Читать книгу Melody - Das Erwachen - Violett McKenzie - Страница 6
ОглавлениеKapitel 3
»Melody ... Melody, bist du da?«
Sie schreckte aus ihren Gedanken und sah hinauf zu dem großen, breitschultrigen Mann der jetzt direkt vor ihr stand. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie in seine strahlend blauen Augen sah. »Es freut mich, dass du meine Einsamkeit beendest …« Sie schaute ihn forschend an. »Ich dachte, du könntest heute Abend gar nicht kommen. Wie ist dein Geschäftsessen verlaufen, Ryan?«
Der blonde Mann streckte ihr seine Rechte entgegen und half ihr auf die Füße zu kommen. Bei seiner Größe von etwas über sechs Fuß reichte sie ihm kaum bis unter sein Kinn, weshalb sie ihren Kopf in den Nacken legen musste, um ihn anzuschauen, da sie so dicht vor ihm stand. Ihre goldenen Augen glitten über sein markantes Gesicht. Er war ein attraktiver Mann – nicht ganz so gut aussehend wie Stuart, aber dank seiner Charakterstärke, Persönlichkeit und seinem Esprit, war es ihr immer eine Freude in seiner Nähe zu sein.
Melody wusste, dass es einige Frauen gab, die sie um ihre Beziehung zu dem millionenschweren Filmproduzenten beneideten. Dabei wussten die meisten Menschen gar nicht, dass Ryan einer der Wenigen war, den sie tatsächlich als Freund bezeichnete. Sie mochte ihn, liebte ihn aber nicht. Zwar hatte er ihr gegenüber ein paar Mal angedeutet, dass er bereit sei ihre Beziehung zu vertiefen, aber ihre Entscheidung respektiert, genau dies nicht zu tun.
Ryan lächelte in ihr aufschauendes Gesicht. »Was soll ich sage, Süße? Als ich erwähnte, dass du meine Hauptdarstellerin sein würdest, haben Sie sich darum gerissen, die vorbereiteten Verträge zu unterschreiben. Ich habe es sogar geschafft Archer für die Regie zu bekommen.«
Melody lachte laut auf. Sie ignorierte die interessierten Blicke der um sie Stehenden.
Ryan war in der Finanzwelt, der Filmproduktion und allem, was zu dieser Branche gehört, für seine raubtierhaften Instinkte und unerschütterliche Selbstsicherheit bekannt. Wenn man gutes Geld verdienen wollte, so brauchte man nur in einen Film von Ryan Richard zu investieren.
Aber er ist auch ein Mann, der anderen Respekt zollt, wenn es geboten ist, dachte Melody bei sich und bewunderte ihn für diese Qualität. Ihre ganze Aufmerksamkeit war jetzt auf ihn gerichtet. »Ich darf also davon ausgehen, dass es mit meinem lange ersehnten Urlaub nichts wird?« Sie lachte und war überrascht, als er nicht einstimmte – sogar ein wenig geknickt wirkte. »In Ordnung, Ryan … Ich kenne dich viel zu gut, mein lieber Freund. Sag' mir lieber gleich, was dir auf der Seele liegt. Du weißt genau, dass ich es früher oder später eh herausbekommen werde!«
*
Ryan kippte den Rest seines doppelten Scotchs in einem Zug herunter. Er hatte nur zu gut gewusst, dass es heute Abend nicht leicht werden würde, weshalb er sich zunächst noch in eine Bar begeben hatte, ehe er sich zu ihr gesellte. Ihm war auch bewusst, dass, was er ihr zu sagen hatte, bei ihr die Sicherungen durchbrennen lassen würde. Denn als sich ihre Agentin Maisie Swanbeck mit ihm in Verbindung gesetzt hatte, weil sie von ihm wissen wollte, wie das Thema am besten angesprochen werden könne, von dem sie wusste, dass es tabu war, waren sie übereins gekommen, dass sie es von ihm direkt hören sollte. Auch wollte Maisie, dass die Geschichte so schnell wie nur irgend möglich der Presse bekannt gemacht wurde.
»Es ist noch etwas anderes passiert, Melody«, bemerkte er. »Ich weiß nicht, Süße, wie ich es dir anders sagen soll, als direkt heraus …«
»Dann solltest du das tun, Ryan. In der Vergangenheit hat es so doch immer bestens für uns funktioniert, nicht wahr?«, nickte sie zustimmend. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich die Neugierde, als sie ihn von oben nach unten musterte. »Was in aller Welt lässt dich so verstummen?«, lächelte sie ihn an.
»Vielleicht sollten wir zu mir nach Hause gehen, damit wir das in Ruhe besprechen können …«, schlug Ryan vor. Er nahm sein leeres Glas und fragte sich, ob er sich nicht noch einen genehmigen sollte, was nicht allzu oft vorkam.
Melody atmete hörbar ein und aus. »Du weißt genau, dass ich nicht der Typ Frau bin, der Unangenehmes hinauszögert, Ryan«, seufzte sie. »Durch das Verbinden meiner Brandwunden habe ich schon früh zweimal täglich gemerkt, dass Herauszögern nichts nutzt. Man muss den Dingen schnell ins Gesicht sehen … Also sag' mir einfach, was es ist … So schlimm wie meine Verbrennungen kann es ja wohl kaum sein, nicht wahr …?«
Ryan stellte sein Glas auf das Tablett eines vorbeikommenden Kellners und nahm dann ihre zarten Hände in die seinen. »Maisie wurde von den ›A Sunny Place‹-Produzenten angesprochen …«
»Aha«, reagierte sie gedehnt. »Weshalb?«
»Sie lassen anfragen, ob die Möglichkeit besteht, dass du einen Gastauftritt in der Show machst«, ließ er die Katze aus dem Sack. »Es würde ungefähr zwölf Wochen dauern …« Er verstummte, denn sie starrte ihn an, als seien ihm der Hydra gleich einige weitere Köpfe gewachsen – und noch ehe er fortfahren konnte, schüttelte sie bereits ihr Haupt hin und her.
»Ja, ist Maisie vollkommen verrückt geworden? Nach all dieser Zeit soll ich wieder in die Show meiner Familie zurückkehren? Wie kann sie nur auf die absurde Idee kommen, dass ich darüber auch nur für eine Sekunde nachdenken würde?!«, entfuhr es ihr aufgebracht. »Das ist ja wohl völlig lächerlich …«
Ryan drückte sie sanft auf das Sofa zurück. Er spürte die auf ihm ruhenden gaffenden Blicke, der nun auf sie aufmerksam gewordenen neugierigen Schauspieler und Show-Mitarbeiter. Das letzte, was er oder Maisie wollten war, dass davon etwas vorab an die Presse gelangte, ehe alles in trockenen Tüchern war. »Jetzt hör' mir erst einmal zu, ehe du völlig ausflippst, Melody. Maisie wurde von deinem Vater und deinem Onkel persönlich darauf angesprochen. Die beiden sind verzweifelt darum bemüht, die Show wiederzubeleben, ehe die Einschaltquoten noch weiter in den Keller sinken ...«
»Ich … Oh, nein … Ich …«, keuchte sie.
»Nun lass' mich doch ausreden, Süße …« Als sie wieder aufbegehren wollte, berührte er sanft ihre Lippen mit seiner Fingerspitze. »Die beiden sind sich natürlich deiner Popularität bewusst, wie du dir unschwer denken kannst. Die beiden ›Oscars‹, die du gewonnen hast, der ›Tony Award‹ für diese Show und die drei erfolgreichen Bücher, die du während deiner Rehabilitation geschrieben hast, machen dich zu einem begehrten Objekt. Und sie wissen, wie sehr ein kurzes Gastspiel von dir der Show wieder auf die Beine helfen würde. Sie möchten, dass du Morgen bei ihnen zur Vertragsverhandlung vorbeikommst …«
»Wie können die beiden überhaupt nur in Erwägung ziehen, dass ich dem zustimmen würde?«, fauchte sie. »Die tun ja gerade so, als hätte ich nichts anderes geplant, und dass meine Zusage nur eine reine Formsache ist, die sie noch zu Papier bringen müssen.« Wütend starrte sie ihn an. Sie versuchte aufzustehen, aber Ryan zog sie neben sich auf das Sofa zurück.
»Ich verstehe ja, wie du dich fühlst, Süße ...«
»Untersteh' dich, mir jetzt mit diesem Psycho-Gequatsche zu kommen: ›Ich verstehe ja, wie du dich fühlst‹!« Dabei äffte sie ihn nach, und ihre Stimme klang scharf. »Das habe ich alles schon viel zu oft gehört … Niemand, aber auch wirklich niemand weiß, was ich durchgemacht habe … Nicht einmal du, Ryan! Es gab Zeiten in meinem Leben, in denen ich das Gefühl hatte, in einer Hölle zu brennen, die sich selbst Dante Alighieri nicht besser hätte ausmalen können, so schlimm war der Schmerz … Wo war da meine Familie, frag' ich dich?! Wo waren all die Leute, die sich meine Freunde schimpften?! Knallhart haben sie mich aus den Drehbüchern, aus der Show und aus ihren Leben herausgeschrieben! … Warum, frag' ich dich, sollte ich jetzt noch irgendetwas auf diese verdammte, beschissene Show geben?« Ihre Stimme versagte, als sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sie schnäuzte in das makellose weiße Taschentuch, das Ryan ihr in die Hände gelegt hatte, und murmelte: »Danke.«
Ryan lächelte sie zärtlich an, als sie ihren Kopf senkte und die Schultern hängen ließ. Ach, Süße, was würdest du wohl sagen, wenn ich dir eingestehe, dass ich mich vor drei Jahren, schon kurz nach unserem ersten Treffen, in dich verliebt habe, ging es ihm still durch den Kopf. Ich hasse es, wenn ich dich so leiden sehe … und ich sterbe jedes Mal ein wenig, wenn ich nur daran denke, was du durchgemacht hast, nachdem du dem Feuer entkommen konntest. Kaum das sie sich kennengelernt hatten, nutzte er seine zahlreichen guten Verbindungen zu Freunden in den entsprechenden Positionen und erhielt Kopien der Polizeibereichte über das Feuer sowie ihre Krankenhausakte. Daher wusste er nur zu genau um all die Hauttransplantationen, die plastischen Operationen, die Kämpfe mit den verschiedenen Psychologen und die harte Zeit der Physiotherapie, die sie durchgemacht hatte. Sie selbst hatte ihm nie viele Details erzählt und sich zumeist in Schweigen gehüllt. Alles was er wusste, hatte er durch seine Recherchen erfahren. Vor ihr war Geduld nie eine seiner Stärken gewesen, aber durch Melody war sie ihm zur Tugend geworden. Immer wenn sie sich trafen, hatte er daran gearbeitet – für sie. Mit der Zeit war er ihr bester Freund geworden, und er hoffte, dass es irgendwann auch mehr werden würde.
Melody gestattete sich ein paar gedämpfte Schniefer, dann versteifte sie sich und riss sich zusammen. »Lass uns von hier verschwinden, Ryan. Das letzte, was ich möchte, ist, den Tratschtanten dieser Stadt etwas in die Hand zu tun geben.« Sie griff nach ihrer Handtasche und erhob sich schnell auf.
Noch bevor er selbst vom Sofa herunter war, war sie bereits auf halben Weg durch den Raum und murmelte einige Verabschiedungen, während sie an den Leuten vorbeieilte. Ihm fiel auf, dass die einzige Person, mit der sie länger sprach, ihre neue Freundin Jessica war – und er bemerkte das sorgenvolle Gesicht der jüngeren Frau, als sie redeten. Melody hatte bereits das vordere Foyer erreicht, als er sich Jessica und Noah näherte, der neben ihr stand.
»Was ist denn nur passiert, Mr. Sutherland?«, erkundigte sich Jessica, und es lag eine gehörige Portion Tadel in ihrer Stimme. »Melody scheint sehr aufgewühlt zu sein.«
Schützend legte Noah seinen Arm um Jessicas schmale Schultern.
Das ist Melodys Werk, lächelte er in sich hinein, als er die neue Vertrautheit zwischen den beiden bemerkte. Schon in den ersten Tagen ihrer Freundschaft zu Noah hatte Melody ihn mehrmals mit Jessica verkuppeln wollen, bis er ein Machtwort gesprochen hatte. Er dachte daran, wie wütend er gewesen war, als er von der Freundschaft erfahren hatte und schob es darauf, dass er sich wahrscheinlich schon zu diesem Zeitpunkt in Melody verliebt und es einfach nur noch nicht erkannt hatte.
Ryan zuckte mit den Achseln und verzog das Gesicht. »Ganz nach Sophokles, will sie nur den Boten töten«, erwiderte er mit einem betörenden Lächeln. »Ich werde sie mit zu mir nehmen, damit sie sich etwas abkühlen kann … Und dann bringe ich sie euch zurück. Okay?«
»In Ordnung.« Jessica lächelte schwach. »Aber vergiss dabei nicht, dass mein Vater sie adoptiert hat, und er hat eine verdammt große Flinte mit der er umzugehen versteht.«
Ryan und Noah lachten über die nicht wirklich ernst gemeinte Drohung.
»Mach dir keine Sorgen, Jessica. Ich werde auf sie aufpassen.« Damit wandte sich Ryan ab und folgte Melody durch die Haustür.
*
Besorgt schaute Jessica den Bühnenmanager an.
»Ryan wird sich gut um sie kümmern«, meinte er. »Ist dir mal aufgefallen, wie er sie anschaut … Manchmal denke ich, dass er sie liebt.«
Jessica neigte ihren dunklen, brünetten Kopf leicht nach hinten, um in seine warmen braunen Augen zu sehen. »Das ist es ja, was mir gerade Sorgen bereitet, Noah.«
»Über Beziehungen hast du noch viel zu lernen, mein Schatz«, lachte er und drückte sie fest an sich. »Melody ist vielleicht nicht in ihn verliebt, aber die Tatsache, dass er es ist, reicht aus, um aus ihm seine beschützende Ader herauszukitzeln.«
***