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Erstes Kapitel

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Ein halbes Jahr später.

Venedig, Palazzo dei Marcelli

Samtig lag die Nacht über den Kanälen der Serenissima. Die laue Luft des Sommerabends trug den Geruch des Meeres, aber auch die Düfte der Garküchen und Märkte nah des Canal Grande herüber. Vor dem Lärm nächtlicher Zecher blieb dieses stille, noble Stadtviertel jedoch verschont. Der Palazzo dei Marcelli lag an einer schmalen, selten befahrenen Wasserstraße. Nur die Gondeln und flachen Boote der Anleger, keine größeren Lastkähne konnten hindurchgelangen, und der Kanal war unbeleuchtet.

Doug of Caernon, der ungeduldig wartete, spähte angestrengt ins Dunkel. Täuschte er sich, oder sah er dort wirklich einen Schatten herannahen? Es war seltsam unwirklich, die Gondel war vom Balkon des kleinen Palasts aus nur schemenhaft zu erkennen. Doug hörte das Eintauchen des Ruders nicht, sondern erkannte nur das dunkle Boot, lautlos heranschwebend wie eine Feenbarke.

Traumhaft schön war auch die Frau, die aufrecht am Bug des Bootes saß. Zwar wurden ihre schlanke Gestalt und ihre aristokratischen Züge jetzt von einem weiten Mantel mit übergroßer Kapuze verhüllt, und vielleicht trug sie sogar eine Maske. Doug wusste nicht, ob sie die Gondel gemietet hatte oder ob ein Vertrauter aus dem eigenen Haushalt sie steuerte. Aber zweifellos wusste die Contessa Laetitia, was sie tat. Doug glaubte nicht, dass er der Erste war, mit dem sie ihrer Ehe mit dem Grafen da Monti für ein paar Stunden entfloh. Laetitia war zu schön, zu lebensfroh, um sich mit dem Greis zu begnügen, dem sie angetraut war. Sicher hatte es andere gegeben. Aber weiß Gott, Doug wollte sich nicht einfach in eine Reihe von Liebhabern einordnen! Diese Nacht würde sich ihrem Gedächtnis einprägen! Lächelnd warf er einen letzten Blick in das Schlafgemach, das er für sie vorbereitet hatte, die kleinen Spezereien, welche die Dienerschaft aufgetragen hatte, bevor Doug sie wegschickte. Alles war perfekt, von den Blumen im Schlafgemach bis zum süßen Wein aus Portugal, der die Sinne berauschte und Gefühle der Schuld und Heimlichkeit vergessen ließ.

Doug wandte sich zum Gehen, um die Lady gebührend willkommen zu heißen. Voller Vorfreude auf ihren Anblick stieg er die Treppen hinab und erreichte die private Anlegestelle fast gleichzeitig mit der Gondel der Contessa. Der Anleger befand sich in einer Art Kellerraum. Das Boot war dort vor allen neugierigen Blicken verborgen.

Als Doug herunterkam, glitt die Barke eben in das stille Gewölbe, das Eintauchen des Ruders war nun gut zu hören. Der Gondoliere lavierte sein Boot geschickt neben den Steg, aber er sah Doug nicht an. Unzweifelhaft hatte man ihn auf Diskretion eingeschworen.

»Ich danke dir, Pedro, und bitte dich, mich hier zu erwarten!«, sagte die Contessa huldvoll. Sie versteckte ihr Gesicht nicht hinter einer Maske, also musste sie dem Ruderer vertrauen. Aber sicher war er ihr genauso verfallen wie jede andere Mann, den der Blick ihrer glühenden Augen jemals getroffen hatte.

Nun aber wandte sie sich Doug zu und ließ auch die weite Kapuze sinken. Sie enthüllte dichtes, schwarzes Haar, durch Spangen aus ihrem Gesicht gehalten und in einem schweren Geflecht über ihren Rücken fließend.

»Ihr habt mich erwartet? Wart Ihr so sicher, dass ich Eurem Drängen Folge leiste?«

Doug küsste ihre Hand. »Ich erwarte Euch, seit ich Euch zum ersten Mal sah. Seitdem sind mein Haus und mein Herz bereit für Euch.« Mit einer einladenden Bewegung wies er ihr den Weg zu den Marmorstufen, die zu den Wohnräumen des Palasts führten. Sie stieg leichtfüßig hinauf, und Doug folgte ihrem Schatten im Licht der Kerzen, die den Flur erhellten.

»Ihr habt dieses Haus gekauft?«, erkundigte sie sich, wie um Konversation zu machen. Ihre Stimme war überraschend tief und samtig.

›Als habe die Göttin der Liebe einer Rosenblüte die Gabe des Gesangs verliehen ...‹ Doug lächelte bei dem Gedanken an diesen Vergleich, den ein heißblütiger junger Troubadour vor Kurzem angestellt hatte. Vielleicht auch ein Liebhaber der schönen Frau, die sich jetzt mit so traumhafter Sicherheit und ohne jede Scheu durch das Haus ihres neuesten Gespielen bewegte.

Doug schüttelte den Kopf. »Gemietet. Denn so sehr es mich auch drängt, Euch mein Leben zu Füßen zu legen und im Glanz Eurer Augen zu vergehen – die Zeit meines Aufenthalts hier ist begrenzt. Seht, meine Güter liegen in Norden, in Wales. Noch verwaltet sie mein Vater, und er ist großzügig. Er lässt mich reisen, die Welt jenseits der Hügel meiner Heimat kennen lernen – und Gestade erkunden, von denen ich nie geträumt hätte ...« Doug half der Lady über die letzte Stufe und ließ seine Hand dabei sanft forschend über ihre Hüfte gleiten. »... Aber irgendwann werde ich zurückkehren müssen und die Verantwortung für mein Erbe übernehmen.«

Er stieß die Tür zu den Wohnräumen auf, und die Contessa sah sich fast geblendet vom Licht hunderter funkelnder Kerzen in kostbaren Haltern aus Gold und Murano-Glas. Eine fein geschliffene Karaffe edelsten Weins spiegelte ihr Licht wider.

Die Gräfin lächelte und wandte Doug ihr schönes Gesicht zu. Es war schmal und scharf modelliert, mit hohen Wangenknochen und einer geraden, fast etwas spitzen Nase. Vielleicht hätte es sogar streng gewirkt, wären da nicht die vollen, sinnlichen Lippen gewesen und die großen, sprechenden Augen. Laetitias Iris war dunkel, fast schwarz, aber darin schienen goldene Sterne zu tanzen. Sie richteten sich jetzt auf den jungen Mann vor ihr, einen blonden Hünen, der ihr leuchtend blaue Augen zuwandte.

»So verdanken wir dieses Zusammensein also in erster Linie der Großzügigkeit Eures Vaters?«, neckte sie.

Doug of Caernon füllte zwei Kelche mit Wein und reichte ihr einen davon. Seine Finger berührten dabei leicht die ihren, und sie fühlte einen wohligen Schauer über ihren Körper ziehen, als streife sie ein Hauch des Verlangens.

»Wir verdanken es dem Gott der Liebe, der mich an diesen gesegneten Ort führte, um sein schönstes Geschöpf zu preisen ...«

»Ihr seid geschickt mit Worten, Graf ...« Laetitia ließ ihren Mantel sinken. Der weiche, leichte Stoff floss an ihrem Körper herab und gab den Blick auf ein weinrotes Seidenkleid frei. Doug atmete schwer, als er den Ausschnitt bemerkte, der viel mehr von ihrem Dekolleté enthüllte als verbarg. Ihre Haut war dunkler, als er erwartet hatte, der klassische Teint der Südländerin, geboren aus tausend sonnengeküssten Frauengenerationen, die ihre Schönheit von Mutter zur Tochter weitergaben. Doug meinte den Duft von Mandeln und Oliven wahrzunehmen, aber das konnte nicht sein. Laetitia bevorzugte schwere Parfüms, Extrakte aus Rosen und Lilien, die hier in Italien nicht als Totenblumen galten. Doug dachte an seine erste Begegnung mit Laetitia im Palast ihres Gatten. Zunächst war da nur ihr Porträt gewesen, das den Salon beherrschte: Eine bildschöne, cremeweiß gewandete Frau, die eine Lilie in der Hand hielt. Und dann die Wirklichkeit, die jede Kunst in den Schatten stellte. Auch der größte Maler hätte das Leuchten dieser Augen nicht einfangen können.

»Ich könnte den Worten Taten folgen lassen ...«, meinte er vage und hob langsam die Hand, um ihre Haut zum ersten Mal zu berühren. Die Handlung erschien ihm fast heilig, ja er scheute beinahe davor zurück, als habe er Angst, die Frau könne zurückzucken wie eine scheue Fee, die bei der Berührung eines Sterblichen zu Staub verfällt. Tatsächlich hielt Laetitia jedoch still, als seine Finger ehrfürchtig die Rundung ihrer Schulter nachzeichneten, die zarte Haut am Halsansatz liebkosten und dann langsam forschend zu ihren Brüsten herabwanderten. Laetitia spürte, wie ihre Brustwarzen sich aufrichteten, und sehnte sich danach, ihm entgegenzusinken. Aber auch sie wusste ihr Spiel zu spielen ... Lächelnd entzog sie sich ihm mit einer leichten Bewegung.

»Mir wird heiß, wenn Ihr so mit mir tändelt«, bemerkte sie und nahm einen Schluck Wein. Sie trank langsam, gab ihrem Gespielen Gelegenheit, die süßen Tropfen auf ihren Lippen perlen zu sehen. Er würde sie jetzt küssen, er musste sie küssen ...

Doug hob ebenfalls sein Glas.

»Vielleicht ist Euer Kleid zu schwer für die Schwüle der Nacht?«, fragte er lässig. »Erlaubt mir, dass ich Euch Erleichterung verschaffe ...«

Er küsste sie tatsächlich, aber nicht auf den Mund, sondern nur leicht auf die Schulter, während er die Bänder löste, die ihr Kleid über den Brüsten zusammenhielten. Es war raffiniert geschnürt, fast wie ein Mieder, aber die gekreuzten Bänder endeten nicht in der Taille, sondern lockten tiefer herab, fast bis zu ihrem Hügel der Venus. Doug schob das Kleid langsam auseinander und enthüllte das Spitzenhemd, das sie darunter trug. Es verhüllte ihre Brüste nur knapp, aber sein Weiß bot einen aufreizenden Kontrast zu ihrer dunklen Haut. Doug begann, ihren Ausschnitt mit Küssen zu bedecken. Er streifte ihr Kleid von den Schultern – aber bevor der Rock zu Boden sank, zog sie es gespielt züchtig wieder um sich.

»Mir scheint, als käme es Euch nur darauf an, Euch an meinem Körper zu berauschen!«, sagte sie streng. »Und mir gönnt Ihr so gar keine Einsicht. Soll ich nicht wissen, was sich unter Eurem Seidenhemd verbirgt? Womöglich schlaffes Fleisch statt fester, starker Muskeln?«

Doug lachte. »Gegen Eure Schönheit muss jeder andere Körper verblassen. Aber so weit ich Eure Neugier stillen kann, will ich es gern tun. Oder überzeugt Euch selbst, meine Schöne! Ertastet mit allen Sinnen, ob meine Muskeln Gnade vor Euren Ansprüchen finden.«

Wohlgefällig sah er das Verlangen in ihren Augen, während sie sein Hemd öffnete und seine Brust entblößte. Doug war stark, von Kindheit an in allen Künsten eines Edelmanns geschult. Auf seinen Reisen hatte er auch so manchen Kampf bestritten. Manchmal mit Wegelagerern, aber häufiger mit den Gatten oder Verehrern seiner mannigfaltigen Eroberungen. Auf jeden Fall würde er sich davor hüten, seinen Schwertarm erlahmen und sein Fleisch schlaff werden zu lassen!

Laetitia gefiel denn auch offensichtlich, was sie sah. Sie begann ihrerseits, die Konturen seines Körpers mit dem Finger nachzuzeichnen, spielte mit seinen Brustwarzen und stöhnte leise, als er ihr Kleid nun doch nach unten schob. Gleichzeitig liebkoste er die weiche Linie ihrer Taille und die sanfte Wölbung ihres Bauches, tastete sich zum Venushügel vor und begann ihn sanft zu reiben. Laetitia stand ihm hier jedoch nicht nach. Auch ihre Hände wurden vorwitziger, stahlen sich in seine Hose und erfühlten sein erblühendes Geschlecht.

»Nicht hier!«, flüsterte er jedoch, als es sie jetzt machtvoll zu ihm drängte. »Warte, dieser Ort ist zu profan, um deine Geheimnisse zu enthüllen. Nur ein Garten der Liebe ist deiner würdig ...«

Zärtlich hob er sie auf, wobei ihr Kleid endgültig am Boden liegen blieb, und trug sie über die Schwelle zur Schlafkammer, in der sie der betäubende Duft unzähliger Rosen umfing. Dunkelrote, reife Blüten, samtig und fleischig, bedeckten den Boden, über den Doug seine süße Last trug. Er bettete sie auf ein Lager aus Rosenblättern, rosa und rot – nur eine einzige weiße Rose lag auf dem Kopfkissen.

»Eine Erinnerung an meine verlorene Unschuld?«, fragte sie kokett.

Doug lächelte und nahm die Rose auf. »Ein Neubeginn. Diese Nacht soll mehr für dich sein als ein Abenteuer. Heute Nacht wirst du deine Unschuld neu entdecken. Ich werde dich an Ufer führen, die du vorher nie erreicht hast. Aber was ich an Unberührtheit in dir wecken werde, will ich auch gleich wieder zerstören ...« Er brach die weiße Rose und ließ die Blätter über Laetitias Körper regnen. »Denn ich will dich erobern, meine schöne Contessa ... Ich will dich lieben mit all meinen Sinnen, mit meinem Herzen und meinen Händen.«

Laetitia antwortete nicht. Stattdessen richtete sie sich auf und hob ihm ihren Mund entgegen. Ihre Lippen und ihre Lider zitterten, in den dunklen Augen stand wildes Begehren.

Doug küsste sie. Genussvoll und langsam, als wäre es der erste Kuss, den er je gegeben und empfangen hatte. Laetitias Lippen schmeckten süß, ihre Zungenspitze liebkoste sanft seinen Gaumen, während er ihren Mund erkundete. Doch Laetitia wollte mehr, drängte stürmischer zwischen seine Lippen und ließ seine Leidenschaft auflodern wie Flammen im Wind. Sie ließ sich aufs Bett sinken, brachte ihn dazu, ihr zu folgen und sich auf sie zu legen. Sie schob ihm ihren Körper entgegen und erbebte unter seinen Küssen, bis beide sich lösen mussten, um zu Atem zu kommen.

Laetitia strich sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sich vorwitzig aus ihrer komplizierten Flechtfrisur gelöst hatten, und Doug nahm das zum Anlass, ihre Locken nun ganz aus dem Korsett von Flechten, Spangen und Netzen zu befreien. Er war wie verzaubert, als sie dann in voller Schönheit vor ihm saß, umspielt von einer Flut tiefschwarzen, seidigen Haars, Rosenblätter auf der erhitzten Haut, unverhohlene Begierde in den Augen.

Aber Doug nahm sich Zeit. Er wusste, dass sie bereit war, aber er wollte sie weit über das hinausführen, was sie bisher an flüchtiger Lust kannte. Sanft küsste er die Rosenblätter von ihrer Haut, ergriff sie mit den Zähnen, wenn sie sich nicht gleich lösten, und brachte Laetitia dazu, unter seinen Lippen aufzustöhnen. Doch er hatte nicht mit der Wildheit ihres Begehrens gerechnet. So sanft und zart sie wirkte, so entschlossen konnte sie auch sein, wenn es sie zu den Gefilden der Wollust drängte. Doug hatte ihr das Spitzenhemd vorsichtig ausziehen wollen, aber Laetitia riss es sich jetzt ungestüm vom Leibe. Er sah, dass sie darunter nackt war, nur ein Strumpfgürtel hielt ihre seidenen Beinkleider. Auch den löste sie wild mit einer raschen, herrischen Bewegung.

»Du siehst, die Festung ist bereit, gestürmt zu werden. Das Land darum herum kannst du später erforschen. Aber jetzt will ich dich in mir spüren!«

Doug gab auf – und seinem eigenen Verlangen nach. Er küsste sie erneut, schob sich über sie und stieß das Werkzeug seiner Liebe mit voller Hingabe in sie. Sie kam sofort, erreichte den Gipfel der Lust mit einem leisen Schrei und begann dann, sich zart zu wiegen. Dougs Körper folgte ihr, erst langsam, gelassen, dann schneller und schneller. Seine Erregung wuchs in ungeahnte Höhen. Er bäumte sich über ihr auf, brennend im Feuer der Lust, presste seine Hände in die zarte Haut ihrer Schultern und brach schließlich über ihr zusammen, das Gesicht zwischen ihren Brüsten, schwer atmend, das Feuer gelöscht im Duft der Rosen und der Liebe.

Als er sich wieder erholt hatte, begann er sofort, sie erneut zu liebkosen, und diesmal ließ sie zu, dass seine Zunge über ihre Brüste wanderte und winzige Kreise der Zärtlichkeit darauf malte. Sie selbst streichelte seinen Rücken, ganz Sanftmut, wo sie sich eben noch mit der Wildheit einer Löwin an ihm festgekrallt hatte.

Doug wollte sich eben zu ihrem Venushügel herabküssen und die Pforte ihrer Lust mit den Lippen erkunden, als beide das Klopfen an der Tür hörten. Energisches Klopfen. Aber vielleicht hatte der Eindringling ja zaghaft begonnen und wurde nun aus purer Verzweiflung heftiger. Denn wer immer das auch war, sein Anliegen musste dringlich sein. Dougs Bedienstete wussten, dass er in Nächten wie diesen nicht gestört werden wollte. Seine Leute würden nur in äußerster Not gegen diesen Grundsatz verstoßen.

Doug löste sich seufzend von Laetitias Körper und wand sich ein Laken um die Hüfte.

»Dein ... Mann?«, fragte er leise und warf einen unschlüssigen Blick auf sein Schwert, das an der Wand des Schlafgemachs lehnte.

Die Contessa schüttelte den Kopf.

»Nein, das würde er nicht wagen. Ihm liegt nichts daran, mich zu kompromittieren. Wir haben eine Vereinbarung getroffen, unsere Ehe ist vorbildlich. Ich bin ein Edelstein an seiner Schwertscheide – was macht es da, dass er die Waffe niemals zieht?«

Doug behielt das Schwert trotzdem im Auge, während er die Tür öffnete. Nur einen Spalt, um ja keinem Fremden einen Blick auf die Gräfin zu gewähren. Der Mann vor der Tür wusste jedoch Geheimnisse zu wahren, und er hielt den Blick ganz von allein schamhaft gesenkt. Doug erkannte Pedro, Laetitias Gondoliere.

»Verzeiht mir, Herr, ich weiß, wie ungehörig es ist, zu stören. Aber unten ist ein Bote, der Euch dringlichst zu sprechen wünscht. Ich habe versucht, ihn wegzuschicken, aber er meint, die Angelegenheit dulde keinen Aufschub. Da bin ich selbst gekommen, um Euch zu holen. Ich dachte, das wäre diskreter als ...«

»Du hast äußerst überlegt gehandelt, Pedro. Ich danke dir und werde dich belohnen. Bitte führe den Boten in den kleinen Empfangsraum neben dem Kontor. Du erreichst ihn direkt über den Korridor vom Anleger aus. Ich werde mich anziehen und dann gleich herunterkommen.«

Der Palazzo dei Marcelli war von einem Handelsherrn erbaut worden, der im unteren Stockwerk Räume zum Empfang von Kunden und Geschäftsfreunden unterhielt.

Pedro nickte. »Wenn ich mir noch eine Bemerkung gestatten dürfte, Herr. Ihr solltet Euch förmlich gewanden. Der Bote ... trägt Trauerkleidung.«

Dougs Gesicht war überschattet von Trauer und sein Rücken gebeugt, als er kurze Zeit später in das Gemach der Contessa zurückkehrte.

»Verzeiht, dass ich Euch warten ließ – und dass ich heute Nacht kaum noch Sehnsucht nach den Gärten der Lust verspüre. Aber diese Nachricht ... hat mich ins Innerste getroffen ...«

Er ließ sich erschöpft auf der Bettkante nieder und nahm geistesabwesend den Kelch des edlen Weins, den Laetitia ihm fürsorglich reichte.

»Ihr sprecht ... mit dem zukünftigen Earl of Caernon. Mein Vater ist vor wenigen Tagen unerwartet verschieden. Ich werde nach Hause zurückkehren und mein Erbe antreten müssen.«

Laetitia strich sanft über seine Schultern. »Es geht Euch wirklich nahe. Ihr habt ihn geliebt?«

Doug nickte. »Ich habe ihn geliebt und respektiert. Und ich hätte niemals gedacht, ihn nicht mehr anzutreffen, wenn ich jemals nach Wales zurückkehre. Gott helfe mir, wenn ich gewusst hätte, dass er krank ist ...«

»Nun, wenn sein Ableben plötzlich erfolgte, so wird er wohl nicht lange krank gewesen sein«, folgerte die Contessa. »Macht Euch keine Vorwürfe, unser aller Dasein auf Erden ist endlich. Ihr hättet nichts tun können.« Zärtlich legte sie den Arm um ihn und zog ihn an sich.

Doug vergrub das Gesicht in ihrem Haar und fühlte sich seltsam getröstet von ihrem Duft und ihrer Lebendigkeit.

»Wirst du noch heute Nacht gehen?«, fragte sie leise.

Er schüttelte den Kopf. »Nein. Es kann Tage dauern, bis ich ein Schiff finde. Blind loszureiten macht wenig Sinn, besser ist eine direkte Passage auf dem Seeweg. Aber ich werde meine Geschäfte hier so schnell wie möglich abwickeln ... und dann ...«

»Dann wirst du niemals wiederkehren?« Ihre Stimme klang heiser, so, als würde sie ihn wirklich vermissen. »Du wirst die Serenissima verlassen und die Sonne des Südens? Du wirst mich verlassen ...«

»Wenn du willst, komm mit mir!«, sagte er in plötzlichem Ungestüm. Ihre Umarmung, ihre dunkle Stimme berauschten ihn. »Komm mit mir als Lady of Caernon!«

Sie lachte müde. »O ja, du wirst um ein Mädchen freien müssen. Der junge Doug of Caernon mochte der ganzen Welt gehören, aber der Earl hat seine Wahl zu treffen. Triff sie mit Bedacht, mein zärtlicher Geliebter! Und – so sehr ich es hasse, das sagen zu müssen – vergiss mich dabei, so schnell du kannst. Ich bin die Contessa da Monti. Wie sollte ich die Gräfin of Caernon werden können?«

»Wir könnten Gott und der Welt trotzen!«, sagte er voller Leidenschaft.

Laetitia strich über seine Stirn wie eine zärtliche Mutter, die ein ungebärdiges Kind zur Ruhe zwingt. »Das willst du nicht wirklich! Und ich will es auch nicht, ich bin keine Kämpferin, Mylord! O ja, ich kann wild und leidenschaftlich sein – und ich gehe manchmal ein paar Wagnisse ein, um das Feuer zu löschen, das in mir glüht. Aber ich liebe doch meine Sicherheit, meinen Palazzo, mein Geschmeide. Ich mag sogar den Conte, Gott helfe mir!« Sie lachte. »Natürlich nicht so, wie ich dich mag, aber er ist ein guter Mann, er hält sich an unsere Vereinbarungen. Niemals könnte ich ihn dadurch entehren, dass ich mit einem Fremden auf und davon ginge ...«

»Auch ich kann dir Geschmeide und Gold bieten. Ich besitze umfangreiche Ländereien, eine Mine, eine Burg ...« Je länger Doug sie ansah, desto weniger konnte er sich vorstellen, sich jemals von ihr zu trennen. Doch Laetitia löste sich bereits von ihm.

»In einem fernen Land, wo das Meer dunkel und die Winter kalt sind. Wo man eine Sprache spricht, die ich nicht verstehe, wo es keine Oper gibt, keine Galerien, keine ausgelassenen Tändeleien zur Zeit des Karnevals. Entehrt in den Augen meiner Welt, verloren in der deinen und die Schrecken der Hölle vor mir. Ich mag eine Ehebrecherin sein, aber ich denke, bislang hält die Göttin der Liebe ihre Hand über mich. Verließe ich meinen Mann, wäre das anders, dann wäre ich zu Satan verdammt. Nein, mein schöner Geliebter, lass mir mein Leben, wie es ist. Ich habe bereits gewählt. Du jedoch hast das Abenteuer noch vor dir. Genieße es!«

Doug of Caernon dachte an die Hügel seines Landes und an das Lachen der blonden Mädchen, mit denen er als Kind gespielt, die er geneckt und gejagt hatte, bis alle kichernd im Gras lagen. Kein Land für Lilien und schmerzlich rote Rosen, kein Ort für eine Laetitia da Monti.

»So sag mir wenigstens auf Wiedersehen«, flüsterte er und zog Laetitia noch einmal an sich. Er liebte sie voller Leidenschaft und doch voller Trauer, seine Küsse spiegelten Erfüllung und Abschied.

Doug schlief, als sie ihn gegen Morgen verließ, die letzten Blätter der weißen Rose in den Falten ihres Gewands verborgen.

Verheissungsvolle Sehnsucht

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