Читать книгу Möwe und Pflaumenbaum - Veronika Beci - Страница 10
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ОглавлениеEs klingelt Sturm an der Tür. Ich gehe schwankend hin und öffne. Claudia. „Hallo, Liebes“, grüßt sie, umgibt mich mit ihrem Duft, küsst mich. Sie nimmt mich bei den Schultern, hält mich auf Abstand, mustert mich. „Mein Gott! Du siehst Scheiße aus. Und, entschuldige, du stinkst.“ Sie übernimmt das Kommando, zerrt mich ins Badezimmer. Sie lässt mir ein Bad ein. „Du nimmst jetzt ein Bad, dann fühlst du dich gleich besser und bist wieder ein vollständiger Mensch. Ich richte dir inzwischen was zu Essen her.“ Sie ist schon in der Küche, während ich mir mechanisch mein Hemd abstreife. Ich höre, wie sie in der Küche rumort. Schränke öffnet und zuklappt.
„Ist dein Mann denn noch nicht zurück? Kümmert sich keiner um dich? Soll ich noch einmal versuchen, ihn zu erreichen“, ruft sie fragend aus der Küche. „Er ist gestern zurückgekommen. Musste wieder zur Arbeit!“ Ich drehe den Hahn zu und steige ins warme Wasser. Welche Wohltat! Ich will die Augen schließen. Da steht Claudia im Türrahmen. In der Hand ein Glas. „Genever – ihr habt einen merkwürdigen Geschmack.“ Sie ist so schön! Als sie mir das Glas reicht, kann ich in ihrem Ausschnitt ihre runden gebräunten Brüste sehen. Claudias Körper ist nahtlos braun.
„Und er lässt dich hier allein?“ „Er ist nur ein paar Stunden weg und ich wollte schreiben.“ Sie schaut mich lange ernst an, während ich, meinen mageren Leib vor ihr unter dem Badeschaum versteckend, an dem Genever nippe. „Gut, wenn du schreibst. Es bringt dich auf andere Gedanken und alles schreit bereits nach einer Fortsetzung deines Buchs. - Ich mache dir übrigens Bratkartoffeln und eine Erbsenkonserve. Das ist alles, was ich in deiner Küche gefunden habe“, ruft sie mir zu, und ist bereits wieder dorthin verschwunden.
Als ich etwas später in die Küche komme, sauber, wohlriechend und in einen Frotteebademantel gehüllt, rückt sie mir fürsorglich einen Stuhl am Küchentisch zurecht. Sie stellt das Essen vor mich hin und küsst mir dabei flüchtig aufs nasse Haar. „Danke für deine Hilfe“, sage ich: „Arne wird gewiss heute Nachtmittag einkaufen gehen.“ Als ob sie das etwas anginge. Aber sie hat mit meinem Roman anscheinend auch das Recht gekauft, für mich zu sorgen. „Soll ich morgen wiederkommen?“ „Lieb von dir, aber nicht nötig. Ich möchte mich wirklich ernsthaft an die Arbeit machen. Da brauche ich Ruhe. Du kennst mich.“ „Ich weiß“, sagt sie. Sie denkt, ich merke nicht, dass sie mich besorgt von der Seite ansieht und auch etwas beleidigt darüber, dass ich ihre Fürsorge zurückstoße. Ich stochere in den Bratkartoffeln herum. „Gut, Joke. Ich sehe schon, Du bist in Gedanken schon an deinem Schreibtisch“, sagt sie und macht sich zum Aufbruch fertig. „Ich rufe dich an“, murmele ich. „Tschüs, Liebes“, ruft sie von draußen.
Die Tür fällt hinter ihr ins Schloss.
Ich spucke den letzten Bissen Bratkartoffeln auf den Küchenfußboden.
Ich sitze am Schreibtisch. Ich schreibe. Ich schreibe, ungeachtet die Kaffeetasse voller Blut ist. Ich schreibe und tue die ganze Zeit, als sähe ich nicht, wie sie langsam mit Blut voll läuft. Ich warte auf Arne. Wenn er kommt, dann wird diese Erscheinung vergehen, da bin ich sicher.
Meeuw. Wie banal. Tausend niederländische Boote heißen Meeuw. Es hat orange Segel. Ein kleines weißes Boot mit blauem Schriftzug und dem rotweiß leuchtenden Rettungsring.