Читать книгу Möwe und Pflaumenbaum - Veronika Beci - Страница 11
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Оглавление„Liebling! Liebling, wo bist du?“
Ich fahre erschrocken hoch. Ich muss eingeschlafen sein.
Arne. Arne sucht mich!
Ich stehe auf. „Hier bin ich, Schatz!“ Mir ist schwindlig. Mein Blick springt zur Kaffeetasse. Bis auf ein wenig Kaffee ist sie leer. Die Tür öffnet sich. Arne ist im Nu bei mir, ehe ich ohnmächtig hinfalle. „Setz' dich aufs Sofa“, sagt er liebevoll. Er drückt mir ein Kissen in den Rücken. „Wie fühlst du dich?“ „Besser“, versuche ich lächelnd zu sagen. „Ich war wohl so tief drin in meiner Geschichte.“ Er wird ernst: „Du schreibst hoffentlich nicht wieder eines deiner Kunstbücher, die nichts einbringen.“ Er sagt 'Kunstbücher' mit einem Ekel in der Stimme, als sähe er Nacktschnecken an Hundescheiße fressen.
Die Mühe um jedes Wort. All die Jahre, in denen ich um die richtigen Worte gerungen habe. Für Arne sind sie wertlos.
Ich tauge nichts. Er zieht ein Gesicht wie damals, als ich im Garten hinter Großmutter Haus unter dem Pflaumenbaum saß und schrieb. Wir hatten das Haus gerade übernommen. Es gab so viel zu tun. „Und Madame sitzt hier stillvergnügt und schreibt. - Bist du wieder kreativ“, fragt er mit widerlich spitzem Unterton, so dass ich mich bezähmen muss, ihm nicht mit voller Wucht in sein glattes Gesicht zu schlagen. „Ja, kreativ - weißt du, das ist eine Sache, von der du nichts verstehst“, gebe ich mit ebenso zynischer Schärfe zurück. Du weißt auch nicht, wie schwer es ist, ein anständiges Buch zu schreiben. Ich meine, ein wirklich anständiges Buch, nicht einen dieser wie am Fließband ausgeworfenen Krimis, Liebes- oder Selbstverwirklichungsschnurren, keiner dieser ausgekotzten historischen Romane, die ich stets 'hysterische' Romane nenne und die Arne so gerne liest. Spottend habe ich ihm schon oft nachgewiesen, wie historisch falsch die Historischen sind. Schließlich habe ich nicht umsonst Geschichte und Literatur studiert. „Mein Gott, man muss es doch nicht so genau nehmen, Es soll doch Spaß machen!“ Nein. Nein! Ein gutes Buch darf sich nicht im Spaß erschöpfen. Es muss erregen, packen, aufregen, anstrengen, nerven, aufreiben. Es muss mit allen Effekten und aller Macht zum Nachdenken provozieren.
Wie ich mich immerzu aufwühle und zerreiße, wenn ich ein Buch schreibe oder auch nur ein Gedicht! Es ist ein Schmerz, so tief drinnen, so unermesslich gewaltig. Den kann keiner fassen, keiner begreifen, keiner ertragen außer der Schreiber selbst.
„Ich kriege was für meine 40 Stunden Arbeit.“ Ja. Protz du nur mit deinen 40 Stunden und verspotte mich, die ich nur unter Pflaumenbäumen sitze. In Wahrheit arbeite ich dreimal so viel. Du und deine widerliche Geste der aneinander reibenden Finger, die 'Geld' bedeutet. Das überlegene Grinsen dazu: jetzt hab' ich's dir aber gegeben! Ich könnte diese Fresse polieren...
„Ich habe dir aus der Apotheke die Tabletten besorgt, die auf dem Rezept standen“, ruft Arne aus dem Bad, wo er sich gerade duscht. „Welches Rezept“, frage ich verwirrt. „Das auf deinem Schreibtisch lag.“ „Was hast du an meinem Schreibtisch verloren!“ Ich kann es nicht leiden, wenn jemand meine Skizzen und Notizen liest. „Sorry, Joke, ich weiß, dass du das nicht magst.“ Er steht direkt hinter mir, umfasst zärtlich meine Schultern und dreht mich zu sich um. Das Wasser tropft von seinem nassen Haar auf meine Lippen, meinen Hals, meine Brust. Er ist nackt, bis auf das Handtuch, das er lässig um die Hüfte geschlungen hat. Arnes wunderschöner Körper. Wie aus Marmor gemeißelt. Er küsst mich auf die Stirn, die Nase. Seine Lippen suchen meinen Mund, seine Hände greifen fordernd zu. Ich erwidere seinen Kuss. Er packt mich, dreht mich, reißt sein Handtuch fort, drückt mich auf den Schreibtisch...
Ich schließe meine Augen.
Meuuw. Das Segel wippt auf und ab. Die Gischt sprüht hin und wieder kleine Flocken bis hinauf auf das Tuch. Das orangefarbene Segel leuchten in der Sonne.
Und wisst es nicht, mit welchen Qualen, er seine Schätze muss bezahlen.