Читать книгу Mimi und die kalte Hand - Viveca Lärn - Страница 7

Drittes Kapitel

Оглавление

Als wir heute aus der Schule kamen, stand der Schulbus schon da und brummte. Der Schneehaufen auf dem Bürgersteig war kaum zu sehen vor lauter Abgasen.

Das würde dem Hausmeister nicht gefallen.

Aber Busfahrer haben vermutlich keine Angst vor Hausmeistern, denn der Fahrer saß ganz ruhig da und las in einer Zeitung.

Hinten im Bus saßen einige aus der Sechsten und schliefen mit offenem Mund, und die Türöffnung war verstopft von den Erstkläßlern, die gerade einsteigen wollten. Das muß schon besonders schlimm sein, wenn man Erstkläßler Und auch noch vom Lande ist.

»Die warten wohl nur noch auf dich«, sagte Jorma bewundernd und versetzte Arne einen Stoß in die Seite.

Aber Arne warf nur einen verächtlichen Blick auf den Bus und warf seinen Rucksack in die Luft.

»Oh, ich glaub, ich fahre heute nicht nach Hause.«

»Was, was, was, bist du verrückt?« piepste Linda. »Was sagen denn deine Mama und dein Papa? Und der Busfahrer. Und Frau Svensson? Beeil dich und steig ein, Arne.«

Sie war so nervös, daß sie sich in die Handschuhdaumen biß.

»Hat jemand Lust und macht mit? Irgendwas Lustiges?« fragte Arne und hob seinen Rucksack mit einem Fuß hoch. »Ja, ja, ja!« schrien mehrere, meistens Jungs.

Der Fahrer faltete die Zeitung zusammen und steckte sie hinter die Sonnenblende oben an der Windschutzscheibe und fuhr los.

»Aber ich muß zu meiner Tagesmama«, sagte Krille.

»Und ich ins Freizeitheim«, sagte Jorma enttäuscht.

»Ich muß nach Hause, essen«, sagte Maria Magnusson.

Arne guckte niemanden an. Er ging langsam los.

»Entscheidet euch!« rief er über die Schulter.

Alle redeten durcheinander. Ich hatte es fast am besten, denn ich hab keine Tagesmama und kein Freizeitheim, und auf mich wartet niemand mit dem Essen. Ich hab einen eigenen Schlüssel und kann machen, was ich will. Das kommt daher, daß mein Papa immer irgendwann nach Hause kommt, wenn er die Post ausgetragen hat, und dann kann ich auch wieder nicht machen, was ich will.

In dem Augenblick kam Roberta Karlsson. Sie ging an mir vorbei, und ich dachte schon, sie hat mich nicht gesehen, da haute sie mir einen großen Atlas auf den Kopf und sagte: »Komm nachher zu mir, Mimi. Ich bin allein zu Hause. Wir können Popcorn machen.«

Jetzt wurde es wirklich spannend.

Roberta verschwand wie der Blitz, aber Arne ließ sich Zeit. Fast die ganze Klasse latschte hinter ihm her.

»Was wollen wir denn machen, Arne?« fragte Jorma.

»Tja, was wollen wir machen«, sagte Arne. »Was macht ihr denn sonst in diesem Kaff?«

Arne ist wirklich ein komischer Typ. Sogar Björn Axelsson lachte so, daß er in einen Schneehaufen fiel, und wir mußten ihn wieder hochziehen. Björn Axelsson ist sonst so einer, der nur über seine eigenen Witze lacht. Er findet sie jedenfalls selbst witzig.

»Wir gehen ins Freizeitheim und spielen Ball und so was«, sagte Janna.

»Oder wir gucken uns Schaufenster an«, sagte Linda.

»Ich geh in die Küche vom ›Goldenen Schwan‹ und hol mir Fleischklößchenteig«, sagte ich.

»Wenn die Eisbahn geöffnet ist, spielen die Jungs Eishockey«, sagte Ralf Jonsson.

Aber Arne schüttelte dauernd den Kopf. »Stinklangweilig.« Wir waren ziemlich still. In großen Abständen segelten dicke Schneeflocken durch die Luft, und ich schaffte es, drei mit dem Mund aufzufangen. Aber es hatte wohl niemand gesehen.

»Jetzt gehen wir zu meiner Tagesmama«, sagte Janna, nahm Linda am Arm und haute ab.

»Feiglinge!« rief Jorma ihnen hinterher.

Maria und Maria Magnusson gingen in eine andere Richtung weg, ohne ein Wort zu sagen.

»Spielt ihr denn nie in der Burg?« fragte Arne plötzlich.

»Burg, welche Burg?« fragten wir durcheinander und blieben stehen.

Arne zeigte stumm auf die Festung oben auf dem Hügel.

»Ach so, die Festung«, sagten wir. »Das ist doch nur eine alte Festung, keine Burg.«

Die Festung ist eine riesige Ruine, liegt hoch oben auf einem Hügel auf einer Halbinsel zwischen den beiden Flüssen, die um unsere Stadt herum fließen. Die Festung ist siebenhundert Jahre alt und riesengroß, aber wir sind so an sie gewöhnt, daß wir sie gar nicht mehr sehen. Nur die Touristen sehen sie und Leute, die in Stockholm gewesen sind. In der Festung gibt es drei kaputte Türme und einen, der noch fast heil ist. Also nichts Besonderes. Aber es ist ganz lustig, daß im Sommer alte Schafe auf den Wiesen um die Festung grasen. Aber das interessiert niemanden aus meiner Klasse.

»In Stockholm heißt das jedenfalls Burg«, sagte Arne.

»Dann gehen wir doch mal hin«, sagte Krille eifrig.

»Das könnt ihr ja machen«, sagte Arne, »wenn ihr Lust habt. Aber ich hab jetzt Hunger. Ich geh nach Hause.« Und dann drehte er sich um und rannte in die andere Richtung los, so schnell er konnte.

»Wie will er denn jetzt nach Hause kommen?« murmelte Jorma besorgt. »Der Schulbus ist doch weg.«

»Vielleicht fährt er als Anhalter«, sagte ich. »Das ist gefährlich. Einer, der mit meiner Mama zusammen arbeitet, ist mal als Anhalter gefahren, und der, der das Auto fuhr, hat ihm alles Geld weggenommen.«

»Wieviel?« fragte Ralf Jonsson. »Fünfzig Öre, was?«

»Nein, stell dir vor, es war viel mehr«, sagte ich. »Französisches Geld. Und als der Fahrer alles Geld genommen hat, hat er den, der mit meiner Mama zusammen arbeitet, durchs Schiebedach rausgeworfen. Als Anhalter fahren ist wirklich sehr gefährlich.«

Im selben Augenblick kam ein riesiger blauer Laster angefahren und bremste haargenau bei Arne. Der nahm seinen Rucksack und warf ihn auf die Ladefläche, riß die Tür auf und stieg ein. Und sofort fuhr der Laster weiter. Das ging so schnell, daß es niemand schaffte, die Autonummer aufzuschreiben.

»Er brauchte nicht mal den Daumen hochzuheben«, sagte Jorma und seufzte. »Er ist per Anhalter gefahren, ohne daß man es gemerkt hat.«

»Du bist ja doof«, sagte ich. »Das war ein Kidnapper. Sonst wär der doch nicht so schnell wieder losgefahren. Hat sich jemand die Autonummer gemerkt?«

Allgemeines Schweigen. Die in meiner Klasse sind offenbar Amateure, wenn es um Autonummern geht. Ich kenn einen Jungen, der ist Profi. Aber er wohnt leider in Norrland.

»Ach, jetzt gehen wir zum Freizeitheim und spielen was«, sagte Krille.

»Laß uns doch mal zur Burg gehen«, sagte Jorma.

»Burg, welche Burg?« brüllte Ralf Jonsson. »Hier gibt’s doch keine Burg!«

»In Stockholm heißt es Burg«, sagte Jorma unsicher.

Das klang so komisch, daß alle anfingen zu lachen. Einige fielen in den Schnee. Gerade da kam unsere Lehrerin mit kleinen schnellen Schritten in braunen hochhackigen Stiefeln vorbei.

»Na, ihr habt aber Spaß«, sagte sie freundlich. »Darf ich auch mitlachen?«

Da hörten wir sofort auf zu lachen, und jeder ging in eine andere Richtung davon.

Mimi und die kalte Hand

Подняться наверх