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3. Macht als sozialer Prozess

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In diesem Buch geht es um „soziale Macht“, wenn also Menschen Macht über andere Menschen haben. Wir verwenden die Definition des amerikanischen Politikwissenschaftlers Robert Dahl, die uns aufgrund ihrer Kürze und Prägnanz gefällt:

A hat Macht über B in dem Maße, wie er B dazu bringen kann, etwas zu tun, was B sonst nicht täte.9

Dies ist eine intuitive Definition, die manchem Leser vielleicht zu einfach erscheint. Es sei bemerkt, dass man dies präziser fassen kann.10 Für die Zwecke dieses Buchs soll uns diese einfache, intuitive Definition genügen. Sie ist sehr allgemein gefasst. In diesem Sinne hat ein Vorgesetzter im Rahmen seiner Weisungsbefugnis Macht über seine Mitarbeiter, eine Lehrerin Macht über ihre Schülerschaft, Eltern Macht über ihre Kinder und wir als Autoren haben Macht über Sie als Leser und Leserin, nämlich dann, wenn wir Ihre Gedanken in eine Richtung führen, in die Sie sonst nicht gegangen wären. Allerdings können Sie sich unserer Macht über Sie leicht entziehen, indem Sie das Buch weglegen und nicht weiterlesen.

Laut dem englischen Philosophen Russell11 ist „Macht“ der Fundamentalbegriff in den Sozialwissenschaften analog zu dem Fundamentalbegriff „Energie“ in der Physik. „Die Gesetze der sozialen Dynamik können allein“ – so behauptet Russell12 – „in Begriffen der Macht in ihren verschiedenen Formen ausgedrückt werden.“


Abbildung 1: Ober und Unter

Machtbeziehungen sind ihrem Wesen nach asymmetrisch. Die Bezeichnungen „Ober“ und „Unter“ sind dem bayrischen Schafkopfspiel entlehnt und da gilt ganz klar: „Ober sticht Unter.“ Der Ober hat Macht über den Unter.

Allerdings ist zu beachten: Auch der Unter hat Macht! Und wenn es nur die Macht ist, sich dem Machtbereich des Ober zu entziehen, zum Beispiel durch Kündigung, Austritt, Flucht oder im Extremfall durch Selbstmord, wie es die Zeloten 73 n. Chr. in Massada taten. Im Allgemeinen gilt: Der Ober hat nur Macht über den Unter, wenn dieser es zulässt. Führung existiert nur zusammen mit Gefolgschaft. „Unterordnung“ bedeutet: Ich erlaube jemandem, Macht über mich zu haben.

Dass auch der Unter Macht hat, ist gerade im Zusammenhang mit Machtmenschen zu betonen. Viele „Opfer“ halten sich für ohnmächtig, obwohl sie es nicht sind. Sie geben die Verantwortung mit den Worten ab: „Ich kann es ohnehin nicht ändern“ und beklagen sich jahrelang über ihren Vorgesetzten, ihre Kollegen oder ihren Gemeindeleiter. Diese Menschen merken nicht, dass sie eine Wahl haben. Sie könnten zum Beispiel ihre Arbeitsstelle kündigen. Vielleicht gibt es gute Gründe, dies nicht zu tun. Aber dann entscheidet man bewusst, nicht zu kündigen. Man trifft eine Wahl und nimmt die Konsequenzen billigend in Kauf.

Üblicherweise denkt man bei Machtmissbrauch an Machtmissbrauch von oben. Das ist wohl auch der häufigste Fall. Allerdings kann Machtmissbrauch auch von unten stattfinden. In einer Gemeindeversammlung steht ein redebegabtes Gemeindeglied auf und fordert die Gemeindeleitung heraus. Durch seine rhetorische Überlegenheit setzt sich das Gemeindeglied durch, obwohl es offiziell nicht zur Leitung gehört.

Die Machtfalle

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