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KAPITEL 2

Durch dick und dünn

Weder Beni noch ich wussten davon, aber nachdem ich Roy erzählt hatte, was im Oh Henry’s passiert war, überredete er Slim, dass er jeden Tag später zur Arbeit kommen durfte, damit er heimlich ein Auge auf uns haben konnte, wenn wir von der Schule nach Hause gingen. Er schlenderte hinter uns her und hielt sich dabei außer Sichtweite. Er hatte Slim versprochen, deswegen jeden Samstag eine zusätzliche Stunde umsonst zu arbeiten, aber davon erfuhr ich erst viel später.

Beni flirtete weiter mit Carlton Thomas, der sie ständig dazu überreden wollte, doch wieder ins Oh Henry’s zu kommen. In der darauf folgenden Woche stritten wir uns deswegen heftig. Jeden Tag hatte sie schlechte Laune, weil ich mich weigerte, noch einmal ins Oh Henry’s zu gehen. Es war ihr egal, ob ich sie begleitete, aber ich hatte ihr klipp und klar gesagt, dass ich nicht für sie lügen und es verheimlichen würde, dass sie dorthin ging, wenn Mama oder Roy mich fragten. Ich musste ihr auch sagen, dass Roy über das erste Mal Bescheid wusste.

»Warum hast du ihm denn was gesagt?«, wollte sie wissen.

»Er wusste, dass etwas nicht stimmte, Beni. Du weißt doch, wie Roy ist. Er hätte sowieso nicht nachgegeben, bis er es herausgefunden hätte, vielleicht von jemand anderem, und dann wäre er noch wütender gewesen«, erklärte ich.

Sie überlegte einen Augenblick.

»Er hat kein Recht, sich in meine Angelegenheiten einzumischen«, verkündete sie, aber einem Streit mit Roy, der zu einem noch schlimmeren Krach zwischen ihr und Mama führen würde, ging sie aus dem Weg.

Ich wusste, dass ihre Freundinnen sie hänselten, weil ich mich weigerte mitzumachen, und das machte sie nur noch wütender auf mich. Eines Nachmittags drängten Nicole und Alicia mich zwischen zwei Unterrichtsstunden auf dem Flur in die Ecke und schimpften mit mir, weil ich Beni den Spaß verdarb.

»Nur weil du so ein Snob bist, heißt das noch lange nicht, dass deine Schwester auch einer sein muss«, griff Nicole mich an.

Nicole war ein großes schlankes Mädchen mit einem harten Mund und großen Augen. Weil sie der Star des Mädchen-Basketballteams war, führte sie sich auf, als sei sie etwas Besonderes. Wenn sie wütend wurde, streckte sie dir das Gesicht entgegen, dass sich die Nasen praktisch berührten. Ihre war so spitz, dass sie aussah, als könnte sie dich damit erstechen. Sie war in zwei üble Kämpfe mit Haarereißen, Kratzen und Treten verwickelt gewesen und während der letzten Jahre ein halbes Dutzend Mal vom Unterricht suspendiert worden. Ich wusste, dass es eines Tages Ärger geben würde, als Beni sich mit ihr anfreundete.

»Man muss kein Snob sein, um es zu verabscheuen, ins Oh Henry’s zu gehen«, erwiderte ich und versuchte dabei meine Angst zu verbergen. Sie sah aus, als wollte sie mich grün und blau schlagen, aber ich wich keinen Schritt zurück.

»Verabscheuen?« Sie klimperte mit ihren langen Wimpern und lächelte. »Verabscheuen? Hast du das gehört, Alicia? Hast du ihre ausgefallenen Worte gehört?«

»Das ist kein wirklich ausgefallenes Wort, Nicole«, sagte ich und wollte gehen.

Sie packte mich am Arm, zerrte an mir und wirbelte mich herum. Ich ließ meine Bücher fallen. Einige der Jungen, die vorbeigingen, blieben stehen, um zuzusehen. Ihre Gesichter strahlten, weil sie sich auf einen weiteren Kampf freuten.

»Wage es ja nicht, einfach wegzugehen, Rain Arnold. Du bist nichts Besonderes.«

»Ich will nicht zu spät zum Unterricht kommen«, sagte ich, riss mich los und hob meine Bücher auf. Sobald ich meine Bücher beisammenhatte, lief ich den Flur entlang.

»Du bist doch nur eine frustrierte Ziege«, rief sie hinter mir her. Mein Herz klopfte wie ein winziger Hammer in meiner Brust. Ich hörte, wie die Jungen hinter mir lachten. »Du verdirbst deiner Schwester doch nur den Spaß, weil du eifersüchtig bist.«

Für den Rest des Tages und den größten Teil des nächsten spürte ich den Hohn, das Gelächter hinter meinem Rücken, sah das durchtriebene Lächeln auf den Gesichtern der Mädchen, die mit Nicole und Alicia zusammen waren. Beni saß in der Cafeteria mit ihnen zusammen und fing an, mich auch in der Schule zu schneiden. Sie sprach nur noch mit mir, wenn es absolut unvermeidlich war. Schließlich brach sie eines Tages, nachdem wir gerade nach Hause gekommen waren, ihr Schweigen.

»Wenn du einen Jungen mögen würdest, würde ich nicht drohen, dich in Schwierigkeiten zu bringen, Rain. Schöne Schwester«, murmelte sie.

»Genau das versuche ich zu sein, deine Schwester. Die ganze Bande taugt nichts, Beni. Wenn du weiter mit ihnen herumhängst, wirst du noch in große Schwierigkeiten geraten.«

»Das werde ich nicht. Ich habe meinen eigenen Willen«, sagte sie. »Du hast einfach Angst, erwachsen zu werden«, beschuldigte sie mich.

Sie saß auf ihrem Bett und schaute zu, wie ich eine Jeans und einen Pullover anzog. Lächelnd drehte ich mich um.

»Ich habe Angst, erwachsen zu werden? Wer hat dir denn diese alberne Idee in den Kopf gesetzt?«

»Lach mich nicht aus, Rain. Vielleicht bekomme ich nicht so gute Noten wie du, aber ich bin nicht dumm. Niemand muss mir Ideen in den Kopf setzen.«

»Ich habe nie behauptet, du seist dumm, Beni. Menschen geraten unter den Einfluss von anderen, und manchmal gibt man ihnen die Schuld, oder sie bekommen Schwierigkeiten, nur weil sie dort sind, wo üble Dinge passieren …«

»Hör auf, mir Predigten zu halten«, rief sie. »Was bist du, eine Lehrerin?« Sie schnitt eine Grimasse. »Denkst du nie daran, mit einem Jungen zusammen zu sein? Du bist älter als ich und hattest noch nie einen richtigen Freund. Jeder sagt, du hältst dich für zu gut für irgendjemanden in unserer Schule. Sie nennen dich Fräulein Etepetete.«

»Das stimmt nicht. Ich habe nur noch niemanden gefunden, den ich genug mag oder von dem ich glaube, dass er mich genug mag«, protestierte ich.

»So? Mich mag jemand. Warum musst du es mir so schwer machen?«

»Ich mache es dir nicht schwer, Beni. Ich versuche dich zu beschützen.«

»Das höre ich ständig von dir und Roy.« Sie trat gegen den Tisch und verschränkte schmollend die Arme unter dem Busen.

»Du kannst etwas Besseres bekommen als Carlton Thomas«, sagte ich.

Ihre Augen blitzten.

»Er mag mich und ich mag ihn. Und er respektiert mich«, fügte sie hinzu.

»Sicher«, sagte ich. »Er respektiert dich. Jemand wie Carlton Thomas weiß überhaupt nicht, was das Wort bedeutet.«

»Oh, aber du weißt das natürlich. Du weißt alles«, sagte sie, und in ihren Augen funkelten Wut und Tränen. »Meine Freundinnen haben Recht in Bezug auf dich. Ich kann nicht mehr mit dir reden«, verkündete sie, ging ins Badezimmer und knallte die Tür hinter sich zu.

Hatte ich Unrecht? War ich zu pingelig, ein Fräulein Etepetete? Hatte ich Angst vor Jungen? Vielleicht hatten Mamas Warnungen eine zu drastische Wirkung auf mich. Ich wünschte, ich könnte über alles mit ihr reden, aber ich wusste, dass Beni noch wütender wäre, wenn ich irgendwelche Einzelheiten ihrer aufkeimenden Romanze enthüllte.

»Ich versuche nicht, dein Glück zu ruinieren, Beni«, sagte ich, als sie in die Küche kam. Sie hantierte herum, deckte mürrisch den Tisch. »Wirklich nicht«, sagte ich.

Sie knallte einen Teller so heftig auf den Tisch, dass er fast zerbrach, dann stemmte sie die Arme in die Hüften und drehte sich zu mir um.

»Okay, wenn es dir ernst damit ist, verdirb mir nicht mein Vergnügen«, sagte sie. »Ich möchte am Freitagabend zu Alicia gehen, um Carlton zu treffen. Sie gibt eine Party. Mama lässt mich nicht gehen, solange du nicht sagst, dass nur ein Haufen Mädchen sich treffen. Sie wird mich nicht dort übernachten lassen, wenn ich sie frage, aber dir wird sie glauben. Wirst du mir helfen oder nicht?«

»Du machst einen Fehler, Beni«, warnte ich.

»Wenn ich einen Fehler mache, ist es mein Fehler, nicht deiner, Rain. Also, hilfst du mir oder nicht?«

Sie schwieg einen Augenblick.

»Nun?«

»In Ordnung«, sagte ich, weil ich ihre Meckerei satt hatte. »Vielleicht ist es besser, wenn du es selbst lernst.«

»Gut.« Nachdem ich nachgegeben hatte, wurde ihre Begeisterung für die Vorbereitung des Abendessens größer.

»Aber halt dich vom Oh Henry’s fern. Bitte«, drängte ich.

»Okay, aber Carlton meinte, Jerad hielte dich wirklich für hübsch«, enthüllte sie.

»Was meinst du damit?«, keuchte ich. »Warum habt ihr über mich geredet?«

»Ich erzähle dir doch nur, was Carlton gesagt hat. Jerad fand dich prima.«

»Lieber bekäme ich ein Kompliment von Frankenstein«, sagte ich.

Sie zuckte die Achseln.

»Jeder hier hat Angst vor Jerad.«

»Das macht ihn noch nicht zum Helden. Für mich wird er dadurch nur noch gefährlicher und widerlicher«, sagte ich.

»Zumindest macht ihn niemand schlecht«, triumphierte sie. »Selbst die Polizei geht ihm aus dem Weg.«

Sie kehrte in unser Zimmer zurück, um ihre Freundinnen anzurufen und ihnen ihre Neuigkeit mitzuteilen. Plötzlich hatte ich eine schreckliche Vorahnung. Es war, als wäre eine dunkle Wolke unter dem Fenster hindurchgeschlüpft, hätte sich an die Decke unserer Wohnung geheftet und wartete nur darauf, ihre Ladung kalten Regens über unsere mitleiderregende kleine Welt auszuschütten.

Zwei Tage später wäre es fast passiert. Wir kehrten gerade aus der Schule zurück. Jetzt, da Beni sicher war, dass ich ihre Bitte unterstützen würde, am Freitagabend zu Alicia zu gehen, hielten ihre Freundinnen sich zurück, und es gab keine weiteren Auseinandersetzungen mehr mit ihnen in der Schule. Sie wirkten arrogant und selbstzufrieden, als hätten sie eine wichtige Schlacht gewonnen.

Ich hatte nicht viele enge Freunde in der Schule. Ich hatte noch nie bei jemandem übernachtet. Jungen baten mich, mit ihnen auszugehen, aber wie Beni zutreffend feststellte, hatte ich noch nie einen richtigen Freund, und fast alle hatten aufgehört, mir nachzustellen. Die meiste Zeit verbrachte ich mit Lucy Adamson, einem Mädchen aus meiner Klasse, das mindestens zehn Kilo Übergewicht hatte und sehr intelligent und sehr schüchtern war. Von Zeit zu Zeit lernten wir zusammen, aber ich erzählte ihr nie persönliche Dinge und ganz besonders nichts über Beni und mich.

Am Donnerstag wollten Beni und ich nach der Schule wie üblich nach Hause gehen. Da ich mich einverstanden erklärt hatte, ihr bei Mama zu helfen, war sie wieder die Alte, redete pausenlos, erzählte mir von Carlton, seinen Vorlieben und Abneigungen, seiner Lieblingsmusik, sogar von seinen Lieblingsgerichten. Mir wurde klar, dass sie wirklich total in ihn verknallt war. Auf gewisse Weise war ich ein wenig eifersüchtig. Es war, als hätte dieses starke Gefühl für einen Jungen ihre Welt verändert, den trostlosen Grautönen, die sie umgaben, Farbe verliehen. Ihre Stimme klang heller, voller Vorfreude, voller Glocken und Musik. Sie sprach über ihre Haare, ihre Kleidung und wünschte, sie könnte ein paar von meinen Sachen tragen.

»Wäre das nicht schön, wenn wir die gleiche Größe hätten, Rain? Warum musste ich mit so breiten Hüften geboren werden, und schau dir an, wie schmal deine Schultern sind. Ich habe Schultern wie ein Footballspieler«, stöhnte sie.

»Nein, das stimmt doch nicht, Beni. Es können doch nicht alle gleich aussehen. Du hast eine gute Figur. Ich kenne viele Mädchen, die gerne so aussähen wie du.«

»Ja? Wer denn? Lucy Adamson?«, fragte sie.

»Genau, und viele andere auch.«

»Findest du wirklich, ich bin hübsch, Rain?«

»Ja, und ich sage das nicht nur, weil du meine Schwester bist, Beni. Du hast wunderschöne Augen.«

»Mama sagt nie so etwas.«

»Doch, das tut sie«, widersprach ich. »Ich habe es selbst gehört.«

»Wenn sie das getan hat, muss es schon lange her sein. Ich kann mich nicht daran erinnern.« Sie war einen Moment lang traurig, dann strahlte sie wieder. »Schau doch mal, ob du Roy dazu bewegen kannst, mir am Freitag seine Lederjacke zu leihen. Das macht er, wenn du ihn darum bittest, Rain. In der Jacke sehe ich richtig stark aus. Fragst du ihn? Machst du’s?«

»Okay«, versprach ich lachend. »Aber bestimmt würde er sie dir auch leihen, wenn du ihn selbst fragst.«

»Nein, würde er nicht. Er würde wieder damit anfangen, dass ich wie ein Junge aus einer Jugendgang bin. Er will nicht, dass ich gut aussehe.«

»Oh Beni, hör auf, so an ihm herumzunörgeln. Er liebt dich. Weil Ken ständig davonrennt, fühlt Roy sich für uns verantwortlich. Es ist nicht einfach, unser großer Bruder zu sein.«

Sie schaute mich mit schief gelegtem Kopf und eingezogenen Lippen an.

»Manchmal redest du, als wärst du zwanzig Jahre älter als ich, Rain. Dann frage ich mich, wie wir beide unter dem gleichen Dach aufgezogen wurden.«

Ich fing an zu lachen, aber es wurde nur ein kurzes Lächeln, weil direkt vor uns, an ein Auto gelehnt, Jerad Davis stand. Als er uns sah, richtete er sich auf. Er trug die gleiche Kleidung wie im Oh Henry’s, sah aber noch hässlicher und Furcht einflößender aus, als er lächelte und auf uns zuschlenderte.

»Schau mal einer an, in wen ich da reingelaufen bin, das Regenmädchen persönlich«, witzelte er.

Beni blieb stehen, den Mund weit geöffnet. Sie schaute mich voller böser Vorahnung an. Ich starrte ihn an, als ich stehen blieb, sagte aber nichts.

»Kannst du nicht hallo sagen? Es ist doch nicht so, dass wir uns nicht kennen. Zum Teufel, wir haben uns geküsst.«

»Du meinst, du hast dich mir aufgezwungen«, beschuldigte ich ihn. Er lachte nur.

»Du warst doch diejenige, die zu mir gerannt kam. Mädchen, ich habe über dich nachgedacht und beschlossen, dir etwas von meiner Zeit zu widmen.« Er schaute Beni an. »Wie ich höre, triffst du Carlton Freitagabend. Wie wäre es denn mit einer doppelten Verabredung, hm?«, fragte er und wandte sich wieder mir zu.

»Entschuldigung, wir müssen nach Hause«, sagte ich.

Ich wollte um ihn herumgehen, aber er trat mir in den Weg und streckte die Arme aus.

»Also, das ist nicht höflich, und ich habe allen, die ich getroffen habe, erzählt, dass ich den höflichsten Regen in der ganzen Stadt kennen gelernt habe.« Er lachte.

»Bitte, lass uns vorbeigehen«, sagte ich.

»Erst wenn ich noch einen Kuss bekomme«, erklärte er.

»Lieber küsse ich die Gosse.«

Er brüllte vor Lachen. Ich versuchte, um ihn herum zu gehen, aber er sprang mit ausgestreckten Armen, als wollte er mich umarmen, vor mich.

»Es hat dir gefallen, Baby. Gib’s zu.«

»Es war zum Kotzen«, sagte ich. »Das ist alles, was ich zugebe.«

Beni wirkte total entsetzt, der Ausdruck der Bestürzung in ihren Augen steigerte meine eigene Furcht noch. Jerads Gesicht verhärtete sich, seine Augen wurden wie Stein.

»Da ist nicht nett«, meinte er und blockierte mir noch immer den Weg.

»Lass sie vorbei«, rief eine Stimme hinter uns. Wir drehten uns um und sahen Roy, der zwischen zwei geparkten Autos auftauchte. Er hatte einen Schraubenschlüssel für Autoreifen in der Hand, hielt ihn wie einen Knüppel gepackt. Jerad rührte sich nicht, starrte Roy einfach nur an und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. Das kleine Lächeln auf seinen Lippen wurde kalt und schneidend.

»Wer zum Teufel bist du denn?«

»Ihr Bruder«, sagte Roy.

»Was hast du mit dem Schraubenschlüssel vor?«, fragte Jerad.

»Was auch immer ich tun muss«, erwiderte Roy. Er trat neben mich. Ich glaubte, im darauf folgenden Schweigen könnte jeder mein Herz wie eine Bongotrommel dröhnen hören.

Plötzlich zerfloss Jerads Gesicht wieder zu einem Lächeln.

»Also, genau das würde ich von einem guten Bruder erwarten. Du hast Glück, Rain. Du hast einen großen Bruder, der auf dich aufpasst.« Er wandte sich wieder Roy zu und schaute mich verschlagen an. »Bist du dir sicher, dass du nur wie ein Bruder auf sie aufpasst?«

»Was zum Teufel soll das denn heißen?«

»Ich weiß es nicht. Es könnte ja etwas dran sein. Vielleicht auch nicht. Er schleicht immer hinter dir her, hat ständig ein Auge auf deinen Hintern.«

Ich schaute Beni an, die den Blick gesenkt hielt, und dann Roy. Sein Gesicht glühte vor Zorn. Ich sah, wie er den Schraubenschlüssel fester packte, und schüttelte energisch den Kopf.

»Vielleicht möchte er dich ganz für sich behalten«, fuhr Jerad fort.

Roy warf mir einen Blick zu und wandte sich dann an Jerad, trat wutschnaubend auf ihn zu.

»Nur wenn man im Müll aufgewachsen ist, kann man auf so einen Gedanken kommen.«

Jerad lachte. Er ängstigte mich, weil er nicht im Geringsten von meinem Bruder eingeschüchtert wurde, dabei war mein Bruder doch so viel größer als er.

»Okay, pass auf sie auf.« Er hörte auf zu lächeln und starrte Roy an. »Aber wer passt auf dich auf, großer Bruder?«

»Ich passe selbst auf mich auf.«

»Vielleicht reicht das nicht.«

»Ich komme damit klar«, sagte Roy, ohne mit der Wimper zu zucken. Jerad lächelte wieder. Es war ein so kaltes Lächeln, dass seine Zähne wie Eisstücke aussahen.

Der Mut verließ mich, als hätte man in einen Luftballon gestochen. Ich glaube, seit Roy aufgetaucht war, hatte ich die Luft angehalten.

»Na gut, solange du damit klarkommst«, sagte Jerad. Er warf mir einen Blick zu. »Bis bald, Baby«, murmelte er und trat zurück.

Ich befürchtete, meine Beine würden versagen. Beni senkte den Blick auf den Bürgersteig. Wir gingen los.

»Geht einfach weiter«, befahl Roy uns. »Schaut euch nicht um.«

Ich sagte kein Wort. Ich beeilte mich und Beni ebenso. So erfuhren wir also, dass Roy die ganze Woche auf uns aufgepasst hatte. Er geleitete uns bis zu unserem Wohnblock.

»Ich muss zurück an die Arbeit«, sagte er, als wir ankamen. »Bleibt eine Weile von der Straße. Brauchst du noch was zum Abendessen heute Abend, Rain?«

»Mama hat nichts gesagt«, antwortete ich. Er starrte mich einen Augenblick an. Ich zitterte noch immer und war mir sicher, dass er es bemerkte.

»Mit dir alles in Ordnung?«

Ich nickte, und er schaute Beni an. Sie wirkte immer noch verängstigt, zitterte aber nicht wie ich.

»Vielleicht sollten wir die Polizei rufen, Roy?«, schlug ich vor.

»Nein, die machen doch nichts, Rain. Wir müssen auf uns selbst aufpassen. Deshalb«, betonte er und wandte sich dabei mehr an Beni als an mich, »müssen wir aufpassen, wohin wir gehen und wen wir treffen.«

Er warf mir erneut einen Blick zu, dann drehte er sich um und machte sich auf den Weg zurück zu Slim’s. Ich ging auf die Haustür zu, Beni war direkt hinter mir.

»Wie kommt es, dass er da war? Er muss uns gefolgt sein, uns die ganze Zeit beobachtet haben«, sagte sie.

»Und ich bin froh darüber«, sagte ich, obwohl ich mir jetzt größere Sorgen um ihn als um mich machte.

»Er hat Glück gehabt, dass Jerad seine Gang nicht bei sich hatte«, murmelte sie. »Vermutlich hatte er ein Messer oder eine Pistole dabei. Das war verrückt. Roy ist verrückt.«

Ich blieb stehen und drehte mich zu ihr um.

»Was hätten wir denn getan, wenn er nicht gekommen wäre, Beni?«

»Ach, es wäre doch nichts passiert«, beharrte sie. Ihr Gesichtsausdruck änderte sich, sie presste die Lippen zusammen. »Besser kneifst du jetzt nicht, mir wegen dieser Sache bei Mama zu helfen, Rain. Besser nicht.«

»Macht dir das keine Angst, was gerade passiert ist und was noch passieren könnte?«, fragte ich.

Sie zwang sich, entschlossen dreinzuschauen.

»Nein«, sagte sie.

Ich stieg die Treppe hoch und fand, Beni hatte Recht, sich darüber zu wundern, dass wir so verschieden waren und doch unter einem Dach lebten.

Wie sich herausstellte, waren wir doch gar nicht so verschieden, aber das war eine Entdeckung, die Beni selbst machen musste. An jenem Abend bat Beni Mama, zu Alicia gehen zu dürfen und am Freitag dort zu übernachten.

»Wer kommt alles da hin?«, fragte Mama schnell.

»Nur ich und meine Freundinnen«, sagte Beni. »Können Mädchen sich denn nicht einmal treffen und Spaß zusammen haben?«

Mamas Augen verengten sich zu zwei dunklen misstrauischen Schlitzen, besonders als Beni den Blick schuldbewusst abwandte. Mama wandte sich an mich.

»Stimmt das, Rain?«

»Sie hat die ganze Woche davon geredet, dorthin zu gehen«, sagte ich und ging so der Frage aus dem Weg.

»Wie waren denn deine Noten diese Woche?«

»Ich habe nirgendwo eine Fünf«, sagte Beni. Besonders gut war sie aber auch nirgendwo.

»Wer ist Alicia? Das Mädchen, dessen Mutter verhaftet wurde, weil sie betrunken im Kino war?«, fragte Mama.

»Nein«, sagte Beni. Mama schaute wieder mich an, aber ich wusste wirklich nichts darüber, deshalb schüttelte ich nur den Kopf.

»Wir gehen alle direkt nach der Schule hin, dann sind wir da, bevor es dunkel wird«, fuhr Beni fort.

»Du gehst nur zu ihr nach Hause?«

»Ja, Mama. Wir quatschen miteinander, bestellen uns Pizza und hören Musik. Darf ich gehen?« Sie hielt die Luft an.

Mama zögerte. Beni oder mir zu gestatten, abends etwas zu unternehmen, war eine Belastung für sie. Ich konnte fast sehen, welcher Aufruhr in ihrem Herzen tobte, die Angst, die über sie hereinbrach wie ein schnell aufziehendes Gewitter. Sie wollte ihre Kinder nicht wie ein Monster behandeln, aber sie hatte Angst um uns. Beni wusste das jetzt nicht zu schätzen, weil sie nur an ihr eigenes Vergnügen dachte.

»Aber geht ja nicht hinterher noch in irgendeinen Hip-Hop-Laden«, warnte Mama sie und sagte so ja. Beni wollte schon auf einen Stapel Bibeln schwören, aber davon wollte Mama nichts hören.

»Schau mir einfach ins Gesicht und sag mir, dass du nicht dorthin gehst, Beni Arnold, das ist alles, was ich verlange. Ich will, dass meine Kinder aufrichtig zu mir sind und mich nie belügen, verstanden?«

»Ja, Mama.«

»Wenn du anfängst, deine Familie zu belügen, verlierst du die Schlacht mit dem Teufel. Denk daran und beherzige es, wenn die anderen Mädchen dich dazu bewegen wollen, etwas zu tun, von dem du weißt, dass ich es nicht wollen würde«, ermahnte sie sie. »Ich war auch einmal so alt wie du und habe viele Fehler gemacht, Beni. Ich weiß, wie das ist, wenn sie dich drängen, das zu tun, was sie wollen.«

»Oh, Mama«, stöhnte sie.

»Oh, Mama, oh, Mama.« Mama seufzte tief, ihre Schultern sanken unter der Last ihrer Sorgen herunter. Ken war nicht zurückgekehrt und hatte auch nicht angerufen, seit er weggegangen war, und der Druck auf unsere kleine Welt wuchs. Wir saßen alle in einem kleinen Boot, das auf einem Meer voller Probleme hin- und hergeschleudert wurde.

»In Ordnung«, sagte sie, »aber sieh zu, dass es mir nicht Leid tut.«

Als Roy nach Hause kam, war er wütend, dass Mama Beni erlaubt hatte, auf die Party zu gehen. Er wandte sich an mich.

»Du gehst nicht mit?«, fragte er.

»Es sind doch nur Benis Freundinnen«, erklärte ich.

»Oh, ja, ich habe ein paar von ihren Freundinnen gesehen«, höhnte er. Ich musste wegsehen, sonst hätte er sofort gemerkt, was ich wusste. In dem Augenblick glaubte ich jedoch, dass es schlimmer sei, Beni zu hintergehen, als ihm die Wahrheit zu sagen.

Am Freitag ging sie direkt nach der Schule zu Alicia. Mama hatte es tatsächlich vergessen und fragte, wo sie war, als sie am Abend von der Arbeit nach Hause kam. Ich erinnerte sie daran.

»Oh, ja«, sagte sie und rieb sich die Wangen mit den trockenen Handflächen, um sich zu beleben. Sie sah so müde aus. »Ich hoffe, sie bringt sich nicht wieder in irgendwelche Schwierigkeiten«, murmelte sie. Sie dachte einen Augenblick lang nach und schaute mich dann eindringlich an. »Wie kommt es, dass du nicht auf Partys gehst, Rain, oder dich mit einem Jungen verabredest?«

»Ich weiß auch nicht, Mama. Vermutlich bin ich einfach zu wählerisch«, sagte ich. »Jedenfalls denken das alle anderen Mädchen über mich.«

»Gut.« Sie stach mit ihren Worten auf mich ein: »Gut. Sei wählerisch. Setz dir hohe Ziele. Du wirst es nicht bereuen.«

»Was ist, wenn sie zu hoch sind, Mama? Wenn sie nun so hoch sind, dass nie ein Junge mich bitten wird, mit ihm auszugehen?«, fragte ich.

»Der Richtige wird es schon tun, wenn die Zeit gekommen ist«, meinte sie voller Überzeugung. »Du bist etwas Besonderes, Rain. Vergiss das nie.«

»Warum bin ich etwas Besonderes?«, fragte ich.

Sie drehte mich um, so dass ich mich im Spiegel sehen konnte, während sie mich an den Schultern hielt und mit mir mein Spiegelbild anstarrte.

»Schau dir an, was du dort siehst, Mädchen. Du bist etwas Besonderes. Jeder kann sehen, dass mehr in dir steckt. Du bist nicht nur schön. Du hast Klasse, und eines Tages werde ich sehr stolz auf dich sein«, prophezeite sie mir.

Ich schüttelte den Kopf. Sah sie mich nur mit dem Blick einer Mutter oder erkannte sie wirklich etwas, das ich nicht sehen konnte, etwas, das ihr Alter und ihre Erfahrung sie lehrten? Ich hoffte, dass sie Recht hatte, hatte aber auch Angst davor. Umso mehr fürchtete ich, einen schrecklichen Fehler zu machen.

Als Roy von der Arbeit nach Hause kam, fragte er als Erstes, ob Beni tatsächlich auf die Party gegangen war oder nicht. Er war alles andere als glücklich darüber und murrte während des ganzes Abendessens vor sich hin, bis Mama ihn aufforderte, sich nicht länger Sorgen zu machen, sondern Dinge zu tun, die Jungs in seinem Alter machen.

»Warum suchst du dir nicht ein nettes Mädchen«, fragte sie ihn. »Es ist nicht normal, deine ganze Freizeit damit zu verbringen, den Mann im Haus zu spielen. Du hast ein eigenes Leben. Es war nie meine Absicht, meinen Kindern ihr Leben zu stehlen, verstehst du?«

»Du stiehlst mir überhaupt nichts, das ich dir nicht geben will, Mama«, sagte er.

Sie lächelte und sah mich an. Dann wurde sie wieder traurig.

»Meine Kinder müssen schneller erwachsen werden als andere. Das ist doch nicht richtig.«

»Es ist zu gefährlich, ein Kind zu sein, wenn man hier lebt«, meinte Roy. »Man muss erwachsen werden.«

»Das ist wahr. Der Reverend sagt das auch. Die kostbare Zeit der Unschuld ist kürzer für uns.«

Mama verfiel in eine ihrer tiefen Depressionen. Ich versuchte sie abzulenken, indem ich sie dazu brachte, von ihrer eigenen Kindheit und ihrer Mutter zu erzählen, und wo sie überall gewesen war. Sie erzählte ein wenig, aber nach dem Abendessen schloss sie die Augen und schlief fast auf ihrem Platz ein. Roy und ich räumten auf, und Mama ging fernsehen. Das bedeutete, sie schlief in ihrem Sessel ein und wachte nach den Spätnachrichten auf, um dann ins Bett zu gehen.

»Warum gehen wir nicht ins Kino?«, schlug Roy plötzlich vor.

»Du musst deine Zeit nicht damit verbringen, mich zu belustigen, Roy«, sagte ich ihm. »Ich muss noch etwas lesen.«

»Das ist kein Opfer für mich. Ich möchte mir gern einen Film anschauen und gehe nicht gerne allein«, sagte er.

»Mama hat Recht, Roy. Du solltest dich mit Mädchen verabreden.«

Er wurde böse.

»Und was ist mit dir?«

»Wenn ich jemanden finde, den ich mag, und wenn er mich fragt, dann gehe ich«, sagte ich.

»Genauso denke ich auch darüber«, sagte er, und wir mussten beide lachen. »In der Zwischenzeit können wir doch zusammen ins Kino gehen. Ich habe Geld, das nur darauf wartet, ausgegeben zu werden.«

Bei Roy fühlte ich mich immer sicher, und das lag nicht nur daran, dass er groß und stark war wie Ken. Er war immer wachsam, vorsichtig, wusste, was um uns herum auf den Straßen vor sich ging, und er wachte über mich wie ein Schutzengel. Ohne ein Wort nahm er meinen Arm und führte mich behutsam, aber entschlossen über eine Straße oder wartete, bis ein Gangmitglied an uns vorübergegangen war. Roy glaubte, dass es einfacher und klüger war, Konfrontationen zu meiden. Das machte dich nicht zum Feigling, es machte dich cleverer.

Keiner von uns sagte ein Wort über die schmutzigen Dinge, die Jerad angedeutet hatte, als Roy uns am Nachmittag gerettet hatte. Aber ich spürte, dass er ein wenig gehemmter war bei jedem Blick, mit dem er mich streifte, bei jeder Berührung. Früher hätte ich mir nichts dabei gedacht, dass er meine Hand nahm, wenn wir durch die Straßen gingen. Er war mein großer Bruder. Warum nicht? Aber plötzlich umgab uns eine ganz neue Welt von Bedeutungen bei jeder Bewegung, die wir machten, jedem Wort, das wir sprachen, jedem Blick, den wir wechselten. Sogar etwas so Unschuldiges wie ein großer Bruder, der seine Schwester einlädt, mit ihm ins Kino zu gehen, bereitete mir ein wenig Unbehagen, aber ich wollte nicht, dass er das merkte, deshalb stimmte ich zu und wir gingen.

Es war ein Film mit viel Action und Spezialeffekten, dass man aus dem Sitz hochfuhr, es gab aber auch eine heiße Liebesgeschichte. Das Publikum war laut, und ein paar Jungen vor uns fingen an zu kämpfen. Sie wurden hinausgeworfen. Ich erkannte, dass es Jungen aus unserer Schule waren.

»Idioten«, murmelte Roy. »Sie benehmen sich genau so, wie die Leute es von ihnen erwarten.«

Roy war keiner, der für große Ziele kämpfte oder bei Organisationen mitmachte. Er blieb für sich, war ein Einzelgänger, hatte aber seine festen Überzeugungen über die Beziehungen zwischen den Rassen und über Gleichheit. Er hielt nie große Reden, aber aus dem, was er hier und da sagte, wusste ich, dass er sich schämte, wie die Leute in The Projects sich benahmen. Deshalb hasste er die Straßengangs so sehr und war nie mit Jungen zusammen, die zu einer gehörten.

»Solange wir uns so verhalten, wie sie es von uns erwarten, werden wir immer Bürger zweiter Klasse sein«, erklärte er. Mehr sagte er nicht darüber. Er ging Auseinandersetzungen aus dem Weg und geriet nie in Diskussionen über diese Fragen. Ken tobte und schrie manchmal über die Ungleichbehandlung, gab jedem von der Zeit des ersten Sklavenschiffes an die Schuld an seinen eigenen erbärmlichen Umständen, aber Roy stimmte nie in diese Klagen ein, und es machte Ken immer zu schaffen, dass sein Sohn nicht seine Sprüche nachplapperte.

»Hat dir der Film gefallen?«, fragte Roy, als wir das Kino verließen.

»Ja. Also, die Karambolagen und Explosionen nicht so sehr, aber mir gefiel, wie er am Ende zusammenbrach und eingestand, dass er immer nur sie geliebt hatte.«

Roy lachte.

Über uns in einem Wohnblock hatte jemand die Fenster geöffnet, und Musik drang auf die Straße. In der Ferne stieg ein Düsenjet in den Himmel, den Sternen entgegen, und trug Leute in Richtung Westen, vielleicht nach Kalifornien.

»Du stehst auf Liebesgeschichten, was?«

»Es ist schön, jemanden zu haben, der sich mehr um dich kümmert als du selbst«, sagte ich.

Roy schaute mich an, und wir gingen eine Weile nebeneinander her. Eine Gruppe von Teenagern ging an uns vorüber, rannte über die Straßen und zwang dabei die Autos abzubremsen. Manche Fahrer hupten, aber das machte die Kids nur noch aufsässiger. Sie verschwanden um die Ecke.

»Ihnen ist einfach nur langweilig«, sagte ich. »Deshalb geraten sie in Schwierigkeiten.«

»Vielleicht sind sie einfach schlecht.«

»Sie könnten gut sein«, hielt ich dagegen. Roy lachte.

»Du bist so lieb, Rain. Weißt du, warum ich nicht viel mit anderen Mädchen ausgehe? Ich versuche ein Mädchen wie dich zu finden, eine, die auch an andere Leute denkt. Die meisten Mädchen, die ich kenne, sind zuallererst in sich verliebt. Darüber reden sie die ganze Zeit, wenn sie mit mir zusammen sind, sich selbst, ihre Kleidung, ihr Haar, ihre Figur, und dann fischen sie ständig nach Komplimenten. Sehe ich nicht gut aus? Gefällt dir mein Haar so, oder soll ich mehr Make-up tragen? Sie kennen die Antworten. Sie wollen nur, dass ich mich wie ihr Fanclub anhöre.«

Ich lachte.

»Was ist denn so komisch?«

»So habe ich dich noch nie erlebt«, sagte ich.

»Ich kann nichts dafür. Manchmal kommt es über mich. Du gibst nie an oder machst Beni schlecht. Ich beobachte euch und höre euch beiden zu, Rain. Und du bist das hübscheste Mädchen in der ganzen verdammten Schule«, erklärte er.

»Das bin ich nicht, Roy Arnold.«

»Doch, das bist du. Und das wissen sie auch. Was glaubst du, warum andere Mädchen so gemein zu dir sind? Sie sind einfach eifersüchtig.«

»Das sagst du nur, weil du mein Bruder bist«, meinte ich lachend.

»Ich sage das nicht über Beni, Rain. Sie ist nicht hässlich, aber sie ist nicht so schön wie du.«

Ich spürte, wie mir die Wärme in Hals und Gesicht stieg, und schaute schnell weg. Roy hatte mir so etwas noch nie so direkt gesagt, und ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte.

»Es ist nicht gut für ein Mädchen, so eitel zu sein. Das ist eine Sünde, Roy. Du hast doch gehört, wie oft Mama das gesagt hat.«

»Du sollst ja nicht hochnäsig sein. Aber du darfst auch nicht das Gefühl haben, unter irgendjemandem zu stehen, Rain.«

»Jeder hat Fehler, Roy. Ich auch. Mach dir kein Bild eines Traummädchens, dass du es nie erreichen kannst«, sagte ich. »Ich möchte nicht, dass du einsam bist. Du verdienst das beste Mädchen, das es gibt.«

»Im Augenblick habe ich es bei mir«, sagte er. Er drückte meine Hand, und während wir nach Hause gingen, fragte ich mich, ob ich das glauben sollte, was er über mich gesagt hatte.

Mama schlief, als wir nach Hause kamen, aber als wir die Wohnung betraten, waren wir beide geschockt. Auf dem Tisch stand ein Sixpack Bier. Roy warf mir einen Blick zu, dann gingen wir langsam ins Wohnzimmer. Ken lag ausgestreckt auf der Couch, sein Arm baumelte herab. Er war wieder zu Hause.

Roy und ich sahen einander an, und er schüttelte den Kopf. Wir fühlten uns beide wie Preisboxer, bevor die nächste Runde eingeläutet wird.

Haus der Schatten

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