Читать книгу Wie Blüten im Wind - V.C. Andrews - Страница 13

Ich, eine Verführerin?

Оглавление

Unten im Wohnzimmer schien warmes, rotes Licht aus dem Kamin. Die dicken Holzscheite glühten nur noch dunkelrot, und Paul saß in seinem warmen roten Hausmantel in seinem hohen Lehnstuhl und zog bedächtig an seiner Pfeife.

Ich starrte auf seinen von Pfeifenrauch umgebenen Kopf und sah vor mir jemanden, der sich genauso nach Nähe und Wärme sehnte, nach dem Gefühl, geliebt zu werden, wie ich. Wie so oft benahm ich mich wie eine Närrin und schlich auf meinen nackten Füßen lautlos zu ihm. Wie schön, daß er unser Geschenk so gerne anzog. Auch ich trug ein Geschenk von ihm – ein durchsichtiges türkisfarbenes Nachtjäckchen aus feinster Seide, das ich über ein Nachthemd in der gleichen Farbe geworfen hatte.

Er blickte überrascht auf, mich mitten in der Nacht plötzlich dicht neben seinem Stuhl zu entdecken. Er sagte kein Wort, denn das hätte den Zauber gebrochen, der uns einen Augenblick lang auf seltsame Art miteinander verband.

Es gab eine Menge über mich selbst, das ich nicht wußte, und ich verstand den Impuls nicht, der mich trieb, ihm mit meiner Hand über die Wange zu streicheln. Seine Haut fühlte sich rauh an und stachelig, so als hätte er eine Rasur nötig. Er lehnte den Kopf zurück gegen den Sessel und hob mir sein Gesicht entgegen.

»Warum streichelst du mich, Catherine?«

Die Frage klang hart und kalt. Ich hätte mich von seiner Stimme zurückgewiesen und verletzt fühlen können, aber seine Augen waren weiche, warme, unergründliche Seen des Verlangens, und ich hatte ein Verlangen wie dieses schon gesehen, wenn auch noch nicht in solchen Augen, wie er sie hatte. »Magst du es nicht, gestreichelt zu werden?«

»Nicht von einem verführerischen jungen Mädchen in durchsichtigem Nachthemd, das fünfundzwanzig Jahre jünger ist als ich.«

»Vierundzwanzig Jahre und sieben Monate«, korrigierte ich ihn, »und meine Großmutter mütterlicherseits hat einen Mann von fünfundfünfzig geheiratet, als sie gerade sechzehn geworden war.«

»Sie war verrückt, und er muß es auch gewesen sein.«

»Meine Mutter hat erzählt, daß sie ihm eine gute Frau gewesen ist«, fügte ich hinzu.

»Warum bist du nicht oben in deinem Bett und schläfst?« fuhr er mich an.

»Ich kann nicht schlafen. Ich glaube, ich bin zu aufgeregt, weil ich morgen zum erstenmal in die Schule gehe.«

»Dann wäre es das Beste für dich, wenn du jetzt schnell einschliefst.«

Ich entfernte mich einige Schritte von ihm. Ich wollte wirklich gehen, denn ich hatte noch immer in erster Linie den Gedanken an warme Milch im Kopf, aber es gesellten sich jetzt andere Gedanken dazu, die wesentlich verführerischer waren. »Dr. Paul ...«

»Ich hasse es, wenn du mich so nennst«, unterbrach er mich. »Rede mich mit meinem Vornamen an oder rede überhaupt nicht mit mir.«

»Ich habe das Gefühl, daß ich dir irgendwie meinen Respekt zeigen muß, denn du verdienst ihn so sehr.«

»Ich pfeife auf den Respekt! Ich bin nicht anders wie alle Männer. Ein Arzt ist nicht unfehlbar, Catherine.«

»Warum nennst du mich Catherine?«

»Warum sollte ich dich nicht Catherine nennen? Es ist doch dein richtiger Name, und er hört sich viel erwachsener an als Cathy.«

»Vor einem Augenblick oder so, als ich deine Wange berührt habe, hast du mich mit deinen Augen angefunkelt, als hättest du es gar nicht gerne, daß ich erwachsen werde.«

»Du bist eine kleine Hexe. Von einer Sekunde zur nächsten verwandelst du dich aus einem naiven kleinen Mädchen in eine verführerische, provozierende Frau, die genau zu wissen scheint, was sie tut, wenn sie mir die Hand auf die Wange legt.«

Meine Augen wichen seinem Blick nach diesem direkten Angriff aus. Mir war heiß und unwohl, und ich wünschte mir, ich wäre direkt in die Küche gegangen. Ich starrte die wertvollen, schönen Bücher an und die überall aufgebauten kleinen Kunstgegenstände, an denen er so hing. Alles, was ich sah, erinnerte mich daran, daß er nach nichts solche Sehnsucht hatte wie nach Schönheit.

»Catherine, ich möchte dich etwas fragen, was mich eigentlich wirklich nichts angeht. Aber es muß trotzdem sein. Was ist zwischen dir und deinem Bruder?«

Mir begannen die Knie nervös zu zittern. O Gott, sah man es unseren Gesichtern an, unseren Augen, unseren Blicken?

Warum mußte er diese Frage stellen? Es ging ihn wirklich nichts an. Er hatte kein Recht, mich darüber auszufragen. Die Vernunft hätte mir sagen müssen, daß es besser war, sich auf die Zunge zu beißen, als die Worte von mir zu geben, mit denen ich jetzt auf eine lahme, verschämte Weise seine Frage beantwortete.

»Würde es dich sehr schockieren, zu hören, daß Chris und ich uns in dieser Ewigkeit, die wir zusammen eingesperrt waren, nicht ausschließlich als Bruder und Schwester begegnet sind? Chris hat mir auf dem Dachboden einen Übungsbalken gebaut, so daß ich täglich meine Ballettübungen machen und daran glauben konnte, daß ich eines Tages eine große Ballerina sein würde. Und während ich auf dem weichen, verfaulten Holz tanzte, saß er in dem Dachboden-Schulraum und brütete über alten Lexikas und seinen medizinischen Büchern. Aber er hörte auch meine Tanzmusik und irgendwann kam er. Er stand in den Schatten der riesigen Dachbalken, sah mir zu und ...«

»Erzähl weiter«, drängte Paul mich, als ich schwieg. Ich stand mit gesenktem Kopf da, war in die Vergangenheit zurückgekehrt und hatte ihn ganz vergessen. Da beugte er sich plötzlich vor, griff nach mir und zog mich auf seinen Schoß. »Sag mir, wie es weitergegangen ist.«

Ich wollte es ihm nicht erzählen, aber seine Augen waren so brennend und verlangend, daß er eine völlig andere Person zu sein schien.

Ich schluckte mehrmals, bevor ich zögernd weitererzählte. »Musik hatte mir schon immer etwas ganz Besonderes bedeutet. Schon als ich noch ein kleines Mädchen war. Ich kann völlig in ihr aufgehen, mich in ihr verlieren, und wenn ich tanze, bin ich eins mit der Musik. Aber wenn ich aus dem Zauberreich der Musik zurückkehrte, dann brauchte ich jemand, der mich liebte, sonst hätte ich mich in der Wirklichkeit furchtbar einsam und verloren gefühlt. Und ich habe vor nichts solche Angst, wie vor diesem Gefühl.«

»Du hast also auf dem Dachboden getanzt«, wiederholte er, »und bist durch dein Zauberreich der Musik geschwebt, und der einzige, der dir mit seiner Liebe half, in die Wirklichkeit zurückzufinden, war dein Bruder?« In seinen Augen brannte ein eisiges Feuer, als er das sagte. »Stimmt das? Aber das war eine andere Liebe als die Liebe, die ihr für eure Zwillinge empfunden habt? Die hast du geliebt wie eine Mutter ihre Kinder, das weiß ich. Ich sehe es jedesmal, wenn du Carrie ansiehst oder etwas über Cory erzählst. Aber was für eine Art von Liebe empfindest du für Christopher? Ist sie mütterlich? Die Liebe einer Schwester? Oder ist es –« Er unterbrach sich, wurde rot und schüttelte mich. »Was hast du mit deinem Bruder gemacht, als ihr da oben eingeschlossen wart, ganz für euch alleine?«

Von Panik überwältigt, schüttelte ich energisch den Kopf und stieß seine Hände von meinen Schultern. »Chris und ich sind immer anständig gewesen! Wir haben uns alle Mühe gegeben, es zu sein. Die größte Mühe!«

»Die größte Mühe?« fuhr er mich aufgebracht an. Seine Augen verfolgten mich mit einem drohenden bohrenden Blick, als wäre der freundliche, gütige ältere Herr, den ich immer in ihm gesehen hatte, nur eine Maske gewesen. »Was, zum Teufel, heißt, die größte Mühe?«

»Das ist alles, was du wissen mußt!« zischte ich und erwiderte seinen Blick aus Augen, in denen eine heiße rote Wut glühte, die der seinen in nichts nachstand. »Du wirfst mir wohl vor, ich wolle dich verführen. Aber in Wirklichkeit tust du das. Du sitzt da und frißt mich mit den Augen auf! Du ziehst mich mit deinen Blicken aus. Du nimmst mich mit deinen Augen zu dir ins Bett. Und dabei redest du über Ballettschulen und schickst meinen Bruder aufs College, während du im stillen genau weißt, daß du dafür irgendwann deinen Preis haben willst. Und ich weiß genau, was für eine Art Preis das ist.« Ich riß mein Nachtjäckchen über der Brust auf, so daß er den spitzengesäumten Ausschnitt meines Nachthemdes vor sich hatte. »Schau dir an, was für Geschenke du mir gemacht hast. Ist das die Art von Nachthemd, die ein fünfzehnjähriges Mädchen trägt? Nein! So etwas trägt eine Braut in ihrer Hochzeitsnacht! Und du hast es mir gegeben, und du hast Chris’ Stirnrunzeln gesehen, aber du hattest nicht einmal den Anstand, rot zu werden.«

Sein Lachen verspottete mich. Ich roch den starken roten Wein, den er so gerne vor dem Schlafengehen trank. Sein Atem strich warm über mein Gesicht, sein Gesicht war mir so nahe, daß ich die schwarzen, drahtigen Stoppeln auf seiner Haut überdeutlich sehen konnte. Es war der Wein, der ihn so handeln ließ, dachte ich. Nur der Wein. Jede Frau auf seinem Schoß wäre ihm jetzt recht – jede! Spielerisch berührte er meine Brustspitzen, tippte sie eine nach der anderen an und wagte dann, seine Hand in meinen Ausschnitt zu schieben, so daß er die junge Brust streicheln konnte, die von dieser unerwarteten Liebkosung prickelnd brannte. Meine Brustwarzen wurden hart, und ich keuchte fast so schwer wie er. »Würdest du dich für mich ausziehen, Catherine?« flüsterte er auf eine herausfordernd spöttische Art. »Würdest du dich nackt auf meinen Schoß setzen und mich gewähren lassen? Oder würdest du mir diesen venezianischen Aschenbecher über den Kopf schlagen?«

Er starrte mich an und wirkte plötzlich schockiert darüber, wo seine Hand hingerutscht war. Er riß sie aus meinem Nachthemd, als hätte er sich an meinem Fleisch verbrannt. Schnell zog er mir das Nachtjäckchen über der Brust zusammen und versteckte wieder, was seine hungrigen Augen vorhin verschlungen hatten. Sein Blick hing an meinen Lippen, die halb offen standen und seinen Kuß erwarteten, und ich glaube, er hatte eigentlich auch vorgehabt, mich zu küssen. Aber dann gewann er seine Kontrolle völlig zurück und stieß mich von sich. In diesem Moment krachte über uns ein Donnerschlag, und ein gewaltiger Blitz fuhr in einen Telefonmast in der Nähe. Ich sprang hoch und schrie laut auf.

So plötzlich, wie er seine Hände von mir genommen hatte, verwandelte er sich wieder in den beherrschten, zurückgezogenen Arzt – einen verschlossenen, einsamen Mann, der darauf achtete, niemandem zu nahe zu kommen. Wie klug ich war, das in meiner ganzen Unschuld sofort erkannt zu haben, bevor er mich anfuhr: »Was, zum Teufel, hast du hier halbnackt auf meinem Schoß zu suchen? Warum hast du zugelassen, was ich da gerade getan habe?«

Ich sagte nichts darauf. Er schämte sich. Ich konnte es deutlich im Licht des heruntergebrannten Feuers und dem grellen Flackern der Blitze sehen. Durch seinen Kopf schossen alle möglichen quälenden, schuldbewußten, sich selbst verdammenden Gedanken. Doch ich wußte, daß es meine Schuld war. Es war immer meine Schuld.

»Es tut mir leid, Catherine, was über mich gekommen ist, als ich mich eben so benommen habe.«

»Ich verzeihe dir.«

»Warum verzeihst du mir?«

»Weil ich dich liebe.«

Wieder zuckte sein Kopf hoch, so daß ich ihn im Profil sehen und in seinen Augen lesen konnte. »Du liebst mich nicht«, sagte er ruhig. »Du bist nur dankbar für das, was ich für dich getan habe.«

»Ich liebe dich. Und ich gehöre dir, wie und wann immer du mich willst. Und du kannst sagen, daß du mich nicht liebst, aber du lügst dabei, denn ich sehe es jedesmal in deinen Augen, wenn du mir nachblickst.« Ich drängte mich nah an ihn und drehte seinen Kopf so, daß er mir ins Gesicht blicken mußte. »Als Mammi uns das alles angetan hat, da habe ich mir geschworen, ich würde nie jemandem meine Liebe verweigern, wenn er sie braucht, und ich sie erwidern kann. Am ersten Tag, als ich hierher kam, sah ich schon die Liebe in deinen Augen. Du mußt mich nicht heiraten, liebe mich einfach, wann immer du es brauchst.«

Er hielt mich in seinen Armen, und wir sahen gemeinsam dem Gewitter zu. Der Winter kämpfte gegen den Frühling, und diesmal gelang es ihm, noch einmal Sieger zu bleiben. Bald hagelte es nur noch, Donner und Blitz zogen weiter, und ich fühlte mich so ... so wie jemand, der das Richtige getan hat. Wir waren uns so ähnlich, er und ich. »Warum hast du keine Angst vor mir?« fragte er mich sanft, während seine große zärtliche Hand mir über die Haare und den Rücken streichelte. »Du weißt, daß du nicht hier sein solltest in meinen Armen. Daß du dich nicht von mir auf diese Art streicheln lassen darfst.«

»Paul ...«, begann ich zögernd, »ich bin nicht schlecht, und Chris ist das auch nicht. Als wir damals zusammen eingeschlossen waren, haben wir ehrlich versucht, alles zu tun, was in unserer Macht stand, damit zwischen uns nichts passierte. Die Großmutter gab uns eine lange Liste von Regeln, die wir strikt befolgen mußten. Es war uns sogar verboten, einander auch nur anzusehen. Inzwischen glaube ich zu wissen, warum. Aber unsere Augen trafen sich so oft mit langen wortlosen Blicken, mit denen er mich trösten konnte, wenn ich seinen Trost mehr brauchte, als alles andere auf der Welt. Das war doch nichts Schlechtes?«

»Ich hätte nicht danach fragen sollen. Natürlich mußtet ihr beide euch ansehen. Dazu habt ihr schließlich eure Augen bekommen.«

»So wie wir diese drei langen Jahre leben mußten, konnte ich einfach nicht viel über Mädchen in meinem Alter wissen. Aber schon als ganz kleines Mädchen war ich von allen schönen Dingen hingerissen. Aber mehr als alles andere, mehr noch als die Sonne, Blumen und frische Luft, liebte ich die Musik. Sie wärmt mich von innen und holt mich auf Zauberreisen in Marmorpaläste oder in wundervolle magische Wälder, und ohne diese Musik in meinem Inneren hätte ich die Jahre auf dem Dachboden nicht überstanden. Als ich damals zu meiner Musik tanzte, da tanzte in meinen Gedanken immer ein dunkelhaariger Mann mit mir. Wir berührten einander niemals, auch wenn ich es immer wieder versuchte. Ich sah niemals sein Gesicht, so sehr ich es mir auch wünschte. Einmal habe ich ihn bei seinem Namen gerufen, aber als ich aufwachte, konnte ich mich an seinen Namen nicht mehr erinnern. Deshalb glaube ich einfach, daß ich im Grunde nur in ihn verliebt bin, wer immer er auch sein mag. Jedesmal, wenn ich einen Mann mit dunklem Haar sehe, der sich auf graziöse Art bewegt, kommt es mir vor, als könnte er dieser Mann sein.«

Er lächelte und spielte mit seinen Fingern in meinem losen Haar. »Nein, was für ein romantisches Mädchen du doch bist!«

»Du willst mich auf den Arm nehmen. Du glaubst, ich bin noch ein Kind. Du glaubst, es wäre überhaupt nicht aufregend, mich zu küssen.«

Grinsend akzeptierte er die Herausforderung und senkte seine Lippen ganz langsam meinem Mund entgegen. Oh! So fühlte sich das also an – ein Kuß von einem Fremden. Ein warmes Prickeln lief durch meinen Körper, und ich spürte Erregung an all jenen Stellen, an denen ein »Kind« in meinem Alter sie nicht spüren sollte. Erschrocken riß ich mich von ihm los. Ich war böse und gottlos, die Satansbrut, das war ich!

Und Chris würde völlig schockiert sein!

»Was, zum Teufel, machen wir hier eigentlich?« knurrte er wütend, als mein Zauber plötzlich von ihm abgefallen war. »Was für ein kleines Teufelsbiest bist du eigentlich, daß du mich dazu bringst, dich hier so intim zu küssen? Du bist sehr schön, Catherine, aber du bist trotzdem nur ein Kind.« Dann verdunkelte eine bestimmte Art von Erkenntnis seinen Blick, als er sich meine Motive durch den Kopf gehen ließ. »Nun hör mal zu. Das eine mußt du irgendwie in deinen hübschen Kopf hineinbekommen – du bist mir nichts schuldig, gar nichts! Was ich für dich getan habe, für deinen Bruder und deine Schwester, habe ich gerne und freiwillig getan, ohne dafür irgendeinen Lohn zu erwarten. Ohne irgendeine Art von Bezahlung zu wünschen – hast du das verstanden?«

»Aber ... aber ...«, stammelte ich. »Ich habe es immer schon gehaßt, wenn der Regen nachts so wild gegen die Fenster trommelt. Zum erstenmal fühle ich mich heute hier im Haus warm und beschützt, weil ich bei dir in deinen Armen vor dem Feuer sitze.«

»Beschützt?« spottete er böse. »Du denkst, du wärest bei mir sicher, wenn du so auf meinem Schoß sitzt und mich auf diese Art küßt? Was denkst du, woraus ich gemacht bin?«

»Aus dem gleichen Material wie alle anderen Männer auch, nur aus besserem.«

»Catherine«, sagte Paul mit einer sanfteren und freundlicheren Stimme, »ich habe in meinem Leben schon so viele Fehler gemacht, und ihr drei gebt mir endlich eine Gelegenheit, etwas davon wieder gutzumachen. Sollte ich noch einmal so weit gehen, daß ich Hand an dich lege wie vorhin, dann will ich, daß du laut um Hilfe rufst. Und wenn niemand da ist, dann rennst du in dein Zimmer oder greifst dir den nächsten schweren Gegenstand und schlägst ihn mir über den Kopf.«

»Ohhhh«, flüsterte ich, »und ich dachte, du liebst mich!« Tränen tropften mir über die Wangen. Ich fühlte mich wieder wie ein kleines Kind, das dafür bestraft wurde, nicht genug bekommen zu können. Wie albern von mir, zu glauben, daß die Liebe heute schon an meine Tür geklopft hätte. Er hob mich sanft von seinem Schoß und stellte mich auf meine Füße. Aber er behielt seine Hände auf meinen Hüften, während er mich eindringlich ansah.

»Mein Gott, du bist wirklich schön und begehrenswert«, erklärte er mit einem Seufzer. »Aber führe mich nicht zu sehr in Versuchung, Catherine – zu deinem eigenen Besten!«

»Du brauchst mich ja nicht zu lieben.« Mein Kopf war gebeugt, so daß meine Haare mein Gesicht verbargen, und ich aus diesem sicheren Versteck schamlos sagen konnte: »Benutze mich einfach, wenn du mich brauchst; das ist genug. Mein Körper gehört dir.«

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und nahm die Hände von meinen Hüften. »Catherine, laß mich nie wieder so ein Angebot aus deinem Mund hören. Du lebst in einem Märchenland, nicht in der Realität. Kleine Mädchen können sich sehr weh tun, wenn sie anfangen, die Spiele von Erwachsenen zu spielen. Hebe deinen Körper für den Mann auf, den du einmal heiratest – und warte um Gottes willen, bis du erwachsen bist. Wirf dich nicht gleich in Sexspiele mit dem ersten Mann, der dich begehrt.«

Ich wich vor ihm zurück und fürchtete mich vor ihm, während er aufstand und mir folgte, so daß ich in Reichweite seiner Arme blieb. »Schönes Kind, die Augen von ganz Clairmont sind auf dich und mich gerichtet. Man beobachtet uns und stellt Spekulationen an. Für meine Praxis bin ich auf einen guten Ruf angewiesen, und auch mein Gewissen möchte ich mir gerne von dieser Belastung freihalten. Deshalb halt dich fern von mir, ich bin auch nur ein Mann, kein Heiliger.«

Erschrocken wich ich noch weiter von ihm ab. Mich packte die Angst vor dem, was ich heute nacht angefangen hatte. Ich floh die Treppe hinauf, als wäre mir jemand auf den Fersen. Denn im Grunde war er gar nicht der Typ von Mann, den ich wollte. Ein Arzt, vielleicht ein Frauentyp – aber bestimmt nicht der Mann, der mir meine Träume einer ewig treuen, ewig jungen, romantischen Liebe erfüllen konnte.

Die Schule, auf die Paul mich schickte, war sehr groß und modern. Sie hatte sogar ihr eigenes Schwimmbad. Meine Klassenkameradinnen fanden, daß ich gut aussähe und eine komische Aussprache hätte, wie ein Yankee. Manchmal lachten sie über mein langgezogenes »a«. Ich mochte es nicht, ausgelacht zu werden. Es gefiel mir nicht, anders zu sein. Ich wollte einfach so sein, wie alle anderen Mädchen in meinem Alter auch, aber ich mußte erfahren, wie sehr ich mich bereits von ihnen unterschied. Wie hätte es auch anders sein können. Sie hatte aus mir etwas anderes gemacht. Ich wußte, daß auch Chris sich an seiner Schule einsam fühlte, denn auch er war in den vergangenen drei Jahren aus dem Schritt mit der Welt gekommen. Ich machte mir auch wegen Carrie Sorgen, für die das Alleinsein noch viel schwieriger sein mußte als für uns. In meinen Gedanken verfluchte ich Mammi tausendmal dafür, daß sie uns zu Außenseitern gemacht hatte. Und meine Klassenkameradinnen ließen mich auf jede nur mögliche Art spüren, daß ich nie zu ihnen gehören würde.

Nur an einem Platz hatte ich das Gefühl, wirklich dazu zu gehören. Sofort nach Schulschluß lief ich zu einem Bus und fuhr direkt zur Ballettschule. In meiner Schultasche lagen unter den Büchern immer das Trikot und die anderen Ballettsachen. Im Umkleideraum teilten die Mädchen all ihre Geheimnisse. Sie erzählten sich lächerliche Geschichten über Sex und manchmal ziemlich böse Witze. Sex lag in der Luft, umgab uns überall wie ein heißer Sommerwind. Jungmädchenhaft und albern diskutierten sie ausführlich, ob sie sich ihren Körper für ihren späteren Ehemann aufheben sollten. Sollten sie beim Petting die Kleider ausziehen – sollten sie es »bis zum Schluß« machen und wie konnte man einem Typ wieder entkommen, wenn man ihn erst völlig »unschuldig« scharf gemacht hatte?

Weil ich mich so viel weiser als die anderen fühlte, trug ich zu solchen Unterhaltungen nie etwas bei. Wenn ich gewagt hätte, von meiner Vergangenheit zu erzählen, diesen einsamen Jahren mit ihrer verbotenen, heißen Liebe, ich konnte mir richtig vorstellen, wie ihnen da die Augen aus dem Kopf getreten wären. Aber daraus hätte ich ihnen keinen Vorwurf machen können. Nein, ich machte niemandem einen Vorwurf, außer derjenigen, die dafür verantwortlich war, daß alles so gekommen war. Mammi!

Eines Abends kam ich nach Hause und schrieb meiner Mutter einen langen, haßerfüllten Brief – und dann wußte ich nicht, an welche Anschrift ich ihn schicken sollte. Ich legte den Brief zur Seite, bis ich die Adresse in Greenglenna herausgefunden hatte. Eines war klar, ich wollte um jeden Preis vermeiden, daß sie unseren Aufenthaltsort erfuhr. Sie hatte zwar die Gerichtsvorladung erhalten, aber in dieser Vorladung stand weder Pauls Anschrift noch irgendeine nähere Angabe über uns. Es war nur ein Gerichtsformular mit Standardformulierungen gewesen. Doch früher oder später würde sie von mir zu hören bekommen.

Rasch hatte ich bei Madame die leichten Übungen wiederholt und kam zu den schwierigeren Sachen, die weh taten und endlose Wiederholungen verlangten. Samstags, wenn ich keine Schule hatte, übten wir oft acht bis zehn Stunden. Zwischendurch gingen wir vier- oder fünfmal unter die Dusche, wenn wir von Schweiß klebten.

Zu hören, daß ich gut war, exzellent sogar, hob mich in den siebten Himmel ... Also hatte ich von den Jahren auf dem Dachboden wenigstens für das Tanzen etwas gewonnen. Das ging mir immer wieder durch den Kopf, wenn ich tanzte und tanzte und tanzte, und George auf dem alten Flügel spielte. Und dann war da noch Julian.

Irgend etwas zog ihn immer wieder zurück nach Clairmont. Erst hatte ich gedacht, seine Besuche wären nur Egotrips. Er wolle sich gerne sehen, wie er in unserer Mitte seine Solos tanzte und unsere Augen an jeder seiner Bewegungen klebten. Seine unglaublich graziösen Sprünge schienen die Schwerkraft aufzuheben, und doch kehrte er von diesen grand jetés weich wie eine Feder auf den Boden zurück. In seinen wirbelnden Drehungen verschwamm sein muskulöser Körper zu einer Woge der Schönheit. Nachher stand er mit mir in einer Ecke und erklärte mir, daß es seine Art zu tanzen war, die seiner Vorführung den besonderen Reiz gab.

»Wirklich, Cathy, du hast überhaupt noch kein Ballett gesehen, solange du nicht in New York gewesen bist.« Er gähnte, als langweile ihn alles grenzenlos, und wandte seine forschenden, schwarzen Augen Norma Belle zu, die in ihrem dünnen, halbdurchsichtigen weißen Trikot an uns vorbeirauschte. Schnell fragte ich ihn, warum er so oft nach Clairmont zurückkam, wenn New York doch der einzige richtige Platz für einen Tänzer wie ihn war.

»Um meine Mutter und meinen Vater zu besuchen«, sagte er mit einer gewissen Gleichgültigkeit. »Madame ist meine Mutter.«

»Oh, das wußte ich nicht.«

»Natürlich nicht. Ich laufe nicht herum und binde es jedem auf die Nase.« Dann lächelte er hinreißend hinterhältig. »Bist du noch Jungfrau?« Ich sagte ihm, daß ihn das nichts anginge, und darüber mußte er laut lachen. »Du bist viel zu gut für dieses Provinznest, Cathy. Du bist anders. Ich weiß nicht genau, was es ist, aber gegen dich wirken alle anderen Mädchen plump und langweilig. Was ist dein Geheimnis?«

»Was ist deines?«

Er grinste und legte mir die Hände flach auf die Brust. »Ich bin einfach Klasse, das ist alles. Ich bin der beste Tänzer, den es gibt. Und die ganze Welt wird das bald erfahren.« Wütend schlug ich ihm die Hände zur Seite. Ich trat ihm kräftig auf den Fuß und wich einen Schritt zurück. »Laß das!«

So plötzlich, wie er sich mit mir befaßt hatte, verlor er jedes Interesse und ließ mich einfach stehen, so daß ich verwirrt hinter ihm her starrte.

An den meisten Tagen fuhr ich vom Ballett direkt nach Hause und verbrachte meine Zeit mit Paul. Wenn er nicht übermüdet war, bereitete es immer viel Spaß, mit ihm zusammenzusein. Er erzählte mir von seinen Patienten, ohne sie mit Namen zu nennen. Oder er gab Geschichten aus seiner Kindheit zum besten, wie er immer schon ein Arzt werden wollte, genau wie Chris. Nach dem Abendessen mußte er immer sofort los, um die Runde durch seine drei Krankenhäuser zu machen, zu denen auch eines in Greenglenna gehörte. Ich half Henny solange beim Aufräumen, während ich sehnsüchtig auf Pauls Rückkehr wartete. Manchmal sahen wir zusammen fern, und manchmal ging er mit mir ins Kino. »Bevor du hier warst, ging ich nie ins Kino.«

»Nie?« fragte ich.

»Na, jedenfalls fast nie«, sagte er. »Ich hatte natürlich hin und wieder ein paar Verabredungen, bevor du gekommen bist, aber seit ihr hier seid, löst sich meine Zeit in nichts auf. Ich komme zu nichts mehr.«

»Das liegt daran, daß du so viel mit mir redest«, erklärte ich ihm und neckte ihn mit meinen Fingern, mit denen ich ihm spielerisch über die glattrasierten Wangen streichelte. »Ich glaube, inzwischen weiß ich mehr über dich, als über irgend jemanden sonst auf der Welt, außer Chris und Carrie.«

»Nein«, sagte er mit fester Stimme, »ich erzähle dir nicht alles über mich.«

»Warum nicht?«

»Du brauchst nicht alle meine dunklen Geheimnisse zu kennen.«

»Ich habe dir doch meine eigenen dunklen Geheimnisse erzählt, und du hast dich nicht mit Entsetzen von mir abgewandt.«

»Geh ins Bett, Catherine!«

Ich lief noch einmal zu ihm und küßte ihn flüchtig auf eine Wange, die sehr gerötet war. Dann stürmte ich die Treppe hinauf. Oben auf dem Treppenabsatz drehte ich mich um und sah ihn, wie er unten in der Tür lehnte und mir nachsah, als würde ihn nichts so faszinieren, wie der Anblick meiner langen Beine unter dem kurzen rosa Babydoll-Nachthemd.

»Und lauf bitte nicht so halbnackt durchs Haus!« rief er zu mir hinauf. »Du solltest immer einen Bademantel tragen.«

»Paul, du hast mir dieses Ding doch geschenkt. Ich dachte mir, du würdest mich gerne darin sehen. Ich dachte, daß ich dir darin besonders gefalle.«

»Du denkst zuviel.«

Morgens stand ich sehr früh auf, schon vor sechs, so daß ich noch mit Paul zusammen frühstücken konnte. Er mochte es gerne, wenn ich ihm dabei Gesellschaft leistete, obwohl er es nicht sagte. Ich merkte es ihm deutlich an. Er war meinem Zauber verfallen, ich hatte ihn verhext. Mehr und mehr lernte ich so zu sein wie Mammi.

Ich hatte den Eindruck, er versuchte mir auszuweichen. Aber ich ließ es nicht zu. Er war derjenige, von dem ich lernen konnte, was ich über mich wissen mußte.

Sein Zimmer lag am anderen Ende des Flurs, weit entfernt von meinem. Ich wagte nie, nachts zu ihm zu gehen, wie ich zu Chris gegangen war. Chris und Carrie fehlten mir furchtbar. Wenn ich morgens aufwachte, tat es mir weh, sie nicht im Zimmer bei mir zu sehen. Es schmerzte mich noch mehr, daß sie dann auch nicht am Frühstückstisch saßen. Und wenn Paul nicht dort gesessen hätte, glaube ich, hätte ich jeden Tag mit Tränen begonnen anstatt mit einem aufgesetzten Lächeln.

»Lächle für mich, meine Catherine«, sagte Paul eines Morgens, als ich stumm auf meinen Teller mit Eiern und Schinken starrte. Ich blickte überrascht auf, denn in seiner Stimme klang etwas mit, als würde er mich heute besonders brauchen.

»Sprich meinen Namen nie wieder so aus«, erwiderte ich heiser. »Chris hat mich immer seine Lady Catherine genannt, und ich mag es nicht, wenn mich irgend jemand anders seine Catherine nennt.«

Er sagte kein einziges Wort darauf, legte nur die Zeitung aus der Hand, stand auf und ging in die Garage. Von dort fuhr er jeden Morgen zu seinen Krankenhäusern, danach hielt er seine Sprechstunden hier im Haus ab, und ich bekam ihn bis zum Abendessen nicht mehr zu Gesicht. Ich sah nie genug von ihm, nie genug von allen, die mir am Herzen lagen.

Nur an den Wochenenden, wenn Chris und Carrie zu Hause waren, schien er wirklich glücklich mit mir zu sein. Aber wenn Chris und Carrie dann wieder an ihre Schulen zurückgekehrt waren, trat etwas Besonderes zwischen uns, das uns trennte und zugleich näherbrachte – ein winziger Funke, der von einem zum anderen übersprang und mir sagte, daß er sich zu mir genauso hingezogen fühlte, wie ich mich zu ihm. Ich fragte mich, ob er dafür wirklich die gleichen Gründe hatte wie ich. Versuchte er den Erinnerungen an seine Julia zu entkommen, indem er sein Herz für mich öffnete? Genauso wie ich versuchte, mich auf diese Art von Chris zu lösen?

Aber die Scham, die ich für meine Gefühle empfand, mußte größer sein als seine, so dachte ich damals jedenfalls. Mir schien es, als könne ich die einzige mit einer düsteren, häßlichen Vergangenheit sein. Ich dachte im Traum nicht daran, daß jemand, der so großherzig und edelmütig wie Paul war, auch düstere Seiten in seinem Leben haben konnte.

Zwei Wochen vergingen, und Julian kam wieder einmal aus New York zurück. Diesmal sorgte er dafür, daß nicht zu übersehen war, wem sein Interesse galt. Er war nur meinetwegen nach Clairmont gekommen. Ich fühlte mich geschmeichelt, aber ich kam mir auch ein wenig linkisch vor, denn er hatte bereits den großen Erfolg, von dem ich noch träumte. Er fuhr mit einem alten, selbst zusammengeflickten Auto durch die Gegend, dessen Teile alle vom Schrottplatz stammten. »Wenn man mal vom Tanzen absieht, mache ich nichts so gerne, wie an alten Autos basteln«, erklärte er mir, als er mich nach der Ballettprobe nach Hause fuhr. »Wenn ich eines Tages reich bin, werde ich große, tolle Wagen fahren, drei oder vier oder vielleicht auch sieben, für jeden Wochentag einen anderen.«

Ich lachte. Das klang so überheblich und überstieg alles Denkbare. »Bekommt man so viel Geld als Tänzer?«

»So wie ich tanze, werde ich eines Tages an das große Geld rankommen«, erwiderte er zuversichtlich. Ich wandte den Kopf und sah mir sein hübsches Profil an. Wenn man die einzelnen Teile seines Gesichtes Stück für Stück betrachtete, fand man durchaus Fehler darin, denn seine Nase hätte schöner sein können, und seine Haut hätte etwas mehr Farbe haben können. Seine Lippen waren zu voll und zu rot und vielleicht auch zu leidenschaftlich. Aber wenn man alles zusammen betrachtete, dann sah er einfach außergewöhnlich gut aus. »Cathy«, begann er und warf mir einen langen Seitenblick zu, während sein winziges Auto furchtbar schaukelte, »du würdest von New York begeistert sein. Es gibt dort so viel zu sehen und zu tun, man kann dort so großartige Erfahrungen machen. Der Doktor, mit dem du zusammenlebst, ist ja nicht dein richtiger Vater. Du solltest nicht hier hängenbleiben, nur um ihm einen Gefallen zu tun. Denk darüber nach, wie du so bald wie möglich nach New York kommen kannst.« Er legte mir den Arm um die Schulter und zog mich zu seinem Sitz hinüber. »Was für ein Team wären wir zwei, du und ich.« Mit einer weichen, lockenden Stimme malte er mir unser Leben in New York in den schönsten Farben aus. Dabei wurde ganz deutlich, daß ich unter seinem Schutz stehen und in seinem Bett schlafen würde.

»Ich kenne dich gar nicht«, antwortete ich und wand mich aus seinem Arm. »Ich kenne deine Vergangenheit nicht, und du kennst meine nicht. Wir haben überhaupt nichts gemeinsam, wir wissen nicht, ob wir zusammenpassen, und wenn mir deine Aufmerksamkeit auch schmeichelt, jagst du mir doch Angst ein.«

»Warum? Ich will dich doch nicht vergewaltigen.«

Ich haßte ihn, weil er das gesagt hatte. Ich hatte absolut keine Angst davor, daß er mich vergewaltigen könnte. Im Grunde wußte ich gar nicht, warum ich mich vor ihm fürchtete; ich glaube, es war eher die Angst vor meiner eigenen Schwäche. »Erzähl mir, wer du bist, Julian. Erzähl mir von deiner Kindheit, von deinen Eltern. Erzähl mir, warum du glaubst, du wärst ein Gottesgeschenk für die Tanzwelt und für jede Frau, die dir über den Weg läuft.«

Nachdenklich zündete er sich eine Zigarette an – was nicht gerade das war, was ich mir gewünscht hatte. »Laß uns heute abend zusammen ausgehen. Ich lade dich ein, und dann wirst du die Antworten bekommen, die du haben möchtest.«

Wir waren vor Pauls Haus angekommen. Julian hielt unten vor der Auffahrt, und ich blickte zu den Fenstern hinauf, die in dem rötlichen Abendlicht sanft schimmerten. Es kam mir so vor, als könnte ich Hennys dunklen Schatten hinter einem Fenster geschäftig hin- und herhuschen sehen. Sie schien plötzlich stehenzubleiben und aus dem Fenster zu sehen, wer da wohl vor unserem Haus angehalten hatte. Ich dachte an Paul, aber mehr als an irgend jemand sonst dachte ich an Chris, die bessere Hälfte meines Charakters. Ob Chris mit Julian einverstanden wäre? Wahrscheinlich nicht, aber ich sagte trotzdem ja und verabredete mich für nach dem Abendessen. Es war das erste Mal, daß ich mich von jemandem für den Abend einladen ließ. Es sollte ein denkwürdiger Abend werden!

Wie Blüten im Wind

Подняться наверх