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Landpartie mit Folgen

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Ich fuhr auf einer total kurvigen Straße in diesem sehr ländlichen Gebiet von einer beeindruckenden Präsentation zu meinem Hotel.

Eine Landwirtin hatte mich kontaktiert, sie möchte eine Anti-Aging Party machen, es kämen zwanzig Frauen. Obwohl ich in meinem ersten Geschäftsmonat viele, sehr unterschiedliche Frauentypen kennengelernt habe, das war noch mal Anders. In einem Heustadel hatten sie sich versammelt, die „Oberbäuerin“ ergriff mit lauter Stimme das Wort: Grüß euch, auch wir sind Frauen mit einem Recht auf Schönheit, so wie die überkandidelten Tussis aus der Stadt – jawohl! Alle klatschten. Ich wusste nicht ob ich mich wohlfühlen oder unsichtbar machen sollte – ich war ja auch eine Tussi aus der Stadt. Ich kam nicht dazu weiter nachzudenken, Dietlinde saß bereits vor mir und gab das Kommando – los geht’s! Das Auditorium schwieg, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Nach der Behandlung starrten sie alle wie die sprichwörtliche Kuh vor dem Tor. Des gibt’s ja gar net, dass a Hälften so glatt is und die ondre so runzlat, des is a Hexerei, oder?

Ich behandelte noch weitere fünf Damen, um meinem Hexendasein zu entkommen – dann war ich eine von Ihnen, eine Gute. Wir besiegelten unser Geschäft noch mit einer Runde Schnaps – natürlich selbstgebrannt und einem Alkoholanteil von 90% Vol. Mein Mund fühlte sich an wie nach einer Prellung, vom vielen Reden oder vom Schnaps das wusste ich nicht.

Ermattet fuhr ich im Schritttempo hinter einem Heuwagen her, überholen war hier nicht mein Ding – ich war mehr der Typ Autobahn, lange Gerade, schön übersichtlich. Plötzlich war ein BMW hinter mir, hupte und blinkte wie verrückt, ja dann soll er doch überholen, wenn er will – der Herr Gescheit. Das tat er dann auch mit Gebrüll, nur war da plötzlich so ein Mopedauto. Er landete im gegenüberliegenden Feld, sein Auto hatte sich überschlagen, blieb am Dach liegen.

Oh Gott, bitte nicht mir – was sollte ich den jetzt tun? Der Heuwagen fuhr unbeeindruckt weiter, das Mopedauto auch. Ich wusste nicht mal, wo ich stehen bleiben sollte, da war ja nur diese schmale Straße. Als ich bei dem Auto ankam, öffnete er gerade die Augen. Über sein Gesicht tropfte Blut, ich konnte nicht erkennen, woher es kam. Ich musste ihn da rausholen. Der Sicherheitsgurt ging nicht auf. Ich lief zu meinem Auto holte eine Schere, mangelte den Gurt ab, brach mir zwei Fingernägel ab, als ich ihn herauszerrte. Meine Schuhe waren ebenfalls schon hinüber, bis zu den Knöcheln stand ich in diesem undefinierbaren, stinkenden Gatsch. Ich schleppte ihn mit samt dem ganzen Dreck in mein Auto. Er sagte nichts und das war auch besser so. Wie immer, wenn ich nicht mehr weiter weiß betete ich zu Gott – bitte lass ein Schild mit der Aufschrift ARZT kommen, den muss es doch auch in einem Kuhdorf geben. Der Arzt selbst war in einem Zustand, den ich einfach total besoffen nennen würde, aber eine Alternative gibt es hier wohl nicht. Er desinfizierte die Wunden, nähte einen Schramme über dem Auge, kontrollierte die Reflexe und sprach von einem ungefährlichen Schockzustand. Abschließend wollte er die Daten aufnehmen, Mister BMW sagte nichts. Nachdem ich meine Bürgerpflichten nun wohl voll und ganz erfüllte hatte, wollte ich nur noch weg, in mein Hotel und direkt unter die Dusche. Der Arzt bat mich um die Daten meines Gatten. Moment mal, ich kenne den Herrn nicht, habe nur Erste Hilfe geleistet und gehe nun meines Weges. Jetzt wurde er richtig streng, selbst unter der Annahme, dass ich auch einen Schock erlitten habe, kann ich doch meinen Mann nicht verleugnen und außerdem müsste er die Nacht unter Aufsicht verbringen. Er fragte Mister BMW, ob ich seine Frau sei und dieser bejahte. Bin ich in einem Irrenhaus, haben mich die Bäuerinnen verhext oder was passiert hier gerade? Hektisch kreischte ich den Arzt an, schauen sie doch seine Papiere selbst an, rufen sie ihm ein Taxi nach Irgendwo und alle sind glücklich. Da waren keine Papiere, nicht in der Hosentasche nicht im Hemd, nur ein paar Euromünzen. Ich wollte weinen, schreien, weglaufen – ich war zu schwach für einfach Alles. Ich gab dem Arzt meine Daten, packte Mister BMW wieder in mein Auto und fuhr zurück. Obwohl in diesem widerlichen Kuhdorf kein Mensch auf der Straße war, wie in Tschernobyl danach, war das Auto komplett ausgeräumt. Kein Radio, keine persönlichen Sachen, gar nichts war mehr da, selbst meine Schere war weg. Das nenn ich Großstadtflair im Bauernfeld. Zur Polizei konnte ich auch nicht, die zwei Schnäpse beim Arzt hätten mich zusätzlich auch noch meinen Führerschein gekostet.

Die Rezeptionistin übergab mir etwas verwirrt meinen Zimmerschlüssel, ich hätte sagen müssen, dass mein Gatte heute anreist – ich unterließ den Versuch einer Erklärung.

Die Dusche war herrlich, die Last und der Gestank wichen von mir, nur Mister BMW blieb. Er konnte sich an nichts erinnern, wusste seinen Namen nicht, nicht wo er her kam und war sicher, dass ich seine Frau bin. Ich nannte ihn Ken, so wie die männliche Barbiepuppe meiner Kindheit, bei genauer Betrachtung schaute er nicht schlecht aus. Man kann nicht retten, wo nichts zu retten ist, beim Abendessen plauderten wir wie zwei Menschen, die sich gerade kennen gelernt haben, genau so war es ja auch.

Bei der Polizei verlief es ähnlich erfolglos, was soll man melden – einen Mensch ohne Namen – das einzige was die interessierte, war wohin der BMW geschleppt werden sollte und vor allem die Rechnung. Da fiel mir die simple Lösung ein, die alle Trotteln hier nicht bedacht hatten. Wir brauchten ja nur das Autokennzeichen in den Computer einzugeben, dann wussten wir wer Ken ist. Die reizenden Polizeibeamten wollten ihren fetten Arsch nicht hinausbewegen und so war schon wieder ich auf der Fahrt zum Autowrack. Das mir das gestern nicht schon eingefallen war. Ich bin kurzsichtig, aber nicht blind – die Kennzeichentafeln waren weg. Ted machte einen bedeutungsvollen Atemzug, lächelte und sagte, wo fahren wir jetzt hin?

Meine nächste Präsentation fand in einem Schwulenklub statt, niemand hatte etwas dagegen, dass ich meinen süßen Mann mitgebracht hatte. Tatütata!!!

Die Behandlungen verliefen super, die Jungs mutmaßten, wenn die Haut im Gesicht schön prall und gut durchblutet ist, könnte man ja genauso gut sein Pinselchen damit pflegen. Ich hatte an diese Möglichkeit zugegebenermaßen noch nicht gedacht, durfte es aber gleich ausprobieren. Ja und es funktionierte, obwohl ich die Hände im Spiel hatte als Frau.

Als wir wieder im Auto saßen bekam Ken einen Lachkrampf, er könnte sich an keine Situation erinnern, die so skurril war wie diese. Welch Wunder, er konnte sich ja an gar nichts erinnern.

Da ich nicht wusste was ich mit Ken machen sollte, nahm ich die Situation an, wie sie war und verfrachtete ihn für diese Nacht in die Agentur. Nach Hause hätte ich ihn schlecht mitnehmen können. Ich stelle ihn Vilma als meinen entfernten Cousine vor, der einige Tage zu Besuch ist. Sie zeigte ein gewisses Interesse, das mir einen Stich in der Herzgegend versetzte. Er gehörte mir, ich hab in gefunden dachte ich, wie ein kleines störrisches Kind. In der dritten Nacht schlief ich mit ihm, in der fünften Nacht wusste ich, ich bin verliebt. Wie es weitergehen sollte, wusste ich nicht. Das Universum hat meine Bestellung wörtlich genommen und mir einen Mann ohne Altlasten zukommen lassen – genau wie bestellt. Insgeheim beneidete ich ihn, keine Erfahrungen und Erlebnisse die dein Tun beeinflussen, du bist im besten Alter und fängst trotzdem echt bei Null an, ohne Bedenken.

In dem Schlachtfeld meiner Gefühle mischte sich die Angst, dass ihn doch jemand suchen muss und sicherlich auch irgendwann finden wird, breit. Aber zunächst hatte mir das Leben die Chance gegeben, zu zeigen was ich kann.

Am zehnten Tag unserer Begegnung, kam Vilma mit einer Zeitung ins Büro gelaufen. Ken war auf der Titelseite abgebildet – Vermisst wird Ing. Konrad Wagner, unterwegs mit einem schwarzen BMW im Raum Salzburg, jeder dienliche Hinweis wird mit 1000,- Euro belohnt!

Aus einem Traum wurde ein Albtraum, nun geht’s wieder von vorne los. Ich wollte ihn heute noch für mich haben, morgen werde ich diese Telefonnummer anrufen. Während ich noch versonnen in die Luft starrte, hörte ich Vilma bereits telefonieren, diese geldgierige, blöde, scheinheilige Schlampe.

Seine bezaubernde Verlobte stand bereits zwei Stunden später mit Tränen in den Augen vor mir. Zuerst wollte sie mir die Augen auskratzen, wie wenn ich Schuld gehabt hätte, an all dem. Dann begann sie sich überschwänglich zu bedanken. Er verhielt sich wie ein Zuschauer und schien mir nicht wirklich erleichtert. Bei der Verabschiedung stand ich da, wie ein begossener Pudel, wusste eigentlich überhaupt nicht, was in meinem Leben da abgeht. Vilma bekam 2000,- Euro Belohnung und erklärte den restlichen Tag zum Shop till you drop-Day.

Ich schmiss mich auf die Couch und fiel von einem Weinkrampf in den Nächsten.

Mein allerliebster, schwuler Freund Erik unterbrach mit seinem Anruf die Sintflut meiner zu Wasser gewordenen Gefühle – wie geht’s Prinzessin, hauchte er ins Telefon?

Ja, ich bin sooooooo unglücklich,…. Als „Antwort“ kam ein Monolog über seinen weiteren Weg zur Erschaffung des Projekts Erika, in allen Details. Irgendwann legte ich wortlos auf, noch nie war mir so bewusst geworden, dass Menschen diese Befindlichkeitsfloskel, aber so was von gar nicht ernst meinen und warum alle Arten von Therapeuten sich – eben deswegen – eine goldene Nase verdienen, indem sie sich den Schwachsinn einfach anhören. Ich zog meine hüfthohen Gummistiefel an und watete durch mein Tränenmeer. Die allerbeste Beziehung ist die zu dir selbst, aber wenn du einen Mensch findest, den du liebst und er dich – das ist echt wundervoll.

Ein ganz normales Stehauf-Frauchen...

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