Читать книгу Melody - Das Erwachen - Violett McKenzie - Страница 8

Kapitel 4

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Der Gesang von Vögeln, reichlich Sonnenschein und Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee, der ihr in die Nase stieg, weckten Melody am nächsten Morgen. Sie erinnerte sich an das Angebot und an Ryan, der es ihr unterbreitet hatte und gab dem Drang nach, sich unter ihrer Decke zu verkriechen. Auch als es an ihre Tür klopfte, kam sie nicht aus ihrer wohligen Höhle hervor. »Komm' rein!«, rief sie dem Besucher von dort einfach zu.

Im Türspalt zeigte sich Jessicas fröhlich lächelndes Gesicht. »Guten Morgen! … Ist es auch sicher, wenn ich eintrete?«, erkundigte sie sich vorsichtig.

Melody lächelte unter der Decke und schob sie langsam um ein kleines Stück zurück. »Es ist so sicher, wie es sicher ist«, murmelte sie vielsagend. Dann warf sie die Decke zurück, schob ihre Beine über die Bettkante und setzte sich. Sie stand auf und streckte sich gähnend mit hochgereckten Armen.

Sie begannen den Tag oft mit einem morgendlichen Gespräch und diskutierten über die Aufführung des Vorabends, bis hin zu den Mätzchen die Jessicas jüngere Geschwister wieder einmal angestellt hatten.

Im letzten halben Jahr hatte Melody die Russo-Familie so sehr ins Herz geschlossen, als wäre sie ihre eigene – und ihre Beziehung zu Jessica war mehr zu der einer älteren Schwester und besten Freundin geworden als alles andere. Schon langen schockten Melodys Narben weder Jessica noch deren Familie, wenngleich es für diese am Anfang nicht leicht gewesen war, immerzu auf die verfärbten und entstellten Bereiche zu starren.

Inzwischen wollte Jessica wegen des Schmerzes, den Melody erlebt und der Ungerechtigkeit, die sie erfahren hatte, nur noch weinen. Immer wieder hatte sie ihre neue Freundin zu überzeugen versucht, dass die Narben bei weitem nicht so schlimm waren wie diese glaubte.

»Jetzt sag' nur nicht, ich hätte schon wieder verschlafen. Hab' ich?«, fragte Melody, ihr zuzwinkernd.

»Nein! Na ja, … vielleicht ein ganz klein wenig«, schmunzelte Jessica. »Aber du kennst ja Mom. Sie hat für dich im Ofen etwas warmgehalten.« Sie warf sich auf Melodys Bett und seufzte einmal tief.

Auf dem Weg ins Bad blieb Melody stehen und lehnte sich gegen den Türrahmen. »Wie mir scheint hat sich zumindest eine von uns beiden letzte Nacht gut unterhalten. Oder hab' ich mich in all den bedeutungsvollen Blicken getäuscht, die du mit Noah laufend ausgetauscht hast?«, erkundigte sie sich neugierig. »Ich war mir sicher, die Anziehung zwischen euch beiden jedes Mal körperlich zu spüren, wenn ich gut einen Yard von euch entfernt war.«

Jessica rollte sich zur Seite und stützte ihren Kopf auf ihre Hand. »Du meine Güte«, stöhnte sie. »Glaubst du, dass es auch anderen aufgefallen ist? Du weißt, wie ich es hasse, wenn sie sich das Maul zerreißen.«

»Da mach' dir mal keine Sorgen«, meinte Melody mit einem frechen Grinsen. »Und Noah kann damit gut umgehen, ganz gleich, was man ihm an Dreck vor die Füße wirft … Und was deine Frage anbetrifft: Oh ja, die Leute haben gestern Abend deutlich bemerkt, dass zwischen euch was vorgeht … Aber ist es dir nicht eigentlich völlig egal, was andere über dich denken?«

Jessica ließ sich wieder auf den Rücken fallen. »Ist es ja auch … Aber Noah interessiert mich wirklich … Ich weiß nicht, aber es könnte echt sein, dass ich mich in ihn verliebt habe … Ich will halt kleinen Klatsch über ihn, mich oder uns.«

Melody konnte das sanfte Lachen nicht unterdrücken, welches ihr zwischen den schmunzelnden Lippen entwich. »Aber Jessica, du bist im Show-Geschäft … Da wird es immer irgendwelchen Klatsch über diesen oder jenen geben. So beschissen das auch ist, du wirst daran nichts ändern können. Alles was du dagegen tun kannst ist, dir eine dicke Haut zuzulegen und dir selbst treu zu bleiben ... Komm, jetzt erzähl' mir mal, was ich am Ende auf der Party verpasst habe!« Durch die halb geschlossene Badezimmertür vernahm sie Jessicas Stimme, die ihr berichtete, wer zu tief ins Glas gesehen, sich überfressen und zu viel gequatscht hatte – vor allem aber darüber, wer mit wem anschließend nach Hause gegangen ist.

*

Wenngleich Melody ihrer Freundin zuhörte, wanderten ihre Gedanken zum gestrigen Abend in Ryans Wohnung zurück. Sie erinnerte sich daran, wie sie kaum, dass sie durch die Haustür eingetreten war, ihre überteuerte und mit reichlich Strasssteinen besetzte Handtasche auf das Polster des Sofas geworfen hatte, ehe sie sich ihm zudrehte und ihrer Wut freien Lauf ließ. »Wer zum Teufel glauben die beiden zu sein?!«

Sie hatte sich von seiner ausgestreckten Hand losgerissen und war emotional aufgeladen in das andere Ende des großen Salons gewandert, bevor sie sich ihm wieder ruckartig zugewandt hatte. »Denken die ernsthaft, ich würde meine eigenen Ambitionen über Bord werfen, um ihnen dann entgegenzurennen und ihr Angebot anzunehmen?! … Mein Gott, was glauben die denn? Soll das vielleicht bedeuten, dass sie endlich bereuen, wie sie mich vor Jahren behandelt haben? … Pah! Wer daran glaubt, muss völlig bescheuert sein! Ha …!« Sie legte eine Pause ein und nahm Ryan ein Glas Wein ab, als sie an ihm ein weiteres Mal vorbeikam. »Nun gut, … wie auch immer … Meine Antwort lautet: Nein. Schlicht und simpel: Nein! Besser jetzt als nie!«

Sie hatte sich auf das Ende des perfekt zum wollweißen Sofa passenden Ottomanen gesetzt und ihm, als er sich auf den Hocker neben ihr niederließ, das Glas entgegengestreckt, als Zeichen es noch einmal aufzufüllen. »Danke!«, hatte sie gemurmelt, ehe sie wieder aufgesprungen war, um den Pfad durch den Raum aufs Neue abzuschreiten. »Wenn die sich wirklich um mich gesorgt hätten, dann hätten sie sich gemeldet, angerufen … Ach, was rede ich denn nur … Sie hätten im Krankenhaus nach mir gesehen … oder mich besucht, während ich mich von einer dieser unzähligen Operationen erholte.« Sie schüttelte den Kopf. »Oh nein, das mache ich nicht! … Außerdem hab' ich eh schon reichlich andere Verpflichtungen und Projekte.« Als sie wieder zu ihm kam, hatte er sie sanft, aber mit Nachdruck, auf den Ottomanen gezogen.

Sie hatte so dagesessen, dass ihre Beine zwischen die seinen glitten und ihre Unterarme so auf ihre Oberschenkel aufgestützt, dass sich ihr Dekolleté gefährlich aus dem Ausschnitt drückte. Sie hatte bemerkt, dass es seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen war und direkt weitergesprochen: »Außerdem dürfen wir deinen Film nicht vergessen, den wir schon seit fast zwei Jahren planen. Und dann sind da noch die Drehbücher, die auf meinem ersten und zweiten Buch basieren. Jetzt, wo sie endlich fertig sind, bin ich sicher, dass bald mit der Produktion begonnen werden kann … Im Übrigen bat mich Edward Gleeson erst kürzlich, ein anderes Stück zu lesen, von dem er sicher ist, dass es ausgezeichnet zu mir passt …«

Sie erinnerte sich, dass ihre Stimme verstummt war, als sie ihren Kopf anhob, um ihm in die Augen zu sehen – und auch daran, dass er ihr das Glas abgenommen hatte und wie ihre Hände in seinen größeren, stärkeren verschwunden waren.

»Hey …! Du hast jetzt bereits ein Dutzend Mal deutlich Nein gesagt, seit ich dir von der Sache erzählt habe«, hatte er gesagt und ihr sanft die Finger gedrückt. »Wen versuchst du eigentlich damit zu überzeugen? Bei mir kannst du dir das sparen … Du weißt doch ganz genau, dass ich auf deiner Seite stehe, ganz gleich wie du dich entscheidest. Und obwohl das gerade nicht der richtige Zeitpunkt ist, um es zur Sprache zu bringen: Ich liebe dich, Melody! … Nein, nein, … sag' noch nichts …« Er hatte ihr zwei Finger auf die Lippen gelegt, als sie ihm ins Wort fallen wollte. »Ich bin schon seit Jahren in dich verliebt, und nichts, was du sagst oder tust, wird meine Gefühle für dich ändern, hörst du? … Du musst nur etwas sagen und ich bringe dich gleich Morgen nach Kalifornien zurück … Und wir vergessen, dass Maisie das Thema überhaupt jemals angesprochen hat. Okay?«

Sie dachte daran, wie sie ihm in seine himmelblauen Augen gestarrt hatte, und daran, dass keine Schatten und Stürme das Bild auch nur im Geringsten trübten. Er war der beste Freund, den sie seit langem hatte. Oh nein, Ryan, du bist der beste Freund, den ich jemals hatte. Wieviel Lächeln und Lachen haben wir bereits miteinander geteilt.

Da waren auch Zeiten gewesen, in denen sie kurz davor war, ihn zu fragen, ob er nicht an mehr als nur Freundschaft interessiert war. Aber dann hatte sie sich eingestehen müssen, dass es immer Zeiten waren, in denen die Einsamkeit für sie schier unerträglich geworden war und sich deshalb danach sehnte, jemand neben sich zu haben, wenn einer ihrer Albträume sie mal wieder aus dem Schlaf riss.

Oft hatte sie sich gefragt, warum sie diese tiefblauen Augen derart verfolgten, die es immer wieder schafften mit ihrer samtigen Weichheit bis in ihr tiefstes Inneres vorzudringen und sie zu erregen.

*

Melody dachte nicht mehr über den gestrigen Abend mit Ryan nach und war überrascht, als sie feststellte, dass sie so in ihre Gedanken vertieft gewesen war, dass sie sogar in der Bewegung innegehalten hatte, als sie sich die Haare bürstete. Sie wandte sich vom Spiegel ab und setzte sich auf die geschlossenen Toilettenbrille. Plötzlich erinnerte sie sich blitzschlagartig an einen anderen Vorfall, an dem Ryan beteiligt war.

Er lag bereits einige Monate zurück. Es war bevor sie nach New York flog, um mit den Proben für ihr aktuelles Stück zu beginnen, als sie mit ihm in seinem Pool in Kalifornien war. Das Telefon hatte geklingelt und er war aus dem Becken gestiegen, um das Gespräch anzunehmen. Jetzt wo sie sich daran erinnerte, kam es ihr vor, als hätte sie es aus irgendeinem Grund tief in ihrem Unterbewusstsein vergraben. Während er außerhalb des Pools mit jemandem telefonierte, war ihr Blick unbewusst über seine gebräunte, breite Brust, seinen flachen Bauch, die festen Pobacken und schließlich über die sehr betörende Wölbung seiner nassen Badehose gehuscht. Und sie erinnerte sich daran, dass sie ihn und diese Stelle nicht nur einmal gemustert hatte. In der Tat hatte sie ihre Augen immer wieder über seine muskulöse Brust hinabgleiten lassen. Als er schließlich zum Pool zurückgekehrt war, hatte sie ihn zu einem kindlichen Wasserspiel herausgefordert.

Sie war schockiert, als ihr bewusst wurde, dass sie selbst dieses ›unschuldige‹ Spiel begonnen hatte. Sie dachte daran, wie eifrig ihre Hände nach Wegen gesucht hatten ihn zu berühren und sie das Spiel auf eine Weise erregte, wie sie es schon lange nicht mehr gefühlt hatte, bis sie es schließlich beendete.

Dann drangen auch wieder Jessicas Worte an ihre Ohren, die gerade über etwas oder jemanden sprach. Immer noch verwirrten sie ihre unerwarteten Erinnerungen und war geschockt, über die Intensität ihrer Gefühle. Die gleichen Gefühle, die sich gestern Abend nach der Party in seiner Wohnung, so nahe bei ihm sitzend, ihrer bemächtigt hatten. Sie erinnerte sich daran, dass sie diese Empfindung veranlasst hatte, ihre Augen zu senken und auf ihre gefalteten Hände zu blicken. Und in diesem Augenblick kehrten ihre Gedanken zum gestrigen Abend zurück.

»Ich wünschte bei Gott, du hättest mir das bereits vor einer Woche gestanden … Schon ein Tag hätte einen Unterschied gemacht!« Behutsam, aber beharrlich, hatte sie sich aus seinen Händen befreit und war aufgestanden. Sie war zur Fensterfront hinübergegangen, die des Nachts ein so beeindruckendes Bild auf Manhattan ermöglichte. »Jetzt von dir zu hören, dass du mich beschützen würdest, zeigt mir, dass ich mich endlich meinen Dämonen stellen muss. Ich kann einfach nicht mein restliches Leben vor ihnen davonlaufen …« Sie seufzte hörbar. »Ich bin bereits viel zu lange geflüchtet … viel zu lange!«

Wieder kehrte sie aus ihrer Gedankenwelt in die Realität zurück und wurde sich erneut ihrer lieben Freundin bewusst. »Ich werde mich meiner Familie stellen! … Ich muss einfach wissen, ob sie mich wirklich verlassen haben, oder ob es stimmt, was einer meiner schlauen Ärzte meinte, ich sie so weit von mir geschoben habe und diejenige war, die ablehnte, um mich gar nicht erst der Gefahr auszusetzen, von ihnen gar nicht erst abgelehnt zu werden. Vielleicht habe ich das Feuer ja tatsächlich nur dazu benutzt, meiner Familie zum ersten Mal im Leben zu entkommen.«

*

Plötzlich wurde ihr bewusst, dass Jessicas Stimme sie vom Schlafzimmer aus rief. »Es tut mir leid, Jessica. Was hast du gesagt?«

»Ich habe nur nach deinen Plänen für den heutigen Tag gefragt. Bist du mit Mr. Sutherland verabredet?«

Lachend kam sie aus dem Bad. »Weißt du eigentlich, dass du das unglaubliche Talent besitzt, die harmlosesten Worte so zusammenzusetzen, dass sie alles andere als das klingen?!« Sie warf ihr Handtuch auf ihre kichernde Freundin, die noch immer auf dem Bett lag.

»Nun, ich muss zugeben, dein Mr. Sutherland ist wirklich nett und für sein Alter ein Bild von einem Mann, Melody.« Jessicas Zusatz ›für sein Alter ein Bild von einem Mann‹ führte zu einer altmodischen Kissenschlacht, die das Eingreifen ihrer Mutter erforderlich machte, um die Dinge nicht völlig entgleisen zu lassen und wieder in halbwegs normale Bahnen zu lenken.

***

Melody - Das Erwachen

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