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CHAÎNE DES ÊTRES CRÉÉS – Die Kette der geschaffenen Lebewesen

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Das erste Mal, als ich Platon las und von jener Stufenfolge der Lebewesen erfuhr, die vom leichtesten Atom bis zum höchsten Wesen aufsteigen, erregte diese Stufenleiter meine Bewunderung; aber bei aufmerksamer Betrachtung verschwand dieses großartige Phantom, wie sich in früheren Zeiten am Morgen beim ersten Hahnenschrei alle Gespenster verflüchtigten.

Der Vorstellungskraft gefällt es zunächst, den kaum wahrnehmbaren Übergang von der rohen Materie zur organisierten Materie zu sehen, von den Pflanzen zu den Zoophyten*, von diesen Zoophyten zu den Tieren, von ihnen zum Menschen, von den Menschen zu den Geistern und dann von diesen Geistern, die von einem kleinen, luftartigen Körper umhüllt sind, hin zu den immateriellen Substanzen; und schließlich tausend verschiedene Ordnungen dieser Substanzen, die sich von der Schönheit in höchster Vollendung bis zu Gott selbst erheben. Diese Hierarchie gefällt den guten Leuten sehr, die glauben, darin den Papst und seine Kardinäle gefolgt von den Erzbischöfen und Bischöfen zu sehen; nach denen kommen dann die Pfarrer, die Vikare, die einfachen Priester, die Diakone, die Unterdiakone, dann tauchen die Mönche auf, und das Ende der Prozession bilden die Kapuziner.

Aber der Abstand zwischen Gott und seinen vollkommensten Geschöpfen ist etwas größer als der zwischen dem Heiligen Vater und dem Dekan des heiligen Kollegiums: Dieser Dekan kann Papst werden, doch der vollkommenste aller vom höchsten Wesen geschaffenen Geister kann nicht Gott werden; zwischen ihm und Gott befindet sich die Unendlichkeit.

Diese Kette, diese angebliche Abstufung, existiert bei den Pflanzen ebenso wenig wie bei den Tieren; der Beweis dafür ist, dass es Pflanzen- und Tierarten gibt, die vernichtet wurden. Es gibt keine Stachelschnecken mehr. Es war verboten, Greif und Ixion zu essen.* Diese beiden Arten sind von dieser Erde verschwunden, was Bochart auch darüber sagen mag:* Wo ist also die Kette?

Selbst wenn wir nicht schon einige Arten verloren hätten, ist es offensichtlich, dass man welche vernichten kann. Die Löwen, die Nashörner beginnen sehr selten zu werden.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass es Menschenrassen gegeben hat, die man nicht mehr vorfindet; aber ich nehme an, dass sie alle existiert haben, wie die Weißen, die Neger, die Kaffern, denen die Natur eine Schürze aus ihrer Haut gegeben hat, die von ihrem Bauch bis zur Hälfte der Schenkel herabhängt; die Samoyaden, bei denen die Brustwarzen der Frauen eine schöne Ebenholzfarbe haben, usw.

Besteht nicht deutlich sichtbar eine Leerstelle zwischen dem Affen und dem Menschen? Drängt es sich nicht auf, sich ein Tier mit zwei Beinen und ohne Federn vorzustellen, das intelligent wäre, aber weder über den Gebrauch der Sprache noch unser Aussehen verfügte, das wir zähmen könnten, das auf unsere Zeichen reagierte und uns zu Diensten wäre? Und könnte man sich zwischen dieser neuen Art und den Menschen nicht noch andere vorstellen?

Jenseits der Menschen bringen Sie, göttlicher Platon, im Himmel eine Reihe himmlischer Wesen unter; unsereins glaubt an einige dieser Wesen, weil der Glaube es uns lehrt. Sie aber, welchen Grund haben Sie, daran zu glauben? Sie haben anscheinend nicht mit dem Geist des Sokrates gesprochen; und dieser brave alte Heres, der eigens zu neuem Leben erwachte, nur um Sie die Geheimnisse des Jenseits zu lehren, hat Ihnen nichts über diese Wesen beigebracht?*

Das ändert aber nichts daran, dass diese angebliche Kette im wahrnehmbaren Universum unterbrochen ist.

Welche Abstufung besteht, bitte, zwischen Ihren Planeten? Der Mond ist vierzigmal kleiner als unsere Erdkugel. Wenn Sie vom Mond aus durch die Leere gereist sind, treffen Sie auf die Venus, sie ist ungefähr so groß wie die Erde. Von da aus gehen Sie zum Merkur, er dreht sich in einer Ellipse, die sehr verschieden ist von der Kreisbahn, die die Venus durchläuft; er ist siebenundzwanzigmal kleiner als wir, die Sonne eine Million Mal größer, der Mars fünfmal kleiner; dieser durchläuft seine Bahn in zwei Jahren, Jupiter, sein Nachbar, die seine in zwölf, Saturn in dreißig; und dann ist Saturn, der entfernteste von allen, nicht so groß wie Jupiter.* Wo ist da die angebliche Abstufung?

Sodann, wie soll es denn in den weiten leeren Räumen eine Kette geben, die alles verbindet? Wenn es eine gibt, dann ist es sicher die, die Newton entdeckt hat; sie ist es, die alle Himmelskörper der Planetenwelt in dieser ungeheuren Leere umeinander kreisen lässt.

Oh, so sehr bewunderter Platon! Sie haben nur Fabeln erzählt, und es ist von den Cassideriden-Inseln*, wo zu Ihrer Zeit die Menschen ganz nackt umherliefen, ein Philosoph gekommen, der die Welt Wahrheiten lehrte, die ebenso groß waren wie Ihre Vorstellungen kindisch.

Philosophisches Taschenwörterbuch

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