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Caerdydd, Wales, Anfang des 16. Jahrhunderts

Der Sturm trieb den eiskalten Regen vor sich her. Er wehte vom Land zur See, und auf den Docks von Caerdydd gab es nichts, das irgendeinen Schutz vor ihm bot. Zumindest nicht hier, unmittelbar an der Anlegestelle. Weiter landeinwärts befanden sich Lagerhäuser und eine Werft, gleich dahinter der Pferdemarkt, in dessen Richtung der Duke of Glenmorgan eben verschwunden war. Der Schiffsjunge, ein eifriger kleiner Kerl, sollte derweil auf das Gepäck des Herzogs Acht geben – und auf seine Lady, die ebenfalls hier wartete.

Die junge Herzogin von Glenmorgan zog ihr weites Cape enger um sich. Sie fröstelte und wünschte sich zurück aufs Schiff. Unterdeck hätte sie sich bei diesem Wellengang zwar auch nicht sehr sicher gefühlt, doch immerhin geborgen vor den Unbilden des Wetters. Eigentlich wünschte sie sich ohnehin zurück an den Ausgangspunkt dieser Reise. In Sizilien war es warm und sonnig gewesen, sie hatte die Kälte, den Sturm und den immer währenden Regen eines Winters in Wales fast vergessen. Sekundenlang gab sie sich Tagträumen hin: Der Orangenhain, angrenzend an die Gärten des Schlosses, eine Decke im warmen Gras, ihr Geliebter, der ungeschickt eine Orange für sie schälte und dabei den Saft über ihr Mieder verspritzte ...

»So pass doch auf, mein Ritter! Nimm dein Schwert, wenn es sein muss, um die Frucht zu zerteilen!« – Sein spitzbübisches Lächeln: »In den Gärten der. Liebe pflege ich keine Schwerter aus Eisen zu tragen. Aber komm, lass uns Abhilfe schaffen. Wenn ich kein Schwert brauche, so benötigst auch du keinen Panzer ...« Langsam hatte er ihr Mieder geöffnet und ihre Brüste befreit. Sie spürte noch den Saft der Orange auf der Haut und dann seine Zunge, mit der er sie zärtlich davon reinigte. Sie wusste noch, wie wohlig sie ihm dabei ihren Körper entgegenstreckte, wie sie ihm ihrerseits aus den Kleidern half und lachte, als sie seine zum Stoß bereite Lanze enthüllte. »Doch nicht gar so friedlich, mein Herr?« Sie liebten sich langsam und im Wohlgefühl völliger Sicherheit im Schatten des Orangenbaums und stillten ihren Durst dann mit seinen Früchten. Sie würde ewig die Süße dieser Küsse schmecken, den lauen, südlichen Wind auf ihrer Haut spüren und den scharfen und doch schmeichelnden Duft des Orangenhains einatmen ...

Ein Windstoß riss die Lady aus ihren Erinnerungen und brachte sie unsanft zurück in die Wirklichkeit. Wohin war nur dieses Gefühl der Unbeschwertheit, das sie in Sizilien so anhaltend umfangen hatte? Seit dem Antritt der Reise, vor allem aber seit der Ankunft in diesem Land, dem sie doch eigentlich heimatliche Empfindungen entgegenbringen sollte, fühlte sie sich ängstlich und gereizt. Dabei gab es eigentlich keinen Grund dafür. Sie war hier mit ihrem rechtmäßig angetrauten Gatten, dem Erben umfangreicher Ländereien, Dörfer und Burgen. Wahrscheinlich würden sie noch heute nach Glenmorgan Castle reiten, um dort ihre Ansprüche anzumelden. Und wenn ihr Gemahl sie jetzt warten ließ, so sicher nur, weil es doch länger dauerte, zwei Pferde für die Reise zu wählen und den Preis dafür auszuhandeln. Sie kannte den Duke: Wenn es um Pferde ging, würde er nicht ruhen, bis er das Tier mit den sanftesten Bewegungen für sie gefunden hatte, und dazu eines für sich, das feurig und doch gelassen genug war, sich dem Gang des Zelters anzupassen. Dabei konnte er glatt vergessen, dass sie hier allein mit einem wenig vertraueneinflößenden Knaben im Regen stand! Sie versuchte sich einzureden, dass es nur der Ärger über ihren Gatten war, der ihr Herz rasen und ihre Nerven bloßliegen ließ, und dass nur der Wind und der Regen für ihr Zittern und Frösteln verantwortlich waren. Tatsächlich empfand sie jedoch eine unklare, aber zweifellos düstere Vorahnung, eine diffuse Furcht vor der Zukunft und den Verwicklungen, die sie in der Burg zu Glenmorgan erwarteten. In dem verzweifelten Versuch, sich wenigstens vor der Kälte zu schützen, zerrte sie die schwere Kapuze über ihr sorgsam aufgestecktes Haar. Noch immer empfand sie es als ungewohnt, ihre Locken mit Kämmen und Spangen zu bändigen, wie es einer Ehefrau anstand. In Sizilien hatte sie dafür eine Zofe gehabt, und auch in Glenmorgan Castle würde sich ein Mädchen finden. Wenn die Lage nur erst geklärt wäre ... Wieder beschleunigte sich der Herzschlag der Lady, als gäbe es Grund, sich zu fürchten.

»Hier bin ich, Geliebte! Es tut mir Leid, dass du warten musstest!«

Während sie versucht hatte, ihre nagende Unsicherheit zu verdrängen, hatten sich zwei Pferde genähert. Ihr Gatte saß auf dem einen und führte ein zweites am Zügel. Sie erkannte, dass es mit einem bequemen Damensattel ausgestattet war, und lächelte.

»Du hättest dir die Mühe mit dem Zelter nicht machen müssen – und gar noch mit dem Seitsattel ... ich hätte auch ein ganz normales Pferd genommen«, sagte sie freundlich. Wie immer vertrieb sein Anblick all ihre Sorgen. Sein leicht gebräuntes Gesicht, sein dunkles, halblanges Haar, das jetzt regennass war und sich in der Feuchtigkeit lockte ... »Vielleicht wären wir damit sogar schneller vorwärts gekommen.« Wieder empfand sie einen seltsamen Zwiespalt der Gefühle: Vorwärtskommen, hinaus aus dem Regen. Sie sehnte sich danach, im Trockenen zu sein und den schweren Mantel abstreifen zu können. Aber nicht nach Glenmorgan Castle, nicht auf die Burg von Glenmorgan ...

»Meine Lady wird auf einem standesgemäßen Ross in ihrem Schloss einreiten. Auch wenn ich dafür die letzten Perlen versetzen musste. Macht es dir etwas aus?«

Die junge Frau lachte. »Nein, ich brauche keinen Schmuck. Dieser Ring genügt mir!«, sie drehte an ihrem schlichten Ehering, neben einer winzigen Anstecknadel das Einzige, was von ihrem Brautschatz übrig geblieben war. »Aber das ist ein schöner Name für diese Stute. Lass sie uns ›Pearl‹ nennen ...«

Die dunkle Stute – ihre Farbe war in der Abenddämmerung und im Nieselregen kaum zu erkennen – blickte die Lady erwartungsvoll an. Obwohl die junge Frau protestierte, stieg der Herzog ab und half ihr in den Sattel. Sie nutzte die Gelegenheit, sich leicht an ihn zu lehnen und seinen Körper zu erspüren. Solange sie nur zusammen waren, würde alles gut werden ...

»Wollen wir wirklich noch diese Nacht nach Glenmorgan reiten?«, fragte sie schließlich. »Ich bin völlig durchgefroren, und dein Mantel schützt dich auch nicht vor diesem Sturm. Gibt es nicht einen standesgemäßen Gasthof?«

Der Earl überlegte. Im Gegensatz zu seiner Gattin brannte er darauf, die Mauern von Glenmorgan Castle wiederzusehen und die Burg in Besitz zu nehmen. Aber ein nächtlicher Ritt bei diesem Wetter reizte ihn nicht. Schon jetzt brannten seine Lungen von dem scharfen Wind, und der Regen durchdrang seine Kleider. Wollte er wirklich wie ein Dieb in der Nacht, verfroren und abgekämpft in das Haus seiner Väter zurückkehren? Einer möglichen Auseinandersetzung mit Osbert würde das nicht zuträglich sein. Er wog das Für und Wider kurz gegeneinander ab und nickte seiner Frau dann zu.

»Du hast Recht. Wir werden im Silbernen Schwan absteigen. Das ist etwas außerhalb des Hafenviertels, ein schlichter Gasthof, aber ein ehrenwertes Haus ...«

Sie lachte. »Als ob ich mich an den Silbernen Schwan nicht erinnerte! Es war unsere Hochzeitsnacht, weißt du nicht mehr? Aber du konntest an nichts anderes denken als an den Schmuck in deinen Satteltaschen und daran, welche Räuber und Tagediebe womöglich nebenan schliefen.«

»Bist du nicht später ausgiebig entschädigt worden?«, fragte er zärtlich und liebkoste ihre Hand, die eben die Zügel ordnete. Das Pferd war nicht groß, sie konnte sich zu ihm herabbeugen und ihn küssen. Die Berührung seiner von Wind und Regen rauen Lippen und seiner eiskalten Hände mahnte sie jedoch zur Eile. Es war Zeit, dass sie aus diesem Wetter herauskamen.

»Habe ich mich beklagt?«, fragte sie und legte ein Locken in ihre Stimme. Heute Nacht gab es kein Geschmeide mehr zu bewachen im Zimmer des Silbernen Schwans. Sie würde ihren Liebsten ganz für sich haben – und sie malte sich auch schon aus, wie sie ihn wärmte.

Das Gasthaus war bald erreicht, und für die Pferde fand sich ein trockener Platz im Stall. Auch der Herzog und seine Gattin wurden ehrerbietig begrüßt und an den Kamin geleitet. Der Wirt holte Wein und schnitt Braten für sie auf, die Wirtin servierte warmes Brot. Der Lady erschienen die Wirtsleute aber etwas zu tatterig, und ihre ständigen Verneigungen und Knickse wirkten aufgesetzt und abstoßend. Drei Mal betonten sie die Ehre, tatsächlich den Duke und die Duchess of Glenmorgan zu beherbergen, und schienen begierig darauf zu horchen, ob die beiden dem auch nicht widersprachen. Dem jungen Paar wurde das bald lästig, und sie zogen sich früh in ihr einfaches Schlafgemach zurück. Den Boten, der gleich darauf das Gasthaus verließ und die Schritte seines Pferdes nach Glenmorgan Castle lenkte, bemerkten sie nicht.

Am nächsten Morgen hatte sich der Wind etwas gelegt, und es hatte aufgehört zu regnen. Der Duke und seine Lady bestiegen zeitig ihre Pferde. Der Gasthof wurde ihnen zunehmend unheimlich. Die Wirtin, die ständig um sie herumscharwenzelte, der Wirt, der schon am frühen Morgen Wein servierte ... Es schien, als wollten die beiden sie gar nicht gehen lassen, sogar das Satteln der Pferde dauerte endlos.

Die junge Lady atmete auf, als sie endlich unterwegs waren. Ihr Pferd schritt munter unter ihr aus, ihre Kleider waren getrocknet, und das frohe, sorglose Gesicht ihres Liebsten neben ihr betäubte ihre Ängste. Vielleicht war diese seltsame Ahnung doch nur ein Nachtmahr gewesen, geboren aus der durch die Wetterunbilden getrübten Stimmung. Sie lächelte dem Herzog zu und trieb ihre Stute zum Galopp an. Auch sie wollte jetzt rasch nach Glenmorgan Castle. Je früher sie die Begegnung mit seinem Vetter hinter sich brachten, desto besser. Und nun, da das Wetter aufklarte, freute sie sich auch auf das Wiedersehen mit dem Land, der gewaltigen Burg auf den Klippen und dem freundlichen, heimeligen Dorf in den Hügeln von Glenmorgan County.

So weit sollte es allerdings nicht kommen. In einem lichten Wäldchen, vielleicht zwei Reitstunden von der Burg entfernt, wurde ihre Reise rüde unterbrochen. Die Stute Pearl – im Tageslicht hatte sie sich als Dunkelfuchs erwiesen – scheute vor dem Aufblitzen von Metall unter einem vorwitzigen Sonnenstrahl. Die Lady hatte einiges damit zu tun, sie zu zügeln, während sechs schwer bewaffnete Männer aus dem Wald traten.

»Wer seid Ihr?«, fragte ihr Anführer mit lauter, aber noch heller und junger Stimme. Sein Gesicht war unter dem Helm nicht erkennbar, das Visier war heruntergeklappt wie auch bei allen anderen Rittern. »Ihr betretet hier das Land von Glenmorgan. Was ist der Grund Eures Kommens?«

Der Herzog schaute verwundert um sich. Er konnte sich an keine Grenzstation in diesem Wald erinnern, bislang waren Fremde immer ungeprüft eingelassen und erst im Ort nach ihrem Begehr gefragt worden.

»Ihr seid jung und werdet mich nicht erkennen. Aber einigen Eurer Leute sollte ich bekannt sein. Ich bin der neue Duke of Glenmorgan. Als ich Nachricht vom Tod meines Vaters erhielt, bin ich hergekommen, um mein Erbe anzutreten. Dies ist meine Lady, und ich freue mich, dass ich in Euch gleich eine Eskorte antreffe. So werden wir nicht ohne Gefolge zur Burg reiten müssen.« Der Herzog lächelte gewinnend. Er hatte immer ein gutes Verhältnis zu seinen Leuten gehabt.

Den jungen Anführer des Trupps konnte er jedoch nicht beeindrucken. »Duke of Glenmorgan nennt Ihr Euch? Nun, hier werden andere Titel für Euch gehandelt. ›Räudiger Dieb‹ zum Beispiel, ›Plünderer der Schatzkammer Eures Vaters‹.«

Der Herzog runzelte die Stirn.

»Gib Acht, was du sagst!«, tadelte er den Jüngling. »Ich weiß, dass du nur nachplapperst, was man dir erzählt hat, aber dies kommt einer Beleidigung gleich, ich sehe mich fast genötigt, dich zu fordern. Doch gut, wenn ich mich rechtfertigen soll: Ich nahm tatsächlich einen Beutel voll Schmuck aus der Schatzkammer meines Vaters. Das Geschmeide meiner Mutter, das meine Braut am Tage ihrer Hochzeit als Morgengabe erhalten sollte. Meine Mutter hat das selbst so bestimmt, mein Vater hat es nie angezweifelt. Warum also sprichst du von Diebstahl?«

»Davon abgesehen wäre es sowieso gleichgültig«, warf die Lady ein. Mitunter war der Duke zu sanft, zu höflich und zu nachgiebig. Diese Rechtfertigung zum Beispiel war nicht angebracht. Eher musste man diesem Frechling Paroli bieten! »Mein Gatte beerbt seinen Vater, und der Inhalt seiner Schatzkammer gehört jetzt ihm, egal, was früher geschah.«

»Das sieht mein Herr leider anders!«, bemerkte einer der Ritter und trat vor. Er war größer als der Jüngling, seine Stimme klang älter und begütigend. Offensichtlich sah er sich genötigt, den jungen Heißsporn zu mäßigen und die Wogen zu glätten. »Nach allem, was wir wissen, überließ der alte Herzog seinem Neffen Osbert die Burg und das Land von Glenmorgan, bevor er auf jenen verhängnisvollen Kreuzzug ging. Gott gebe seiner Seele Frieden.«

»Seine Seele wird im Paradies weilen wie die aller tapferen Kreuzfahrer zuvor«, merkte der Herzog an und bekreuzigte sich kurz. Der alte Ritter tat es ihm nach, beide wohl in der Hoffnung, dem Treffen damit etwas die Spannung zu nehmen. »Und es ist wahr, dass er Osbert die Regentschaft übergab. Aber nur für die Zeit des Kreuzzugs. Es war nicht die Rede davon, die Erbfolge zu ändern.«

»Das eben ist umstritten!«, mischte sich der Jüngling wieder ein. »Ich jedenfalls habe den Auftrag, Euch gefangen zu nehmen und auf die Burg zu überführen. Dort wird man die Angelegenheit klären.«

Der junge Mann legte die Hand auf sein Schwert.

Der Duke runzelte die Stirn. »Ich will Euch gern auf die Burg begleiten, aber ...«

»Auf keinen Fall!« Die Lady ließ ihr Pferd vortreten und warf den Kopf so energisch zurück, dass sich die Locken aus ihrer strengen Frisur lösten. »Auf keinen Fall gehen wir als Gefangene nach Glenmorgan! Wenn es Misshelligkeiten gibt, so werden wir einen neutralen Ort finden, vielleicht mit einem unparteiischen Richter, um sie beizulegen, Aber wir treten nicht in Ketten vor einen Thronräuber!«

»Ihr werdet meinen ... Herrn nicht des Thronraubs bezichtigen!«, rief der Jüngling.

»In Anbetracht dessen, dass Ihr vorher meinen Gatten des Diebstahls bezichtigtet, ist das doch wohl die geringere Schmähung ...« Die Lady blitzte ihn an. »Dazu muss ich mich nicht rechtfertigen vor einem ungehobelten Landsknecht aus der letzten Reihe der Garde!«

Sie sah wunderschön aus, so aufrecht, wie sie da in ihrem dunkelblauen Samtkleid auf dem Pferd saß, das Cape leicht um die Schultern, das schmale Gesicht sprühend vor Zorn.

Doch der Jüngling hatte keinen Blick für Schönheit. Er war nur blind vor Wut, weil niemand ihn wirklich ernst nahm und sogar eine Frau die Stirn hatte, sich ihm entgegenzustellen. Rasend vor Zorn zog er sein Schwert.

Aber bevor er sich auf die Lady stürzen konnte, preschte das Pferd des Herzogs vor und schob sich zwischen den Ritter und die tänzelnde Stute der Lady. Auch der Duke hatte sein Schwert gezogen, und er wusste es zu gebrauchen. Der Jüngling war stark, er wehrte sich mit mächtigen Schlägen, aber der Earl parierte geschmeidig und schlug ihm schließlich mit einer kaum merklichen Drehung des Handgelenks das Schwert aus der Hand. Damit hätte der Kampf zu Ende sein können. Aber der junge Mann wollte nicht aufgeben. Als raufe er sich mit einem anderen Knappen, stürzte er sich auf das Pferd des Herzogs und versuchte, den Reiter aus dem Sattel zu zerren. Nun war dessen Tier jedoch kein Schlachtross, das einen solchen Angriff mit Steigen oder Schlagen abgewehrt hätte. Stattdessen wich es ängstlich zurück, und der Ritter auf seinem Rücken konnte es nur mit Mühe bändigen. Dabei geriet sein Gegenangriff außer Kontrolle. Der Schwertstreich, der den jungen Mann nur abwehren sollte, drang durch die Lücke zwischen Helm und Brustpanzer des Jünglings und durchbohrte seinen Hals. Der junge Mann fand nicht einmal mehr Zeit zu schreien. Er griff sich nur mit entsetztem Gesichtsausdruck an den Hals, aus dem Blut spritzte, fiel dann auf die Knie – und war tot, ehe sein Gesicht den Boden berührte.

Der Duke verhielt sein Pferd und sah ungläubig auf den Mann in seinem Blut. »Das ... das wollte ich nicht ... O Gott, es war niemals meine Absicht, diesem dummen Jungen ein Leid zu tun.«

Der Herzog stieg langsam ab und ging zu dem Toten. Während er ihn umdrehte, öffnete sich das Visier und gab den Blick auf ein noch kindlich weiches Antlitz frei. Umgeben von lockigem, weißblondem Haar, die großen, blauen Augen erstarrt in einem Ausdruck von Verblüffung und Todesangst.

»Edmond!« Als der Herzog den Knaben erkannte, entrang sich der Name seiner Kehle wie ein brennender Schmerz. »Edmond, mein kleiner Vetter. Ich hätte dich erkennen müssen! Dein Übermut, deine Wildheit ... wie oft hast du dir damit eine blutige Nase geholt! Aber dass du nun durch meine Hand sterben musstest ... Ich schwöre, ich habe es nicht gewollt.«

»Das wissen wir, Mylord!«, sagte der alte Ritter. Auch er hatte sein Visier jetzt geöffnet und gab sich zu erkennen. Der Herzog konnte sich gut an ihn erinnern. Sein Name war Robert of Kent, und er diente seit Jahren als Hauptmann auf der Burg. »Der Junge hat Euch herausgefordert. Ihr musstet Euch wehren. Er war zu jung und zu heißblütig für ein Kommando wie dieses ...«

Der Herzog nahm seinem Vetter den Helm ab, ordnete fast liebevoll seine Locken und bettete ihn sorgsam ins Gras. »Es sind sicher viele Fehler gemacht worden. Aber jetzt werde ich nach Glenmorgan Castle zurückkehren und die Ordnung wiederherstellen! Ihr werdet mit mir reiten. Vielleicht kommt mein Vetter zu Besinnung, wenn er die Leiche seines Bruders sieht.«

»Nein!« Das war die verzweifelte Stimme der jungen Lady. Sie saß immer noch auf ihrer Stute und trieb sie jetzt energisch neben ihren Gatten, obwohl sie vor dem Blut auf dem Boden scheute. »Nein, begib dich nicht in die Höhle des Löwen. Jetzt ist alles noch schlimmer, man wird dir auch noch einen Mord anhängen.«

Der alte Ritter nickte. »Verzeiht mir, Herr, aber da muss ich Eurer Lady Recht geben. Wenn Ihr jetzt, ohne Waffen und ohne eine Streitmacht loyaler Ritter, auf die Burg zurückkehrt, wird Sir Osbert Euch in Ketten legen. Falls Ihr meine Meinung hören wollt: Flieht! Geht zurück nach Sizilien oder sucht einen anderen sicheren Ort auf. Aber haltet Euch fern von Glenmorgan Castle! Zumindest, solange Euch kein Heer zur Verfügung steht, um Eure Ansprüche durchzusetzen.«

»Solltet Ihr uns nicht eher hindern zu fliehen?«, fragte die Lady spöttisch und umfasste sowohl Sir Robert als auch seine Männer mit einem halb hilflosen, halb zornigen Blick. Der Earl kniete immer noch wie gelähmt vor der Leiche des jungen Edmond.

Sir Richard zuckte die Schultern. »Das sollten wir wohl. Aber wir waren zu entsetzt vom plötzlichen Tod unseres Anführers. Ich sprang ihm bei, um ihm zu helfen, hielt ihn im Arm, als er starb ... die anderen Männer waren wie erstarrt, und so konntet Ihr fliehen. War es nicht so, Männer?«

Der Ritter wandte sich an sein Gefolge, und die Männer nickten eifrig.

»Nicht jeder ist glücklich mit der Herrschaft des Herrn Osbert, Mylady«, fuhr Sir Robert fort. »Aber solange der rechtmäßige Erbe frei ist, besteht Hoffnung. Wenn Sir Osbert Euch erst mal in den Fängen hat, wird Glenmorgan nie mehr sein, wie es war.«

Die Lady nickte ihm zu und bedachte auch die anderen Ritter mit einem Blick zwischen Mitleid und Dankbarkeit.

»Komm!«, sagte sie dann zu ihrem Gatten. »Steh auf, wir müssen reiten. Hier kannst du nichts mehr tun.«

Verheissungsvolle Sehnsucht

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