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Spiritualität des Gesprächs

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In ihnen spiegelt sich zudem eine Art „Spiritualität“ oder „Meditation“ des Gesprächs und der zwischenmenschlichen Begegnung, die Mounier in sich als Verantwortung „spürt“: „Ich bin ein Mensch der Konversation, der Meditation, des Dialogs, welcher die strenge Verantwortung seiner Meditation zwischen den Menschen spürt und der ihr nur nachkommen will in einer stetigen Kommunikations- und Dienstbereitschaft.“ (721) Die Meditation geschieht in Begegnung mit anderen, im Ereignis des Gesprächs. Deshalb schreibt Mounier Mitte September 1949, wenige Monate vor seinem Tod, an seinen Freund Jean-Marie Domenach: „Das Ereignis wird unser innerer Meister sein.“8 Die Aufzeichnungen zu den Ereignissen, die Entretiens, sind so auch Spuren dieses „inneren Meisters“, von dem sich Mounier geleitet weiß. Er schreibt in der ersten Person Plural: Auch das Ereignis ist keine alleinige Angelegenheit eines autonomen Subjekts, sondern hat intersubjektiven Charakter und wird auch immer die Person des anderen bezeugen – womit auch die Wahrheit des Zeugnisses eine Rolle spielt. Nach der Niederlage Frankreichs im Sommer 1940 sieht er in seinen Aufzeichnungen ein „Konservatorium der Wahrheit“: „Diese Aufzeichnungen haben nichts von einem ‚intimen Tagebuch‘. Ich schrieb Ähnliches, als ich jung war – vertraulicher. Mir ist der Gedanke daran ganz einfach abhandengekommen, als wir zu zweit dasselbe Leben führten. Auch um Fakten aufzuschreiben, welche ich bereute, eines Tages nicht mehr wiederzufinden. Warum komme ich darauf zurück? (…) Das Motiv: Jacques [Lefrancq] und Paul Fraisse zu erlauben, sich dadurch zwischen uns wiederzufinden, wenn die Mauer des Schweigens fällt. Der Grund: Wir treten in eine Periode des Untergrunds ein, in der nicht mehr jeder Gedanke ausgesprochen, jede Tatsache veröffentlicht, jede Absicht verdeutlicht werden kann. Für einige und für die Zukunft ein kleines Konservatorium der Wahrheit anlegen.“ (592) Dieses Zitat zeichnet noch einmal die Entwicklung nach, welche Mounier selbst in seiner Aufzeichnungspraxis sieht und in der drei Phasen unterschieden werden können. Die Aufzeichnungen der ersten Phase, vor der Freundschaft und Ehe mit seiner Frau, kennzeichnet er als „vertraulicher“ – die Notizen als Spiegel, weil er sich selbst gegenüber Zeugnis ablegen will, dass er den anderen in den Begegnungen gerecht wird. In der zweiten Phase halten seine Notizen lediglich äußere Fakten fest – als Stütze für die richtige Rekonstruktion der Ereignisse. Schließlich ist die dritte Phase durch die Umstände bestimmt und hat eine klare Aufgabe: Die Wahrheit in Zeiten der Lüge bewahren, als Zeugnis für die Freunde (Lefrancq ist ein langjähriger Freund, bei dem Mounier Paulette kennengelernt hat, und der Kopf Esprits in Belgien; Fraisse ein enger Mitarbeiter der Zeitschrift – von beiden ist Mounier durch den Krieg getrennt).

Geist & Leben 3/2021

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