Читать книгу Faulfleisch - Vincent Voss - Страница 9
Tim, der Nachbar und Hübi
ОглавлениеEinen Abend später rief Liam Tim an. Zum einen musste er ihm erzählen, dass es mit Sandra nicht stimmig war, zum anderen brauchte er seinen Rat. Sandra und er hatten sich darauf verständigt, es irgendwann später miteinander versuchen zu wollen. Nicht nur wegen der Kinder, sondern weil sie sich liebten. Jetzt wollten sie getrennt leben. Sandra ging es damit tatsächlich besser, ihm dafür deutlich schlechter. Sandra zog in Hamburg bei Maui, ihrer Freundin, ein und er kam nicht mit dieser unerträglichen Stille in seinem Leben klar.
Der Fernseher warf stumm Bilder in das große Wohnzimmer, Jack schlief oben und Liam lag mit dem Telefon auf seinem Lieblingssofa und sah nach draußen. Draußen war es stockduster und klirrend kalt. Tim war da und bekifft. Liam vermutete, dass Tim aus seiner Küche telefonierte, im Hintergrund hörte er das Radio. Das Thema Beziehung hatten sie nach kurzer Zeit hinter sich gelassen und Liam erzählte seinem Freund von dem abenteuerlichen Spaziergang und dem nackten, gefesselten Mann mit dem Gummiball im Mund.
»Oder? Was meinst du? Vielleicht wollte der das gar nicht und wurde da misshandelt oder Schlimmeres«, nagten die Zweifel in Liam. Tim ließ sich Zeit.
»Nee. Kann ich mir nicht vorstellen. Mit so ’nem Ball im Mund, Ketten und Leder … nee, glaube ich nicht. Der wollte das bestimmt auch so, aber dann is’ klar. Kann man ja nie wissen, wie weit man da gehen kann. Da haben sich ja auch schon welche gegenseitig zu Tode gefoltert. Ich kann mir vorstellen, dass Lust gepaart mit Schmerz grenzüberschreitend ist, weil es an sich konträre, extreme Gefühle sind. Die in einem situativen Einklang, das ist bestimmt hemmungslos. Und was meinte er? Urlaub? Klar, die nehmen sich dann viel Zeit für ihre Spielchen. Aber weißt du denn wer das ist? War ja wohl bestimmt kein Bauer, oder?«, wollte Tim wissen.
»Keine Ahnung, wer das ist.«
»Wie? Du hast dich noch nicht umgehört, wer das ist oder will niemand im Dorf etwas sagen?«, hakte Tim nach.
»Nein, ich habe niemanden gefragt. Warum auch? Ich will erst mal wissen, ob es so was gibt, weißt du. Ich bin mir nämlich nicht ganz sicher bei der Sache. Wenn die da so ihre Spielchen treiben, dann muss ich mich da auch nicht einmischen. Das geht mich nix an«, verteidigte sich Liam.
»Ich weiß, was du meinst, Li, aber nur mal so. Jack geht dort in den Kindergarten, Lina wohl auch bald. Dann gehen sie zur Schule und spielen in diesem Dorf auch rum. Alleine deswegen würde ich wissen wollen, wie durchgeknallt der Typ da ist. Ich glaube nicht, dass der da jemanden vergewaltigt hat, aber ich würde allein zu meiner eigenen Sicherheit wissen wollen, ob es auch stimmt, was ich glaube. Weißt du, was ich meine, Li?«
»Ja.« Liam musste nachdenken.
»Li? Bist du noch dran?«
»Ja, Tim. Danke, ich muss jetzt auflegen, ja? Ich komm’ bald mal rum, Jack vermisst euch schon und Lina ist riesig geworden. Bis dann.« Liam legte auf und starrte nach draußen. Er würde sich umhören müssen. Vielleicht sollte er den Hof von der Straße aus aufsuchen. Er erinnerte sich an den gefesselten Mann und erschrak. Der Nachbarskater war auf den Fenstersims gesprungen und starrte ihn mit großen Augen an. Im Maul hatte er Fell und Fleisch. Er legte seine Beute auf den Fenstersims und verzehrte sie. Liam beobachtete ihn.
Am nächsten Tag fing er seinen Nachbarn ab. Markus war der älteste Sohn des Bürgermeisters und wohnte mit seiner Freundin Melanie neben ihm. Er war Zimmermann und viel unterwegs. Liam griff sich den Müllsack und ging raus, als er Markus’ Bus die Auffahrt hinauffahren sah.
»Hallo Markus«, grüßte er. Markus nickte nur kurz. Mit dem Müllsack in der Hand ging Liam auf ihn zu.
»Sag mal, ich hab’ vorgestern ein wenig die Gegend erkundet und bin an der alten Holzbrücke, dort wo der Weg dann auch endet, diese Wiese da weitergegangen.« Liam fuchtelte unbeholfen mit der freien Hand herum. Markus nickte.
»Dahinter kommt dann irgendwann ein Haus. Nach der Wiese meine ich. Kann man da eigentlich lang gehen?«, fragte Liam.
»Das ist der alte Hof vom König. Aber der ist schon tot. Ein paar Jahre wohl schon. Da wohnen sonst noch die alten Schröters im Moor, aber das war es dann auch schon.«
Liam nickte.
»Danke. Dann kann man da ja hin, wenn da niemand mehr lebt.« Liam log und fühlte sich unwohl. Warum hatte er nicht direkt gefragt? Er wollte umdrehen.
»Nein, warte, da ist doch einer eingezogen. Der hat das sogar gekauft. Ein Anwalt, glaube ich, oder ein Arzt. Dirk meinte letztens, dass er da zwei Schäferhunde gesehen hatte, also würde ich da eher aufpassen, wenn du mit deinen Lütten da unterwegs bist. Ein Weg führte dort früher mal hin, als der König noch Vieh hatte. Als er alt wurde und seine Kinder in die Stadt zogen, da kümmerte sich niemand mehr um den Weg.« Markus nickte zur Bestätigung, dass er nichts mehr zu sagen hatte. Liam nickte auch, brachte den Müll weg und legte sich wieder auf sein Sofa.
Am nächsten Vormittag kaufte er sich eine warme Skijacke. Später fuhr er mit dem Rad den Wanderweg bis zur Wanderkarte und zeichnete sie ab. Mittags telefonierte er mit Sandra. Jack hatte sich erkältet, Lina ging es soweit gut, Sandra würde übermorgen raus kommen. Liam registrierte, dass er abgelenkt war. Er vergaß dadurch die bedrückende Stille. Allerdings kam er dadurch nicht zum Arbeiten und einen Auftrag schob er Deadline um Deadline auf. Es war nur eine Frage der Zeit, wann der Auftrag platzte. Letztlich gingen ihm der nackte, gefesselte Mann und das Verhalten des anderen nicht aus dem Kopf. Er hatte das Gefühl, der andere Mann hatte etwas zu verbergen gehabt. Da aber sein Gefühl nur auf Sand gebaut war, konnte er nichts Konkretes unternehmen. Die Polizei einschalten? Lächerlich. Über das Internet herausfinden, wer der Käufer des alten Könighofes war, um dann zu recherchieren? Das hatte er halbherzig unternommen. Allerdings ohne Ergebnis aus Bequemlichkeit wieder eingestellt.
Heute Nachmittag wollte er sich dem Gehöft von der Straßenseite aus nähern. Bis dahin wartete er in der Stille.
Er stieg ins Auto und fuhr den gesperrten Naturwanderweg durch das Moor über die Steinbrücke und bog dann nicht auf den Feldweg zur B432 ab, sondern nach rechts Richtung Wilstedt. Das konnte er der Karte entnehmen, aber er konnte es nicht mit seinem Orientierungssinn in Einklang bringen. Dort sollte Wilstedt liegen? Nach einigen hundert Metern erreichte er eine kleine Einbuchtung und parkte seinen Wagen. Es war kalt und feucht. Der Geruch von Schnee lag in der Luft, aber auf den Bäumen war das Eis weggetaut und diese Art von Kälte kroch ihm schnell in die Glieder. Er sah auf dem Handy nach der Uhrzeit und stellte fest, dass es in einer Stunde dunkel werden würde. Er überlegte, ob er eine Taschenlampe mitnehmen sollte, entschied sich aber dagegen.
Er ging die asphaltierte Straße Richtung Wilstedt. Links und rechts der Straße standen gestutzte Weiden, deren Triebe an den Einschnitten gerade nach oben sprossen. Blattlos sahen einige von ihnen aus wie belebte, grimmige Wächter, die die Felder hinter sich verteidigen mussten. Acker, Knick, Acker, Knick, reihte es sich in jede Richtung des Horizonts auf. An der westlichen Seite des Moores war er an drei Häusern vorbei gekommen und er fragte sich, wie die Menschen mitten im Nichts leben würden. Hatten sie Kinder? Erzählten sie ihnen Gute-Nacht-Geschichten von Moorgeistern und Irrlichtern?
Würde er ins Auto steigen und zurückfahren, würde er auf eine große Straße kommen, die direkt nach Hamburg führte. Und keine dreißig Kilometer Luftlinie von Hamburg entfernt, fühlte er sich mehrere Jahrzehnte zurückversetzt.
Die Straße beschrieb einen rechten Winkel und dahinter sah er den alten Königshof auf der rechten Seite der Straße und ein ebenfalls rotgeklinkertes Einfamilienhaus auf der gegenüberliegenden Seite. Das musste das Haus der Schröters sein. Den Königshof konnte er nicht gut erkennen, da vor dem Wohnhaus auf einer Wiese verwilderte Apfel- und Birnenbäume standen, die ihm die Sicht nahmen. Die Schröters hatten eine Vorliebe für weiße Gardinen vor den Fenstern. Der Garten war spärlich bewachsen und akkurat gepflegt. Kein Laub lag auf dem Rasenstück und kein Unkraut verunzierte die beiden braunen Mutterbodenstreifen, die den Steinweg bis zur Tür flankierten. Ein paar Schritte später konnte er auf die Hofeinfahrt des Königshofes sehen.
Er blieb stehen, reckte und dehnte sich so, wie er sich typische Spaziergänger sich reckend und dehnend vorstellte. Der dunkelblaue Volvo stand auf dem Hof. Kein Pan und kein Apollon. Und auch kein Stöhnen. Der Garten und die Wirtschaftsgebäude neben dem Kuhstall waren verwildert. Der Hof war vor dem Wohngebäude bepflastert, aber durch einige Steine hatte sich das Unkraut durchgekämpft und die Steine herausgehoben.
Liam war unschlüssig. Was genau wollte er hier? Oder was erwartete er, hier anzutreffen? Er dehnte sich ein letztes Mal, drehte sich um und ihm stockte der Atem. An einem Fenster des Wohngebäudes hatte er eine Hand gesehen. Sie hatte sich an die Scheibe gepresst und war hinter der Gardine verschwunden. An der Hand hatte Blut geklebt! Glaubte er zumindest. Genau hatte er es nicht erkennen können. Sofort stellte er das vermeintlich Gesehene in Frage, bis es ihm lächerlich schien. Sein Herz pochte. Er spähte zu dem Fenster und versuchte, Blutspuren zu erkennen, aber die untergehende Sonne reflektierte das Licht zu stark und tauchte die Scheibe in gleißendes Orange. Er ging in die Hocke, um besser sehen zu können. Die Scheibe war beschlagen, vielleicht sogar beschmiert. Am einfachsten wäre es, wenn er dorthin gehen würde, aber er traute sich nicht. Er neigte den Kopf zur Seite und fühlte sich in seiner Wahrnehmung bestätigt. Schmierig. Aber ob es Blut war, konnte er nicht sicher sagen. Vielleicht hatte auch das Licht seiner Wahrnehmung einen Streich gespielt. Aber es war eine Hand gewesen.
Er beugte sich noch tiefer, sodass er fast schon auf der Straße lag. Etwas trat ihn in die Sohle. Erschrocken schoss er in die Höhe und holte zum Schlag aus.
»So sieht Sport aber nich’ aus, Kumpel, doh. Was machste denn da?«. Vor ihm stand Clemens Vater. Zum ersten Mal humorlos. Und hinter ihm stand Clemens und beobachtete ihn neugierig an den Beinen seines Vaters vorbei. Liam wurde durch das schnelle Hochkommen schwindelig. Er rieb sich mit der linken Hand die Schläfe und taumelte leicht. »Ich gehe hier häufiger Spazieren und dann habe ich eine Hand gesehen. Dort und …«, er riss sich zusammen, das Schwindelgefühl ließ nach. Er suchte Blickkontakt zu Hübi. »Ja, und dann war ich mir nicht mehr sicher. Ich wusste gar nicht, dass da jemand wohnt«, deutete er auf das Haus.
»Mmh, ja. War lange der Hof vom König. Bis dann so ’n Snob aus der Stadt das Ganze hier gekauft hat.« Hübi sprach lauter als sonst.
»Der Herr Gerichtsmediziner hat sich hier niedergelassen. Und weil der Herr Gerichtsmediziner Schiss hat, hier alleine, hat er sich zwei Schäferhunde geholt.« Hübi hatte den Kopf zum Königshof gewendet. Dem Hausbesitzer galt das Gesagte. Liam nickte.
»Du stehst nicht so auf Zugezogene, was?«, wollte Liam wissen. Hübi packte ihn an der Jacke und zog ihn zu sich ran.
»Das stimmt überhaupt nich, aber weissu was? Solche Gesellen wie den da, ne, immer in der Klinik, dann wieder hier und so ’n Gejammer hören, komische Freunde und sowas, ne. Das is’ verdächtig, weissu. Das is ’n Stubenhocker!« Hübi spuckte aus und schob Liam sanft wieder von sich.
»Aber du«, er klopfte ihm auf die Schulter und reckte anerkennend den Kopf nach oben »bist ja gar keiner, sondern bist ja auch hier draußen unterwegs, ne.« Er näherte sich Liam drohend.
»Oder wolltest du etwa deinen Freund, die Ärzteschwuchtel besuchen?« Hübi schaute Liam an und Liam streckte sich.
»Sag mal, spinnst du! Du kannst mich doch nicht einfach so …« Liam fehlten die Worte, er drehte sich weg und ging.
»Na also, bist also kein Stubenhocker wie unser Herr Gerichtsmediziner hier!«, rief ihm Hübi hinterher. »Kein so ’n Schwanzlutscher!«
Liam konnte sich nun das schüchterne Wesen von Clemens erklären, den verträumten Blick, das Weggucken, wenn er gefragt wurde. Wahrscheinlich waren das alles Tischregeln bei Clemens und Hübi im Haus, die Mutter hatte er noch nicht kennen lernen dürfen.
Am Auto warf er seine Skijacke in den Kofferraum, setzte sich mit einem Seufzer auf den Fahrersitz und atmete durch. Hübis Erscheinen hatte ihn vom Wesentlichen abgelenkt, der blutigen Hand am Fenster. Zweifel regten sich in ihm. Wenn er sich bei der Polizei meldete und denen den Sachverhalt erklären wollte und sich nichts bewahrheitete, erwarb er sich den Ruf eines kranken Spinners im Dorf. Irgendwer kannte bestimmt Wachmeister Meier aus der Großgemeinde in Henstedt-Ulzburg. Und haben Sie schon gehört? Der da beim Bürgermeister wohnt, sieht überall blutige Hände an den Fenstern und nackte Männer mit einem roten Gummiball durch das Moor laufen. Kein Wunder, dass sein Sohn nur schwarze Bilder malt, wie ich gehört habe.
Ja, das wäre ein guter Start.
Er ließ den Motor an und sah Hübi und Clemens mit dem Fahrrad angeradelt kommen. An Hübis Seite lief ein großer, zotteliger, brauner Hund, der zu Hübi passte. Hübi beachtete Liam nicht und auch Liam ignorierte Hübi mit aller ihm zueigen stehenden Arroganz.
Zuhause stand er mit einer Tasse heißem Pflaumen-Vanille-Tee in der Hand an der Terrassentür und beobachtete die untergehende Sonne hinter dem kleinen Wald in seinem Garten. Es mehrten sich die Zweifel am Gesehenen und er glaubte, sich etwas eingebildet zu haben, aber ein Rest Unsicherheit blieb. Eine Hand, die sich abstützte und dabei die Gardine kurz zur Seite riss. Ein Ruck, sie schmierte blutend an der Scheibe entlang und verschwand wieder hinter dem Fenster. In der Dunkelheit sah Liam häufiger in aufgehängten Mänteln und Jacken lauernde Gestalten in seiner Wohnung, jedoch folgte die Einsicht immer unmittelbar und ließ ihn erleichtert zurück. Er nippte an der Tasse und der Tee schmeckte ihm nicht mild genug. In der Küche goss er etwas Milch nach und rührte Honig hinein. Das Umrühren durchschnitt die Stille, denn es machte ihn auf sie aufmerksam. Nachdenklich nahm er wieder seinen Platz mit Sicht auf den Garten ein und die Sonne war in der kurzen Zeit so tief gesunken, dass das Wäldchen zu einem dunklen Ort mit lichten Flecken geworden war und er erinnerte sich an ein psychedelisches Stück von Pink Floyd auf der Ummagumma.
Jack glaubte, dass Kobolde in dem Wald wohnen würden und für Jack musste der Wald riesengroß erscheinen, mit einer Unzahl an kleinen Verstecken und der großen Gefahr, sich darin zu verlaufen. Letztlich waren es nur zweiundzwanzig Fichten, die dort standen, aber auch Liam konnte sich gut Kobolde in dem Wald vorstellen.
Geschmeidig schälte sich eine Katze aus dem Schatten des Waldes und pirschte über den Rasen. Offenbar hatte Nachbars Kater einen geregelten Tagesablauf, denn wieder trug er seine Beute im Maul zur Veranda, legte sie dort ab, setzte sich und blickte gelangweilt umher. Liam konnte nicht erkennen, was für ein Tier das erbeutete Knäuel war, er schätzte, ein Vogel. Der Kater nahm sein Abendessen ins Maul, und nach einigen Schritten sprang er auf den Fenstersims vor Liams Wohnzimmerfenster. In aller Ruhe fraß er unter Liams Blicken.
›Was, wenn es ein Tier war?‹, fragte sich Liam. ›Und keine blutige Hand.‹ Vielleicht hatte der Herr Gerichtsmediziner ebenfalls eine Katze oder einen Kater. Und vielleicht schleppten die ihre Beute ins Haus und verputzten sie dort auf dem Fenstersims. Liam merkte, wie sich die galoppierende Unruhe in seinem Kopf beruhigte und zum ersten Mal empfand er etwas, wie eine stille Verbundenheit zu dem Kater auf seinem Fenstersims.
Er wachte im Schlafzimmer auf und hatte ein unbehagliches Gefühl. Es musste immer noch Nacht sein, verriet ihm die Dunkelheit und durch die geöffneten Fenster hörte er, dass es stürmisch geworden war. Die Bäume im Wald rauschten. Er war beunruhigt und richtete seine Aufmerksamkeit nach innen, ob er etwas Unangenehmes geträumt hatte. Er konnte sich an nichts erinnern.
Draußen quietschte ein Scharnier und etwas Schweres polterte. Sein Herz raste, er konnte das Geräusch nicht einordnen und ehe er sich beruhigen konnte, wiederholte es sich. Aus Angst aber auch aus Bequemlichkeit fiel er in eine Schockstarre und sein erster Impuls war, einfach liegen zu bleiben. Doch er raffte sich auf, um ins Wohnzimmer zu laufen.
Seine Vormieter waren Gartenfanatiker gewesen und dementsprechend hatten sie eine komplette Beleuchtungsanlage um die Veranda und den Schuppen installiert. Mit einem Knopfdruck war alles hell, zumindest bis zur halben Rasenfläche. Er konnte nicht erkennen, was das Geräusch verursachte. Schemenhaft sah er, wie sich die Fichten und Baumkronen der Laubbäume im Sturm bogen.
Erneut polterte es und es schien direkt von der Außenwand zur Einfahrt zu kommen. Es was das Holztor zur Auffahrt. Er hatte es nicht richtig eingehakt. Anstatt nur in Unterhose bei der Kälte rauszulaufen, besann er sich und zog sich seinen Jogginganzug über und blieb stehen.
Etwas war über den Rasen gehuscht. Sehr schnell und unförmig. Ihn verließ der Ehrgeiz, das Poltern abzustellen, stattdessen wünschte er sich, er wäre im Bett liegen geblieben. Er wollte nicht mehr wissen, was da lang huschte. Er kam sich bei der hellen Wohnzimmerbeleuchtung beobachtet vor. Mit angehaltenem Atem tastete er, den Rasen beobachtend, nach dem Lichtschalter. Es wurde dunkel. Ein Schatten sprang an die Wohnzimmerscheibe und Liam schrie auf. Es war der Mistkater der Nachbarn. In seinem Maul hielt er den abgetrennten Stumpf einer blutigen Hand, die an der Fensterscheibe Blut verschmierte.
Liam schrie auf …
Und nahm ein gelegentliches Poltern wahr. Draußen stürmte es, hörte er durch das geöffnete Fenster. Auch seinen Herzschlag konnte er in seinem Kopf hören. Bevor er das verdammte Holztor schließen wollte, ging er ins Bad und spritze sich kaltes Wasser ins Gesicht, um sicher zu stellen, dass er nicht wieder träumte. Die restliche Nacht verbrachte er unruhig.