Читать книгу TERRA FUTURA - TESECO im Einsatz - W. Berner - Страница 7
4.
ОглавлениеUnwillig hob Kate Reed ihren Kopf. Die Generalmanagerin TESECOs brütete gerade über einem Riesenberg von wichtigen Unterlagen, als sie schon wieder vom leisen Summen der COM- Anlage gestört wurde.
Seufzend tippte sie auf ein orange blinkendes Sensorfeld. Sogleich öffnete sich in dem Wand großen Bildfeld gegenüber ihrem Schreibtisch ein weiteres Fenster, das das ausnehmend hübsche Gesicht ihres persönlichen Sekretärs Engin Ültay zeigte. Der knapp dreißigjährige, aus dem türkischen Antalya stammende junge Mann, war eine ausgesprochen attraktive Erscheinung. Schlank, sehr athletisch gebaut, mit perfekter, V-förmiger Silhouette und Waschbrettbauch. Ein äußerst knackiger Po und lange, wohl proportionierte Beine rundeten den ersten Eindruck ab. In dem schmalen, stets gepflegten, ebenmäßigen und sehr anziehenden Gesicht loderten dunkelbraune Augen in fast schon erotischem Feuer. Ültay hatte rabenschwarzes Haar und trug einen dichten, fein getrimmten Schnauzbart von gleicher Farbe.
Sein sinnlicher, voller Mund lächelte der Generalmanagerin entgegen.
Obwohl ihr Sekretär der Schwarm vielen Frauen und Männer im HQ-TESECO war, fühlte sich Kate Reed momentan nicht für die hübsche Erscheinung des Mannes empfänglich. Im Gegenteil, sie reagierte eher ungehalten über die wiederholte Störung an diesem Vormittag.
„Was ist denn nun schon wieder los, Engin?“, meldete sie sich unwillig und mit vorwurfsvoll klingender Stimme. „Sie wissen doch, dass ich einen Berg von Papieren durchzuarbeiten habe und nicht gestört werden will. So werde ich mit dem Kram doch nie fertig!“
Ihr Sekretär zuckte bedauernd mit seinen Schultern. Dazu versuchte er, ein möglichst unschuldiges Gesicht zu machen.
„Das ist mir durchaus bewusst, Generalmanagerin“, antwortete er mit seiner tiefen, männlichen und doch angenehm weich klingenden Stimme.
„Und trotzdem stören Sie mich nun schon zum vierten Mal“, meinte Kate Reed Stirn runzelnd. „Das muss dann aber schon ein verdammt guter Grund sein!“
„Wie man es nimmt, Chefin“, sagte Ültay und produzierte ein säuerliches Grinsen.
„Joseph Ziegler, der AVEK- Leiter, wünscht Sie umgehend und dringlichst zu sprechen. Und Sie kennen doch AVE-Joe – der lässt sich nicht so leicht abweisen.“
„Engin, Sie sollten doch wissen, dass ich es nicht schätze, wenn Leute in der Öffentlichkeit mit ihren Spitznamen tituliert werden!“, wies Kate Reed ihren Sekretär mit leichtem Tadel zurecht. Allerdings musste sie vor sich selbst zugeben, dass dies nur ein sehr halbherziger Verweis war, benutzte sie doch den Spitznamen des AVEK- Leiters selbst ziemlich häufig.
„Na, dann stellen Sie die Verbindung in Gottes Namen eben her“, seufzte sie. „Das war genau das, was mir zu meinem Glück und all dem Verwaltungskram auf meinem Schreibtisch heute noch gefehlt hat!“
Der junge Mann nickte kurz. Dann wurde das eingeblendete Kom- Fenster auf der Bildwand dunkel. Allerdings nur für einen kurzen Moment, denn gleich darauf erschien das Abbild eines runden, nur spärlich mit dünnen, schwarzen Haaren bewachsenen und stark geröteten Kopfes eines Mannes, der ziemlich direkt auf die Sechzig zusteuerte. Größer konnte der Kontrast zu den ebenmäßig schönen Gesichtszügen Ültays gar nicht sein.
„Aha, Generalmanagerin Reed“, poltere Ziegler auch sogleich los, kaum, dass er die Leiterin TESECOS erblickt hatte. „Wird Zeit, dass Sie sich endlich melden…“.
Er stockte, als er den eisigen Blick bemerkte, der ihn aus den grau braunen Augen der schlanken Frau hinter dem riesigen Schreibtisch traf. Unverhohlener Zorn über den rüden Auftritt des beleibten Mannes loderte darin.
„Äh, ich meine, welch ein Glück, dass ich Sie so rasch erreichen konnte“, ruderte Ziegler sogleich ein wenig zurück, wobei er sich verlegen räusperte. GM Reed hatte ihn einmal derart zusammen gestaucht, dass er wenig Lust auf eine Wiederholung dieser Standpauke verspürte. Die erste war ihm nämlich noch äußerst lebhaft in Erinnerung.
„Guten Tag, Mr. Ziegler“, begrüßte ihn nun auch die TESECO- Chefin. „Was kann ich für Sie tun?“
„Ich habe Arbeit für Ihren Verein!“ blaffte Ziegler los.
„Wie bitte?“
„Äh, ich meine, die AVEK benötigt unter Umständen die Hilfe und Unterstützung von TESECO.“
„Ich höre?“
Erneute räusperte sich der massige Mann.
„PIONEER CONTROL hat den Kontakt zu einer unserer Pioniereinheiten verloren“, erläuterte Ziegler die Situation, wobei er sich Mühe gab, möglichst ruhig zu bleiben. Man sah ihm aber an, dass ihm dies sichtlich schwer fiel.
„Nachdem die Routinemeldung ausblieb, wurde mit allen Mitteln versucht, Kontakt zur PLUTARCH aufzunehmen. Doch sie meldet sich einfach nicht. Mittlerweile ist das Schiff mehr als fünfzehn Stunden überfällig.“
„Wo befindet, oder besser gesagt, wo befand sich das Schiff beim letzten Funkverkehr?“, fragte Generalmanagerin Reed nach.
Es gab ziemlich strikte Regeln in der Raumfahrt, was die Einhaltung von vorgeschriebenen Kontaktintervallen betraf. Vor allem bei Einheiten wie die PLUTARCH, die als Pionierschiffe in weitgehend unbekanntem Terrain operieren. Eine Überfälligkeit von mehr als fünfzehn Stunden war da schon ein Besorgnis erregender Vorfall.
„Zum Zeitpunkt der letzten routinemäßigen Meldung befand sich die PLUTARCH noch auf Greenwich, dem dritten Planeten im Enigma- System. 179 Lichtjahre von der Erde entfernt. Das System wurde erst vor wenigen Wochen entdeckt. Die PLUTARCH war die erste Pioniereinheit, die die AVEK dorthin beorderte.“
Nach dieser kurzen Erläuterung schaute Ziegler die Leiterin TESECOS so auffordernd an, als erwartete er von ihr, dass Sie sofort in Panik von ihrem breiten Ledersessel aufspringen und hektische Aktivität entfalten müsste. Doch zu seiner Enttäuschung tat Kate Reed nichts von alledem. Im Gegenteil, sie blieb ruhig sitzen und dachte mit nachdenklicher Miene über die erhaltenen Informationen nach.
„Enigma, hm…“, murmelte sie vor sich hin. „Ich entsinne mich, vor kurzem einen Bericht über das System gelesen habe. Ist Greenwich nicht diese satt grün schimmernde Pflanzenwelt?“
Ziegler nickte bestätigend.
„Ja, in der Tat“, sagte er. „Es freut mich, dass Sie offensichtlich schon einige Informationen über das neu entdeckte System einsehen konnten.“
„Diese Daten kommen routinemäßig auf meinen Schreibtisch“, sagte GM Reed mit einer einschränkenden Geste. „Für TESECO wird es erst meistens dann interessant, wenn auf neuen Welten Stationen und Ansiedlungen errichtet werden und nicht nur eine Handvoll Menschen dauerhaft dort leben. Aber ich glaube, davon können wir im Moment noch nicht ausgehen, Mr. Ziegler?“
„Oh, noch lange nicht“, sagte er. „Die PLUTARCH hatte den Auftrag, auf Greenwich eine kleine Erkundungsstation einzurichten, in die während der nächsten Monate und Jahre Wissenschaftler zur Erforschung eingezogen wären. Reine Routinearbeit, die schon einige hundert Mal durchgeführt worden ist. Und trotzdem ist der Kontakt zur PLUTARCH plötzlich abgebrochen.“
Er schaute Kate Reed herausfordernd an.
„Also, was gedenken Sie zu unternehmen?“, fragte er mit ernstem Blick.
Die TESECO- Chefin erwiderte den Blick, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Wir warten die 24-Stunden-Frist ab, dann werden wir uns die nächsten Schritte überlegen“, sagte sie in ruhigem Ton.
„Aber Generalmanagerin…“, wollte Josef Ziegler widersprechen, doch GM Reed schnitt ihm resolut das Wort ab.
„Mr. Ziegler“, sagte sie, „Sie wissen doch selbst sehr genau, dass es viele Ursachen haben kann, wenn der Funkkontakt unterbrochen ist. Deswegen wurde die 24-Stunden-Frist ja auch eingeführt. Sollte sich bis dahin keine Änderung der Situation ergeben haben, werde ich eine Patrouille zum Enigma-System senden, die sich der Sache annehmen wird. Bis dahin ist es am besten, wenn wir, Sie und ich, einen ruhigen Kopf bewahren.“
Irgendwie schaffte es Kate Reed, die Betonung auf dem ‚Sie’ in ihrem letzten Satz so zu Pointieren, dass zwar erkennbar war, was sie damit ausdrücken wollte, es aber andererseits nicht zu direkt ausfiel, um verletzend oder beleidigend zu wirken. Josef Ziegler kämpfte mit sich. Ihm wäre es mit Sicherheit lieber gewesen, Kate Reed hätte sofort einen schweren Raumkampfverband ins All beordert.
Allerdings wusste er selbst auch nur zu gut, wie in einem Fall wie bei der PLUTARCH im Allgemeinen verfahren wurde.
„Also gut, Mrs. Reed“, sagte er dann schließlich mit hörbarem Seufzen in seiner Stimme. „Warten wir die Frist ab. Ich werden mich melden, sollten sich neue Erkenntnisse ergeben.“
„Tun Sie das Mr. Ziegler. Wir hören voneinander!“
Mit diesen Worten trennte die TESECO- Generalmanagerin die Verbindung wieder. Das Kom- Fenster inmitten der Wiedergabe von Diagrammen und Analysen erlosch wieder. Kopfschüttelnd wandte sie sich erneut ihren Akten und Dokumenten zu.
„Wahrscheinlich ist bloß irgendein Defekt aufgetreten, den die Crew mit Bordmitteln selbst reparieren kann“, murmelte sie dabei vor sich hin.
Dennoch ließ sie kurz von ihrer Arbeit ab, um einen Zeitmarker über ihr Terminal in den Taskmanager der HQ- Leitzentrale einzugeben. Dann kehrte sie endgültig zu ihren Papieren und Schaubildern zurück. Nach wenigen Minuten verschwendete sie vorerst keinen weiteren Gedanken mehr an diese Störung.