Читать книгу TERRA FUTURA - TESECO im Einsatz (5): Testflug zum Deneb - Walter Berner - Страница 5

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25 Lichtjahre vom Erdmond entfernt war es gerade Mittagszeit in Xorrian, der Hauptsiedlung Xorrs, des siebten Planeten des blauweißen Riesensterns Wega, der gleißend von einem fast weißen Himmel herunterstach und die Temperatur auf schweißtreibende 38 Grad Celsius hoch trieb.

Über dem schwer beschädigten Landefeld des kleinen Raumhafens schwebten die entfernt scheibenförmigen Silhouetten mehrerer Raumschiffe unterschiedlichster Bauart und warfen harte, schwarze Schatten auf das graue Steinmaterial des Untergrunds. Eines der im Sonnenlicht glänzenden Schiffe war der TESECO-Kreuzer PRINCESS II. Die Crew des Schiffes half beim Wiederaufbau der Sicherheitsstrukturen der durch den Angriff der schwarzen Robotschiffe der Keph'Tauren schwer zerstörten Stadt. Die Bewohner konnten sich zum Glück in die tiefen, natürlichen Kavernen unter der Stadt retten und überstanden den Angriff daher lebend. Bei einem dieser Menschen handelte es sich um Derek Mercantos, Werftleiter des Raumhafens von Xorrian und vormaliges Besatzungsmitglied der PRINCESS. Mit ein Grund, warum sich die Crew des Schiffes für diesen Einsatz vor Ort freiwillig gemeldet hatte. Sie kümmerte sich dabei vorrangig um den Wiederaufbau der örtlichen P-Sec-Zentrale, also der planetaren Sicherheit, sowie der Sicherheits-Infrastruktur und sie unterstützte die dortigen Kollegen bei ihrer täglichen Arbeit.

An Bord der PRINCESS befanden sich vier Besatzungsmitglieder, die gerade ihre Freischicht hatten. Einer von diesen kam gerade mit sehr nachdenklichem Gesicht den zentralen Antigravlift aus der Zentrale herunter geschwebt und verließ diesen auf Höhe des B-Decks. Hier befand sich neben der Medostation mit medizinischem Labor und Tiefschlafzellen auch die Bordküche nebst Speiseraum. Kaum, dass Tom Carna aus dem Lift hinaus auf den Korridor getreten war, hörte er Hanne Arminos' Stimme, die im laut klagendem Ton aus der geöffneten Tür zur Bordküche zu ihm heraus drang.

„Karin Schroeder!“, schimpfte sie, „Ich weiß nicht, ob ich den Tag verfluchen soll, an dem du an Bord kamst!“

Carna zog verwundert seine Stirn kraus und beeilte sich, in die Küche zu gehen, wo die temperamentvolle Griechin mit erhobenem Zeigefinger vor der schlanken, blonden Technikspezialsitin stand, die dabei jedoch über das ganze Gesicht grinste.

„Geht hier etwas vor sich, von dem ich als Kommandant erfahren müsste?“, fragte er die beiden Frauen streng.

Hanne Arminos fuhr herum, stemmte beide Hände in die nicht ganz so schlanken Hüften, und funkelte den Crewmaster der PRINCESS II aus braunen Augen heraus an.

„Jawoll!“, rief sie anklagend. „Sabotage! Ganz hundsgemeine Sabotage!“

„Sabotage?“, wiederholte Carna völlig perplex. Mit so einem schwerwiegenden Vorwurf hatte er nun wirklich nicht gerechnet.

„Ja, Sabotage!“, wiederholte die Astronavigationsspezialistin und zeigte dabei anklagend auf einen Teller mit schneckenförmigen Gebäckstücken, der auf einem der Küchenborde stand und einen appetitlichen Duft verströmte. „Und zwar Sabotage an meiner Figur! Seit sie an Bord ist, kocht, brät und backt sie – ohne Pause! Und alles schmeckt so verdammt gut! Ich habe schon mindestens drei Kilo zugenommen und kann nicht aufhören zu essen. Karin – ich verfluche deine Back- und Kochkünste!“

Hanne funkelte ihre Kollegin noch einmal grimmig an, griff sich dann eines der Gebäckstücke und stürmte aus der Bordküche, während ihr der Commander fassungslos hinterherschaute! Gleich darauf brach er jedoch in schallendes Gelächter aus.

„Also manchmal habe ich das Gefühl, ich befehlige eine Mannschaft von Spinnern!“, brachte er atemlos hervor und wischte sich eine Lachträne aus den Augenwinkeln. „Figuren-Sabotage … nein, so was!“

„Dabei zwingt sie doch niemand, von dem zu essen, was ich koche oder backe!“, verteidigte sich Karin mit spitzbübischem Grinsen.

„Du machst es einem aber auch nicht leicht darauf zu verzichten, so gut, wie alles schmeckt!“, versuchte Tom die Ehrenrettung seiner Astronavigationsspezialistin. „Wenn selbst unsere Chefin dir auf Grund deiner Backkünste anbietet, sie mit Vornamen anzureden ...“

„Das war ...“, begann die blonde Technikerin, doch sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu Ende zu sprechen.

Glenn Stark, der Submaster der Crew, kam mit finsterem Gesicht in die Bordküche geschlurft, und quittierte die Anwesenheit des Crewmasters und der Technikerin lediglich mit einem dumpfen „Hmmpf“, bevor er sich nach rechts wandte, eine Kurve über den mittig im Raum installierten Herd machte, und die Ausgabe der Automatenküche dahinter ansteuerte.

Tom und Karin schauten sich einen Moment lang sprachlos an, wobei der Commander ein wenig genervt seine Augen verdrehte, und Karin dem Kollegen demonstrativ „Dir auch ein fröhliches Hallo, Glenn!“ hinterher rief. Und an Tom gerichtet, meinte sie seufzend: „Mir scheint, da ist heute mal wieder jemand mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden ...“

„Nur heute?“ Der Kommandant schüttelte seine Kopf. „Nein, das geht ja nun schon fast drei Wochen so, und wird jeden Tag schlimmer ...“

„Verfluchtes Drecksteil!“, schrie der eben Kritisierte plötzlich zornig auf und hämmerte mit seiner Faust gegen die Frontplatte der Automatenküche. „Spuck' gefälligst sofort meine Bestellung aus!“

„Du meine Güte!“, entfuhr es Karin, über den unerwarteten Wutausbruch ihres Kollegen erschrocken.

Carna berührte sie kurz am Unterarm, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. „Lässt du uns mal bitte einen Moment allein? Ich denke, ich muss mal mit Glenn ein ernstes Wort reden!“

Karin nickte nur kurz verständnisvoll und wendete sich um.

„Ach ja ...“, gab ihr der Crewmaster noch mit auf den Weg, als sie schon gehen wollte, „ … würdest du bitte die Crew zusammenrufen? Sie sollen sich alle in einer Stunde in der Bordmesse einfinden. Es gibt etwas Wichtiges zu besprechen!“

„Wird gemacht, Tom … und viel Erfolg!“ Sie machte eine kurze Kopfbewegung in Richtung Glenn, dann verließ sie rasch die Bordküche. Leise zischend glitt die Tür hinter ihr zu.

Carna atmete noch einmal durch und begab sich dann zu seinem immer noch an der Automatenküche herum polternden und schimpfenden Stellvertreter hinüber. Dabei erfasste er mit einem kurzen Blick, was der Mahlzeitenautomat auf dem in Schulterhöhe befindlichen Display an Informationen ausgab.

„Fortgesetzte, nicht sinnvolle Mahlzeitenauswahl“, las der Commander dort. „MeDoc hat die Ausgabe daher verweigert, da ihre Biowerte sich in einem bedenklichen Bereich bewegen. Bitte treffen Sie eine vernünftige Auswahl. MeDoc berät Sie gern. Die aktuelle Auswahl muss vom Crewmaster bestätigt werden.“

Der Neuseeländer schüttelt unmerklich seinen Kopf, denn das passte ins negative Gesamtbild Starks, welches sich kontinuierlich von Tag zu Tag weiter verschlechterte. Doch jetzt hielt der Kommandant den Moment für gekommen, an dem er konsequent einschreiten musste.

„Glenn?“, sprach er den Kanadier in möglichst neutralem Tonfall an.

„Was?“, raunzte der ungehalten zurück und traktierte dabei die Automatenküche erneut ungehalten mit der Faust.

„Was ist los?“, fiel deshalb die Erwiderung Carnas einen Tick schärfer aus, als seine erste Ansprache.

„Der Scheiß-Kasten gibt mir nicht, was ich haben will!“, fluchte der Submaster zornig. „Das ist los!“

„Lass mich raten ...“, sagte Carna ungerührt und unbeeindruckt von dem Zornesausbruch. „Du hast entweder Pizza, Hot Dogs, Hamburger, Pommes oder andere fettige oder süße Sachen geordert. Hast du etwa die einzige Bar, die in Xorrian schon wieder auf hat, leer gefuttert? Gibt es dort überhaupt noch Wega-Ale?“

Carna schaute sein Gegenüber herausfordernd an. Eigentlich hatte Glenn in seiner Ausbildung zum TESECO-Agent gelernt, wie man mit Provokationen umgehen musste, doch davon schien nichts mehr vorhanden zu sein. Er wurde abwechselnd weiß und rot vor Zorn, und seine beiden Hände öffneten und ballten sich im Wechsel.

„Spionierst du mir etwa nach?“, presste er zischend und nur mühsam beherrscht zwischen seinen Zähnen hervor.

„Ich bitte dich, Glenn!“, antwortete Carna, um einen neutralen Tonfall bemüht. „Xorrian ist in dieser Beziehung ein Dorf! Und du bewegst dich in TESECO-Uniform durch dieses Dorf. Und dein Verhalten in der Öffentlichkeit fällt damit früher oder später auf uns zurück. So kann und wird das nicht mehr weitergehen. Du zerstörst dich langsam aber sicher selbst! Dein Verhalten ...“

„Geht dich eine gequirlte Scheiße an!“, schrie Glenn und machte mit drohenden Fäusten einen Schritt auf seinen Kommandanten zu. „Halt dich gefälligst aus meinem Leben raus, sonst …“

„GLENN, ES REICHT!“ Laut, kalt und schneidend hallten diese drei kleinen Worte Carnas durch die Bordküche der PRINCESS II, und schnitten dem Submaster des Schiffes das Wort ab. Gleichzeitig schlug der Commander krachend seine flache Hand auf die Abstellfläche der Küchenzeile zu seiner Rechten, was Stark, überrascht von Carnas kurzem, aber energischem Ausbruch, zusammenzucken ließ.

„Hör mal ...“, versuchte Glenn zu einer Art Rückzieher anzusetzen, doch Carnas ausgestreckter und erhobener Zeigefinger brachte ihn sogleich wieder zum verstummen. Dazu beitragen mochte auch der harte, unnachgiebige Gesichtsausdruck und der kalte Zorn in Carnas Augen, der förmlich daraus hervor loderte. Und so langsam dämmerte es im Hirn des Kanadiers, dass er möglicherweise zu weit gegangen sein mochte. Er ließ seine Fäuste sinken und trat schnell wieder zwei Schritte zurück, unter Carnas eisigem Blick.

„Kommandant an Bordbuch ...“, sprach der in diesem Moment in die Luft, wohl wissend, dass der Bordrechner daraufhin die folgenden Worte ins offizielle Schiffslog als außerordentlichen Eintrag vermerken würde. „Agent Glenn Stark erhält einen offiziellen Tadel und einen Eintrag in seine Personalakte wegen ungebührlichen Verhaltens einem Vorgesetzten gegenüber!“

Stark bekam große Augen, wurde leichenblass und stieß erschrocken die Luft aus, denn mit solch einer Maßnahme hatte er nun überhaupt nicht gerechnet.

„Tom … bitte ...“, begann er aufgeregt herum zu stottern. „Das … das kannst du doch nicht machen!“

„Ich kann und das war noch nicht alles!“, entgegnete der Kommandant ungerührt. Und wieder ans Bordbuch gerichtet, fuhr er fort: „Ich ordne ferner an, dass sich Agent Stark einem Counseling zu unterziehen hat, mit dem Ziel, sein psychisches Gleichgewicht und seine Belastbarkeit wiederherzustellen. Eine Verweigerung dieser Maßnahme hat automatisch die Versetzung in den Innendienst zu Folge, was auch eintritt, wenn er nicht im erforderlichen Maß am Counseling mitarbeitet. Ferner wird angeordnet, dass sich Agent Stark von MeDoc einen strikt einzuhaltenden Ernährungsplan erarbeiten lässt, um auch seinen Metabolismus in den gesundheitlich optimalen Zustand zurückzuführen. Carna – Ende!“

Die blaugrauen Augen Carnas richteten sich wieder auf den Submaster der PRINCESS II und hatten dabei wieder ein wenig von der Härte verloren, die noch bis eben seinen Blick beherrscht hatte.

Der sichtlich geschockte Kanadier musste sich am Korpus der Automatenküche abstützen und rang mühsam nach Worten.

„Tom ...“, würgte er schließlich hervor, „... Tom, nein … hör doch ...“

„Nein, du hörst zu, Glenn!“, wurde er von Carna jedoch sogleich mit strenger Stimme unterbrochen, um dann wesentlich sanfter fortzufahren: „Ich dachte wirklich, dass ich dir damals in Las Venus genügend ins Gewissen geredet und du dich danach wieder gefangen hättest. Und ja – während unseres Abenteuers mit AISCHONGAN schien es auch wirklich so zu sein. Doch da hattest du einfach nicht die Zeit, tagelang ins Grübeln zu verfallen … Nein, warte – ich rede und du hörst zu!“, rief er, als Glenn eine Zwischenbemerkung machen wollte. „Doch seit unserer Rückkehr und nach dem ganzen Ärger mit der Keph'Tauren-Flotte merkte ich mehr und mehr, dass du einfach nicht verwunden hast, Tanya nicht davon abgehalten zu haben, sich den Kindern der Sterne anzuschließen. Vor allem auch nicht, dass sie jeden Kontakt mit dir verweigert. Das nagt an dir. Es höhlt dich immer mehr aus, und du wirst langsam, aber sicher ein dumpf vor sich hingrübelnder, unangenehmer Mensch. Noch schlimmer: man kann sich nicht mehr auf dich verlassen! Du frisst unmäßig und säufst wie ein Loch, bist schlecht gelaunt und aggressiv gegen dich und andere. Doch ohne Hilfe kommst du da nicht mehr raus! Diese Hilfe wirst du jetzt verdammt noch mal annehmen! Tust du das nicht, ist kein Platz mehr für dich in dieser Crew – denn deine Unzuverlässigkeit könnte uns anderen in einer ernsthaften Situation das Leben kosten! Das kann ich als Crewmaster nicht riskieren. Und auch nicht als dein Freund … vor allem auch nicht, weil wir möglicherweise vor einer unserer größten Herausforderungen stehen und in Situationen geraten könnten, wo ich jeden von euch zu mehr als 100 % brauchen werde!“ Tom machte eine kurze Pause und schaute dabei Glenn ohne mit der Wimper zu zucken an. „Es ist deine Entscheidung ...“, schloss er dann seinen Appell an seinen Kollegen und Freund.

Der von der Figur her etwas stämmigere Kanadier atmete schwer und hielt dem prüfend-forschenden Blick Carnas einige Momente lang stand. Doch dann senkte er den Kopf und die Anspannung wich aus seinem Körper, wie Luft aus einem Ballon. Seine Schultern sackten abwärts und der Mann glich von einer Sekunde zur anderen nicht mehr einer zum Zerreißen gespannten Feder, sondern eher einem Häufchen Unglück in Person. Dann brach sich die angestaute Verzweiflung ihre Bahn. Glenn konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten und sein Körper wurden von Schluchzern geschüttelt. Spontan trat Tom an seinen Freund heran und umarmte ihn fürsorglich.

„Weiß … weißt du, dass es sich anfühlt, als wäre Tanya gestorben?“ Glenn schüttelte seinen Kopf, löste sich aus der Umarmung, und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Der Mensch, der sie war, wurde mir von den Kindern der Sterne genommen, und ich konnte sie nicht davor bewahren ...“

„Nicht immer treffen Menschen rationale Entscheidungen ...“, versuchte Carna, das Gespräch ein wenig von der emotionalen Schiene weg zu führen.

„Da steckt mehr dahinter, Tom ...“, schniefte Glenn. „Tanya ist mir regelrecht entglitten. Ihr Wesen veränderte sich in so kurzer Zeit derart dramatisch, dass es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann. Dass ich das nicht rechtzeitig gemerkt habe, das macht mich so was von fertig ...“ Dem Kanadier versagte die Stimme und er musste ein paar Mal heftig schlucken.

Der Kommandant schwieg mit verständnisvoller Miene und wartete, bis sich Glenn wieder etwas gefasst und beruhigt hatte. Dieser atmete ein paar mal tief durch und als er seinen Vorgesetzten wieder in die Augen schaute, hatte sein Blick das unstete Flackern der letzten Tage wieder verloren.

„Ich habe den Eintrag in meine Personalakte verdient, Tom!“, stellte er dann mit fester Stimme selbstkritisch fest. „Ich habe mich gehen lassen. In letzte Zeit war ich mir selbst fremd geworden, aber ohne deinen festen Arschtritt wäre ich wohl noch tiefer in mein Selbstmitleid versunken. Ohne professionelle Hilfe werde ich mit der Situation nicht fertig, das sehe ich jetzt ein. Und ich möchte auf keinen Fall in den Innendienst versetzt werden! Die PRINCESS … ihr … ihr seid meine Freunde, meine Familie! Danke, dass du mir die Pistole auf die Brust gesetzt hast!“

Carna nickte freundlich und reichte Glenn freundschaftlich die Hand, welche der sofort ergriff und den festen Händedruck erwiderte.

„Ich musste das tun, eben um dich nicht zu verlieren!“, sagte er mit Nachdruck. „Du warst an einem Punkt angelangt, wo gutes Zureden nicht mehr half. Also höchste Zeit, eine Grenzlinie zu ziehen, um wenigstens zu versuchen, dich vor deiner Selbstzerstörung zu bewahren! Und jetzt gehe in deine Kabine, mache dich etwas frisch und sei in einer Dreiviertelstunde wieder in der Bordmesse. Es gibt etwas Wichtiges zu verkünden und eine Entscheidung muss getroffen werden! Und zwar von uns alle gemeinsam!“

Die beiden Männer, Kollegen und Freunde nickten sich noch einmal zu, dann verließ Glenn die Bordküche, um seine, im nächsttiefer liegenden Deck, befindliche Kabine aufzusuchen, während Tom das tat, weswegen er eigentlich in die Bordküche gegangen war, nämlich eine Kleinigkeit zu Mittag zu essen.

Gegen 13.30 Uhr Bordzeit fand sich dann nach und nach die komplette PRINCESS-Besatzung in der Bordmesse des Schiffes ein und wartete gespannt auf die vom Commander angekündigten Neuigkeiten. Einzig Glenn fehlte noch, doch dann trat auch er in die Messe, und die Tür schloss sich hinter ihm.

„Gut, wir sind vollzählig!“, stellte der Commander fest. „Setzt dich bitte, Glenn. Nun, dann ...“

„Bitte warte, Tom!“, bat der Submaster seinen Chef. „Bevor du loslegst, möchte ich noch was los werden ...“

Carna schaute seinen Stellvertreter einen Moment lang fragend an, doch dann nickte er und gab ihm mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er das Wort hatte.

Glenn schloss kurz seinen Augen, atmete einmal tief durch und als er die Lider wieder öffnete, konnten seine Kollegen sehen, dass seine Augen feucht schimmerten.

„Ich möchte ...“, begann er mit rauer Stimme, „... nein, ich muss mich bei euch allen entschuldigen! In den letzten Tagen habe ich mich zunehmend wie ein total verblödetes Arschloch benommen. Doch ...“, fügte er etwas lauter hinzu, als leiser Widerspruch ertönte. „Doch, es ist so, war so und da gibt es nichts zu beschönigen! Die Sorge um Tanya … das hat mich aufgefressen. Ich weiß, ihr wolltet mir helfen – ihr habt es oft genug versucht. Und ich Depp habe die Hilfe überheblich abgewiesen, weil ich meinte, alleine damit fertig zu werden. Das war falsch, das sehe ich jetzt ein!“

„Hört, hört!“, rief Nomo anerkennend dazwischen.

„Tom hat mir vorhin den Kopf gewaschen ...“, fuhr Glenn fort und fuhr sich dabei passenderweise durch sein braunes Haar. „Und ich verspreche, an mir zu arbeiten, damit alles wieder ins Lot kommt! Wenn ich mich trotzdem wieder daneben benehmen sollte, dann sagt es mir! Schüttelt mich! Tretet mir in den Hintern! Schüttet mir Eiswasser über den Kopf!“

„Karin könnte ein paar Sahnetörtchen backen, die wir dir ins Gesicht kleistern!“, schlug Hanne vor. „Dann landen sie schon nicht auf meiner Hüfte!“

Glenn starrte die Griechin überrascht aus aufgerissenen Augen an, zögerte einen Moment und brach dann in schallendes Gelächter aus, in das prompt alle anderen ebenfalls einfielen.

„Da … danke Hanne!“, japste der Submaster, als er wieder Luft bekam. „Das habe ich brauchen können!“

„Nun komm schon, alter Brummbär!“, rief ihm Harriet zu. „Wir bekommen das zusammen mit dir wieder hingebogen! Und nun nimm Platz – sonst platze ich noch vor Neugier, welche unglaublichen Neuigkeiten unser allseits geschätzter Commander für uns in petto hat!“

„Das ist ja ganz was Neues ...“, feixte Glenn erleichtert, während er sich zu seinen Kollegen an den Tisch setzte. „Harriet und neugierig ...“

„He!“, protestierte die prompt. „Als wenn ihr nicht auch wissen wolltet, was unser Chef uns zu berichten hat! Also Tom, was liegt an?“

Sechs Augenpaare richteten sich auf den athletischen, schwarzhaarigen Mann am Kopfende des Tisches, der bequem in seinem Sessel lümmelte, während er mit den Fingern der rechten Hand einen schnellen Trommelwirbel auf der Tischplatte vollführte.

„Nun gut ...“, sagte der, setzte sich aufrecht hin und verschränkte seine Hände vor sich auf dem Tisch. „Vor etwas mehr als einer Stunde rief mich unser Bordgehirn in die Zentrale, weil man im HQ dringend mit mir reden wollte. Und das tat ich dann auch ...“

Er schaute leicht amüsiert in die Runde, während in der Bordmesse eine erwartungsvolle Stille herrschte.

„Du bist ein Folterknecht!“, beschwerte sich dann Harriet. „Wenn du nicht gleich mit den Neuigkeiten rausrückst, koche ich das nächste Essen!“

„Uh – lieber nicht!“, wehrte Carna diese düstere Drohung rasch ab. „Mit deiner Lasagne könntest du eine Invasion Außerirdischer abwehren! Sagt euch das Projekt „Ferne Welten“ etwas?“

Es war Karin, die sich sofort zu Wort meldete. „Und ob!“, rief sie. „Das ist das neuartige schnelle Experimentalschiff, das sie jenseits der Mondbahn gerade zusammenschrauben. Wenn man der Berichterstattung Glauben schenken kann, wird es einmal fast 100 Lichtjahre am Tag schaffen!“

„Wow – 100 Lichtjahre?“, staunte Roy Anthony nicht schlecht und zwirbelte sich dabei seinen strohblonden Schnauzbart. „Das ist ja bald zehn Mal so schnell, als die meisten Schiffe derzeit zurücklegen können. Mann, ich wusste von dem Projekt, aber dass der neue Kahn so schnell durchs All flitzen soll, war mir neu!“

„Außerdem soll das ein Riesenkreuzer werden, habe ich gehört“, meldete sich auch Nomo zu Wort. „Aber die lassen die Informationen ja immer nur portionsweise raus, damit die Sponsoren bei der Präsentation auf ihre Kosten kommen.“

„Ich bin tatsächlich schon gespannt, was als Ziel für den Erstflug vorgesehen ist“, sagte Glenn. „Doch was hat das Projekt mit uns zu tun, Chef?“

Carnas Lippen umspielte ein feines Lächeln, als er noch einmal einen bedeutungsvollen Blick in die versammelte Runde warf und dann die Katze aus dem Sack ließ.

„Der Zielstern wird Deneb, der Hauptstern im Sternbild Schwan sein … und ZENTRACOMP hat uns als Kommandocrew für den Testflug dorthin vorgeschlagen!“

Die in neutralem Ton hervorgebrachte Neuigkeit schlug ein wie eine Bombe. Carnas Crew riss fast synchron Augen und Münder auf, als der Inhalt der paar Worte ins Bewusstsein vorgedrungen war – und dann brach schlagartig ein aufgeregtes Stimmengewirr los, als die drei Männer und drei Frauen gleichzeitig los redeten:

„Ich werde verrückt!“ - „Wahnsinn ...“ - „Das darf doch nicht wahr sein!“ - „Wir? Wirklich wir sollen die Expedition befehligen?“

Dies und ähnliches konnte der Commander bunt gemischt durcheinander hören. Angesichts der Dimension des Vorschlag ZENTRACOMPS wunderte sich der smarte Neuseeländer auch nicht eine Minute über die fassungslose Reaktion seiner Leute. Also ließ er sie gewähren, bis sie sich von selbst wieder beruhigt hatten. Roy brachte schließlich die Aufregung der Crew auf den Punkt: „Warum hat ZENTRACOMP ausgerechnet uns vorgeschlagen? Ist es nicht eher ungewöhnlich, einer TESECO-Crew eine solche Aufgabe anzutragen?“

Tom lehnte sich lässig zurück, während seine Finger wieder einen Wirbel auf der Tischplatte vollführten. Das einzig sichtbare Zeiten, dass ihn die mögliche Aufgabe bei Weitem nicht so kalt ließ, wie er bemüht war, es vorzugeben.

„Aufgrund unsere Erfahrung mit Extremsituationen, wie zum Beispiel auf Flashfire im Agena-System, wenn ihr euch erinnert ...“, zählte er auf, was ihm vom HQ mitgeteilt worden war.

„Uh je – erinnere mich bloß nicht daran!“, stöhnte Hanne auf. „Ich hatte noch wochenlang Muskelkater von dieser Mörder-Wanderung quer über den Zentralkontinent. Und man warf mit einem Kopf nach mir!“

„He, übertreib' nicht!“, rief Nomo. „Der stammte schließlich bloß von einem Androiden!“

„Wie er so vor mir lag und mich aus seinen trüben Augen anstarrte, sah er immerhin ziemlich echt aus. Mir hat es gereicht! Davon abgesehen – ich glaube kaum, dass dieses Abenteuer das alleinige Kriterium darstellte, oder?“

„Nein, Hanne, du hast Recht!“, bestätigte Carna die Annahme der TESECO-Agentin. „Es wurde auch berücksichtigt, dass wir als einzige Menschen bisher selbstständig einen erfolgreichen, friedlichen Kontakt zu einer außerirdischen Zivilisation herstellt haben, nämlich AISCHONGAN. Und wir hatten zudem bereits Kontakt mit den Noraki.“

„He, die haben mich entführt!“, protestierte Roy. „Nennen die das 'Kontakt'? Oder meinten die damit, dass ihr euch Zugang zu deren geheimen Tiefseestation und der havarierten Beulenkugel verschafft habt?“

„Also, in dem Punkt ist ZENTRACOMP wohl der Gleiter durchgegangen, wenn er das als Kontakt wertet“, meinte auch Glenn kritisch.

„Wie dem auch sei, offensichtlich ist die terranische Großoptronik der Meinung, dass wir dafür geeignet seien, diese Expedition zu führen“, führte der Commander die Diskussion wieder auf das Wesentliche zurück. „Wir dürfen uns frei dazu entscheiden. Es gibt keinerlei Zwang oder Druck, da dieser Vorschlag noch nicht öffentlich gemacht wurde. Daher stelle ich euch allen die Frage, ob ...“

„Ja! Lasst uns fliegen!“, wurde er von einer enthusiastisch ihren Arm nach oben streckenden Karin Schroeder unterbrochen.

Damit hatte sie schlagartig die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Kollegen, und deren Blicke zeigten eine Mischung aus amüsierter Überraschung.

„He, was denn?“, nuschelte die Ingenieurin rot werdend hervor, und ließ dabei langsam ihre ausgestreckte Hand wieder nach unten sinken. „Wann bekommt man schon mal die Gelegenheit, ein völlig neu entwickeltes Schiff zu fliegen?“

Freundliches Gelächter pflichtete ihr bei und Hanne meinte: „Karin hat recht, Leute! Wir werden die Ersten sein, die so weit weg von der Erde in bisher unbekannte Regionen vorstoßen! Der Deneb … ein astronomisches Sahnehäubchen, den ich unbedingt mit eigenen Augen sehen will. Daher schließe ich mich Karin an, obgleich ich dadurch bestimmt weitere fünf Kilo zunehmen werde!“

Diesmal fiel das allgemeine Gelächter etwas lauter aus, was Hanne veranlasste, ihren Kollegen die Zunge herauszustrecken, doch dann fiel sie in das Lachen mit ein.

Nomo meldete sich als nächster zu Wort: „Ich möchte auch mit – und da mein Mann mir ewige Treue geschworen hat, wird er wohl oder übel ebenfalls am Flug teilnehmen müssen!“ Er zwinkerte dem Kommandanten zu und der zeigte anklagend mit dem Finger auf ihn.

„Das ist Erpressung!“, protestierte er nicht ernst gemeint, und fügte hinzu: „Aber diese Aufgabe ist so reizvoll, dass ich ungern darauf verzichten möchte.“

„Bin dabei, Leute“, schloss sich Harriet kurz und ohne Umstände an.

„Die Engländer waren schon immer ein Volk der Entdecker“, warf Roy ein. „Ich erinnere nur an James Cook. Eines meiner Lieblingsbücher in meiner Jugend war 'Mit Lichtgeschwindigkeit zu Alpha Centauri'. Werde ich also nein sagen, wenn es mit vielfacher Überlichtgeschwindigkeit zum Deneb geht? Ich sage: Nein!“

„Oh Roy!“, verdrehte Glenn seine Augen. „Weitschweifig wie immer. Ich mache es kurz: ja!“

„Na dann ...“, Tom klatschte mit beiden Händen flach auf den Tisch und erhob sich. „Damit hätten wir ein einstimmiges Votum: wir machen mit! Das heißt, unser Einsatz auf Xorr ist hiermit beendet. Wir brechen in einer Stunde nach Hause auf und melden uns zum Trainingscamp für den Einsatz. Ich werde umgehend das HQ informieren. Besatzung – weggetreten!“

Der PRINCESS-Kommandant sah zu, wie sich seine Leute sich aufgeregt unterhaltend erhoben, um die Bordmesse zu verlassen. Einzig Glenn blieb noch ein wenig mit nachdenklicher Miene sitzen, bis Carna sich erhob, zu seinem Stellvertreter ging und ihm die Hand auf die Schulter legte. Glenn hob seinen leicht rundlichen Kopf und schaute Carna aus seinen braunen Augen heraus an.

„Jetzt ist mir natürlich klar, warum du dich unbedingt und bedingungslos auf mich verlassen können musst ...“, sagte er leise. „Und ich schwöre dir: das kannst du auch! Ich bringe mein Leben wieder auf die Reihe und fange mit dem Counseling an, sowie wir wieder auf dem Mond sind!“

Carna fixierte den 34-jährigen Kanadier einen langen Moment mit dem Blick aus seinen blauen Augen, dann klopfte er ihm auf die Schulte.

„Nichts anderes wollte ich von dir hören, Alter!“, erwiderte er freundlich. „Nichts anderes!“

TERRA FUTURA - TESECO im Einsatz (5): Testflug zum Deneb

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