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Zerstörte Zweisamkeit

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Zerstörte Zweisamkeit

George Haggerthon, London, September 2015, Montag

Als mich diese hübsche und verrückte Bekanntschaft endlich anschaute mit ihren graublauen Augen, sprang mein Herz wie Bob Beamon. Zwanzig Minuten erschien sie zu spät, obwohl sie deutscher Herkunft zu sein schien und Deutsche doch angeblich so pünktlich sind. Das war jedoch mitunter recht einfach in dieser Stadt, wenn man nicht wusste, wie die Uhren tickten. Und sie rannte wirklich, um mich wiederzusehen? Wie schmeichelhaft. Vielleicht steckte noch mehr hinter ihrer Verzweiflung. Nach meinen Erlebnissen der letzten Jahre konnte ich mir genug vorstellen und noch viel mehr. Mir war nicht danach, als ein enttäuschter, versetzter und sehnsüchtig wartender Idiot auf seine Verabredung in einem Sandwichladen zu sitzen. Entsprach einfach nicht meinem Stil. Deshalb verließ ich gleich nach meinem Kauf das Pret-A-Manger wieder.

Dieses Bild einer durchnässten und wahrscheinlich ausgehungerten Frau, die sich ein Baguette in Rekordzeit einverleibte, schaffte es immer wieder in meine Erinnerungen. Und was ganz wichtig für mein Interesse war, diese Geste mit dem Blaubeermuffin. Dieser Montag begann grauenvoll und entwickelte sich zu einem unglaublich spannenden Tag. Nachdem ich um die Ecke gebogen war, um noch einen Bankautomaten für meine notwendige Abhebung anzusteuern, kehrte ich fünf Minuten später wieder um. Solche Spaziergänge entspannten mich vom Büroalltag sehr. Teilweise konnte ich nur hier draußen klare Gedanken fassen. Heute benötigte ich dringend eine große Prise Beruhigung nach all den finsteren Erlebnissen der letzten drei Tage. Kaum tauchte vorhin diese Frau im Regen joggend, in einem wahnsinnigen Tempo auf der gegenüberliegenden Seite der Totten Hill Street auf, hatte ich zu tun, mit ihr Schritt zu halten. Wahnsinnstempo. Vermutlich auch ihrer Größe geschuldet, denn geschätzt hatte ich sie auf fünf Fuß und acht oder neun Inches. Dann verschwand sie im Pret-A-Manger und tauchte keine zwei Minuten später mit einer Mimik für einen Weltuntergang wieder auf. Mein Schirm half mir, einigermaßen inkognito zu bleiben.

Heute hatte ich mich nicht für einen dunkelblauen Anzug, sondern die schwarze enge Hose und das unverschämt stromlinienförmige Jackett samt dünnem schwarzen Schlips entschieden, was im Büro schon zu Verwunderungen geführt hatte. Ich hatte mich also bei weitem nicht seriös herausgeputzt. Deshalb erkannte sie mich vielleicht nicht sofort. Mal sehen, was sie nun tat, dachte ich dann. Ganz unauffällig postierte ich mich gegenüber, letztlich wusste ich nicht, ob sie wirklich verzweifelt gewesen war. Schon der Gedanke, diese faszinierende Frau zu beobachten, bewirkte ein Kribbeln im Bauch, wie damals als Kind, als ich versuchte, in der Weihnachtsnacht die Geschenke auszuspionieren. Mein Magen kribbelte seltsam und in meinem Kopf kämpften Für und Wider gegeneinander. Jedoch genoss ich dieses Gefühl im Moment, wie das Verlangen, den Blaubeermuffin zu essen, den ich dabei hatte. Obwohl ich satt war. Sie betrat den Laden wieder. Recht panisch stürmte sie in den Laden zurück. Eher gestolpert, denn gegangen. Und nun stand sie vor mir, ihr Gesicht voll von Wasser aus den dunklen Wolken meiner Entsagung und tatsächlich ihrer Seele entsprungenen Tropfen voller Emotionen. Gerne hätte ich sie umarmt, aber sie vollgesogen, wie ein Schwamm, wäre es ungesund für uns beide.

Moment, was hatte ich da eben gedacht? Klang sehr nach billiger Entschuldigung. Meine Chance, ganz einfach ein kleiner Gentleman-Held zu sein!

Sie sah so niedlich, auch bemitleidenswert und hübsch zugleich aus, dass es mir wehtat. Am liebsten hätte ich sie in den Arm genommen, leider kannte ich nicht mal ihren Namen. Noch immer sah sie auf ihre Schuhe, die das einzig wasserabweisende Kleidungsstück zu sein schien. Dann betraten glücklicherweise wieder ein paar wichtige Fragen meinen Kopf. Die erste Frage, die ich sie beantworten lassen wollte, war:

Wen hatte ich hier vor mir? Kaum hatte ich mich ihr langsam weiter genähert, wurde ich sehr unsicher. Da stand sie vor mir mitten auf dem Bürgersteig vor einem Billigrestaurant. Plötzlich drehte sie sich um und ich nahm ihren Blick wahr. Darin lag so viel Schmerz, dass meine Skepsis mundtot davonschlich. Nun begann sie mit jeder vergangenen Sekunde zu lächeln. Mich zu erblicken, dauerte etwas. Ihre nun blauen Augen betrachteten mein Gesicht einnehmend. Beide Hände zuckten kurz, als wolle sie mich berühren. Es schien ihr vollkommen egal zu sein, was um sie herum geschah.

Einfach beginnen, ist in solch einer Situation immer gut: „Liebe Freundin, was nur ist passiert? Geht es dir besser?“

Kurz bleib sie ganz starr und dann reckte sie sich ein wenig, ihr Nacken sah eben und straff aus. Ihre Lederjacke glänzte vor Wasser. Sie nickte, senkte ihren Blick und errötete leicht.

„Mmmmh“, antwortete sie mir zustimmend.

Ihre Augen waren rot umrandet, die zarten Wangen vom Spurten noch angeregt und rötlich gefärbt. Sie kniff ihre Augen und ihre Lippen zusammen. Alles hier hatte ich zunehmend als unpassend für sie und mich empfunden. Nicht niveauvoll genug für eine solche Situation. Wir schienen hier nicht her zu passen, weder der Ort noch die Zeit passten.

Kurz holte ich Luft und erklärte: „Meinetwegen so ein Engagement? Da kann ich doch nicht einfach verschwinden oder gar so schnell aufgeben.“, gab ich mich doch hoffentlich elegant zu erkennen.

Noch ein wenig länger und es drohte, peinlich zu werden. Nicht nur für mich, auch für sie. Erstmal musste sie aus dieser durchnässten Garderobe und dieser Situation befreit werden. Meine Töchter lehrten mich, solche Gegebenheiten recht gut zu meistern. Zwar möchte ich mir nicht vorstellen, sie als eine Tochter zu sehen, doch benötigt sie meine Hilfe. Zaghaft bot ich ihr meine Hand an. Doch sie sah mich fragend an.

Ich flüsterte: „Komm mit mir.“

Wenn sie wollte, konnte sie sich gegen meinen Wunsch widersetzen. Meine Gedanken gingen zu einer Dringlichkeit über, ihr aus diesem Schrecken zu helfen, dass ich über mich erstaunt war. Doch sie folgte meinem Impuls, wie ein Luftballon an einer Schnur. Vertraute sie mir, weil ich auf sie gewartet hatte?

„Und all die Tränen meinetwegen? Das tut mir leid. Und bei so einem Wetter ohne Hut oder Regenschirm unterwegs?“, flüsterte ich ihr besorgt zu.

Ich erinnerte mich an ihre so witzigen Worte vom Freitag. Das Taschentuch in meinem Mantel kam endlich mal sinnvoll zum Einsatz. Ach, ich überließ es ihr gleich. Bloß nicht zu fest wischen, sonst geht womöglich noch das verwässerte, hinfort fließende Makeup noch mehr kaputt, wünschte ich mir. Obwohl, sie schien gar nicht so viel Makeup aufgetragen zu haben, als ich mir das Taschentuch beiläufig interessiert ansah, welches sie mir zurückgab. Der dankende Augenaufschlag bestärkte mich in meiner Idee, ihr in trockene Kleidung zu verhelfen. Denn ich wollte mit ihr ein Gespräch führen. Mein Bemühen zeigte Wirkung. Merklich entspannte sie sich, als wir zusammen unter meinem Regenschirm vor der Tür standen.

„Tut mir leid, aber … “, stammelte sie und schaffte es nicht, noch einmal Luft zu holen.

Jenes wundervolle Date schien auch bei dieser erstaunlichen Frau stark angekommen zu sein. Zwei Male entfuhr ihr ein Aufatmen. Sollte das etwa ihre Erleichterung bedeuten, um alles gerade verflogene abzuschütteln? Natürlich sah ich sie heimlich an. Die Lippen bebten noch etwas, während der Blick viel entschlossener wirkte. Mir wurde klar, dass dies wie ein Märchen sein würde. Darum nehme ich meine Rolle nun an, sie, diese schöne Frau, zu verzücken.

„Die Tube verspätete sich und in Saint Paul‘s dauerte es einfach zu lange. Ich wollte doch wissen, ob deine Tochter … “, schnitt ich dann unhöflich einfach ihr Bemühen ab, um ihr noch etwas mehr Zeit zu geben.

„Olivia geht es viel besser. Mir aber auch. Das war ein wirklich guter Tipp. Bist du Mutter oder Lehrerin?“, hakte ich gleich mal einen Punkt ab.

Mutter wäre die perfekte Antwort. Lehrerin ginge auch noch.

„Nein. Ist das schlimm?“, erreichten ihre Worte mein Hirn und bewirkten totales Chaos.

Moment mal, brüllte es in mir, sie ist weder Mutter noch Lehrerin und gab mir einen dermaßen guten Tipp? Psychologin vielleicht?

Au weia! Was war sie dann?

„Nein, sag doch so etwas nicht. Sei doch fair zu dir selbst und mir. Aber sieh nur, ich habe Ausdauer bewiesen und nicht aufgegeben, um dich wiederzutreffen.“, flüsterte ich ihr zu.

Rätsel über Rätsel bauten sich heute um mich herum auf. Doch nun drehte ich mich zur Straße hin und winkte ein Taxi heran. Dann erleichterte mich all diese Unsicherheit, denn ich musste mehr erfahren, viel mehr. Ihren Namen, ihre Geschichte, einfach nur mehr. Langsam entstand ein Plan, was ich tun wollte. Ihre neue Garderobe aufbessern und mit ihr essen gehen.

„Faszinierend! Komm, das Taxi hält“, griff ich nach ihrer Hand.

Meine Neugier war geweckt. Schnell leitete ich diese wundervolle Frau zum haltenden Taxi, in der Hoffnung, sie spielte ihre Rolle genauso engagiert, wie ich eben auch. Weg von dem Laden mit all den Fremden, die nichts über unser Tête-à-Tête wissen sollten. Es war mir wirklich wichtig. Vertraute sie mir, wäre ich einen Schritt weiter. Aus dem Augenwinkel fiel nun ein Mann auf, dem ich schon zweimal heute einen Blick zugeworfen hatte. Ein Verfolger womöglich. Weshalb sollte ich bloß verfolgt werden? Nachdem ich ihr ins Taxi geholfen hatte, folgte ich ihr, bestellte sogleich, die 145-147 Regent Street anzusteuern. Die Zeit der Fahrt um den St. James Park sollte reichen, sie auszuhorchen. Ab und an schaute ich mich um, ob uns ein Taxi folgte. Doch anscheinend hatte ich mir dies eingebildet oder wir hatten den Verfolger überrascht. Mehr, mehr, mehr wissen, erschien mir angebracht und auch von diesen beunruhigenden Vorkommnissen abzulenken. Zwischen uns beiden bestand irgendetwas Spezielles.

Dann werde ich mal etwas mehr erfahren wollen, müssen. Schach zu spielen, fand ich seit meiner Kindheit spannend und so eröffnete ich meinen Spielzug mit einem Angebot. Auch würde ich vielleicht bereits herausfinden, ob sie es auf mich und meinen Posten abgesehen hatte.

„Mein Name ist George. Ich bin Vater von drei Kindern, zwei Töchtern und einem Sohn“, offenbarte ich mich.

Ihr erfreuter Blick zu mir nach meiner Auskunft deutete ich als dankbar oder erleichtert. Dann erkläre ich besser, was ich vorhabe. Eigentlich wollte ich mit ihr in den Saint James‘s Park. Just hörte es auf, zu regnen. Doch sie war nass bis auf die Knochen. Ich vernahm ein Zittern auf ihren Lippen. Deshalb änderte ich mein Vorhaben ab. So fuhren wir am Parliament vorbei. Ich deutete darauf.

„Dort arbeite ich“, bewirkte bei ihr aufgerissene Augen.

„Du bist im Parliament tätig? Das hätte ich nicht vermutet. Bist du etwa ein Politiker?“, beendete sie behutsam ihren Gedanken.

Ehrlich nickte ich, was sie erröten ließ. Ihr Blick suchte außerhalb des Taxis nach Ablenkung. Das fand ich irgendwie rührend. Solch eine Reaktion kannte ich nicht. Ein großer Teil wurde furchtbar freundlich und höflich, während der andere mich fast schon verachtete. Aber diese Dame errötete. Wollte ich darauf bestehen, mich als Lord behandeln zu lassen? Nicht von ihr. Dafür war sie mir schon zu nahe gekommen. Gewährte ich diese Ausnahme, denn sie ist Ausländerin, konnte ich dies entschuldigen. Meine anderen Titel führten dann wohl sicherlich zu noch mehr Unsicherheit. Ich griff nach ihrer Hand.

„Einfach nur George für dich, einverstanden?“, bot ich ihr an.

Sie stammelte: „George. Oh Mann!“

Noch während mein Seufzer den Fond des Wagens ausfüllte, erfuhr ich ihre volle Aufmerksamkeit. Da war ich der Lordschaft noch einmal entkommen. Nun drehte sie sich um und blickte zurück. Hatte sie etwa ebenfalls den Verfolger wahrgenommen? Beide graublauen Augen fixierten mich und die leicht gehobenen Augenbrauen bewirkten ein angedeutetes Lächeln meinerseits. Sie funkelte irgendwie Ironie oder Sarkasmus. Dort erblickte ich einen Schalk kurz davor, einen Auftritt zu feiern. Sie setzte sich steif hin und reichte mir ihre Hand.

„Ich heiße Samantha und komme aus Berlin“, verriet sie mir endlich ihren Namen.

Schade, dass sie nicht mehr so locker sein mochte. Sieglinde, Annegret oder gar Brunhilde? Weg mit all den Namen, die ich mir bei einer Deutschen vorgestellt hatte. Samantha. Toller Name. Wirklich!

In mir jubelte es so laut, dass ich dachte, sie könne es hören. Wie wunderbar. Zwei vollkommen untypische Menschen saßen in einer unmöglichen Situation in einem Taxi und lernten sich endlich näher kennen. Welcher bekloppte Film könnte so einen Einfall beinhalten. Das erste Mal seit dem Unfall meiner Frau fühlte ich mich wohl in der Gegenwart einer Frau, die auch noch aus Berlin kam. Anderthalb Flugstunden entfernt. Samantha also. Passte eigentlich gar nicht, doch daran gewöhnen würde ich mich bestimmt schnell. Ihre Freunde riefen sie bestimmt Sammy. Meine neue heimliche Bekannte gefiel mir immer besser. Was würde meine restliche Familie davon halten? Jason hatte mir gestern auf den Zahn gefühlt, weil auch er etwas bemerkt hatte. Nur Jennifer ignorierte mein abwegiges Verhalten. Schien mir eher, als würde meine ältere Tochter absichtlich meinem Leben keine Beachtung zukommen lassen wollen, um mich zu provozieren. Hauptsache, ich versaue das hier nicht, weil es sich im Gegensatz zu allem anderen in meinem derzeitigen Leben voller Hürden und Abgründen gut anfühlte. Samantha beobachtete mich. Aber sie sah, von mir ertappt, verstohlen auf die kleine und gut duftende Tüte in meiner Hand. Dann vernahm ich ein leichtes Grummeln.

„Samantha, ein ungewöhnlicher Name für eine deutsche Frau“, versuchte ich, den Bogen bekommen, „Wie lange bleibst du in London?“

Plötzlich wurde sie ganz nachdenklich, doch antwortete Samantha vorsichtig: „Bis Samstag.“

Ein Lächeln kam in mir hoch und platzte, wie die Sonne durch das Fenster, aus mir heraus. Ohne auch nur einmal meine Möglichkeiten auszuloten, sah ich ihr in die Augen.

Samstag. Leider nicht einmal eine Woche mehr.

„Dann haben wir doch noch fünf Tage“, tat sie ihr Résumé kund. „Zu reden. Uns kennenzulernen. Wie findest du diesen Gedanken?“

Haarscharf noch die Kurve bekommen. Sie hielt inne und sah mich verwundert an. Diese blinzelnden Augen, die erbleichten Wangen, diese niedliche Nase und dann das Gegenlicht aus den Pfützen bescherten eine unglaubliche Anmut.

Kawumm.

Meine Güte, machte sie das absichtlich? Okay, ich verliebte mich in diesem Augenblick in eine deutsche Samantha. Tiefer und tiefer geriet ich in ihren Bann. Falls sie nur wieder reden würde.

Diese Frage fand ihren Weg in mein aufgewühltes Inneres: „Wohin entführst du mich, George?“

Breit grinsend schüttelte ich den Kopf. Bevor ich auch nur versuchte, daran zu denken, hatte ich den Blaubeermuffin aus der Tüte befreit. Teilte ihn und legte ihn in ihre Hand. Leicht irritiert sah sie mich an und begriff dann. Wir verputzten unsere Hälften. Das Taxi hielt. Leider waren wir schon angekommen. Dann flüsterte sie mir Danke zu und passend zu meinem Vorhaben nieste sie zwei Male. Schnell öffnete ich die Taxitür, um ihr aus dem Auto zu helfen, doch sie war mir schneller gefolgt, als ich in der Lage gewesen war, mich umzudrehen. Sie landete unwillkürlich in meinem linken Arm. Dadurch musste ich einen Schritt zurückgehen und hielt sie automatisch fest. Erschrocken sah sie mich an. Doch innerlich lachte ich laut los, konnte aber ein Schmunzeln für weniger Aufsehen sorgen.

„Huch, hast du etwas vergessen?“, fragte sie unsicher.

Ich entgegnete ihr ein wenig konsterniert: „Nein, aber es gehört sich, einer Dame aus dem Auto zu helfen.“

„Oh, es tut mir leid, dass ich so ungeschickt war“, stammelte sie verlegen.

Nun geleitete ich sie in den Karl Lagerfeld-Laden auf der Regent Street. Ungläubig sah sie mich an. Jedoch sorgte ich dafür, dass sie mit mir das Geschäft betrat.

„Lass mich dafür sorgen, dass du in trockene Kleidung gelangst. Jetzt“, sie nieste und wollte eigentlich den Kopf schütteln.

„Das ist eine perfekte Zustimmung“, erwiderte ich ironisch.

Trotz ihres leisen Protests, setzte ich mich endlich einmal durch. Eine schöne Kombination für sie zu kaufen, die sie wieder in eine annehmbare Person und keine laufende Tropfsteinhöhle verwandelte, stellte für mich eine Ehrensache dar. Ebenfalls staunte ich, wie schnell sie ihre Auswahl getroffen hatte. Vermutlich dachte ich nicht daran, wie sie sich ankleiden würde. Doch wurde ich ernsthaft sauer, als ich merkte, dass sie nur nach den Preisen schielte und entschied. Daraufhin holte ich eine Verkäuferin an meine Seite.

Zu dieser flüsterte ich: „Ich gebe ihnen meine Kreditkarte. Helfen Sie dieser netten Dame zu einem trockenem und am besten passenden Outfit? Würden Sie dies tun?“ Sie begann zu lächeln und schnappte sich frech Samantha. Hingegen der kleinen Odyssee Samanthas, nahm ich Platz und las zwei Nachrichten aus meinem Büro. Meine Assistentin Cathryn teilte mir einige beunruhigende Erkenntnisse mit. Ich dachte nach. Wer und warum versuchte mich zu diskreditieren? Meine politischen Aktivitäten waren unauffällig und zurückhaltend. Wir beide verstanden nicht, was da vor sich ging. Als Samantha auftauchte, fertig angezogen, riss es mich aus dem Sessel. Meine Güte, sah sie gut aus. Sie neigte ihren Kopf und blickte ein wenig unglücklich, was ich mit einem breiten Lächeln beantwortete. Nun ab zurück ins Hotel. Die Verkäuferin erhielt eine nette Provision, woraufhin sie mir auf die Rückseite der Quittung die Kleidergrößen notierte und verlegen blinzelte.

„Kosmetikstudio und Friseur als nächste Ziele, oder?“, flötete ich.

Aufgebracht und eloquent bekam ich leise als Antwort: „Auf gar keinen Fall! Das lehne ich ab.“

Unter dem Regenschirm auf der Regent Street staunte ich. Natürlich wollte ich wissen, warum sie meine Wohltat ablehnte. Sah sie stirnrunzelnd und fragend an.

„Wir kennen uns nicht. Selbst mein letzter Freund durfte solch eine Aktion mir nicht ungestraft antun“, wies sie mich in meine Schranken.

Nun klingelte mein iPhone, welches Olivia im Display ankündigte. Mit einer Nachricht lehnte ich ab und sicherte ihr einen Rückruf zu. Hier auf der Straße verstand ich sie nicht und dann noch Samantha neben mir. Ich beugte mich vor, um wieder ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen.

Ich versuchte nachzudenken: „Meine Tochter. Muss wichtig sein. Lass uns bitte ins Urban Tea Rooms gehen, kurz Essen und ich telefoniere mit Olivia. Okay?“

Ihr Blick, der mich traf, wirkte nach. Härchen stellten sich auf. Sie sah so niedlich und erwachsen aus, dass ich kurz den Atem anhielt. Sie bewegte ihren Kopf auf und ab. Sie nickte mir zustimmend zu. Kaum hatten wir einen Platz gefunden, bestellt, rief ich meine Tochter an. Was nun geschah, brannte sich in mein Herz ein.

„Dad, geht es dir gut?“, hörte ich ein völlig verstörte Olivia.

Ich versteifte mich sofort und antwortete: „Was ist los, meine Kleine? Brauchst du Hilfe? Bleib ganz ruhig, hörst du?“

Sie flüsterte leise: „Da waren seltsame Männer, die mir gedroht haben, sie würden dir etwas antun, wenn ich nicht tue, was sie wollen.“

Ich zitterte und erhob mich, heiß und kalt durchfuhr es meinen Körper. Unvermittelt fuhr ich mir durch meine Haare.

„Ich rufe die Polizei und komme sofort zu dir“, entfuhr es mir.

„Nein, Dad alles okay. Ich sitze in der Cafeteria und warte, bis Jaz auftaucht“, versicherte sie mir.

Ruhig fügte Olivia hinzu: „Mir gehts gut, Dad, bin nur besorgt.“

Verdächtig fand ich das schon, wollte noch wissen, ob dies das erste Mal gewesen war, was sie verneinte. Sie wäre die letzten drei Tage verfolgt worden, weshalb sie immer einen anderen Heimweg genommen hätte, wenn sie allein unterwegs gewesen war.

Nun entschied ich: „Ab heute holt euch immer jemand ab oder bringt euch heim. Keine Widerworte!“

Wo war eigentlich Jennifer? Die beiden sollten doch gemeinsam nach Hause fahren können? Samantha schien alles verfolgt zu haben. Gerade erhob sie sich und wollte anscheinend dieses Date abbrechen. Doch hielt ich sie zurück. Anscheinend blickte ich dermaßen wütend, dass sie ohne Widerstand meiner Geste folgte. Nun rief ich Cathryn an.

„Hey, Notstand. Olivia wird gestalkt und bedroht. Ich werde heute nicht mehr ins Büro zurückkehren, sondern direkt zur Schule fahren“, hörte ich mich sagen, während mein Tee serviert wurde.

Samantha saß ganz still vor mir und lauschte mit: „Unglaublich! Soll ich mich darum kümmern? Alles irgendwie sehr seltsam.“

„Nein. Warte, ja, wir müssen uns etwas einfallen lassen. Nichts darf meinen Kindern widerfahren. Rufst du Jason an, bitte?“, dachte ich nach, wie ich das nun organisieren könnte.

„Gut, Lord Haggerthon, ich übernehme heute den Nachmittag und versuche einmal, etwas mehr über diese seltsamen Vorfälle herauszufinden“, beendete Cathryn das Telefonat.

Ankunft ohne Wiederkehr - Teil 1

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