Читать книгу Ein ganz normales Stehauf-Frauchen... - Valerie Vonroe - Страница 8
Ohne gestern kein Morgen
ОглавлениеIch habe das Gefühl über das Leben nur mehr zu lesen. Alle Magazine sind voll davon. Ich will nichts mehr darüber lesen, ich will leben, ich will Spaß, ich will Sex. Ich möchte meinen Ausdruckswillen außerhalb von Ikebana und Volkstanzgruppen manifestieren.
Irene hat einen Tangotanz-Kurs besucht, das war auch schon immer eine theoretische Leidenschaft von mir, eben wegen dieser Leidenschaft, diese unterschwellige Erotik, dieses intensive Feeling. Leider wimmelte es dort nur so von suchenden Frauen, die männlichen Teilnehmer beschränkten sich auf vier an der Zahl, die kaum eines Schrittes, geschweige denn eines Tanzschrittes mächtig waren. Irene tanzte also in Abwechslung mit den anderen Teilnehmerinnen ausschließlich mit dem argentinischen Tanzlehrer, den sich aber schon eine gepflegte, verwitwete Wienerin, als ihren Ehemann gekrallt hatte, was wiederum ihm erst die Möglichkeit eröffnet hat eine Tanzschule zu gründen. Aug um Aug – Zahn um Zahn…
Jungfrau Maria darf für drei Tage auf die Erde, jeden Tag ruft sie einmal ihren lieben Gott an.
Hallo hier Jungfrau Maria, ich war gestern mit einem Mann im Theater, ist das schlimm lieber Gott? Aber nein, lass es dir gut gehen.
Hallo hier Jungfrau Maria, ich war gestern mit einem Mann Essen, ist das schlimm lieber Gott? Aber nein, lass es dir gut gehen.
Hallo hier ist Maria,…..
Aufgegeben wird ein Brief, aber nicht…
Ein Abend, wo ich nach zweistündiger Vorbereitungszeit aus einer Ruine eine strahlende Burg zauberte, die Hälfte des Kleiderschranks verteilt auf dem Boden, schnell noch die Nägel lackiert - ready for take off.
Gut kommt er ein bisschen später, kann wenigstens der Nagellack richtig trocknen. Jetzt ist es aber schon sehr spät, wenn wir nicht sofort einen Parkplatz beim Restaurant finden wird unser reservierter Tisch weg sein. Ich rufe Ihn an, das Tonband teilt mir freundlich mit, das ich eine Nachricht hinterlassen kann. Unwirsch erinnere ich an die Zeit. Zweiter Anruf im Restaurant - wir verspäten uns um dreißig Minuten. Kein Problem. Der Nagellack ist jetzt wirklich trocken. Nach zwei Stunden hasse ich seine Handy-Sprachbox, Ihn sowieso. Den Tisch im Restaurant habe ich endgültig abbestellt. Von ihm kein Bild kein Ton.
Ich rufe einige Freunde an, keiner weiß etwas von seinem Aufenthaltsort, ich stelle ihn mir verlassen, eingeklemmt in seinem Auto in einem Straßengraben vor. Panik. Ich rufe die Polizei an, die lachen mich aus, das sei doch ganz normal, es handelt sich um einen Mann.
Ich rufe die Krankenhäuser an, na wenigstens auch dort keine Spur von ihm. Mir ist kalt und heiß zugleich, ziehe wieder meine graue Jogginghose an & demontiere mein prachtvolles Make-up. Ein wundervoller Abend. Was soll ich nur tun, ich kann doch nicht einfach schlafen gehen, wie wenn nichts gewesen wäre. Er könnte tot sein oder sonst was. Ich schlafe doch, kurz und schlecht. Mein Arbeitseifer ist gegen null ich bin super nervös. Kein Lebenszeichen von ihm. Meine Telefonkosten werden hoch sein, so oft quäle ich alle Freunde und Bekannten mit meinen Anrufen. Nichts. Meine Magennerven sind ein einziger Scheiterhaufen, mit Zitrone beträufelt und ein bisschen Chilli dazu – so fühlt es sich an. Nach drei Tagen läutet es an der Tür. Schock. Jetzt wird mir ein Polizist mitteilen, dass leider Herr......
Ich traue meinen Augen nicht, mein völlig verdreckter, schwitzender, nach Alkohol stinkender Liebster steht mir gegenüber. Mir fehlen die Worte, das passiert selten, in
meinem Kopf macht eine Achterbahn ihre Runden. Ich möchte ihn umbringen, gleichzeitig fällt eine riesige Last von mir ab.
Ich warte auf eine besonders spannende, gefährliche Geschichte in die er irgendwie hineingeraten ist. Bevor ich noch dazukomme ihm eine Frage zu stellen, höre ich bereits leises Schnarchen aus dem Schlafzimmer. Diesen Zustand behält er für die nächsten zwei Tage bei. Ich übersiedle ob der unerträglichen Duftkulisse zu einer Schlafstätte im Wohnzimmer. Leider ist mein muschelähnliches Designersofa nicht zum Schlafen geeignet. Ich vereinbare einen dringenden Termin bei meinem Chiropraktiker, ob eines eingeklemmten Nervs. Eigentlich wollte ich mit ihm alt werden, nicht wegen ihm. Vielleicht trauere ich gar nicht ihm nach, sondern all dem was ich am Anfang fühlte und glauben wollte, unbedingt.
Nachdem er scheinbar ausgeschlafen eine erfrischende Dusche genossen hat, die wie immer das Badezimmer überschwemmt hat geht er ohne Erklärung zur Tagesordnung über. Geschäftsbesprechungen ohne Punkt und Komma.
In meiner Seele hat sich eine tiefe Kerbe eingegraben. Scheiße selbst in Phase sechs kann man sich noch selbst weh tun. In der Beziehungslotterie scheine ich ja ein echter Leider-nicht-Typ zu sein.
Es hat ja alles gut begonnen, damals mit vierzehn Jahren. Ich sehe dieses Alter als Start ins Frauenleben und als sehr ausschlaggebende Phase für später. Im Gymnasium hatte ich zwei Burschen mit denen ich ging, sagte man damals. Die wussten voneinander. Wir waren in einer Klasse, saßen in der letzten Reihe – ich in der Mitte. Beide liebten mich. Der eine war gut in Mathe – naja er hatte die letzten beiden Klassen je einmal wiederholt. Der andere war gut in Latein. Ich war demnach gut in beidem. Meine Hausübungen wurden erledigt. In den Hauptfächern hatte ich maximal eine zwei, die Nebenfächer drei bis vier, Betragen leider auch drei. Das lag aber mit Sicherheit auch daran, dass ich damals Jeans nur im nassen Zustand in der Badewanne anzog und mit einer Werkzeugzange den Zipp schließen musste. Meine Fingernägel waren meist blau lackiert. Mein Klassenvorstand war eine ehemalige Klosterschwester, die aufgrund einer Verfehlung des Ordens verwiesen wurde. Ja, und so gesehen war mein Notendurchschnitt ein Guter. Diese Dreierkonstelation war perfekt. Instinktiv wusste ich schon damals, ein Mann kann nie alle Bedürfnisse abdecken. Es folgte quasi automatisch die nächste Konstellation dieser Art.
Meine Eltern waren Menschen, die machten jedes Jahr im gleichen Ort und zur gleichen Zeit Urlaub in einem österreichischen Dorf. Das war das Letzte, das ich wollte, also versuchte ich das Beste daraus zu machen. Eine Clique mit Motorrädern, ich suchte mir den schnuckligsten Jungmann heraus. Leider war der ein beschäftigter Bergbauernsohn, ich hab es nicht so mit den Bergen. Einen Außenseiter gab es, er war auch in diesem Kaff aufgewachsen, hatte das stärkste Motorrad, war aber weltoffener als die Bauern. Wahrscheinlich gehörte er deswegen nicht dazu. Er hatte blondgesträhnte, lange Haare – Typ Hansi Hinterseer. Sehr cool. Mit einem Selbstverständnis, das ich in meiner jetzigen Lebensphase vermisse, stieg ich zu ihm auf die Maschine. Wir unterhielten uns super gut, so als ob wir uns schon ewig kannten. Obwohl er nicht den leisesten Versuch startete mich zu verführen, abzuknutschen oder meinen Busen zu zerquetschen, war mir klar – das sollte mein Mann für das „Erste Mal“ sein. In dem Bauernhaus war es kalt, roch ausschließlich nach Land, die Bettwäsche war „feucht“. Eine riesige Tuchent, ließ mich fühlen, wie in einer Höhle. Wir schliefen miteinander, es gefiel mir, es tat nicht weh und Blutflecken waren auch keine da. Ich speicherte meinen ersten Sex unter positiv prägenden Erlebnissen ab. Ich hatte immer gehört und gelesen: Von dem Mann, mit dem man den ersten Sex hat, entsteht eine Abhängigkeit fürs Leben. Da musste ich Herrn Dr. Sommer von der Bravo eindeutig widersprechen. Wir hatten herrliche Urlaubstage, weil mein Hotelzimmer für mich die bessere Wahl war, kam er jeden Abend zu mir. Jeden Morgen sprang er vom ersten Stock aus meinem Fenster. Eines Morgens landete er genau in dem Augenblick, als der Hotelbesitzer dort stand. Der kontaktierte meine Eltern, die den Rest des Urlaubes gerne unsichtbar gewesen wären. Meine Mutter konnte mir nicht mehr in die Augen schauen. Mir war es egal. Im darauffolgenden Jahr, das letzte, wo ich dazu vergattert wurde diesen idyllischen Urlaub mit Ihnen zu teilen, war er nicht mehr da. Er ist irgendwo nach Deutschland gegangen, in eine große Stadt. Das verstand ich gut. Ich überlegte gerade, wie ich diese langweiligen drei Wochen überleben sollte – die Bauerntruppe war ja bereits abgearbeitet, mein cooler Traummann in der großen weiten Welt? Ich stand bei der Rezeption um mich nach möglichen Tennispartnern zu erkundigen, als sich hinter mir im tiefsten berlinerisch ein Redeschwall ergoss. Ich drehte mich um und blickte in die Augen eines feschen, älteren Mannes. Älter war damals alles über zwanzig Jahre. Thomas war ebenfalls mit seiner Familie hier auf Urlaub, seit vielen Jahren schon. Traditionellerweise im Juli, dieses Jahr aber im August – wie wir. Ich verliebte mich auf der Stelle, am nächsten Tag waren wir ein Paar. Die Zimmerlogistik war in diesem Fall ideal, da er sich ja als Hotelgast bewegen konnte wie er wollte. Meine Mutter war Kummer ja schon gewohnt und hielt dies auch für die bessere Variante, als die „wilden Hunde“ vom Dorf. Am vorletzten Abend verlobten wir uns. Das ganze Hotel feierte mit. Zunächst erhöhte sich unsere Telefonrechnung zu Hause massiv – damals gab es noch keine Handys – unvorstellbar. Ich buchte eine Vorzugskarte der Bahn, wir sahen uns jedes Wochenende. Nach einem halben Jahr wurde es mühsam. Thomas beschloss bis zum Abschluss meiner Schule zu mir zu ziehen. Gemeinsam suchten wir eine Wohnung, ich freute mich total auf unser gemeinsames Leben. Im Gymnasium war ich der Star – verlobt mit einem Berliner, eigene Wohnung mit 17 – das hat schon was.
Ich schmeiß Alles hin und werd Prinzessin, jetzt.
Mit einer Flasche Sekt wartete ich wie vereinbart in unserer Wohnung. Er kam nicht und bis heute ist es nicht beschreibbar, was ich die nächsten drei Monate durchmachte. Drei Monate in denen ich nicht mit ihm telefonieren konnte, seine Eltern jeden Kontakt verweigerten. Das einzige was sie sagten war: Wir brauchen unseren Sohn im elterlichen Betrieb, er kann nicht kommen. Drei Monate meines Lebens, die ich nie wieder nachholen kann, die immer fehlen werden. Ich ging in die Schule, dann nach Hause. Nach drei Monate des andauernden Nachdenkens kam ein Brief von ihm. Große Liebe, ewige Liebe, Verpflichtung, blablabla. Jetzt endlich konnte ich ihn hassen, dieses Arschloch. Vielleicht war das der prägende Einschnitt für mein weiteres Leben, lieber hätte ich mir meinen „Ersten Mal Mann“ erhalten.
Von einem Tag auf den anderen begann meine wilde Phase. Die Phase der namenlosen Männer. Ich wollte es mir gar nicht merken. Ich hatte nur eine Bedingung – sie mussten weg sein bevor es hell wurde.
Ich hatte atemberaubende Vorsätze für meine Zukunft, heute weiß ich es war die kurvenreiche Auffahrt ins volle Desaster. Die Schwärme an Scheidungswaisen, ich bin ja fürwahr nicht die Einzige, ergeben für mich ein Bild im Kopf wie Woodstook oder Pilotenstreik am Flughafen von New York. Es sind einfach zu viele, es gibt einfach nicht genug Platz für all diese „Ichhättemüsstesolltewarumhabichnicht“ Menschen, wie mich.
Mein Leben plätschert so dahin, ohne große Veränderungen, es ist zum verrückt werden. Es wird mir immer mehr bewusster, es hat keinen Sinn auf "Etwas" zu warten, von dem ich nicht einmal weiß was es sein soll, nur ich selber kann etwas verändern.
Hart, für wahr.
Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft sich die Situation "ich komme gleich - kein Bild, kein Ton" wiederholt hat. Seien es auch zusätzliche Überstunden, Sitzungen, Kunden-Essen – so ist es halt bei den Top-Managern.
Die Geschichten, wo große Geschäfte in Bordellen abgeschlossen wurden, die gab es doch heute nicht mehr? Als Ersatz für die Abwesenheiten und sonstige Unnötigkeiten machten wir zweimal pro Jahr einen richtigen Erholungsurlaub.
Ich habe es auch leichter gehabt beim Vergessen unter Palmen, durch die Urlaube die ein Ansatz für eine Veränderung unserer Beziehung hätten sein sollen. Beim ersten Mal war es noch ganz lustig, wenn nach vier Tagen in einem Hotel jemand sagte ah sie sind ja gar nicht allein hier, später wird es nur noch frustig.
Er verbringt seine Zeit schlafend im Bett, zwecks Erholung, die restliche Zeit scheint sein Handy am Ohr angewachsen zu sein.