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In der Liebe

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Im Kleinen stehen wir im Glauben vor der gleichen Herausforderung. Der geliebte, vertraute Mensch kann uns sehr fremd werden. Habe ich mir auch von ihm »ein Bildnis gemacht« (Ex 20,4), ein Wunschbild? »Alle, die Bildern dienen, werden zuschanden«, diagnostiziert der Psalmist.

Und wieder Bonhoeffer: »Gott hat den andern nicht so gemacht, wie ich ihn gemacht hätte. Er hat ihn mir … gegeben, dass ich über ihm den Schöpfer finde. In seiner geschöpflichen Freiheit wird mir nun der Andere Grund zur Freude, während er mir vorher nur Mühe und Not war. Gott will nicht, dass ich den Andern nach dem Bilde forme, das mir gut erscheint, also nach meinem eigenen Bilde, sondern in seiner Freiheit von mir hat Gott den Andern zu seinem Ebenbilde gemacht. … Gott schafft den Andern zum Ebenbilde seines Sohnes, des Gekreuzigten, und auch dieses Ebenbild schien mir ja wahrhaftig fremd und ungöttlich, bevor ich es ergriff.«13

So wie ich phasenweise am anderen leide, so wird sie oder er auch an mir leiden. So trägt einer des andern Last, wechselseitig.


Ich darf davon ausgehen, dass es meinem Gegenüber mit mir ganz ähnlich ergeht. So wie ich phasenweise am anderen leide, so wird sie oder er auch an mir leiden. So trägt einer des andern Last, wechselseitig. Solches Ringen ist ein Lebensthema, auch im Begleitgespräch. Und von Mal zu Mal eine leidvolle, doch unumgängliche Krise des Klärens und Weiterwachsens.14 Auch der Mensch, den wir am besten zu kennen glauben, bleibt uns im letzten fremd, weil er anders ist als wir und weil auch wir uns selbst im letzten, im Unbewussten, fremd bleiben und auch anders sind, als wir denken. »Das Äußerste und Beste, was wir zu tun vermögen, ist, dieses Andere (beim anderen wie bei uns selbst, GL) wenigstens zu ahnen, zu achten …«15

Am Ende eines langen Wegs des Aneinander- und Miteinanderreifens wird vermutlich die Dichterin Marie Luise Kaschnitz uns aus dem Herzen sprechen, die nach dem Tod ihres Mannes schrieb:

»Ihr sollt in mir sehen

Einen von zweien

Und hinter meinen Worten

Unruhig horchen

Auf die andere Stimme.«16

Inspiration 3/2021

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