Читать книгу Mimi und die kalte Hand - Viveca Lärn - Страница 10

Sechstes Kapitel

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»Jetzt lernt ihr was Neues, das vermutlich nicht ganz leicht ist«, sagte Frau Svensson heute und wollte etwas an die Tafel schreiben. »Ach du liebe Zeit!« rief sie. »Die Kreide ist alle. Mimi, lauf zum Hausmeister und kauf neue.«

»Kaufen!« sagte Björn Axelsson. »Hat der Hausmeister jetzt einen Laden?«

Alle schrien vor Lachen, Arne auch, und Björn strahlte über das ganze Gesicht wie eine Sonne.

Aber unsere Lehrerin wurde rot vor Ärger. »Jeder kann sich ja wohl mal versprechen«, sagte sie böse. »Darüber lacht man nicht.«

Wirklich schlimm, was für schlechte Laune sie in der letzten Zeit hat.

Ich stand jedenfalls auf und lief los, um die Kreide zu holen. Fast jedesmal, wenn etwas vom Hausmeister zu holen ist, muß ich das tun. Rate mal, warum. Weil er mich mag. Wenn zum Beispiel Linda zu ihm gehen würde, würde er sicher behaupten, daß er gerade kein Stückchen Kreide mehr hat. Aber ich krieg alles, was ich will.

»Mimi ist in den Hausmeister verknallt!« rief Janna mir nach.

»Ruhe!« brüllte unsere Lehrerin.

Sie ist tatsächlich sehr alt und sauer geworden, seitdem sie sich verlobt hat, dachte ich, während ich den ganzen Korridor entlang auf einem Bein zum Hausmeister hüpfte.

Der Hausmeister sah wirklich freundlich aus, als er mich entdeckte. Er sagte nicht so was wie »Satansbraten«.

»Ich möchte gern Kreide holen, unsere ist alle«, sagte ich schnell, damit er nicht doch noch so was wie »Satansbraten« sagte.

»Freßt ihr die Kreide, oder was?« sagte der Hausmeister mürrisch und zog eine Schublade in seinem Schreibtisch heraus.

»Ja, das scheint so«, sagte ich.

Der Hausmeister lachte und guckte mich bewundernd an. »Als ich klein war, haben wir Kreide gegessen, damit wir nicht mitsingen mußten«, sagte er und reichte mir eine Schachtel mit Kreide, nachdem er genau gezählt hatte.

»Hat das nicht scheußlich geschmeckt?« fragte ich.

Ich versuchte mir vorzustellen, wie der Hausmeister ausgesehen hat, als er klein war. Seine braune Baskenmütze muß damals sehr klein gewesen sein und sein grauer Kittel winzig.

»Scheußlich? Ich weiß nicht«, sagte er verständnislos.

Ich machte einen tiefen Knicks. Denn das mag unser Hausmeister. »Wir haben einen neuen Jungen in der Klasse«, sagte ich. »Arne Andersson.«

»Erzähl mir lieber etwas, was ich noch nicht weiß«, sagte der Hausmeister und fing an, Bleistifte zu spitzen.

Ich lief zurück zu unserer Klasse, klopfte an und ging rein.

»Danke schön«, sagte Frau Svensson, »dann können wir ja endlich anfangen.« Als ob ich schuld wäre!

»Ich hab die Kreide doch nicht aufgegessen«, sagte ich.

Die ganze Klasse lachte, aber unsere Lehrerin schüttelte den Kopf und knallte die Kreideschachtel auf den Tisch. »Ruhe!« schrie sie. Dann drehte sie sich um und schrieb etwas an die Tafel.

Mündliche darstellung

Das stand da. Es war schwer zu lesen und überhaupt nicht zu verstehen.

In der zweiten Klasse ist es wirklich schwer.

Unsere Lehrerin setzte sich zufrieden auf ihren Drehstuhl. »Jetzt seid ihr aber neugierig, was?« sagte sie albern.

»Ich nicht«, sagte Arne.

»Ach, das ist gut. Dann kannst du der Klasse ja erklären, was eine mündliche Darstellung ist.«

»Ich hab bloß gesagt, daß ich nicht neugierig bin«, sagte Arne mürrisch.

Frau Svensson lächelte sanft. Dann erklärte sie uns, daß wir üben müssen, aufzustehen und selbst kleine Reden und Vorträge zu halten. Das nennt man agieren. Die ganze Klasse muß zuhören, und man muß selbstbewußt geradeaus schauen. Aber manchmal muß man runtergucken auf ein kleines Stück Papier, auf dem ein paar Stichworte stehen für den Fall, daß man vergißt, was man sagen wollte.

»Fast wie im Theater«, flüsterte Linda.

Unsere Lehrerin lächelte und war beinah wie früher, als sie noch nicht verlobt und so schlechter Laune war.

Und dann sagte sie, daß sich jeder ein Thema ausdenken sollte, mit dem er sich die ganze Woche beschäftigte. Danach sollte jeder einen kleinen Vortrag vor der ganzen Klasse halten.

Linda meldete sich eifrig.

»Ich will davon erzählen, wie Katzen riechen.«

»Das ist gut, Linda«, sagte Frau Svensson und schrieb es in ein Buch. Dabei sagte sie vor sich hin: »Linda. Katzen.«

Sonst meldete sich niemand mehr, obwohl unsere Lehrerin sagte, wir dürften reden, worüber wir reden wollten.

»So viele Themen gibt es ja nicht auf der Welt«, brummte Janna.

»Aber denk mal ein bißchen nach«, sagte Frau Svensson eifrig. »Vielleicht möchtest du über Spanien reden, Arne möchte vielleicht von Stockholm erzählen.«

»Ich möchte über Räuber reden«, sagte Arne.

»Ausgezeichnet«, sagte unsere Lehrerin. »Kannst du das ein bißchen präzisieren?«

»Wie bitte?« sagte Arne.

»Oh, entschuldige«, sagte Frau Svensson und wurde rot.

»Ich rede ja nicht mit meinem Verlobten.«

»Nein, Wirklich nicht«, sagte Arne.

Alle lachten, sogar unsere Lehrerin.

»Ich meine«, sagte sie, »an was für Räuber denkst du? Ali Baba und die vierzig Räuber oder Seeräuber auf dem Meer oder an Räuber, die hinter Felsen in einer öden Gegend Kutschen auflauern?«

»Das werden Sie ja sehen«, sagte Arne geheimnisvoll.

Wir waren fast alle sehr beeindruckt und versuchten, uns ein Thema einfallen zu lassen, während unsere Lehrerin aufschrieb: »Arne. Über Räuber.«

Nach einer Weile hatte Jorma die Idee, daß er über Banditen reden wollte. Aber das durfte er nicht, und da nahm er Finnlands Seen. Maria Magnusson nahm Über Gummibärchen und Jessica Über meinen reichen Onkel. Einige entschieden sich für ziemlich langweilige Themen wie zum Beispiel Heiße Autos (Krille) und Hübsche Kleider (Angelica). Zwei Mädchen wählten Pferde, und Björn Axelsson entschied sich für norwegischen Humor (sein Papa ist aus Oslo).

»Du kannst uns ja einen Vortrag über den Hausmeister halten«, flüsterte Janna mir zu.

»Oder über Flügelschrauben«, piepste Linda.

Ich biß die Zähne zusammen. Jetzt mußte ich mich ganz schnell für ein Thema entscheiden, bevor sie mich noch mehr ärgerten. Ich kniff die Augen fest zu. Vor meinen geschlossenen Augen flimmerten viele Bilder vorbei. Unser Vergnügungspark und ein Segelboot und ein Globus und Lasagne und Norrland und mein rosa Schlitten und das Restaurant »Goldener Schwan«, wo meine Mama arbeitet. Als ich meine Augen wieder öffnete, sagte Frau Svensson gerade: »Und was ist mit dir, Mimi?«

Ich räusperte mich und sagte mit klarer Stimme:

»Ich werde über die Festung reden und darüber, daß es dort spukt.«

Durch die Klasse ging ein Raunen.

Mimi und die kalte Hand

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