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Das Feld der BÄume

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Gerhard Huber

Die Männer und Frauen, die vor Cebou gingen, überschritten gerade die Hügelkuppe und verschwanden gemächlich aus seinem Blickfeld. Ein Anblick voll prophetischer Kraft. Bald würde die Gruppe die Kolonie für immer verlassen; nur wenige Tage nach dieser Wanderung zum Feld der Bäume. Dem alten Mann erschien es nachgerade, als suchten die verbleibenden Lebensjahre leise vor ihm zu entwischen.

Cebou schüttelte den Kopf, als wollte er den Gedanken vertreiben, und blickte zurück. Die drei jungen Männer schlenderten im Gegensatz zu ihm geradezu aufreizend langsam hinter ihm her und holten dennoch stetig auf.

Nein, sie schlendern nicht, Cebou. Das bildest du dir ein. Sie gehen so, wie es junge Kerle eben tun. Kraftvoll und selbstsicher. Wie du es selbst einmal warst, alter Narr.

Doch lag das so weit zurück. Dem alten Mann wollte es nicht gelingen, ein Bild aus dem Gedächtnis zu zerren, das ihn als schwungvoll ausschreitenden Jüngling zeigte. War das denn wirklich so lange her? Ja, da war ein Bild: Cebous dunkle Haare flattern in einer kräftigen Meeresbrise auf dem Weg zum Strand, wo er Celeste treffen würde. Das war vor über 50 Jahren.

Cebou atmete tief ein und aus, während er seinen Blick wieder nach vorne zu der leeren Hügelkuppe richtete. War es im vergangenen Jahr ebenso eisig gewesen?

Die klirrende Kälte kroch Cebou allmählich bis in die Knochen. Dieses Jahr hatte sich der Winter länger gehalten als letztes. Oder? Er war sich nicht sicher.

Im vorigen Jahr war es um diese Zeit bereits wärmer gewesen. Bei der letztjährigen Wanderung zum Feld der Bäume hatte er doch nicht so gefroren. Lag das etwa auch am Alter? Oder erinnerte sich Cebou einfach falsch? Viel zu kalt war es jedenfalls nach seinem Geschmack. Dabei hatte das milde Tauwetter der vergangenen Tage schon vom bevorstehenden Frühling gekündet. Über Nacht waren Schnee und Frost zurückgekehrt und erschwerten zudem den Weg durch die Hügel.

Für die Männer und Frauen, die den Alten begleiteten, bedeutete es weniger Mühen, dem Weg zu folgen. Sie waren kräftig und jung. Die, die vorangingen, waren im Durchschnitt älter als die jungen Männer, die Cebou folgten. Aber alle waren sie jünger als der alte Cebou, dem mit seinen nunmehr dreiundsiebzig Sommern der Weg zum Feld der Bäume mit jedem Jahr schwerer fiel.

Die Gruppe hätte den Weg auch zu Pferd und mit Wagen zurücklegen können, doch das untersagte die Tradition. Die Vorfahren der Feldgänger waren vor über zweihundert Jahren an diesem Küstenstreifen schiffbrüchig gelandet und hatten sich hier ohne jede Hilfe und nur mit den wenigen Dingen, die sie an Land retten konnten, eine neue Heimat geschaffen.

Zur gesamten Tradition der Feldwanderung gehörte das Gebot der Einfachheit dazu und so legten die Männer und Frauen den Weg stets zu Fuß zurück.

»He, Cebou, wie lange dauert es noch?« Einer der nachfolgenden Jünglinge hatte das gerufen. Eine rhetorische Frage. Jedes Kind der Kolonie kannte den Weg zum Feld der Bäume. Nach der Bodenerhebung, die die Gruppe vor Cebou bereits hinter sich gelassen hatte, ging der Weg in einer Kurve hügelabwärts und endete

dann unmittelbar vor dem Feld, das man von der Kuppe aus sehen konnte.

Wir sind angehalten, den Weg zum Feld der Bäume schweigend zu gehen. Wir erweisen den Vorfahren damit unseren Respekt, aber auch den Scheidenden, die uns vorangehen.

Cebou sprach diese Worte nicht laut aus. Im Grunde wusste ohnehin jeder von diesem Gebot. An Respekt vor den Scheidenden oder den Vorfahren mangelte es den Jünglingen nicht, jedoch hatte die Wichtigkeit der Wanderung immer mehr abgenommen in den letzten Jahren. Das Feld der Bäume und der Grund für seine Existenz war allen Bewohnern der Kolonie nach wie vor wichtig, aber die jährliche Wanderung, die den Beginn der Verabschiedung der Scheidenden bedeutete, hatte an Belang verloren. Für diese Wanderung gab es gewisse Regeln, die ebenfalls im Laufe der Jahre an Bedeutung eingebüßt hatten; dennoch, die gesamte Tradition des Feldes der Bäume war nicht mit Verboten belegt oder gar mit Maßregelungen versehen.

Die laut ausgesprochene Frage war von dem mittleren der Jünglinge namens Chelar gekommen.

Cebou ging nicht weiter darauf ein. Es ließ nicht zwingend auf mangelnden Respekt gegenüber der Tradition oder den Scheidenden schließen, sondern eher darauf, dass Chelar nicht unbedingt Cebous Nachfolge antreten wollte.

Bei den anderen Wanderungen zum Feld der Bäume ging der Verkünder hinter den Scheidenden, am Feld übernahm er dann die Führung und begann, die Geschichte der Kolonie zu schildern. Dabei führte er die Scheidenden jedes Jahr auf anderen Pfaden zum Ersten Baum. Auf dem Rückweg zur Ansiedlung schritt schließlich der Verkünder den Scheidenden voran, wandte ihnen den Rücken zu und zeigte ihnen somit bereits den bald bevorstehenden Abschied an, wenn sie selbst der Kolonie den Rücken zukehren würden.

In diesem Jahr folgten Cebou zudem drei Jünglinge, denn einer von ihnen sollte die Nachfolge des alten Mannes als Verkünder antreten und die Geschichte, die zu erzählen war, kennen

lernen, um dann nach zwei weiteren Wanderungen das Amt zu übernehmen.

Vor nunmehr vierundfünfzig Sommern hatte Cebou das Amt angetreten. Der Alte war diesen Weg der Vorbereitung ebenfalls insgesamt dreimal gegangen, vor über einem halben Jahrhundert; allerdings stets schweigend. Schließlich war er damals aus den drei in Frage kommenden Jünglingen ausgewählt worden.

Das Amt des Verkünders war wahrlich kein schweres, dennoch sollte es mit Sorgfalt und Respekt ausgeübt werden – wenn nicht schon vor der Tradition oder dem Amt an sich, so doch wenigstens vor den Scheidenden, die die Wanderung zum Feld der Bäume stets sehr ernst nahmen. Es war ihr letzter Gang zum Ersten Baum und der letzte Kontakt mit ihrer Tradition für den Rest ihres Lebens.

Auch dem Verkünder selbst wurde in der Kolonie durchaus Achtung und Respekt für seine Aufgabe entgegengebracht, allerdings war es kein Amt, das mit besonderen Vergünstigungen oder gar einer Bezahlung versehen war.

Die Kolonie war in sich abgeschlossen, so dass es keinem Bewohner zum Vorteil gereicht hätte, mehr an Reichtum oder Gütern zu erwerben als andere.

Dennoch war manch ein Traditionsamt mit einem höheren Maß an Anerkennung und materieller Gegenleistung verbunden und so für die jungen Leute erstrebenswerter.

Auch die Ehre an sich, das Amt über Jahrzehnte auszuüben, barg für die Jugend keinen Reiz, sondern stellte eher eine lästige Verpflichtung dar. Selbst wenn keiner der neuen Generation es jemals zu handwerklicher Meisterschaft bringen und somit irgendwann vielleicht zu den Scheidenden gehören sollte.

Cebou war sich im Klaren darüber, dass der Sohn des Schmieds lieber so lange wie möglich bei seinem Vater bleiben und es zu solcher Meisterschaft bringen wollte, um die Kolonie eines Tages zu verlassen.

»Da ist es endlich!«

Der Ausruf des jungen Cilander riss Cebou aus den Gedanken. Der alte Mann und die drei Jünglinge hatten die Hügelkuppe

gerade überschritten und wanderten den Weg zum Feld hinab, wo Cebou die wartende Gruppe der Scheidenden erblickte.

Cilander war ein sehr begabter Holzschnitzer und Zimmermann. Er hatte gute Chancen eines Tages nicht nur zu den Scheidenden zu gehören, sondern darüber hinaus sogar auf einem unter seiner Leitung gebauten Schiff die Kolonie zu verlassen. Cebou schätzte ihn jedoch anders ein. Er kannte Cilander schon seit seiner Geburt, denn der alte Mann wohnte neben dessen Familie und hatte den jungen Mann aufwachsen sehen.

Bei allem handwerklichen Können, das ihn zu einem Scheidenden machen könnte, war Cilander ein recht ruhiger und bescheidener Bursche und anders als viele andere seines Alters eher traditionsbewusst.

Er schien Cebou am ehesten geeignet für das Amt des Verkünders.

Weniger geeignet hielt er den dritten Jüngling, Cilou, den zweiten Sohn seiner Cousine Cedrice, den Cebou als gewissenhaften und zuverlässigen, aber ebenso wenig traditionsbewussten jungen Mann kannte.

Cebous Meinung in der Sache seiner Nachfolge war jedoch sowieso zweitrangig. Die Ratsmitglieder der Kolonie würden zwar seine Einschätzung zur Kenntnis nehmen, die Wahl würden sie allerdings ohne den Verkünder treffen.

Cilou war der einzige der drei Jünglinge, der bis zur Ankunft am Feld der Bäume schwieg. Als Cebou und die jungen Kerle schließlich die Gruppe der Scheidenden erreicht hatten, trat der älteste der Männer und Frauen vor den Alten, senkte den Kopf und sprach die traditionellen Worte:

»Geleite uns zum Ersten Baum und berichte, Verkünder!«

Mehr war nicht nötig, der weitere Ablauf war allen Anwesenden bekannt und so schritt Cebou an der Spitze der Gruppe voran auf das Feld der Bäume. Die drei Jünglinge mischten sich dabei unter die Scheidenden.

Das Feld der Bäume erstreckte sich vor den Kolonisten leicht ansteigend bis zu einer Hügelkette am Horizont, in westlicher

Richtung war es gesäumt von einer Klippenlinie und dem dahinter liegenden Meer, zur östlichen Seite hin endete das Feld an einem Waldesrand.

Den Weg, den Cebou einschlug, wählte er willkürlich, aber mit festem Ziel. Es gab keine festgelegten Pfade oder gar befestigte Wege. Die wenigen Tiere, die gelegentlich aus dem Wald über das Feld liefen, taten das zu selten, um Trampelpfade zu hinterlassen, und die Kolonisten suchten es nie auf; abgesehen vom Verkünder und den Scheidenden jedes Jahr.

Das Feld der Bäume war durch das raue Meeresklima kärglich bewachsen und, nachdem es die Kolonisten seit Jahrzehnten nicht mehr nutzten, lediglich mit Moosen, Flechten und spärlich mit Gras bedeckt. Pflanzen, die – so hatte es für Cebou den Anschein – sich auch gar nicht die Mühe machen wollten weiter zu gedeihen und schon gar nicht das zu überwuchern, was dem Feld den Namen gab.

Cebou führte die Kolonisten in gewundenem Wege über das Feld und begann mit seiner Erzählung, die er schon so oft vorgetragen hatte. Jedes Jahr hatte er die Abfolge und Wortwahl variiert, nur der Inhalt war stets derselbe gewesen:

»Ein Feld voller Bäume war dies alles hier einst, als unsere Vorfahren vertrieben worden waren aus ihrer Heimat.

Was ihr nunmehr seht und was uns einen gewundenen Weg einschlagen lässt zum Ersten Baum, das sind die Ursprungsreste unserer Kolonie.«

Der alte Mann breitete dabei seine Arme aus und die Menschen hielten inne mit der Wanderung, um das Feld zu betrachten. Ein Feld mit riesigen Ausmaßen. Ein Feld voller Baumstümpfe.

Cebou setzte Bericht und Weg fort und die anderen folgten ihm zwischen den Stümpfen hindurch.

»Unsere Vorfahren wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Warum das geschah, ist nicht überliefert. Doch überliefert ist, dass die Vorfahren begabte Menschen waren, so talentiert, dass ihre Fähigkeiten und Verdienste wohl Neid und Missgunst ihrer Mitmenschen schürten. Wir wissen es nicht und was immer die Gründe gewesen sein

mögen, die zur Vertreibung geführt haben, es ist überliefert, dass diese Menschen ein Schiff bauen durften, sie und ihre bescheidene Habe zu fassen. Es heißt, sie wurden alle von der ersten Erde fortgeschickt, weil alles so übervölkert und unübersichtlich und überfüllt war auf der einen Welt. Nach beschwerlicher Reise, bevor sie an hiesigen Gestaden anlanden konnten, wurde das metallene Schiff von einem fürchterlichen Sonnensturm erfasst. Wie durch ein Wunder starb kein einziger, das Metallschiff wurde jedoch zerstört und das Meiste, was unsere Vorfahren mitgenommen hatten, sank mit den Überresten des Schiffes auf den Grund des Meeres.«

Erneut hielt Cebou in der Erzählung inne. Ein gutes Stück des Weges hatten der Verkünder und seine Begleiter noch vor sich bis zum Ersten Baum und Cebou blieb ab und an stehen und sah sich um, um sich zwischen den schier unzähligen Baumstümpfen zu orientieren.

Schließlich setzte die Gruppe ihren Weg fort und Cebou erzählte weiter:

»Aber diese Menschen waren froh, allesamt gerettet zu sein, und besaßen Mut und Hoffnung genug, mit dem Wenigen, das ihnen geblieben war, einen Neuanfang zu wagen. Zudem waren sie in der glücklichen Lage, hier alles vorzufinden, was sie brauchten, um nicht nur eine sichere Behausung, sondern gar ein neues Leben zu schaffen.«

So wanderten Cebou, die Scheidenden und die drei Jünglinge über das Feld der Bäume, der Alte erzählte von den Anfängen und dem Aufbau der Kolonie, der Entdeckung der riesigen Wälder und wie die begabten Handwerker neue Häuser errichteten, was sie sonst noch alles aus dem wenigen an Raumschiffsmetall fertigten, wie sie Fischfang betrieben, Äcker anlegten, wilde Tiere fingen und zähmten und dergleichen mehr.

Immer wieder hielten sie inne und Cebou blickte sich um und setzte stets im Gehen die Erzählung fort.

Die Wanderung zum Feld der Bäume selbst setzte Cebou von Jahr zu Jahr mehr zu, doch am meisten bei alledem strengten ihn doch der Weg zum Ersten Baum und das begleitende Erzählen an.

So war der alte Mann froh, bald sein Amt an einen Jüngeren abgeben zu können und auch die Verantwortung und Bürde loszuwerden, die ihn nunmehr schon seit Jahren plagten.

»Schließlich bauten unsere Vorfahren ein hölzernes Schiff. Von Größe und Bauart ziemlich ähnlich dem Metallraumschiff, mit dem sie gekommen waren und das sie beinahe alle in den Tod gerissen hätte. Aber vielleicht gerade deswegen, um es als ein Zeichen des Neuanfangs und gleichzeitig der Stetigkeit, der Tradition zu formen, erbauten sie es dem gesunkenen Schiff so ähnlich. Allen Menschen an den neuen Gestaden ging es gut, keiner hatte Not zu leiden und es wollte auch niemand die neue Heimat verlassen. Das Schiff sollte nur genutzt werden, um die Umgebung der Küste entlang von der See aus besser zu erforschen. Vielleicht Kontakt zu anderen Wesen aufzunehmen, um Handel zu treiben, denn schließlich waren nicht alle Güter hier erhältlich oder zu fertigen. Und wie einst das erste Schiff niemanden in den Tod gerissen hatte, so brachte auch das neue Schiff den Vorfahren nur Gutes. Sie fanden Hafenstädte mit Menschenähnlichen, die ihnen wohl gesonnen waren und Handel treiben wollten. Die Güter, die unsere Vorfahren zum Tausch anboten, sagten den anderen durchaus zu, am meisten waren sie jedoch beeindruckt von dem hölzernen Schiff.

Und so begann für unsere Vorfahren etwas, mit dem sie nie gerechnet hätten und das der Grund wurde, weshalb wir uns heute alle hier befinden: der Bau der Baumschiffe und zuvor das Roden des Feldes der Bäume.

Unsere Vorfahren und auch wir bauen so gute, seetüchtige und zugleich erlesene Schiffe, dass sie allerorten beliebt sind und die gesamte Kolonie beinahe nichts anderes macht, als diese Schiffe zu bauen und sie zu den Käufern zu bringen. Wir alle leben in irgendeiner Art vom Bau der Fahrzeuge, sind auf die eine oder andere Weise mit der Fertigung verbunden. Und unsere Scheidenden sind mit die Besten der Handwerker, die unsere Schiffe an andere Gestade bringen und die auch in der Ferne unsere Schiffsbaukunst betreiben und den Ruhm und den Reichtum der Kolonie auf dieser zweiten Erde mehren.«

Cebou und seine Begleiter machten erneut halt und der Alte schenkte dem Baumstumpf vor sich einen prüfenden Blick.

Schließlich wandte er sich an seine Begleiter:

»Seht hier den Überrest des Ersten Baumes. Dieser Baum wurde als erster zu Fall gebracht und aus ihm wurde der Mast des ersten hölzernen Schiffes gefertigt. Der erste Mast, der die wunderbar gefertigten ersten Segel hielt, die das erste Schiff zu neuen Ufern trugen. Der Erste Baum, der unseren Ruhm begründete. Das erste Holzschiff, wie alle anderen nach ihm, wurde nur zu friedlichen Zwecken eingesetzt, um Handel zu treiben und neue Lande zu finden. Nie ist es jemandem gelungen auch nur eine Kanone oder sonstige Waffe auf eines der Schiffe zu bringen. Niemand weiß, warum das so ist, viele halten es für eine Legende, ein Märchen. Doch ich sage euch, der Erste Baum war ein wundersamer Baum, ein Baum, der wundervoll gewachsen war und der dazu ausersehen war, Teil eines Schiffes zu werden. Eines Schiffes, das dem glich, das unseren Vorfahren fast Verderben und Tod gebracht hätte. Ein Schiff aus einem Baum oder Raum, der uns allen schließlich wunderbares und friedliches Leben schenkte.

So betrachtet ihr Scheidenden und auch ihr Jünglinge, die ihr meine Nachfolge antreten könntet, den Stumpf des Ersten Baumes. Ihr Scheidenden prägt euch sein Bild ein, möge es euch an die erste Erde erinnern und gemahnen auch in der fernsten Fremde Gutes zu vollbringen. Und auch ihr drei, die ihr ebenfalls Scheidende werden könntet oder meine Nachfolge antreten werdet, seid euch des Ersten Baumes gewiss. Der Baum, aus dem nur Gutes gefertigt werden konnte und der auch das Beste in euch zum Vorschein bringen soll. Möget ihr bleiben oder scheiden oder nachfolgen. Tragt alle von nun an das Bild des ersten Baumes stets in eurem Gedächtnis und euren Herzen.«

Mit diesen Worten beendete Cebou seine Erzählung und ließ sich erschöpft auf den Wurzelstock neben dem ersten Baumstumpf sinken.

Cebou breitete erneut seine Arme aus, alle Scheidenden verbeugten sich in Dankbarkeit vor dem Verkünder, wandten sich

um und traten hinter den Alten und den Ersten Baum. Sie würden dort warten, bis Cebou den Heimweg zur Kolonie antreten würde. Die drei Jünglinge traten vor den Alten, zollten ihm ebenso Dankbarkeit und sollten nach der Tradition vor dem Verkünder und den Scheidenden den Heimweg antreten als Symbol einer glücklichen jungen Zukunft.

Cilander und Cilou gingen nach der Dankbarkeitsbezeugung auch los, Chelar dagegen blieb vor Cebou stehen und sagte:

»Die Wanderung langweilte mich, doch der Gang über das Feld und deine Erzählung haben mich tief bewegt, Verkünder Cebou. Es wäre mir eine Ehre und Freude, wenn die Wahl des Rates als dein Nachfolger auf mich fallen würde, und wenn ich als Verkünder Chelar bis in ein so ehrwürdiges Alter wie du den Weg zum Ersten Baum beschreiten dürfte.«

Damit wandte sich auch der dritte Jüngling ab und folgte den beiden anderen.

Wer hätte das vermutet, dachte Cebou bei sich. Er drehte sich zu den Scheidenden um und teilte ihnen lächelnd mit:

»Gestattet einem alten Mann etwas Ruhe. Es wird uns niemand übelnehmen, wenn ihr bereits den Heimweg antretet und ich hier Kraft sammle für den Rückweg.«

Cebou lächelte noch immer, als die drei Jünglinge und die Gruppe der Scheidenden schon ein gutes Stück von ihm und dem Ersten Baum entfernt waren.

Schließlich erhob sich der Verkünder, weiterhin lächelnd, und musterte ein weiteres Mal den Baumstumpf.

Alles hat sich zum Guten gewendet, wir leben in einer harmonischen und doch aufstrebenden neuen Gesellschaft. Und eines Tages werden wir statt hölzerner auch wieder Schiffe aus Metall bauen. Und möglicherweise zur ersten Erde zurückkehren. Manche von uns; ich werde es sicher nicht mehr erleben.

Dann machte er sich auf, den Jünglingen und den Scheidenden nachzufolgen und ließ dabei den Blick über das Feld der Bäume schweifen.

Unbemerkt von den anderen kicherte Cebou auf einmal wie ein kleiner Junge, der gerade einen Streich ausgeheckt hatte.

Und es wird nichts ändern, wenn ich mein Geheimnis mit ins Grab nehme. Nicht besser, nicht schlechter. Nicht Metall, nicht Holz.

Leise murmelte er noch: »Das Feld der Bäume. So viele Baumstümpfe und nur ein Erster Baum. Und du alter Narr hast schon vor so vielen Jahren vergessen, welcher von all den Stümpfen es ist!«

ENDE

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