Bern, bitte beruhigen Sie sich. Wir müssen das alles fragen, denn das Motiv für den Mord ist vollkommen unklar. Bitte denken Sie nochmal nach: Hatte Ihr Mann Feinde? Neider? Gab es Streit mit jemandem?“

Bianca saß im Krankenhaus am Bett der jungen Frau, Robin stellte sich ans Fenster. Jetzt musste die Kommissarin schmunzeln, denn auch Ferdinand hatte immer am Fenster gestanden, wenn sie jemanden befragt hatte.

Tiana schüttelte immer wieder den Kopf, doch sie grübelte, das war zu erkennen. Nein, dachte sie, wenn Eick irgendetwas Böses getan hätte, hätte ich das doch gespürt.

„Wir waren uns so nah! Da weiß man alles über den anderen. Er war ein guter Mensch, ein treuer Ehemann und hatte mit niemandem Streit.“

Plötzlich weiteten sich ihre Augen.

„Wenn man ihn nun verwechselt hat?“

„Diese Möglichkeit gibt es natürlich auch und wir gehen dem nach. Seine Kollegen und der Schulleiter haben nur gut über ihn geredet. Aber … ich wollte Ihnen das nicht sagen, er ist mit sehr vielen Messer­stichen getötet worden, so, als wäre der Täter in großer Wut vorgegangen.“

Tiana drückte ihre Hände ins gerötete Gesicht und schluchzte, sodass ihr ganzer Körper geschüttelt wurde. Bianca sah Robin an und er verstand: Es war genug. Wenn sie weiter fragen würde, käme es womöglich zu Komplikationen. Wie zur Ermahnung öffnete sich die Tür und der Arzt kam herein.

„Wenn Sie jetzt bitte gehen würden! Frau Bern ist in keiner guten Verfassung. Es ist nicht richtig, dass Sie sie so bedrängen. Sie hat doch schon ihren Mann verloren, da müssen Sie die Frau nicht auch noch mit Ihren Fragen belasten.“

„Wir wollten eben gehen. Frau Bern, wir werden den Mörder finden, das verspreche ich.“

Die Kommissare verließen das Krankenhaus und fuhren ins Büro.

„Was denkst du?“, fragte Robin.

„Ich denke, Eick Bern war ein guter Mensch und ist durch Zufall in die Schusslinie geraten oder er war nicht der, der er vorgab zu sein. Ach, es ist irgendwie nicht zu durchschauen. Mein Bauch sagt, seine Frau hat Recht, aber mein Kopf sieht die Fakten und zweifelt.“

„Du hast doch ein sagenhaftes Bauchgefühl, wie alle sagen …“

„Oh, wer sagt das denn?“

„Naja … ähm … ich habe mich eben ein bisschen umgehört. Man will doch wissen, mit wem man es zu tun hat.“

Jetzt begann Bianca zu lachen, denn Robins Gesicht war tiefrot geworden und er wusste nicht, wohin er schauen sollte.

„Entschuldige“, stammelte er.

„Alles gut! Mach dich nicht verrückt. Ich kann das verstehen. Wenn ich Zeit gehabt hätte, hätte ich mich auch nach deinen Macken erkundigt.“

„Hast du nicht?“

„Nein, denn ich wollte dir eine Chance geben, ohne Vorurteile. Was hätte ich denn erfahren?“

„Nichts Spektakuläres und das mit meiner Ex habe ich dir ja gleich erzählt. Ich wollte nicht mit einem Geheimnis starten.“

„Das finde ich gut. Also, hör zu. Ich bin Bianca, mein Bauchgefühl ist sehr gut ausgeprägt und das hat uns schon bei vielen Fällen geholfen. Mein erster Partner wurde mein Mann, aber er ist tot. Ein Verbrecher hat ihn und einen weiteren Freund und Kollegen in die Luft gesprengt. Ich habe mir oft gewünscht, auch tot und bei ihm zu sein, doch dann kam Eric und ich habe mich wieder verlieben können. Wir hatten viel Stress, aber im Moment läuft es so gut, dass wir überlegen zusammen zu ziehen. Ferdinand ist mein bester Freund. Er und auch ich wurden schon einmal angeschossen. Aber es hat uns nicht umgehauen, sondern stärker gemacht. Das war es.“

„Wow, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Mira, meine Ex, war meine große Liebe, aber sie hat mich eingeengt, mir die Luft zum Atmen genommen. Angeschossen wurde ich noch nie, aber verprügelt wur­de ich schon öfter. Wir haben viele Einsätze bei Fußballspielen gehabt und da geht es sehr ruppig zu. Ich hatte noch nie einen Mordfall. Ich möchte mir gern die Wohnung ansehen, es wäre toll, mit euch in einem Haus zu wohnen. Und das wäre auch praktisch: Wir könnten eine Fahrgemeinschaft bilden.“

Die beiden grinsten und stießen mit den Kaffeetassen an. In dem Moment piepte Biancas Handy und sie sah auf das Display.

„Du wirst sterben!“

Die Nummer war eine andere, der Text derselbe. Bianca war kurz zusammengezuckt, aber Robin hatte es nicht bemerkt, denn er war an die Tafel getreten und malte ein großes Fragezeichen an den Rand.

Bianca dachte: Wer schreibt mir diesen Mist? Wer erlaubt sich so einen makabren Scherz? Hatte sie jemanden verärgert? War das jemand, den sie mal verhaftet hatte?

Sie verglich die Nummern, aber anscheinend hatte der Anrufer sich die Mühe gemacht, eine neue Telefonkarte zu besorgen. Woher hatte diese Person ihre Nummer? Und dann kam ihr eine Frage in den Sinn, die ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte: Musste sie die Drohung ernst nehmen?

Als Robin sie jetzt ansah, runzelte er die Stirn.

„Ist etwas passiert?“

Bianca bemerkte, dass sie immer noch auf ihr Handy starrte. Sie legte es aus der Hand und lächelte.

„Nein, es ist alles in Ordnung. Ich habe nur nachgedacht.“

Robin ahnte, dass sie log, aber vielleicht hatte sie Ärger mit ihrem Staatsanwalt. Er wollte sich nicht einmischen.

„Wenn Eick Bern so war, wie er beschrieben wurde, warum tötet man ihn dann auf solche Weise? Wem ist er in die Quere gekommen?“

Bianca sprang auf und stellte sich auch vor die Tafel.

„Was wäre denn, wenn er etwas beobachtet hat?“

„Zum Beispiel?“

„Eine Straftat. Einen Überfall? Eine Drogenübergabe? Der Fundort ist ein Parkplatz, da käme das schon infrage.“

„Mensch, ich dachte immer: Eltville, Rheingau, Idylle pur.“

„Du dachtest, du kannst hier gemütlich deine Dienstzeit absitzen?“

Robin zuckte mit den Schultern und grinste schuldbewusst. Er hatte natürlich vorher im Internet recher­chiert, in welche Gegend er sich versetzen ließ. Konnte man denn ahnen, dass hier so viel los war?

„Ach was“, brummte er, „besser als zu Tode langweilen.“

„Das ist die richtige Einstellung. Du kennst ja Hannes schon. Er arbeitet oft bei uns und ist die Verbindung ins Rhein-Main-Gebiet. Fahr doch mal zu ihm und finde heraus, ob an der Drogen-Idee etwas dran sein könnte.“

Nachdem Robin das Büro verlassen hatte, setzte sich Bianca an den Schreibtisch. Sie fuhr den Computer hoch und ließ die vergangenen Fälle an sich vorüberziehen. Wer könnte ihr mit dem Tod drohen?

Nach einer Stunde wusste sie immer noch nicht, wie sie die beiden Nachrichten einordnen sollte. Eigentlich muss ich Ferdinand informieren, dachte sie. Und Eric. Oh weh, Eric und Ferdinand würden sie sofort aus dem Verkehr ziehen und in Watte packen.

„Nein!“, rief sie entschlossen. „Ich muss dieses Problem selbst lösen.“

Sie recherchierte die beiden Telefonnummern, doch sie wiesen nur auf zwei Prepaid-Nummern hin, die nicht nachzuverfolgen waren. Als ihr einfiel, dass sie ja einfach nur ein neues Handy bräuchte, hatte sie einen Plan. Sie zog sich an und fuhr auf den Parkplatz am Rhein. Sie tat so, als würde sie alles nochmal untersuchen und ging später ans Ufer. Hinter den Bäu­men sah sie niemand und so holte sie aus und warf das Handy mit Schwung in das dunkle Wasser.

„Oh je, jetzt ist mir doch glatt das Handy in den Rhein gefallen.“

Sie fuhr zurück ins Büro und setzte sich an den Computer, um nach einem Geschäft zu suchen, in dem sie sich ein neues Handy kaufen konnte. Kurze Zeit später rief Eric auf dem Festnetztelefon an.

„Ja bitte?“

„Schatz, ich versuche dich schon eine halbe Stunde zu erreichen. Warum gehst du nicht dran? Wo bist du?“

„Ich sitze im Büro.“

„Warum gehst du nicht ans Handy?“

„Es ist mir in den Rhein gefallen.“

„Ach du je! Wie konnte das denn passieren? Kein Wunder, dass ich dich nicht erreiche. Pass auf, ich habe Hunger. Lass uns etwas essen gehen, dann erzählst du mir die Geschichte und wir kaufen dir ein neues Telefon, einverstanden?“

Bianca sagte zu, zog sich an und wartete auf Eric, der versprochen hatte, sie abzuholen. Sie lächelte und atmete tief durch.

Anhaltender Schmerz

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