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Viertes Kapitel
ОглавлениеAls wir uns heute in einer Reihe vor unserem Klassenzimmer aufstellten, fehlte Arne.
»Was hab ich gesagt, er ist gekidnappt worden«, sagte ich. »Das habt ihr nun davon, daß ihr euch keine Autonummern merken könnt.«
»Du hättest dir die Autonummer ja selber merken können, wenn es so wichtig ist«, sagte Janna.
»Genau«, sagte Linda.
»Aber du bist es wahrscheinlich gewöhnt, daß ein Junge mit Segelohren die Autonummern für dich aufschreibt«, sagte Janna kichernd.
»Einer aus Norrland«, sagte Linda und verdrehte die Augen.
Ich wußte genau, wen sie meinten, denn ich kenn einen Jungen, der sehr hübsche abstehende Ohren hat, und er ist aus Norrland, und als er mich in den Weihnachtsferien besucht hat, hat er ziemlich viele Autonummern in einem Buch aufgeschrieben, und das scheint manchen Leuten nicht zu passen.
Zum Glück kam Arne in dem Augenblick.
»Hallo, Arne«, schrie Krille. »Bist du gestern gekidnappt worden?«
»Klar«, sagte Arne und guckte komisch. Wahrscheinlich wußte er nicht, was kidnappen heißt. Aber dann kam unsere goldige Lehrerin, und erst beim Essen im Schulspeisesaal erzählte Arne, daß der blaue Laster seinem Papa gehört. Jorma war so beeindruckt, daß er Messer und Gabel fallen ließ. Es klapperte ordentlich, so daß sich unsere Lehrerin am Eßtisch der Lehrer aufrichtete und Jorma einen strengen Blick zuwarf.
»Hat er denn einen Führerschein für den Laster?« fragte Krille.
»Was denkst du denn«, sagte Arne, ohne von seinem Teller aufzuschauen.
Es wurde still.
»Übrigens hat er auch einen Führerschein für Traktor und Flugzeug«, fügte Arne hinzu und verdrückte den achten Fischkloß.
Ich kenn niemanden, der so gern das Schulessen ißt wie Arne. Seit er in unsere Klasse geht, essen die anderen auch viel mehr. Seitdem reicht das Essen kaum noch.
»Flugzeug!« sagte Krille. »Das ist ein Ding.«
»Dann hat wohl dein Papa das Flugzeug geflogen, als wir nach Torremolinos geflogen sind«, sagte Janna. »Er fliegt ziemlich wacklig, was?«
»Ich möchte gern Stewardess werden«, sagte Linda. »Wenn ich darf, nehm ich meine Katze mit.«
»Hauskatzen, wie doof«, sagte Arne. Er streckte die Gabel aus und klaute sich blitzschnell einen Fischkloß von Krilles Teller.
Linda wurde ganz rot vor Wut.
»Nur Wildkatzen sind toll«, sagte Arne. »In Stockholm wimmelt es auf den Hinterhöfen von roten Wildkatzen. Die leben von Mäusen und Papageien.« Er war schon an der Tür. »Wer kommt heute mit rauf zur Burg?« schrie er über die Schulter.
Mehrere riefen »Ich«, obwohl die meisten nach der Schule was anderes vorhatten und erst was essen mußten. Um vier Uhr wollten wir uns treffen.
»Wo willst du denn essen?« fragte Linda besorgt. Sie hatte schon wieder vergessen, daß Arne ihre Katze beleidigt hatte.
»Och«, sagte Arne, »es gibt ja Bratwurstbuden.«
In dem Augenblick klingelte es, und wir mußten zurück in die Klasse. Auf dem Flur sah ich Roberta Karlsson angeschlendert kommen. Leider erwischte sie mich doch noch, als ich gerade um die Ecke flitzen wollte.
»Paß auf, meine Jacke«, sagte ich.
»Warum bist du gestern nicht gekommen?« sagte Roberta zwischen den Zähnen. »Du hast es doch versprochen!«
»Das hab ich überhaupt nicht versprochen«, sagte ich, und ich hörte, daß meine Stimme richtig jämmerlich klang. Ich gab mir also einen Ruck und fügte keck hinzu: »Ich hab’s vergessen. Man hat schließlich ziemlich viele Hausaufgaben in der zweiten Klasse.«
Roberta lachte hohl. »Dann vergißt du wohl auch, mit mir in den Sportferien in die Alpen zu fahren. Falls ich dich also frage, ob du mit willst.«
»Fährst du in die Alpen?« antwortete ich blöd. »Das hast du mir nicht erzählt. Was sind eigentlich Alpen?«
Roberta verdrehte die Augen. »Nichts für kleine Kinder jedenfalls.«
Auf dem Weg in die Klasse fragte ich Maria Magnusson, ob sie wußte, was Alpen sind.
»Ich glaub, das ist ein Käse«, sagte sie.
»Kann Mimi heute nicht ihren Platz finden?« fragte unsere Lehrerin ironisch. Sie hatte recht. Ich hatte total vergessen, wo ich saß. Das ganze Klassenzimmer drehte sich vor meinen Augen. Ich mußte mich an der Wand festhalten, und ich konnte nur noch Die Burg und Die Alpen und Vier Uhr denken. Ganz versteinert war ich.
»Dein Gedächtnis streikt heute wohl, Mimi Ljung«, sagte Frau Svensson boshaft.
Ich nickte stumm und dachte, es wäre leichter, wenn sich endlich alle hinsetzten. Dann müßte ja ein Platz freibleiben.
»Aber du sitzt doch da, Mimi!« rief Linda und zeigte auf meine Bank in der zweiten Reihe am Fenster.
Ich lief sofort hin, und unsere Lehrerin schüttelte den Kopf und sagte, wir sollten die Mathebücher vornehmen.
Wir sind jetzt schon so alt, daß wir mit Geometrie anfangen. Da lernt man, was ein Quadrat, ein Dreieck und ein Kreis sind. Ein Quadrat sieht aus wie ein Viereck, ein Dreieck sieht aus wie ein Dreieck und ein Kreis wie ein Ball. Ich hab mal einen Schuhverkäufer gekannt, der hieß Enok, und sein Kopf sah aus wie ein Ball. Aber er ist leider tot.