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Donnerstag

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Nach der Informatik-Stunde hatten wir Pause. Der Computerraum der Schule war ausgestattet mit acht nagelneuen Apple IIe-Rechnern, jeder besaß zwei Floppy-Laufwerke, einen Bernstein-Monitor und die meisten stürzten öfter mal ab. Wir programmierten in Pascal, einer Sprache, die im Gegensatz zu BASIC saubere Programmstrukturen ermöglichte. Befehle wie if-then-else oder gar repeat-until musste man in BASIC immer mit GOTO-Befehlen simulieren. Unserer Lehrer impfte mir dankenswerterweise eine geradezu neurotische Abneigung gegen GOTO ein, die bis zum heutigen Tag anhält.

Der Apple IIe war ein mehrere tausend Mark teurer Rechner, dem so ziemlich alles fehlte, was einen Homecomputer auszeichnete, obwohl er auch bloß über einen 1 MHz schnellen 6502-Prozessor verfügte. Man konnte ihn nicht ohne weiteres an den Familien-Fernseher anschließen, und Joystick-Buchsen suchte man ebenfalls vergebens. Dafür stellte er 80 Zeichen pro Zeile dar und konnte mit weit mehr als 64 K RAM ausgerüstet werden. Ein Profi-Gerät, keine Option für den eigenen Wunschzettel.

Auf dem Weg in die Pause sah ich Anna zufällig auf der Treppe, die zum Schulhof führte. Ich fand nach dem gelungenen Montagnachmittag überhaupt nichts mehr dabei, sie auch in der Öffentlichkeit anzusprechen. Früher hätte ich das nie gewagt. Es gab Tabus, gegen die man lieber nicht verstieß. Zwar waren die möglichen Strafen unklar, aber mit Sicherheit beschämend. Tuscheln und Flüstern, Grinsen und Gelächter. Fingerzeigen, erröten … letztlich also ein Schicksal schlimmer als der Tod.

»Na, sollen wir mal wieder ...«, begann ich, wurde aber gleich unterbrochen.

»Pssst«, machte Anna und sah in alle Richtungen, als dürfe keinesfalls jemand sehen, was hier gerade geschah. Oh Gott, ich hatte das Tabu gebrochen! Mein Ende war nah, und Tommy würde nachher sagen: »Selbst schuld, kein Mitleid.«

Allerdings stieß sie mich nicht fort, sondern zog mich in den Gang, der zu den Klassenräumen der Mittelstufe führte. Während der Pause hatten wir hier nichts zu suchen, so dass ich mich nervös nach Lehrern umsah, die uns umgehend verscheuchen würden.

»Ich habe nachgedacht«, zischte Anna im Verschwörertonfall. »Kann man in ein Computerspiel Bilder einbauen?«

»Bilder?«

»Fotos.«

»Hm«, machte ich. »Nicht ohne weiteres.«

»Wie mein Vater sagte.« Anna winkte ab. »Diese Computer sind zu nichts zu gebrauchen.« Sie wandte sich ab, aber ich hielt sie am Arm fest.

Sie fuhr herum. Wäre sie eine Katze gewesen, hätte sie gefaucht. Ich zog meine Hand zurück, als hätte mich ein elektrischer Schlag getroffen.

»Warum hast du das gefragt?«

Abschätzend sah mich Anna an, als wäre sie nicht sicher, ob ich es wert war, ihr Geheimnis zu erfahren. Dann sah sie plötzlich an mir vorbei. »Schnell weg«, zischte sie.

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Wir rannten zur Treppe, hinter uns erklang ein dramatisches »Was macht ihr hier?«, aber mit etwas Glück hatte der Lehrer unsere Gesichter nicht erkannt. In der Eingangshalle trennten wir uns und verschmolzen mit der Masse der Schüler auf dem Hof.

Mickys Frage, wo ich gewesen sei, beantwortete ich sicherheitshalber nicht mit »Wurde fast mit einem Mädchen erwischt«.

Tommy erzählte ich hinterher natürlich alles, aber er konnte sich auch keinen Reim auf die Sache machen.

Manchmal war ein echter Freund vermutlich etwas hilfreicher als ein eingebildeter.

Ich blätterte noch ein bisschen in Homecomputer-Zeitschriften, bis ich einschlief und von Amok laufenden Pixeln träumte.

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