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„Seelendialog“ und Zeugnis

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Neben dieser Funktion des Seelendialogs (vgl. Platons Sophistes 263 e 3–5) gibt es aber auch noch die Zeugnisfunktion der Cahiers: Mounier will sich der tatsächlichen Ereignisse versichern, um gewissermaßen ein zukünftiges Wahrheitsarchiv gegen sich selbst, d.h. seine Erinnerung, anzulegen. Die innere wie die äußere Funktion zeigen das Spannungsverhältnis, in der sich die menschliche Person befindet: Das eigene Selbst meditierend, aber immer in Beziehung zur Welt und zu den anderen Personen, die dadurch ein Recht auf ein „wahres“ Zeugnis erlangen.

Die anderen Personen treten aber nicht erst im Nachgang zur eigenen Person hinzu, sondern sind ihr immer schon ko-präsent. Mouniers Notizen modellieren daher nicht seine Begegnungen nach seinem Gusto, sondern bezeugen die Gegenwart der eigenen Person in der Gegenwart der anderen Personen – und sind diese nicht vorhanden, tritt an ihre Stelle in Anlehnung an die platonische Dialogdefinition ein „innerer Gesprächspartner“: „Die wichtigste von allen [unseren Arbeitsmethoden] ist die, dass die Intelligenz ein Werk des Dialogs ist. Wenn sie niemanden hat, mit dem sie in Dialog treten kann, erschafft sie sich selbst einen imaginären Gesprächspartner, um mit sich selbst in Dialog zu treten. Ihre Erfahrung besteht darin, dass der Monolog tötet. Sie kennt ihn und nennt ihn fixe Idee, und die fixe Idee treibt in den Wahnsinn. Eine physische Kraft geht ihren Weg geradeaus und alle Widerstände, die ihr begegnen, sind für sie nur Reibungsverluste. Eine Idee lebt nur dadurch, dass sie sich auf diese Widerstände stützt. Sie festigt sich durch ihre Opposition, vervielfacht sich durch ihr Netz, entsteht durch ihre Kontaktnahmen.“4 Erkenntnis ist also nicht, wie in cartesianischer oder kantischer Perspektive, die alleinige Leistung eines Subjekts, sondern immer schon in einen intersubjektiven Prozess eingebunden, und das Gespräch ist in diesem niemals etwas Zweitrangiges. Diese philosophische Positionierung, die Mounier stark an die zeitgenössischen phänomenologischen Arbeiten eines Maurice Merleau-Ponty und die personalistischen eines Maurice Nédoncelles heranrücken, ist an dieser Stelle wichtig, um zu verstehen, dass auch seine Notizen diesen intersubjektiven Prozess widerspiegeln.

Geist & Leben 3/2021

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