Читать книгу Raumpiraten und Aliens auf Abwegen: 3 Science Fiction Abenteuer - W. K. Giesa - Страница 9
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Оглавление„Der Brocken befindet sich in einem antigravitatorischen Feld. Ich kann es mir nicht anders erklären. Und jetzt rufen Sie Ihren Bruder zurück, Spencer!“
Captain Manning machte eine herrische Bewegung zu Dr. Spencer Goodwyn hin und wandte sich dann wieder dem Bildschirm zu. Dr. Goodwyn nahm das Mikro.
„Hör zu, Larry! Du kommst jetzt zurück, und keiner wird ein Wort über die Sache verlieren. Es genügt, wenn wir uns das Phänomen aus sicherer Entfernung ansehen. Außerdem haben wir die besseren Instrumente an Bord.“
„Wenn ihr klüger seid, warum habt ihr dann noch keine Messungen angestellt? Gebt mir lieber einen Tipp.“
„Ich sage ja, er hat den Sonnenkoller“, stellte Dr. Walter fest. „Larry befindet sich in einem Rauschzustand und hat keinen Maßstab für die Gefahren.“
„Ich werde meinen Bruder holen“, sagte Spencer Goodwyn. „Einverstanden, Captain?“
Manning zögerte. Nach ein paar Sekunden: „Okay, machen Sie sich fertig, Spencer. Nehmen Sie zwei Rückstoßaggregate mit.‟
Das Raumschiff Sunflower befand sich auf einer Expedition, um weitreichende Messungen und Beobachtungen über die Sonnentätigkeit aus nächster Nähe des Zentralgestirns zu machen. Es hatte bereits einen Standort innerhalb der Merkurbahn erreicht und war nicht viel mehr als dreißig Millionen Kilometer von der Sonne entfernt.
In dieser Höhe hatte die Warnanlage plötzlich Alarm gegeben. Man war einem Gesteinsbrocken begegnet, der sich – etwa in der Größe eines Mount Everest – auf einer stabilen Satellitenbahn um die Sonne bewegte.
Kleinstplaneten innerhalb der Merkurbahn?
Allein die Frage war eine astronomische Sensation gewesen. Und jeder auf der Sunflower hatte sich selbst die Antwort gegeben. Der seltsame Asteroid war da, war Realität.
Der Astro-Ingenieur Larry Goodwyn war ausgestiegen, um das Rätsel aus der Nähe zu betrachten. Mit Hilfe eines thermisch geschützten Raumanzugs hatte er sich an den Brocken herangearbeitet. Die Entfernung zwischen ihm und dem Schiff betrug jetzt etwa achttausend Kilometer.
Und dann hatte Larry gemeldet, dass es nicht mehr weiter ging. Er war auf eine unsichtbare
Mauer gestoßen – noch bevor er den Brocken erreicht hatte. Man fand keine Erklärung für dieses Rätsel.
Man wusste nur, dass hier eine Kraft im umgekehrten Sinne der Schwere wirkte. Was war dieses ... Ding?
Ein Energieschirm? Dann wäre es etwas Künstliches …
Ein Antigravfeld? Dann wäre es etwas Künstliches oder Natürliches …
In der Gluthitze dieser sonnennahen Region wäre es dumm gewesen, nach Leben zu forschen. Trotzdem hatte man sich die Mühe gemacht. Doch der Brocken war eine tote Welt, die sich als ein siedender Bleiklumpen auf ihrer Bahn bewegte.
Doch Larry Goodwyn drängte der Ehrgeiz weiter, wenngleich die Isolierschichten seines Raumanzugs stärkeren Hitzegraden kaum noch widerstehen konnten.
Er war ein Stück zurückgeflogen, um dann mit dem ganzen Treibsatz seines Raumanzugs auf die unsichtbare Mauer zuzustürzen.
An Bord der Sunflower hatte man alles genau beobachtet. Larrys Beschleunigung genügte nicht, um die rätselhafte Sperre zu durchbrechen.
Er war wie von einem Trampolin zurückgeschnellt und befand sich jetzt zweihundert Kilometer von dem Brocken entfernt. Auf die Ratschläge vom Schiff hörte er immer weniger.
Zu diesem Zeitpunkt entschloss sich Captain Manning, Spencer aussteigen zu lassen, damit er seinen Bruder gewaltsam zurückholte.
Kurz darauf meldete sich Spencer in voller Armierung auf der Brücke ab.
Sein Blick fiel auf Dr. Alvarado. Die Physikerin war das einzige weibliche Besatzungsmitglied der Sunflower. Er glaubte, Angst in ihren Augen zu erkennen.
„Seien Sie vorsichtig, Spencer“, sagte sie möglichst sachlich.
Er drehte sich noch einmal um. Ein schwaches Zittern war in ihrer Stimme gewesen. „Wegen des Sonnenkollers?“, fragte er.
„Wegen allem. Jeder hier weiß, dass Sie sich in eine unwägbare Gefahr begeben.“
„Danke, Roxana! Wir werden in Sprechverbindung bleiben, okay?“
Er trat in die Schleuse und schloss den Helm. Dann ließ er sich zum Außenluk hinausgleiten. Das erste Aggregat hatte er auf den Rücken geschnallt und mit seiner Rückstoßpistole verbunden. Das Ersatzgerät zog er an einer Leine nach.
Wenig später sprach er seinen Bruder an.
„Hallo, Larry! Ich werde dir assistieren. Wenn die Sache schon so interessant ist, solltest du mich nicht dabei ausschließen.“
Die Verständigung über den Helmfunk war gut, obgleich die permanenten Störungen, hervorgerufen durch die Sonnen-Protuberanzen, ein erhebliches Knistern im Kopfhörer verursachten.
Larry reagierte abweisend.
„Die Mühe hättest du dir sparen können, Spence. Manning hat doch schon die Hosen voll und hält mich für verloren, zumindest für eure feine Bordgesellschaft. Will er jetzt auch noch auf dich verzichten?“
„Gib nicht so an, Junge! Dein verdammter Ehrgeiz hat dir schon manchen Orden eingebracht. Aber hier hält unser Weltall Dinge bereit, mit denen du nicht fertig wirst. Nicht allein, Junge.“
Spencer hatte seinen Raumanzug höchstens zehn Sekunden lang beschleunigt. Dann glitt er im freien Fall auf das Ziel zu. Dreihundert Kilometer vor dem Brocken bremste er, um sich langsam der Bewegung seines Bruders anzugleichen. Larry hatte inzwischen noch einen weiteren Versuch unternommen, näher an den Brocken heranzukommen, war aber ebenso gescheitert wie zuvor.
Nachdem lange kein Wort zwischen den Brüdern gefallen war, fragte Spencer: „Na, jetzt hast du wohl die Nase voll, oder? Dein Aggregat dürfte hinüber sein.“
Er lauschte auf eine Antwort, bekam aber keine.
„Na schön, wenn du mit deiner Sippe nicht reden willst ... Ich schieße dir jetzt meinen Ersatzapparat rüber. Pass auf!“
Spencer musste noch mehrere Richtschüsse abgeben, ehe er sich auf Kurs und Geschwindigkeit des Bruders eingestellt hatte. Larrys Raumanzug trieb mit konstanter Geschwindigkeit von dem rätselhaften Asteroiden weg. Diese Bewegung musste auf dem Stoßeffekt beruhen, den offenbar das abweisende Feld des Brockens verursachte.
Larry war jetzt keine hundert Meter mehr von ihm entfernt, trieb jedoch an ihm vorbei, ohne selbst den geringsten Handgriff für ein Anlegemanöver zu machen.
„Zum Teufel, Larry! Schläfst du? Ich bringe dir einen neuen Energieerzeuger mit!“
Larry reagierte nicht. Spencer rief die Sunflower.
„Hallo, Captain Manning! Jetzt glaube ich’s auch. Er hat den Sonnenkoller. So etwas Stures habe ich bei dem Jungen noch nicht erlebt.“
„Werden Sie nicht nervös, Doc! Vielleicht ist er ohnmächtig. Versuchen Sie, ihn abzuschleppen.“
„Okay, Captain!“
Spencer Goodwyn glitt näher an den anderen Raumanzug heran und konnte ihn schließlich mit seinem Greifwerkzeug fassen. Er drehte den Körper um seine Längsachse, bis er durch das Helmglas sehen konnte. Der Anblick ließ ihn erstarren.
„Hallo, Doc!“, drängte Manning auf der Sunflower.
„Erzählen Sie endlich, was los ist!“
„Was soll sein, Captain?“, fragte Spencer monoton. „Er ist tatsächlich ohnmächtig. Ich werde ihn zurückbringen.“
Leutnant McFee und der Maschineningenieur Romero gehörten zur ständigen Besatzung, während die Wissenschaftler quasi als Gäste an Bord waren.
„Teufel, das sieht nicht gut aus“, sagte Romero gedankenlos, als er Larry Goodwyns kalkweißes Gesicht hinter der Helmscheibe entdeckte.
„Was verstehen Sie schon davon? Los, helfen Sie ...!“
„Moment!“, sagte Spencer Goodwyn scharf, der sich gerade aus seinem Anzug geschält hatte. Sein Körper zitterte leicht. Für Sekunden schloss er die Augen, als habe er Kopfschmerzen.
„Was ist, Doc?“
„Verändern wir bitte noch nichts an Larry! Ich muss vorher mit Dr. Walter sprechen.“
Der Arzt kam. Ihm folgten der Captain, die Physikerin und der Geologe Dr. Felby. Larry Goodwyn lag in seinem Raumanzug auf dem Fußboden.
„Warum haben Sie ihm nicht wenigstens den Helm abgenommen?“, fragte Captain Manning.
„Ich will nichts falsch machen“, antwortete Spencer zögernd. „Doc Walter soll entscheiden, was zu tun ist.“
Der Arzt sah ihn fragend an. „Sie haben doch einen Grund für Ihre Vorsicht, oder? Übrigens, besonders gut sehen Sie auch nicht aus. Was ist draußen passiert?“
„Ich habe Ihnen gemeldet, dass Larry ohnmächtig ist. Doch ein paar Minuten später hörte ich seine Stimme im Kopflautsprecher. Was soll dieser Unsinn, Spencer?, fragte er mich oder so ähnlich. Ich sprach ihn sofort an, erhielt aber keine Antwort mehr. Das Gesicht hinter seinem Helmglas war nach wie vor starr. Larry konnte unmöglich zwischendurch aus der Ohnmacht erwacht sein. Dann rief ich nach Ihnen. Sie reagierten aber auch nicht.“
„Wir haben anfangs nichts gehört, wie wir Ihnen schon sagten. Treskow war immer auf Empfang. Später kam die Verbindung dann ja wieder zustande. Doch warum haben Sie von Larrys Worten nichts erwähnt?“
Spencer zuckte nur resignierend mit den Schultern. „Jeder Augenblick sieht anders aus. Ich weiß es nicht. Ich bin froh, wieder hier zu sein.“
„Sie reden, als kämen Sie direkt aus der Hölle. Was haben Sie sonst noch beobachtet?“
„Nichts, Captain. Und mir genügt’s. Larry hat noch einmal gesprochen. Das ist mir Widerspruch genug.“
„Schon gut, Spence“, sagte Doc Walter beruhigend. „Wir werden uns jetzt um den Kranken kümmern. Helfen Sie, den Anzug zu öffnen! Dann können wir Larry leichter ins Revier tragen.“
Sie lösten den Helm und die Brustverschlüsse. Durch die Plastikscheibe hatte Larry wie ein Besinnungsloser ausgesehen. Jetzt machte er den Eindruck eines Toten. Keiner wagte, den Verdacht auszusprechen, aber die Blicke der Männer verrieten, was jeder dachte.
Dr. Walter beugte sich über Larry, um dessen Augenlider anzuheben. Kaum hatte er jedoch mit dem Handteller die Stirn berührt, ging eine unheimliche Veränderung mit Larry Goodwyns Körper vor.
Der Schädel fiel plötzlich zu Staub in sich zusammen. Sekundenlang lag ein Mensch ohne Kopf vor ihnen. Dann aber fraß sich die totale Vernichtung weiter. Der Hals verschwand. Der Brustkorb fiel ein, verschwand im Nichts. Die Uniform schrumpfte wie ein Ballon, den ein Geschoss getroffen hat.
Die Auflösung schritt weiter, und nichts blieb als ein bisschen Staub …
Die Menschen erstarrten. Das Grauen schnürte ihnen die Kehle zu. Roxana Alvarado wurde ohnmächtig. Spencer konnte sie gerade noch auffangen und verhindern, dass sie mit dem Kopf auf den Boden schlug.
„Zurück!“, rief Dr. Walter, als Romero neugierig näherkam. „Ich werde diesen Staub untersuchen müssen, bevor etwas anderes damit geschieht. Ich brauche einen Geigerzähler.“
Spencer nahm das Gerät aus seinem Raumanzug. Es war aber keinerlei erhöhte Radioaktivität in der Umgebung festzustellen. Die geringen Überreste des Toten waren offenbar ungefährlich.
Dr. Walter nahm eine Probe des Staubs und ging damit ins Labor. Dr. Alvarado wurde in ihre Kabine gebracht. Spencer legte die Physikerin auf ihre Koje.
„Entschuldigen Sie, Spence. Ausgerechnet jetzt mache ich Ihnen Schwierigkeiten. Ich bin ein schlechter Kollege‟, sagte sie.
Behutsam nahm er ihre Hand.
„Ich wusste, dass er tot war, Roxana. Ja, ich glaube, ich wusste es. Auch wenn ich es nicht glauben wollte. Er hat noch einmal etwas gesagt, Roxana. Das ist teuflisch ...“
Sie sah ihn prüfend an. Ungläubig. Und schwieg.
Er sagte: „Sie brauchen mir das nicht abzunehmen. Warum auch? Keiner glaubt mir an Bord. Die Funkverbindung war ja unterbrochen ... Ich werde einen Sonnenkoller gehabt haben. Einen ganz leichten nur.“
Roxana konnte wieder aufstehen. Sie gingen zusammen in die Kommandozentrale, wo kurz darauf auch Doc Walter ein traf. Er zuckte mit den Schultern und erklärte:
„Ich kann nichts Verdächtiges feststellen. Larrys Asche ist wirklich nur Asche. Ich brauche jetzt seinen Raumanzug. Vielleicht gibt es da Indizien.“
Captain Manning gab die erforderlichen Befehle. Im Helm von Larrys Anzug fand man ein kleines Leck, das vorher nicht aufgefallen war.
„Das ist die Erklärung“, meinte Dr. Felby. Den anderen war das allerdings zu einfach.
„Das Leck kann bei der Kollision mit dem Schutzschirm des Berges entstanden sein“, überlegte Dr. Walter laut. „Die Luft entwich, und Larry musste ersticken. Etwas daran auszusetzen?“
„Eine Menge. Ein Mensch, der unter veränderten Druckverhältnissen stirbt, quillt auf oder wird zerquetscht. Larrys Körper aber war in Ordnung, als wir ihn an Bord nahmen.“
„Das heißt, es gab kein Leck, hm?“
„Nein, es gab keines. Und trotzdem ist es da ...“
„Nun, das Leck kann eigentlich erst hier bei uns entstanden sein und dürfte für Larrys Zustand im All keine Bedeutung haben. Im Übrigen brauche ich für eine brauchbare Diagnose die Leiche. Und die gibt es nicht.“